Schadensersatz des GmbH-Alleingesellschafters bei Mietmangel
Hintergrund
Die Klägerin (GmbH - Muttergesellschaft) ist Alleingesellschafterin einer gemeinnützigen GmbH (Tochtergesellschaft) und Projektentwicklerin für Bildungsmaßnahmen. Sie mietete Büroräume von der Beklagten an, um dort Schulungen durchzuführen zu lassen. Die Tochtergesellschaft war von der öffentlichen Auftragsverwaltung mit der Durchführung von Schulungen beauftragt worden. Sie wiederum gab diesen Auftrag an die Klägerin (ihre Muttergesellschaft) im Rahmen einer Unterbeauftragung weiter. Der zwischen der Tochtergesellschaft und der Klägerin geschlossene Schulungsvertrag sah vor, dass die Klägerin für die Durchführung der Schulungen eine festgelegte Vergütung von der Tochtergesellschaft erhält. Darüber hinaus war auch ein außerordentliches Kündigungsrecht der Tochtergesellschaft vorgesehen, wenn Schulungsmaßnahmen in einem bestimmten Umfang über einen bestimmten Zeitraum von der Klägerin nicht erbracht werden. In diesen Fällen sah der Schulungsvertrag auch eine Vertragsstrafenklausel zu Lasten der Klägerin vor.
Mitte Oktober 2016 rügte die Tochtergesellschaft gegenüber der Klägerin den Ausfall von Schulungen. Die Klägerin reklamierte daraufhin gegenüber der Hausverwaltung der Beklagten eine zu niedrige Raumtemperatur in den Schulungsräumen und forderte diese unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung auf. In der Folge kündigte die Tochtergesellschaft der Klägerin den Schulungsvertrag außerordentlich mit der Begründung des Ausfalls von Schulungen, weil die Räume nicht ausreichend beheizbar waren.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin gegenüber der Beklagten Schadensersatz für die mangelbedingt ausgefallenen Schulungen und in der Folge unterbliebener Zahlungen ihrer Tochtergesellschaft geltend. Darüber hinaus verlangte sie Schadensersatz für die Freistellung von der Vertragsstrafe.
- Der BGH stellt zunächst klar, dass es bei der Durchführung eines Gesamtvermögensvergleichs für die Berechnung des Schadensersatzes grundsätzlich auf das Vermögen des Geschädigten, nicht aber dasjenige Dritter ankommt. Gesellschaft und Gesellschafter sind hierbei regelmäßig als im Rahmen der schadensrechtlichen Beurteilung selbständige Zuordnungssubjekte zu behandeln. Daher wäre im vorliegenden Fall nur die Vermögenslage der Klägerin maßgeblich.
- Ausdrücklich verweist der Senat auf das so genannte Trennungsprinzip gem. § 13 Abs. 1 und 2 GmbHG. Danach sind die Vermögensmassen der Tochtergesellschaft und der Klägerin (als deren Alleingesellschafterin) streng zu unterscheiden. Es sei damit für die Frage des Vorliegens eines Schadens der Klägerin unerheblich, ob der Tochtergesellschaft ebenfalls ein Schaden entstanden ist.
- Unter bestimmten Umständen lässt der BGH eine Durchbrechung des Trennungsprinzips zu: Nämlich dann, wenn ein Alleingesellschafter von einem Dritten schuldhaft geschädigt wird und der Schaden an seinem „Sondervermögen“ – dem seiner Gesellschaft – eintritt. Hier kann bei der Bemessung des Schadens des Alleingesellschafters der bei der Gesellschaft entstandene Schaden als Passivposten des Gesellschaftsvermögens in die Schadensberechnung über das Vermögen des Alleingesellschafters einbezogen werden.
- Aus dieser Rechtsprechung kann aber nach Ansicht des Senats – und damit anders als das KG Berlin angenommen hatte - nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass ein Schaden des Alleingesellschafters einer GmbH ausscheide, wenn kein entsprechender Schaden im Gesellschaftsvermögen der (Tochter-) GmbH eingetreten sei.
- Bei einem Schadensersatzanspruch des Mieters, der Alleingesellschafter einer GmbH ist und der auf einen Mietmangel gestützt wird, kommt es also auch dann nur auf seine Vermögenslage und nicht auf die "seiner" GmbH an, wenn der Schaden aus einem Auftragsverhältnis resultiert, bei dem die (Tochter-) GmbH Auftraggeberin und der Alleingesellschafter Auftragnehmer ist. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn es sich bei der Tochtergesellschaft um eine gemeinnützige GmbH handelt.
Praxishinweis
Der BGH erteilt den Schlussfolgerungen des KG eine deutliche Absage. Einmal mehr macht der Senat deutlich, dass die Unabhängigkeit der Rechtsträger und die verschiedenen Vermögensmassen von GmbH und ihrem Gesellschafter – sei es auch nur eine Alleingesellschafterin – bei einer Prüfung von Schadensersatzansprüchen beachtet werden müssen.
Bei der Vertragsstrafe hätte die Beklagte auch einwenden können, dass die an die Tochtergesellschaft gegebenenfalls zu leistende Vertragsstrafe das Vermögen der Klägerin im Ergebnis nicht belastet. Für die Praxis wären Ausführungen zu der Frage der Vorteilsausgleichung in dieser Konstellation interessant gewesen. Diese Frage brauchte der BGH allerdings nicht zu entscheiden, da von der Beklagten hierzu nichts vorgetragen wurde.
Die Grundsätze zur Schadensberechnung dürften auch in anderen Konstellationen, in denen kein Auftragsverhältnis und Mietverhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft vorliegt, Geltung beanspruchen. Bei einer Alleingesellschafterin (ebenfalls eine juristische Person) und Muttergesellschaft muss nicht zwangsläufig auch ein Schaden bei der Tochtergesellschaft vorliegen, damit diese Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Diese Klarstellung ist eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung zum Schadensersatzrecht in gesellschaftsrechtlichen Konstellationen, in denen eine Tochtergesellschaft lediglich eine Muttergesellschaft und Alleingesellschafterin hat.
Bei der Geltendmachung der Vertragsstrafe dürfte auch der Hinweis des Senats zu beachten sein, dass im Rahmen eines Gesamtvermögensvergleichs u.U. eine Anrechnung im Wege des Vorteilsausgleichs und damit eine Schadensminderungspflicht vorliegen kann.
(BGH, Urteil v. 29.6.2022, XII ZR 6/21)
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