Leitsatz (amtlich)
Gerät der Schuldner in Zahlungsverzug, ist auch in rechtlich einfach gelagerten Fällen die Beauftragung eines Rechtsanwalts zweckmäßig und erforderlich; ein Mandat zur außergerichtlichen Vertretung muss im Regelfall nicht auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt werden.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 2, § 286; RVG-VV Nr. 2300; RVG-VV § 2302 aF
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 12.11.2014; Aktenzeichen 332 S 11/14) |
AG Hamburg-Barmbek (Entscheidung vom 31.01.2014; Aktenzeichen 821 C 147/13) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der Zivilkammer 32 des LG Hamburg vom 12.11.2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger verlangt von dem Beklagten aus abgetretenem Recht seiner Mandantin (im Folgenden: Zedentin) die Erstattung von Rechtsanwaltskosten unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadensersatzes.
Rz. 2
Nachdem der Beklagte der Zedentin die Bezahlung von Restbeträgen zweier Rechnungen für die Reparatur eines Kraftfahrzeugs vom 7. und 11.3.2011 schuldig geblieben und auf eine Zahlungsaufforderung sowie eine Mahnung nicht reagiert hatte, beauftragte die Zedentin den Kläger mit der außergerichtlichen Wahrnehmung ihrer Interessen. Mit anwaltlichem Mahnschreiben vom 20.7.2011 forderte der Kläger den Beklagten zunächst zum Ausgleich der einen Rechnung nebst einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer auf. Mit anwaltlichem Mahnschreiben vom 30.8.2011 verlangte der Kläger Entsprechendes mit Blick auf die andere Rechnung. Im September 2011 beglich der Beklagte die Rechnungen der Zedentin, die eingeforderten Rechtsanwaltskosten zahlte er nicht.
Rz. 3
Aus abgetretenem Recht der Zedentin verfolgt der Kläger die Erstattung der Rechtsanwaltskosten. Das AG hat ihm zwei 0,3 Geschäftsgebühren nach Nr. 2302 RVG-VV a.F. (= Nr. 2301 RVG-VV) nebst Auslagenpauschalen und Umsatzsteuer für jeweils ein Schreiben einfacher Art zugesprochen und die weitergehende Klage abgewiesen. Die vom AG zugelassene und auf die Differenz zu zwei 0,8-Geschäftsgebühren gem. Nr. 2300 RVG-VV zzgl. Auslagenpauschalen und Umsatzsteuer beschränkte Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein vorinstanzliches Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
Da der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war, ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht aber nicht auf der Säumnis, sondern auf einer umfassenden Sachprüfung (vgl. BGH, Urt. v. 4.4.1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 ff.; v. 4.7.2013 - IX ZR 229/12, WM 2013, 1615 Rz. 6, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 198, 77).
Rz. 5
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist, und im Umfang der Aufhebung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Gläubiger, der aus Gründen der sich aus § 254 BGB ergebenden Schadensminderungspflicht gehalten sei, den Schaden möglichst gering zu halten, habe den Umfang der Einschaltung eines Rechtsanwalts an den objektiven Erfordernissen der Rechtsverfolgung zu orientieren. Wenn, wovon im vorliegenden Fall auch mangels entgegenstehendem, den konkreten Fall betreffenden Vortrags des Klägers auszugehen sei, über ein einfaches Mahnschreiben hinaus keine weiteren anwaltlichen Tätigkeiten geboten seien, sei der Gläubiger gehalten, seinen Auftrag entsprechend zu begrenzen.
II.
Rz. 7
Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Der aus abgetretenem Recht der Zedentin geltend gemachte materielle Kostenerstattungsanspruch aus §§ 280 Abs. 2, 286 BGB ist nicht auf die 0,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 RVG-VV a.F. (= Nr. 2301 RVG-VV) beschränkt.
Rz. 8
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat der Schädiger nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urt. v. 8.11.1994 - VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350; v. 23.10.2003 - IX ZR 249/02, NJW 2004, 444, 446; v. 18.1.2005 - VI ZR 73/04, NJW 2005, 1112; v. 6.10.2010 - VIII ZR 271/09, WuM 2010, 740; v. 23.1.2014 - III ZR 37/13, BGHZ 200, 20 Rz. 48). Maßgeblich ist die ex ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person (BGH, Beschl. v. 31.1.2012 - VIII ZR 277/11, NZM 2012, 607 Rz. 4). Dabei sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt (BGH, Urt. v. 8.11.1994, a.a.O., S. 351; vom 18.1.2005, a.a.O.).
