Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlungsanspruch von Eltern, die Geld auf Konten der minderjährigen Kinder zur Steuerersparnis "parkten"
Leitsatz (amtlich)
1. § 676a BGB hindert Kreditinstitute nicht daran, sich rechtsgeschäftlich zum Abschluss von Überweisungsverträgen und zur Durchführung von Überweisungen zu verpflichten.
2. Zum Rückzahlungsanspruch von Eltern, die Geld auf Konten ihrer Kinder überwiesen haben, um die Besteuerung der Kapitalerträge zu vermeiden.
Normenkette
AO § 39; BGB §§ 181, 676a, 812
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 24. Zivilsenats in Darmstadt des OLG Frankfurt v. 9.5.2003 wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, die Anträge der Kläger, die Guthaben der bei der Beklagten unter den Nummern ... (Inhaber: F. M.) und ...(Inhaber: D. M.) geführten Konten auf das ebenfalls bei ihr geführte Konto mit der Nummer ... (Inhaber: Eheleute P. M. und E.M.) zu überweisen, anzunehmen und die Überweisungen auszuführen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die 1997 bzw. 1999 geborenen Kläger nehmen, vertreten durch ihre Eltern, die beklagte Bank auf Überweisung gekündigter Spareinlagen auf ein Konto ihrer Eltern in Anspruch.
Jeder Kläger ist Inhaber eines von seinen Eltern bei der Beklagten für ihn eingerichteten Sparkontos, das für seine Rechnung geführt wird und über das jeder Elternteil allein verfügungsberechtigt ist. Im September 1999 überwiesen die Eltern von eigenen Konten auf das Konto des Klägers zu 1) 60.886,72 DM und auf das des Klägers zu 2) 96.833,81 DM. In Sparurkunden vereinbarten die Parteien einen Festzinssatz bis zum 31.3.2000 und die anschließende Verfügbarkeit der Kontoguthaben nach fristgerechter Kündigung.
Nach ordnungsgemäßer Kündigung wiesen die Kläger, vertreten durch ihre Eltern, die Beklagte vergeblich an, die Guthaben auf ein Konto ihrer Eltern zu überweisen. Sie machen geltend, ihre Eltern hätten das Geld in der irrigen Annahme, die Kapitalertragsteuer sparen zu können, auf ihre - der Kläger - Konten überwiesen. Sie hätten ihnen das Geld nicht schenken wollen, sondern sich vorbehalten, jederzeit darüber verfügen zu können. Gemäß § 812 BGB seien sie - die Kläger - zur Rücküberweisung des von ihren Eltern ohne Rechtsgrund geleisteten Geldes verpflichtet. Die Beklagte trägt demgegenüber vor, die Eltern hätten den Klägern die überwiesenen Beträge unentgeltlich und endgültig überlassen. Die Rückübertragung erfordere die Mitwirkung eines Ergänzungspflegers.
Das LG hat die Klage auf Überweisung der Guthaben der Sparkonten der Kläger i.H.v. 59.530,88 DM und 99.782,25 DM auf ein Konto der Eltern abgewiesen (WM 2002, 1604 f.). Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben (OLG Frankfurt v. 9.5.2003 - 24 U 128/01, OLGReport Frankfurt 2003, 352 = WM 2003, 2092 f. = ZIP 2003, 1390 ff. = BKR 2003, 999 f.). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Anspruch der Kläger auf Ausführung der Überweisungen ergebe sich aus der in den Sparurkunden getroffenen Vereinbarung, dass zum Ende der Festzinsvereinbarung nach fristgerechter Kündigung über die Guthaben verfügt werden könne. Die Pflicht der kontoführenden Bank, Verfügungen des Kontoinhabers auszuführen, werde durch § 676a BGB, der den Überweisungsauftrag nicht mehr als Weisung, sondern als Vertrag ausgestalte, nicht berührt. Allerdings sei die Beklagte zur Eingehung eines Überweisungsvertrages nur in den Grenzen des gewöhnlichen Zahlungsverkehrs verpflichtet.
