Der Anwalt erspart sich auf jeden Fall mit der sofortigen Klärung der Vergütungsfrage spätere Auseinandersetzungen: Besser der Mandant geht gleich wieder, wenn er die Gebühren nicht akzeptieren will, als dass man nach Abschluss des Mandats um sein Honorar im Extremfall prozessieren muss.
Einen ersten Überblick über die vom Anwalt favorisierte Abrechnungsart, z. B. Stundensatz, kann er auf seiner Homepage vermitteln oder auch auf gängige Streitwerte hinweisen und einen «Gebührenrechner» mit Beispielfällen «integrieren». Mandanten, die vor Vergütungsvereinbarungen «zurückschrecken», werden im Zweifel gar nicht erst kommen und so dem Anwalt Zeit sparen. Im ersten Gespräch muss auch die u. U. fehlende Erstattungsmöglichkeit seitens des Gegners, z. B. bei Behörden, erörtert werden.
Vorschuss, Schlussrechnung
Der Rechtsanwalt kann nach § 9 RVG von seinem Auftraggeber für die entstandenen und die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen einen angemessenen Vorschuss fordern. Das sollte er immer im beidseitigen Interesse möglichst zeitnah tun. Aus dem eigenen Interesse, weil er damit die «Bonität» des Mandanten bzw. dessen Zahlungsbereitschaft frühzeitig testen kann und zum Nutzen des Mandanten, der sich dann auf weitere Gebühren «vorbereiten» kann und später nicht von dem Endbetrag «erschlagen» wird.
Wird die Abrechnung unmittelbar nach Ende einer Tätigkeit erstellt, ist das Risiko, Gebühren zu übersehen, geringer. Eine korrekte Abrechnung, die zeitnah erfolgt, wird von dem Mandanten, der die erfolgreiche Tätigkeit des Anwalts noch vor Augen hat, gern bezahlt. Liegt die Abrechnung lange Zeit zurück, zweifelt der Mandant deren Höhe eher an, weil er sich gar nicht mehr an einzelne Tätigkeiten des Anwalts erinnert.
Information über Kostenentscheidungen
Anwälte sollten selbst «erstrittene» Kostenentscheidungen (Streitwerte oder Höhe/Anfall der Gebühren) immer gesondert in der Kanzlei archivieren, um in ähnlichen Fällen schnell darauf zurückgreifen zu können. Gleichermaßen sollten alle gelesenen Entscheidungen zum Thema „Gebühren/Kostenrecht“ – soweit kanzleitypisch oder relevant – erfasst und vor allem dem Personal bekannt gemacht werden. Die regelmäßige Fortbildung der Fachangestellten im Gebührenrecht und die Anschaffung der entsprechenden RVG-Kommentare «rechnen» sich schnell.
Anwälte sollten vor allem in Familiensachen für jede Angelegenheit eine eigene Akte anlegen, damit bei der Beantragung von Verfahrenskostenhilfe nichts übersehen wird und bei der späteren Abrechnung keine Gebühren vergessen werden.
Differenzverfahrensgebühr nicht vergessen
Nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG entsteht eine 0,8 Differenzverfahrensgebühr, soweit im Rahmen einer gerichtlichen Einigung auch nicht rechtshängige Ansprüche mit abgegolten werden. Dass in einem Rechtsstreit im Verhandlungstermin Vergleichsgespräche geführt werden und dabei auch in diesem Rechtsstreit nicht rechtshängige Ansprüche in die Vergleichsverhandlungen miteinbezogen werden, ist in der Praxis vor allem im arbeitsgerichtlichen Güteverfahren (Kündigungsschutzverfahren) der Fall, wenn versucht wird, alle wechselseitigen Ansprüche zwischen den Parteien zu regeln (Urlaub, Zeugnis etc.).
Fehlerfreie Vergütungsvereinbarungen schließen
Rechtstreitigkeiten über Vergütungsvereinbarungen sind keine Seltenheit. Formalien stehen dabei seltener im Vordergrund, dennoch sind sie wichtig (§ 3a Abs. 1 RVG). Meist wird um die Höhe von Stundensätzen gestritten. Eine Vergütungsvereinbarung zwischen Rechtsanwalt und Mandant, nach der der Rechtsanwalt für seine außergerichtliche Tätigkeit z. B. ein Honorar in Höhe von 150 EUR je Stunde erhält, ist auch dann nicht nach § 138 BGB sittenwidrig, wenn durch den erheblichen Zeitaufwand bei Bearbeitung der Angelegenheit der auf Stundenbasis berechnete Zahlungsanspruch denjenigen, der sich bei einer streitwertabhängigen Berechnung ergeben würde, deutlich übersteigt (OLG Celle, Urteil v. 18.11.2009, 3 U 115/09).