Rz. 9
Ein Schadensfall in diesem Sinne liegt auch vor, wenn der Schuldner einer Entgeltforderung (vgl. BGH, Urt. v. 16.6.2010 - VIII ZR 259/09, NJW 2010, 3226 Rz. 12; v. 17.7.2013 - VIII ZR 334/12, NJW 2014, 1171 Rz. 13) in Zahlungsverzug gerät (vgl. BGH, Urt. v. 6.10.2010, a.a.O.; vom 31.1.2012, a.a.O.; v. 16.7.2015 - IX ZR 197/14, zVb). Zur Beitreibung einer solchen Forderung ist dann regelmäßig selbst in einfach gelagerten Fällen die Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig (vgl. BGH, Urt. v. 8.11.1994, a.a.O., S. 353). Das seinerseits Erforderliche tut der Gläubiger dadurch, dass er den Schuldner in Verzug setzt. Eine weitere Verzögerung der Erfüllung seiner Forderung muss er nicht hinnehmen. Vielmehr kann er seinem Erfüllungsverlangen durch Einschaltung eines Rechtsanwalts Nachdruck verleihen.
Rz. 10
2. Darf der Gläubiger einer Entgeltforderung die Einschaltung eines Rechtsanwalts für erforderlich und zweckmäßig halten, muss er einen Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung in der Regel nicht auf ein Schreiben einfacher Art nach Nr. 2302 RVG-VV a.F. (= Nr. 2301 RVG-VV) beschränken.
Rz. 11
a) Gerät der Schuldner in Verzug, ist er zur Zahlung regelmäßig entweder nicht willens oder nicht in der Lage. Dies kann für den Gläubiger offen zutage treten, wenn der Schuldner Einwendungen gegen die geltend gemachte Forderung erhebt oder auf seine Zahlungsunfähigkeit hinweist. Hingegen bleibt der Grund für die Nichtzahlung für den Gläubiger im Dunkeln, wenn der Schuldner auch auf eine Mahnung nicht reagiert. In jedem Fall darf eine rechtliche Beratung für erforderlich und zweckmäßig halten, die sich zunächst mit dem weiteren Vorgehen zu befassen hat. Ist der Schuldner zahlungsunfähig oder liegt eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung vor, können außergerichtliche Zahlungsaufforderungen durch den Rechtsanwalt als nicht erfolgversprechend und daher als nicht zweckmäßig anzusehen sein (vgl. BGH, Urt. v. 1.2.1974 - IV ZR 2/72, VersR 1974, 639, 641 f.; Ernst in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 286 Rz. 156; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 286 Rz. 45). Dann kommt eine sofortige Titulierung der Forderung in Betracht. Anders ist dies, wenn der Schuldner weitere Verhandlungsbereitschaft zu erkennen gegeben oder bislang gar nicht reagiert hat. Hier kann sich der Versuch einer außergerichtlichen Erledigung unter Zuhilfenahme des Rechtsanwalts anbieten.
Rz. 12
aa) All dies weiß der Gläubiger grundsätzlich nicht, denn er ist in der Regel nicht rechtskundig. Die Konsequenzen der Zahlungsunfähigkeit oder der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung kennt er nicht. Er vermag allenfalls laienhaft zu erkennen, dass der Schuldner nicht zahlen kann oder will. Konsequenzen für Art und Umfang des zu erteilenden Mandats ließen sich von ihm daraus allenfalls ziehen, wenn er näheres Wissen über das anwaltliche Gebührenrecht hätte. Daran fehlt es dem Gläubiger in der Regel. Er weiß regelmäßig nicht, dass ein Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt werden oder ein Klageauftrag unbedingt oder bedingt für den Fall des Scheiterns der außergerichtlichen Bemühungen erteilt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 1.10.1968 - VI ZR 159/67, NJW 1968, 2334, 2335 f.; OLG Celle, JurBüro 2008, 319). Regelmäßig ist der Gläubiger auf eine Beratung über die Möglichkeiten des weiteren Vorgehens angewiesen.
