Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer als Teil des Schadensersatzanspruchs einer Behörde
Leitsatz (amtlich)
Zahlt die zuständige Behörde wegen der Reparatur einer Schutzplanke der Bundesautobahn Umsatzsteuer an eine Fachfirma, steht ihr ein Schadensersatzanspruch auch in Höhe des der Bundesrepublik Deutschland zufallenden Umsatzsteueranteils zu.
Normenkette
GG Art. 106 Abs. 3; UStG § 1 Abs. 1, § 13a Abs. 1 Nr. 1; BGB § 823
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Kaiserslautern v. 16.3.2004 aufgehoben und das Urteil des AG Rockenhausen v. 9.9.2003 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an das klagende Land 273,14 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.4.2003 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Im Mai 2002 verursachte der Fahrer eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs einen Auffahrunfall, bei dem u.a. eine Schutzplanke der Bundesautobahn A 63 beschädigt wurde. Mit der Reparatur der Planke beauftragte der Landesbetrieb Straßen und Verkehr Rheinland-Pfalz eine Fachfirma. Diese berechnete ihre Leistungen mit einem Betrag von 3.940,80 EUR, in dem ein Mehrwertsteueranteil von 543,56 EUR enthalten war. Der gesamte Betrag wurde auf Veranlassung des Landesbetriebs Straßen und Verkehr gezahlt. Den Mehrwertsteueranteil führte die Fachfirma anschließend an das zuständige Finanzamt ab. Davon flossen der Bundesrepublik Deutschland 50,25 %, also 273,14 EUR zu. Bis auf diesen Mehrwertsteuerteilbetrag hat die Beklagte den an die Fachfirma bezahlten Gesamtbetrag erstattet.
Das klagende Land macht den nicht erstatteten Mehrwertsteuerteilbetrag geltend. Das AG hat die Klage abgewiesen; die Berufung blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt das Land sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in DAR 2004, 275 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, das Land sei zwar auf Grund der ihm nach Maßgabe der Art. 90 Abs. 2, 85 GG übertragenen Aufgaben grundsätzlich befugt, aus der Beschädigung einer Bundesautobahn resultierende Schadensersatzansprüche der Bundesrepublik Deutschland im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen. Es könne aber von der Beklagten, die gem. § 3 PflVG für die Folgen des Verkehrsunfalls einstandspflichtig sei, einen Ausgleich des der Bundesrepublik Deutschland zufließenden Mehrwertsteueranteils nicht verlangen, weil ansonsten eine nicht gerechtfertigte, über den Schadensausgleich hinausgehende Besserstellung des Geschädigten vorläge.
Führe ein schadenstiftendes Ereignis auf Seiten des Geschädigten auch zu Vorteilen, seien diese auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, wenn ein adäquater Ursachenzusammenhang bestehe, die Anrechnung des Vorteils dem Zweck des Schadensersatzes entspreche und den Schädiger nicht unbillig entlaste. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Die Beauftragung der Fachfirma mit der Beseitigung des Schadens an der Autobahnschutzplanke und die Begleichung der Rechnung einschließlich der Umsatzsteuer durch den Landesbetrieb führten als Folge des Verkehrsunfallereignisses zur Vereinnahmung des Umsatzsteueranteils durch den Bund. Daher bestehe Kongruenz zwischen dem Vorteil in Form des Umsatzsteuermehraufkommens und dem Schaden. Es sei nicht erkennbar, warum die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Umsatzsteuerzuflusses besser gestellt werden sollte als eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts, die sich als Geschädigter einen Steuervorteil grundsätzlich anrechnen lassen müsse.