Kurze Taktung bei Zeithonoraren empfehlenswert
Bei Vereinbarung einer Vergütung auf Zeitbasis muss der Anwalt sämtliche während eines Abrechnungszeitraums von ihm vorgenommenen Einzelmaßnahmen konkret und nachprüfbar darlegen. Die als Grundlage der Berechnung dienenden Zeitsegmente dürfen nicht zu lang gewählt werden. So sind Taktungen von 15 Minuten bereits zu ungenau (BGH, Urteil v. 13.2.2020, IX ZR 140/19). Empfehlenswert sind Taktungen bis zu 5 oder 6 Minuten.
Gestaltungsräume für Vergütungsvereinbarungen nutzen
Vergütungsvereinbarungen können auch den Gegenstandswert für einen Auftrag festlegen, wenn dieser wegen seiner Eigenart oder der Kumulation unterschiedlicher Ansprüche nicht ohne weiteres auf der Hand liegt. Auch der gesetzlich vorgesehene Gebührensatz kann modifiziert werden (z. B. 2,0 statt 1,5 Gebühr). Vergütungsvereinbarungen müssen in Textform abgeschlossen werden unter Beachtung der Formerfordernisse des § 3a Abs. 1 RVG (u. a. getrennt vom Vollmachtsformular).
Wichtig: Der Mandant ist darauf hinzuweisen, dass er im Fall eines Obsiegens vor Gericht vom Gegner nur Kostenerstattung in Höhe der gesetzlichen Gebühren fordern kann und er die darüber hinausgehenden höheren Gebühren aufgrund einer Vergütungsvereinbarung selbst zu tragen hat.
Sonderproblem Kappungsgrenze
Der BGH hält grundsätzlich an der Kappungsgrenze für frei vereinbarte Strafverteidigerhonorare fest (5-facher RVG-Satz). Das BVerfG hatte die pauschale Kappung eines Strafverteidigerhonorars allerdings für verfassungswidrig erklärt (BVerfG, Beschluss v. 15.6.2009, 1 BvR 1342/07). Der BGH hat die Anforderungen an die Abrechnung von Zeithonoraren inzwischen angepasst und erlaubt eine Überschreitung des 5-fachen RVG-Satzes, wenn der Rechtsanwalt die Vermutung der Sittenwidrigkeit durch Darlegung gewichtiger, plausibler Gründe (besondere Schwierigkeiten des Falls, außergewöhnlich hoher, mit der Bearbeitung verbundener Zeitaufwand)widerlegt(BGH, Urteil v. 10.11.2016, IX ZR 119/14). Gleichzeitig hat der BGH klargestellt, dass die Vermutung der Sittenwidrigkeit bei Überschreitung des 5-fachen RVG-Satzes auch für zivilrechtliche Streitigkeiten gilt.
Besondere Vorsicht bei Honorarvereinbarungen mit Verbrauchern
Gegenüber Verbrauchern kann nach einer Entscheidung des BGH schon eine Überschreitung des 3-fachen RVG-Satzes die Vermutung der Sittenwidrigkeit begründen, jedenfalls dann, wenn weitere Umstände hinzutreten (BGH, Urteil v. 13.2.2020, IX ZR 140/19). In dem vom BGH entschiedenen Fall betraf die Honorarvereinbarung eine arbeitsrechtliche Kündigungsschutzklage und war mit der Vereinbarung einer Erhöhung des Gegenstandswertes um die vereinbarte Abfindung kombiniert.
Keine Anrechnung von Zeithonoraren auf gerichtliche Verfahrensgebühr
Pauschal- oder Zeithonorare, die ein Rechtsanwalt mit seinem Auftraggeber als Vergütung für eine vorgerichtliche Tätigkeit vereinbart hat, sind keine Geschäftsgebühren i. S. d. Nr. 2300 VV RVG und damit auch nicht gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG auf die im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren entstandene Verfahrensgebühr anzurechnen (OLG München, Beschluss v. 24.4.2009, 11 W 1237/09).
Auch Pflichtverteidiger dürfen Honorarvereinbarungen abschließen
Die Beiordnung als Pflichtverteidiger führt grundsätzlich nicht zur Unzulässigkeit von Honorarvereinbarungen. Nach einer Entscheidung des BGH ist ein beigeordneter Pflichtverteidiger, der mit dem Beschuldigten eines Strafverfahrens eine Honorarvereinbarung schließen will, allerdings vorvertraglich verpflichtet, den Beschuldigten darüber aufzuklären, dass
- das vereinbarte Honorar die gesetzlichen Gebühren, die die Staatskasse trägt, übersteigt und
- er als Pflichtverteidiger auch ohne Abschluss eine Honorarvereinbarung zur Durchführung der Verteidigung verpflichtet ist.
Nur ein über diese Punkte aufgeklärter Beschuldigter könne sachgerecht und ohne Druck über den Abschluss einer Honorarvereinbarung entscheiden (BGH, Urteil v. 3.12.2018, IX ZR 216/17).