Diese Grenzen seien nicht wegen des Verdachts, die Eltern missbrauchten ihre Vertretungsmacht zum Nachteil der Kläger, überschritten. Dieser Verdacht sei nicht begründet, weil das für die Kläger angelegte Geld aus dem Vermögen ihrer Eltern stamme und ihnen nicht etwa von dritter S. geschenkt worden sei. Die Einzahlung des Geldes auf Konten, die auf die Namen der Kläger eingerichtet worden seien, sei aus praktischer Sicht bedeutungslos, da die Vermögensinteressen von Kindern zwangsläufig durch ihre Eltern wahrzunehmen und in aller Regel mit deren Vermögensinteressen identisch seien.
Die Überweisungsaufträge seien auch nicht gem. § 181, § 1797 (richtig: § 1795) Abs. 2 BGB unwirksam. Der Auftrag, einen Geldbetrag zu überweisen, führe im Fall seiner Annahme nicht zu einem Rechtsgeschäft zwischen den Eltern als Vertretern und den Klägern als Vertretenen, sondern zu einem Vertrag zwischen den Klägern und der Beklagten.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
1. Die Kläger haben gegen die Beklagte auf Grund der in den Sparurkunden getroffenen Vereinbarung i.V.m. § 676a Abs. 1 S. 1 BGB Anspruch auf Abschluss von Überweisungsverträgen und Ausführung der begehrten Überweisungen. Die Auslegung der Sparurkunden durch das Berufungsgericht, dass sich die Beklagte zur Eingehung von Überweisungsverträgen und zur Ausführung der Überweisungen verpflichtet hat, ist rechtsfehlerfrei und wird von der Revision nicht angegriffen. Sie führt nicht dazu, dass Sparkonten zu Zwecken des Zahlungsverkehrs genutzt werden können, sondern betrifft nur die Art und Weise, in der die Kontoinhaber nach Beendigung der Sparverträge über ihre Guthaben verfügen können.
Der Auslegung durch das Berufungsgericht steht § 676a BGB nicht entgegen, der gem. Art. 228 Abs. 2 EGBGB anwendbar ist, weil mit der Abwicklung der begehrten Überweisungen vor dem 1.1.2002 nicht begonnen worden ist (vgl. Gössmann/van Look, WM 2000 Sonderbeilage 1, S. 13 f.; Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl,. Art. 228 EGBGB Rz. 2 f.). Nach § 676a Abs. 1 BGB erfolgen Banküberweisungen auf Grund von Überweisungsverträgen, zu deren Abschluss Kreditinstitute nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht verpflichtet sind (Begr.RegE ÜG, BT-Drucks. 14/745, 19; vgl. zu der hier unerheblichen Streitfrage eines Kontrahierungszwangs: Langenbucher, in: Langenbucher/Gössmann/Werner, Zahlungsverkehr, § 1 Rz. 28 ff. m.w.N.), und die sie bis zum Beginn der Ausführungsfrist ohne Angabe von Gründen kündigen können (§ 676a Abs. 3 S. 1 BGB). Diese Regelungen hindern Kreditinstitute indes nicht daran, sich rechtsgeschäftlich zum Abschluss von Überweisungsverträgen und zur Durchführung von Überweisungen zu verpflichten (vgl. Feldhahn, Die Bankenhaftung des neuen Überweisungsrechts, S. 39 f.; Langenbucher in Langenbucher/Gössmann/Werner, Zahlungsverkehr, § 1 Rz. 31).
Dass die Kläger die Beklagte konkludent nicht nur auf Abschluss von Überweisungsverträgen, sondern zugleich auf Ausführung der Überweisungen als der auf Grund der Überweisungsverträge geschuldeten Leistungen in Anspruch nehmen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
2. Die Kläger sind bei der Abgabe der Anträge auf Abschluss der Überweisungsverträge wirksam durch ihre Eltern vertreten worden (§ 1629 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 BGB).
a) Die Vertretungsmacht der Eltern war nicht gem. § 1629 Abs. 2 S. 1, § 1795 Abs. 2, § 181 BGB ausgeschlossen. Da der Überweisungsvertrag mit der Beklagten als Überweisungsbank, nicht aber mit den Eltern als Überweisungsempfängern zu schließen ist, fällt er nicht in den Anwendungsbereich des § 181 BGB. Diese Vorschrift gilt für Überweisungen des Vertreters des Kontoinhabers auf ein Konto des Vertreters weder unmittelbar noch analog (BGH, Urt. v. 27.3.1958 - II ZR 31/57, WM 1958, 552 [553]; Beschl. v. 25.2.1982 - III ZR 188/81, WM 1982, 549).