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht und die Beklagte stellen nicht in Frage, dass der von der Beklagten zu leistende Schadensersatz grundsätzlich auch die von dem Geschädigten für die Wiederherstellung der Schutzplanke aufgewendete Umsatzsteuer einschließt (§ 249 S. 2 BGB a.F.). Entgegen deren Auffassung muss sich das klagende Land jedoch nicht den Umsatzsteueranteil der Bundesrepublik Deutschland im Wege des Vorteilsausgleichs auf die geltend gemachte Schadensersatzforderung anrechnen lassen.
a) Die im Bereich des Schadensersatzrechts entwickelten Grundsätze der Vorteilsausgleichung beruhen auf dem Gedanken, dass dem Geschädigten in gewissem Umfang diejenigen Vorteile zuzurechnen sind, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen. Es soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde; andererseits sind nicht alle durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, sondern nur solche, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, d.h. dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (vgl. Senatsurteile BGHZ 8, 325 [328 f.]; BGHZ 54, 269 [272]; BGH v. 16.5.1980 - V ZR 91/79, BGHZ 77, 151 [153 f.] = MDR 1980, 919; v. 17.5.1984 - VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206 [209 f.] = MDR 1984, 833). Die Rechtsprechung hat daher die Anrechnung eines Vorteils davon abhängig gemacht, ob sie im Einzelfall nach Sinn und Zweck des Schadensersatzrechts unter Berücksichtigung der gesamten Interessenlage der Beteiligten nach Treu und Glauben dem Geschädigten zugemutet werden kann. Dieses wertende Merkmal ist für die Frage, ob ein Vorteil anzurechnen ist oder dem Schädiger zugute kommen soll, das entscheidende Kriterium (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1978 - VI ZR 218/76, VersR 1979, 323 [324], insoweit nicht abgedr. in BGHZ 73, 109). Danach sind nach der Rechtsprechung des BGH nur diejenigen Vorteile als anrechenbar in Betracht zu ziehen, die mit dem Nachteil in einem Zusammenhang stehen, der beide, Vorteil und Nachteil, gewissermaßen zu einer Rechnungseinheit verbindet (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1978 - VI ZR 218/76, VersR 1979, 323 [324]; v. 16.5.1980 - V ZR 91/79, BGHZ 77, 151 [154] = MDR 1980, 919; v. 17.5.1984 - VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206 [210] = MDR 1984, 833; v. 6.6.1997 - V ZR 115/96, BGHZ 136, 52 [54 f.]).
Ausgehend von diesen Grundsätzen muss sich der Geschädigte grundsätzlich ersparte Steuern auf seinen Schadensersatzanspruch anrechnen lassen (vgl. BGH v. 15.11.1994 - VI ZR 194/93, BGHZ 127, 391 [393] = MDR 1995, 155; v. 24.9.1985 - VI ZR 65/84, MDR 1986, 218 = VersR 1986, 162 [163]; v. 28.4.1992 - VI ZR 360/91, MDR 1993, 126 = VersR 1992, 886 [887 f.]; BGHZ 53, 132 [134]; v. 6.10.1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 [347] = MDR 1981, 648). Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG besteht und der Geschädigte deshalb berechtigt ist, die ihm in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer von seiner eigenen Umsatzsteuerschuld abzusetzen und damit seine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Finanzamt um diesen Betrag zu verringern (vgl. BGH, Urt. v. 6.6.1972 - VI ZR 49/71, VersR 1972, 973 [974]; Urt. v. 22.5.1989 - X ZR 25/88, UR 1990, 128 = NJW-RR 1990, 32 [33]).
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Beklagten kann aus diesen Entscheidungen allerdings nicht gefolgert werden, dass der der Bundesrepublik Deutschland wegen der Instandsetzung der Schutzplanke zufallende Mehrwertsteueranteil von dem Schadensersatzanspruch abzuziehen ist, den das klagende Land im Wege der Prozessstandschaft geltend macht (a.A. Schwab, SVR 2004, 35 und 88; Halm, DAR 2004, 298; vgl. auch OLG Brandenburg NJW-RR 2002, 1245). Vielmehr kann nach den oben dargelegten Grundsätzen ein Vorteilsausgleich nur stattfinden, wenn der Geschädigte auf Grund des Schadensfalls einen Vorteil erhält, den er ohne diesen nicht hätte beanspruchen können und der sich so in seinem Vermögen niederschlägt, dass sich die endgültige Schadensbilanz in Höhe dieses Vorteils verringert. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.