Rz. 13
bb) Einen gesonderten Gebührentatbestand für eine solche Zweckmäßigkeitsberatung kennt das RVG nicht. Es setzt den bereits informierten Mandanten voraus, der sich von vornherein mit einem bestimmten Auftrag, etwa zur isolierten Beratung, zur außergerichtlichen oder gerichtlichen Vertretung an den Rechtsanwalt wendet. Aus dem Fehlen eines gesonderten Gebührentatbestands darf aber nicht geschlossen werden, der Rechtsanwalt habe die Zweckmäßigkeitsberatung kostenlos zu erbringen. Sie ist Bestandteil sowohl eines unbeschränkten Auftrags zur außergerichtlichen Vertretung im Sinne der Nr. 2300 RVG-VV als auch eines solchen zur gerichtlichen Vertretung, der die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV auslöst. Beide Gebühren entstehen für das Betreiben des (jeweiligen) Geschäfts einschließlich der Information (Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 und 3 Abs. 2 RVG-VV). Mit Blick auf die Beratung über die Möglichkeiten eines weiteren Vorgehens sind sie deckungsgleich. Bis zu deren Abschluss kann der dem Anwalt erteilte Auftrag ohne Gebührennachteile für den Mandanten geändert werden. Erfolgt etwa die Zweckmäßigkeitsberatung zunächst unter dem Gesichtspunkt einer außergerichtlichen Vertretung, stellt sich dabei aber heraus, dass eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung vorliegt und eine außergerichtliche Geltendmachung durch den Rechtsanwalt nicht zweckmäßig erscheint, kann der Rechtsanwalt von dem Gläubiger neben den Gebühren für das ratsame gerichtliche Vorgehen nicht auch eine solche für die außergerichtliche Vertretung verlangen.
Rz. 14
cc) Ist der Auftrag gem. Nr. 2302 RVG-VV a.F. (= Nr. 2301 RVG-VV) auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt, umfasst er keine Zweckmäßigkeitsberatung. Aus der Regelungssystematik der Nr. 2300 ff. RVG-VV ergibt sich allerdings, dass es sich bei der Nr. 2302 RVG-VV a.F. nicht um eine eigenständige Gebühr, sondern um einen Ermäßigungstatbestand für die Geschäftsgebühr nach der Nr. 2300 RVG-VV handelt ("Die Gebühr 2300 beträgt..."). Auch die im Sinne der Nr. 2301 RVG-VV ermäßigte Gebühr entsteht daher für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 RVG-VV). Dies zeigt, dass der Rechtsanwalt auch das Schreiben einfacher Art nicht ungeprüft versenden darf. Er muss vielmehr prüfen, ob nach der ihm geschilderten Sachlage ein solches Schreiben rechtlich in Betracht kommt (BGH, Urt. v. 23.6.1983 - III ZR 157/82, NJW 1983, 2451, 2452). Wegen der niedrigen Gebühr i.H.v. 0,3 hat es damit aber sein Bewenden. Der Rechtsanwalt muss nicht beurteilen, ob ein Schreiben einfacher Art zur Wahrnehmung der Rechte des Gläubigers ausreichend und zweckmäßig ist. Will der Mandant in der Angelegenheit umfassend vertreten werden, geht die Verantwortung des Anwalts weiter, auch der Umfang der von ihm zu entfaltenden Tätigkeit, mag es nach außen auch bei einem einfachen Schreiben bewenden (BGH, a.a.O.). Dann kommt Nr. 2302 RVG-VV a.F. (= Nr. 2301 RVG-VV) nicht zur Anwendung (BT-Drucks. 15/1971, 207 zu Nr. 2402-E).
Rz. 15
b) Auch wenn der Gläubiger ausnahmsweise nicht auf eine Beratung über die Möglichkeiten des weiteren Vorgehens angewiesen ist, weil er selbst über entsprechende Kenntnisse verfügt und diese auf den konkreten Fall anzuwenden weiß, ist die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine außergerichtliche Vertretung durch einen Rechtsanwalt regelmäßig nicht auf eine Gebühr nach Nr. 2302 RVG-VV a.F. (= Nr. 2301 RVG-VV) beschränkt.
Rz. 16
Die nunmehr in Nr. 2300 RVG-VV geregelte einheitliche Geschäftsgebühr ist an die Stelle des § 118 BRAGO getreten, soweit dieser für die außergerichtliche Vertretung anwendbar war (BT-Drucks. 15/1971, 206 zu Nr. 2400-E). Der weite Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 soll das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und der Teilnahme an Besprechungen sowie das Mitwirken bei der Gestaltung eines Vertrags abgelten und dadurch die außergerichtliche Erledigung einer Angelegenheit fördern (BT-Drucks. 15/1971, 207). Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur außergerichtlichen Vertretung im Sinne der Nr. 2300 RVG-VV soll schnelle und einverständliche Regelungen ohne Einschaltung der Gerichte ermöglichen. Sie ist daher zweckmäßig, wenn der Versuch einer außergerichtlichen Beitreibung nicht schon von vornherein ausscheidet, wie etwa im Falle einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung (vgl. BGH, Urt. v. 1.2.1974 - IV ZR 2/72, VersR 1974, 639, 641 f.; Ernst in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 286 Rz. 156; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 286 Rz. 45).