b) Die Eltern sind auch nicht durch § 1641 S. 1 BGB gehindert, namens ihrer Kinder Überweisungsaufträge zu erteilen. § 1641 S. 1 BGB erfasst nur Rechtsgeschäfte zwischen Kindern als Schenkern und den Beschenkten (vgl. Huber in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1641 Rz. 7; Erman/Michalski, BGB, 11. Aufl., § 1641 Rz. 1; Bamberger/Roth/Veit, BGB, § 1641 Rz. 3 m.w.N.), schränkt aber, anders als etwa § 1643 Abs. 1 BGB, § 1822 Nr. 8 BGB (vgl. hierzu Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl,. Rz. 168; Schramm in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 32 Rz. 17), im Außenverhältnis zur Bank die Vertretungsmacht der Eltern zum Abschluss eines Überweisungsvertrages nicht ein.
c) Es liegt auch kein objektiv evidenter Missbrauch der elterlichen Vertretungsmacht vor, der zur Folge hätte, dass die Kläger die Überweisungsaufträge nicht gegen sich gelten lassen müssen und nach Eintritt der Volljährigkeit erneut die Auszahlung der Sparguthaben an sich verlangen können.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat grundsätzlich der Vertretene das Risiko eines Vollmachtsmissbrauchs zu tragen; den Vertragspartner trifft keine Prüfungspflicht, ob und inwieweit der Vertreter im Innenverhältnis gebunden ist, von seiner nach außen unbeschränkten Vertretungsmacht nur begrenzten Gebrauch zu machen. Der Vertretene ist gegen einen erkennbaren Missbrauch der Vertretungsmacht im Verhältnis zum Vertragspartner nur dann geschützt, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, so dass beim Vertragspartner begründete Zweifel bestehen müssen, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliege. Notwendig ist dabei eine massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs (BGH v. 25.10.1994 - XI ZR 239/93, BGHZ 127, 239 [241] = MDR 1995, 389; Urt. v. 28.4.1992 - XI ZR 164/91, MDR 1992, 1145 = WM 1992, 1362 [1363]; v. 19.4.1994 - XI ZR 18/93, MDR 1994, 1195 = WM 1994, 1204 [1206]; v. 29.6.1999 - XI ZR 277/98, MDR 1999, 1279 = WM 1999, 1617 [1618]).
Diese Voraussetzungen, deren Feststellung als tatrichterliche Würdigung im Revisionsverfahren nur beschränkt überprüfbar ist (BGH, Urt. v. 29.6.1999 - XI ZR 277/98, MDR 1999, 1279 = WM 1999, 1617 [1618]), hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Die begehrten Überweisungen verstoßen nicht evident gegen Bindungen, denen die Eltern im Innenverhältnis zu den Klägern unterliegen (vgl. für Überweisungen des Vertreters des Kontoinhabers auf ein eigenes Konto des Vertreters: BGH, Beschl. v. 25.2.1982 - III ZR 188/81, WM 1982, 549). Nach dem Vortrag der Kläger dienen die Überweisungen der Erfüllung eines Anspruches ihrer Eltern gem. § 812 Abs. 1 S. 1, § 818 Abs. 1 BGB. Unter dieser Voraussetzung wäre sogar eine unmittelbare Übereignung des Geldes von den Klägern an ihre Eltern von deren Vertretungsmacht gedeckt, da § 1629 Abs. 2 S. 1, § 1795 Abs. 2, § 181 BGB Rechtsgeschäfte, die ausschließlich der Erfüllung einer Verbindlichkeit dienen, zulässt.
Ein Missbrauch der Vertretungsmacht läge nur vor, wenn der Vortrag der Kläger unrichtig wäre, weil die Überweisungen der Eltern auf die Konten der Kläger Schenkungen waren und deshalb mit Rechtsgrund erfolgten. Dies war aber nicht objektiv evident. Das Berufungsgericht hat, anders als die Revision meint, eine Schenkung der Eltern nicht festgestellt. Es geht lediglich davon aus, dass das eingezahlte Geld aus dem Vermögen der Eltern stammt, trifft aber keine Feststellungen zu einem den Einzahlungen zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und den Klägern.