Zwar ist hier infolge des Unfalls die Umsatzsteuer - ebenso wie bei anderen Geschädigten, die den Schaden durch eine Fachfirma ersetzen lassen - tatsächlich angefallen, weil die Leistung der Fachfirma der Umsatzsteuer unterlag (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Auch wenn die Pflicht des Unternehmers, diese an das Finanzamt abzuführen (vgl. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG), ebenfalls adäquat kausal durch den Verkehrsunfall verursacht war, kann dennoch eine Anrechnung im Wege des Vorteilsausgleichs nicht erfolgen. Nach § 1 Abs. 1 UStG fällt die Umsatzsteuer grundsätzlich an, wenn Leistungen durch einen Unternehmer ausgeführt werden. Diese Besteuerung des Umsatzes als eines wirtschaftlichen Verkehrsvorgangs dient wie andere Steuerarten der Deckung des Finanzbedarfs der öffentlichen Haushalte (Bund, Länder und Gemeinden). Nach ihrem Sinn und Zweck soll sie dem Staat aus jedem umsatzsteuerpflichtigen Vorgang Einnahmen erbringen, um seine Aufgaben erfüllen zu können.
Von daher erlangt die geschädigte Bundesrepublik Deutschland bei Erstattung der Umsatzsteuer durch die Beklagte unmittelbar keinen Vorteil, weil die Umsatzsteuer tatsächlich an den beauftragten Unternehmer bezahlt wurde. Insoweit werden ihr nur die entstandenen Kosten - wie bei jedem anderen Geschädigten - als Ausgleich für den entstandenen Schaden ersetzt.
Soweit sie infolge der Reparatur ihres beschädigten Eigentums in Gestalt ihres Umsatzsteueranteils einen mittelbaren Vorteil erlangt, kann dies ebenfalls nicht zu einer Anrechnung im Wege des Vorteilsausgleichs führen. Während der Schaden im Bereich der Straßenbaulast aufgetreten ist und sich dort vermögensmäßig in voller Höhe einschließlich der Umsatzsteuer zum Nachteil der Geschädigten ausgewirkt hat, erfolgt der durch Abführung der Umsatzsteuer verursachte Vermögenszuwachs in einem ganz anderen Bereich, nämlich dem des Steueraufkommens, das der geschädigten Bundesrepublik Deutschland nach dem Willen des Gesetzgebers unabhängig davon zusteht, auf welchen Vorgang das umsatzsteuerpflichtige Geschäft zurückzuführen ist. Insoweit besteht, wenn der Staat in seiner Eigenschaft als Eigentümer geschädigt worden ist, der Sache nach kein Unterschied zu anderen Schäden, die zu einer Reparatur durch eine Fachfirma und damit zu einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung eines Unternehmers führen. Die Umsatzsteuer fällt in Folge der Leistung des Werkunternehmers an und steht dem Staat deshalb steuerrechtlich zu. Aus diesem Grund ist im Streitfall eine Schadensbilanzierung dahin, dass der Schaden sich in Höhe des Umsatzsteueranteils der Bundesrepublik Deutschland verringere, nicht möglich. Der Fall liegt insofern anders als in den oben erwähnten Sachverhalten, in denen durch den Schadensfall eine an sich geschuldete Steuer weggefallen oder gemindert worden ist.
2. Der Anspruch auf die Zinsen folgt aus § 288 Abs. 1 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1248756 |
BFH/NV Beilage 2005, 54 |
UR 2005, 154 |
NJW 2004, 3557 |
NWB 2004, 4144 |
BGHR 2005, 160 |
MDR 2005, 145 |
NZV 2005, 39 |
VRS 2004, 401 |
VersR 2004, 1468 |
ZfS 2005, 124 |
IVH 2004, 273 |
JWO-VerkehrsR 2004, 345 |
KommJur 2005, 77 |
NJW-Spezial 2005, 17 |
SVR 2005, 108 |
SVR 2005, 23 |
VRA 2004, 203 |
ZGS 2004, 430 |
r+s 2005, 125 |
BFH/NV-Beilage 2005, 54 |
JT 2005, 70 |