Rz. 17
Dann ist die Beauftragung zur außergerichtlichen Vertretung aus der maßgeblichen ex ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person regelmäßig auch erforderlich, weil der Gläubiger bei Auftragserteilung nicht absehen kann, wie sich der Schuldner verhalten wird. Dies gilt insb. dann, wenn dieser auf Mahnungen des Gläubigers nicht reagiert hat. Der Gläubiger ist deshalb grundsätzlich nicht gehalten, seinen Auftrag zunächst auf ein Schreiben einfacher Art zu beschränken und diesen im Bedarfsfall zu erweitern. Der Schuldner ist über den weiten Gebührenrahmen der Nr. 2300 RVG-VV, der am unteren Ende nah an die 0,3 Gebühr der Nr. 2302 RVG-VV a.F. heranreicht, ausreichend geschützt. Er allein hat es in der Hand, sich vertragstreu zu verhalten und auf diese Weise den materiellen Kostenerstattungsanspruch des Gläubigers gar nicht erst zur Entstehung gelangen zu lassen.
Rz. 18
3. Nach diesen Grundsätzen kommt eine Beschränkung des aus abgetretenem Recht geltend gemachten materiellen Kostenerstattungsanspruchs nicht in Betracht. Der Beklagte hatte auf mehrere Zahlungsaufforderungen nicht reagiert und befand sich mit der Begleichung zweier Rechnungen für die Reparatur eines Kraftfahrzeugs im Zahlungsverzug, als die Zedentin den Kläger mit der außergerichtlichen Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragte. Dass sie hierbei auf eine Beratung über sinnvolle Möglichkeiten des weiteren Vorgehens nicht angewiesen und nur ein im Sinne der Nr. 2302 RVG-VV a.F. beschränkter Auftrag zweckmäßig und erforderlich war, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich.
III.
Rz. 19
Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben, soweit die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist. In diesem Umfang ist es aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgende Gesichtspunkte hin:
Rz. 20
1. Dass die Zedentin eine unbeschränkte Beauftragung des Klägers zu ihrer außergerichtlichen Vertretung für zweckmäßig und erforderlich halten durfte, begründet den materiellen Kostenerstattungsanspruch noch nicht. Ein solcher Auftrag müsste auch erteilt worden sein. Hierzu fehlt es bislang an Feststellungen. Der Inhalt des Auftrags bestimmt auch, ob der Kläger von der Zedentin zwei Geschäftsgebühren gem. Nr. 2300 RVG-VV verlangen konnte. Dies wäre der Fall, wenn es sich um zwei Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinne handelte (vgl. BGH, Urt. v. 9.2.1995 - IX ZR 207/94, NJW 1995, 1431; v. 11.12.2003 - IX ZR 109/00, WM 2004, 1792, 1794).
Rz. 21
Sollte aus dem Innenverhältnis zwischen dem Kläger und der Zedentin auf zwei Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG zu schließen sein, stellte sich im Verhältnis zum Beklagten die Frage der Erstattungsfähigkeit. Die beiden Rechnungen, mit deren Ausgleich sich der Beklagte im Verzug befand, betrafen Reparaturarbeiten für ein und dasselbe Kraftfahrzeug, die im Abstand von nur vier Tagen erstellt wurden. Die Forderungen, die der Kläger außergerichtlich geltend gemacht hat, könnten daher aus einem einheitlichen Lebensvorgang erwachsen sein. Gegebenenfalls hätte die Zedentin die Aufspaltung der Forderungen in zwei Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinne ohne einen sachlichen Grund kaum für zweckmäßig und erforderlich halten dürfen. Hätte sie die Forderungen in getrennten Prozessen verfolgt, wäre ein Antrag auf Festsetzung dadurch entstandener Mehrkosten als rechtsmissbräuchlich anzusehen (BGH, Beschl. v. 11.9.2012 - VI ZB 59/11, MDR 2012, 1314; v. 20.11.2012 - VI ZB 3/12, MDR 2013, 247 Rz. 9 f.).
Rz. 22
2. Die Höhe der Gebühr nach der Nr. 2300 RVG-VV bemisst sich nach § 14 Abs. 1 RVG. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt bei Rahmengebühren der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen.
Rz. 23
a) Mit Blick auf die Rahmengebühr nach Nr. 2300 RVG-VV besteht das aus § 14 Abs. 1 RVG folgende Bestimmungsrecht des Rechtsanwalts nicht unbeschränkt. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann er nur fordern, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Dies ist von dem Rechtsanwalt darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen. Erst dann besteht das Bestimmungsrecht unter Ausschöpfung des ganzen Gebührenrahmens, dessen Ausübung einer vollen gerichtlichen Nachprüfung entzogen ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.7.2012 - VIII ZR 323/11, NJW 2012, 2813 Rz. 8 ff.).