Eine Schenkung kann entgegen Klein/Meinhardt BKR 2004, 180, 182 auch nicht deshalb mit Evidenz angenommen werden, weil die Eltern durch die Einzahlung des Geldes auf Konten ihrer Kinder ihre Einkommensteuer vermindern wollten. Diese Zielsetzung spricht zwar dafür, dass die Kläger - wie zwischen den Parteien ohnehin unstreitig ist - materiell-rechtlich Inhaber der Sparkonten und der Einlagenforderungen gegen die Beklagte werden sollten. Sie rechtfertigt aber auch unter Berücksichtigung des § 39 AO sowie der Angaben der Eltern zu § 8 GwG nicht mit Evidenz die Annahme, dass die Kläger und ihre Eltern sich über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig waren (§ 516 Abs. 1 BGB). Die steuer- und strafrechtlichen Folgen einer ohne zu Grunde liegende Schenkung erfolgten Einzahlung der Eltern auf die Konten der Kläger bedürfen in diesem Zusammenhang keiner näheren Beurteilung, weil sie am Rückzahlungsanspruch der Eltern nichts ändern.
3. Die Beklagte kann den Abschluss der Überweisungsverträge und die Ausführung der Überweisungen auch unter keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt verweigern. Nach dem Prinzip der formalen Auftragsstrenge (vgl. zum alten Überweisungsrecht: BGH v. 5.5.1986 - II ZR 150/85,BGHZ 98, 24 [31] = MDR 1986, 824; Urt. v. 31.1.1972 - II ZR 145/69, WM 1972, 308 [309]; v. 11.3.1976 - II ZR 116/74, WM 1976, 904 [905]; zum neuen Überweisungsrecht: Grundmann, WM 2000, 2269 [2277 f.]; Langenbucher in Langenbucher/Gössmann/Werner, Zahlungsverkehr, § 1 Rz. 43; Nobbe, WM 2001 Sonderbeilage 4, 8 [10]) darf sie die den Überweisungen zu Grunde liegenden Valutaverhältnisse, d.h. die Rechtsverhältnisse zwischen den Klägern und ihren Eltern, nicht beachten. Die Minderjährigkeit der Kläger führt entgegen der Auffassung der Revision zu keiner anderen Beurteilung. Minderjährige sind dadurch geschützt, dass sie im Rechtsverkehr nicht selbst, sondern nur durch ihre gesetzlichen Vertreter handeln können. Die gesetzliche Vertretungsmacht unterliegt beim Abschluss von Überweisungsverträgen, anders als bei anderen Rechtsgeschäften (vgl. § 1629 Abs. 2 S. 1, § 1795 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB, § 1643 Abs. 1 i.V.m. § 1821, § 1822 Nr. 1, 3, 5, 8-11 BGB, § 1643 Abs. 2 BGB) keinen Beschränkungen. Ein evidenter Missbrauch der Vertretungsmacht liegt - wie dargelegt - nicht vor. Die weiter gehende Überprüfung des Handelns eines gesetzlichen Vertreters eines Minderjährigen durch Kreditinstitute entbehrt einer rechtlichen Grundlage.
III.
Die Revision war demnach als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BFH/NV Beilage 2005, 49 |
DB 2004, 2211 |
NJW 2004, 2517 |
BGHR 2004, 1355 |
FamRZ 2004, 1349 |
FuR 2005, 46 |
EWiR 2004, 1023 |
WM 2004, 1546 |
ZAP 2004, 1336 |
ZEV 2004, 509 |
FPR 2004, 617 |
FPR 2006, 505 |
MDR 2004, 1430 |
VuR 2004, 342 |
VuR 2005, 39 |
BKR 2004, 377 |
NJW-Spezial 2005, 204 |
RdW 2004, 563 |
ZBB 2004, 413 |
BFH/NV-Beilage 2005, 49 |
FB 2004, 788 |
JWO-FamR 2004, 233 |
Kreditwesen 2004, 1269 |
LL 2004, 650 |
LMK 2004, 206 |
SJ 2004, 39 |