Rz. 24
b) Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Unbilligkeit der getroffenen Bestimmung gem. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG der ersatzpflichtige Dritte (vgl. BGH, Beschl. v. 20.1.2011 - V ZB 216/10, ASR 2011, 211 Rz. 8 ff.).
Rz. 25
Die Regelung entspricht § 12 Abs. 1 Satz 2 BRAGO. Ursprünglich sah § 12 BRAGO ein Bestimmungsrecht des Rechtsanwalts nicht ausdrücklich vor. Daraus wurde geschlossen, die Gebühr entstehe kraft Gesetzes, ohne dass es dazu einer Bestimmungshandlung bedürfe, und sei gerichtlich voll nachprüfbar (Riedel/Sußbauer, BRAGO, § 12 Rz. 2). Mit Gesetz zur Änderung des Gerichtskostengesetzes, des Gesetzes über Kosten der Gerichtsvollzieher, der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und anderer Vorschriften vom 20.8.1975 (BGBl. I, 2189) wurde klargestellt, dass bei Rahmengebühren die im Einzelfall geschuldete Gebühr vom Rechtsanwalt zu bestimmen ist. Dies sollte bewirken, dass zahlreiche Meinungsverschiedenheiten über oft nur geringfügige Beträge nicht entstehen können (BT-Drucks. 7/3243, 8). Im Verhältnis zum Mandanten war eine gerichtliche Überprüfung der von dem Rechtsanwalt vorgenommenen Bestimmung der Gebühr nunmehr i.S.d. § 315 Abs. 3 BGB beschränkt. Mit der Erwähnung des ersatzpflichtigen Dritten in § 12 Abs. 1 Satz 2 BRAGO wurde hervorgehoben, dass dieser ein selbständiges Rügerecht gegenüber unbilligen Gebührenbestimmungen hat (Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO, 7. Aufl., § 12 Rz. 6).
Rz. 26
Der auf Ersatz in Anspruch genommene Dritte muss auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes die Unbilligkeit der Gebührenhöhe geltend machen. Dass er die Tatsachen, aus denen die Unbilligkeit folgt, darlegen und beweisen muss, ergibt sich nunmehr aus der Formulierung von § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG ("...nicht verbindlich, wenn..."). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass dem Dritten die für die Bestimmung der Gebühr maßgeblichen Umstände häufig nicht vollständig zur Kenntnis gelangen. Selbst der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit wird ihm regelmäßig nur insoweit bekannt, als diese nach außen gerichtet ist. Seinen Gegner trifft daher eine sekundäre Darlegungslast. Diese entsteht allerdings erst dann, wenn der Dritte die Unbilligkeit der getroffenen Bestimmung geltend gemacht und den ihm möglichen Tatsachenvortrag gehalten hat.
Rz. 27
Diese Grundsätze gelten auch für den materiellen Kostenerstattungsanspruch. Der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unterscheidet nicht zwischen dem prozessualen und einem materiellen Kostenerstattungsanspruch. Insbesondere setzt er keine gerichtliche Kostengrundentscheidung voraus. Für eine Differenzierung ist auch sonst kein Grund ersichtlich. Das mit dem anwaltlichen Bestimmungsrecht und der aus diesem - auch gegenüber ersatzpflichtigen Dritten - folgenden eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung verfolgte Ziel der Vermeidung von Streitigkeiten über geringfügige Beträge ist auch im Rechtsstreit über einen materiellen Kostenerstattungsanspruch beachtenswert (vgl. BGH, Urt. v. 13.1.2011 - IX ZR 110/10, NJW 2011, 1603 Rz. 15, 18; Jungbauer in Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Klipstein/Klüsener/Uher, RVG, 6. Aufl., § 14 Rz. 126). Aus dem Umstand, dass der V. Zivilsenat die Regelung auf den prozessualen Kostenerstattungsanspruch angewandt hat (Beschl. v. 20.1.2011 - V ZB 216/10, ASR 2011, 211 Rz. 10) lässt sich kein Gegenschluss für materielle Kostenerstattungsansprüche ziehen. Der X. Zivilsenat hat mitgeteilt, dass er an seiner gegenteiligen Ansicht mit Urteil vom 13.11.2013 (X ZR 171/12, GRUR 2014, 206 Rz. 27) nicht festhält.
Rz. 28
Rechtsbehelfsbelehrung
Rz. 29
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem BGH, Herrenstraße 45a, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Fundstellen
Haufe-Index 8731797 |
BB 2015, 2881 |