Leitsatz (amtlich)
Der aus GmbHG § 64 Abs 2 auf Ersatz in Anspruch genommene Geschäftsführer ist nicht berechtigt, die Erfüllung dieser Verpflichtung gegenüber der Masse mit der Begründung zu verweigern, der Konkursverwalter der Gesellschafter habe es unterlassen, innerhalb der Frist des KO § 41 aussichtsreiche Konkursanfechtungsrecht (KO §§ 29ff) gegen die Zahlungsempfänger geltend zu machen.
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 30. November 1994 aufgehoben, soweit es die Klage unter Abänderung des Urteils der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 2. September 1993 und des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Hannover vom 28. Januar 1993 auch in Höhe weiterer 12.357,62 DM nebst anteiliger Zinsen abgewiesen hat.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 2. September 1993 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hannover vom 28. Januar 1993 wird insoweit aufrechterhalten, als der Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 20.022,94 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. September 1992 zu zahlen. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten der ersten Instanz trägt der Kläger 2/7, der Beklagte 5/7.
Von den Kosten der Berufungsinstanz trägt der Kläger 2/5, der Beklagte 3/5.
Die Kosten der Revisionsinstanz trägt der Beklagte.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt als Konkursverwalter in dem am 10. Juli 1992 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen der A.-GmbH von dem Beklagten Schadensersatz nach § 64 Abs. 2 GmbHG, weil dieser als Geschäftsführer der Gesellschaft nach der Gesellschafterversammlung vom 25. Juni 1992, in welcher er auf die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft hingewiesen und mit der Stellung des Konkursantrags beauftragt worden war, noch zahlreiche Zahlungen im Gesamtbetrag von 28.805,30 DM verfügt hat. Nachdem der Kläger den Beklagten im September 1992 vergeblich zur Zahlung aufgefordert hatte, hat er über diesen Betrag einen dem Beklagten am 29. September 1992 zugestellten Mahnbescheid erwirkt. Das Landgericht hat den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hannover vom 28. Januar 1993 unter Abweisung der Klage im übrigen in Höhe von 27.803,92 DM nebst Zinsen aufrechterhalten. Die gegen die Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheids über einen Betrag von 7.665,32 DM hinaus gerichtete Berufung des Beklagten hatte Erfolg.
Mit der zugelassenen Revision begehrt der Kläger Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer 12.357,62 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. Dezember 1992.
Entscheidungsgründe
Da der Beklagte und Revisionsbeklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung nicht vertreten war, ist durch Versäumnisurteil, jedoch aufgrund umfassender Sachprüfung, zu entscheiden (BGHZ 37, 79, 81 f.). Danach ist der Revision der Erfolg nicht zu versagen.
I. In Höhe von 12.357,62 DM hat das Berufungsgericht die Klage nicht wegen mangelnder Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 64 Abs. 2 GmbHG für unbegründet erachtet, sondern allein deshalb, weil es der Kläger als Konkursverwalter unterlassen hat, diese Beträge im Wege der Anfechtung gemäß §§ 29 ff. KO von den Zahlungsempfängern innerhalb der Jahresfrist des § 41 Abs.1 Satz 1 KO zurückzufordern. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat der auf Schadensersatz nach § 64 Abs. 2 GmbHG in Anspruch genommene Geschäftsführer das Recht, seine Inanspruchnahme zu verweigern, wenn der Konkursverwalter es versäumt hat, innerhalb der Frist des § 41 Abs. 1 Satz 1 KO von einer eindeutig erfolgversprechenden Anfechtungsmöglichkeit nach den genannten Bestimmungen Gebrauch zu machen. Eine Schmälerung der Konkursmasse sei damit im Ergebnis nicht verbunden, weil den Konkursgläubigern das Recht zur Inanspruchnahme des Konkursverwalters bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 82 KO verbleibe. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
II. Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung läuft auf eine im Gesetz nicht vorgesehene und vor allem auch nicht interessengerechte Subsidiarität des Ersatzanspruchs gegen den Geschäftsführer (§ 64 Abs. 2 GmbHG) gegenüber der Konkursanfechtung (§§ 29 ff. KO) zu Lasten der Konkursgläubiger hinaus.
1. Es ist zwar richtig, daß eine erfolgreiche Ausübung des Konkursanfechtungsrechts auch dem Beklagten als nach § 64 Abs. 2 GmbHG haftenden Geschäftsführer zugute gekommen wäre. Da der Anfechtungsgegner die Rückgewähr der von ihm in anfechtbarer Weise aus dem Vermögen der (späteren) Gemeinschuldnerin erhaltenen Leistung nicht unter Berufung auf die Ersatzpflicht des Geschäftsführers aus § 64 Abs. 2 GmbHG verweigern darf, würde es zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Konkursmasse führen, wenn sie neben der Rückgewähr der anfechtbar weggegebenen Vermögenswerte zusätzlich Ersatz für deren Weggabe von dem dafür verantwortlichen Geschäftsführer erhielte. Es mag deshalb zutreffen, wenn vor allem die im rechtswissenschaftlichen Schrifttum herrschende Meinung dem Geschäftsführer ein aufschiebendes Leistungsverweigerungsrecht zubilligt, solange die Konkursmasse neben dem gegen ihn gerichteten Ersatzanspruch noch realisierbare und erfolgversprechende Anfechtungsmöglichkeiten gegenüber den Leistungsempfängern besitzt (so am deutlichsten Scholz/K. Schmidt, GmbHG 8. Aufl. § 64 Rdn. 35; im Ergebnis ebenso Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. § 64 Rdn. 63; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 14. Aufl. § 64 Rdn. 11; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG 15. Aufl. § 64 Rdn. 19; Rowedder, GmbHG 2. Aufl. § 64 Rdn. 23, der dies allerdings – jedoch ohne Nachweis einer Gegenmeinung – als streitig bezeichnet; Fleck, GmbHR 1974, 224, 231; ebenso aus der Rechtsprechung der Instanzgerichte OLG Hamm NJW-RR 1993, 1445, 1447 unter Berufung auf Baumbach/Hueck aaO).
2. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits kann es dahinstehen, inwieweit dieser Ansicht im einzelnen zuzustimmen ist. Denn auch dann, wenn man ihr im Grundsatz folgte, würde dies nicht den Schluß rechtfertigen, die Haftung des Geschäftsführers aus § 64 Abs. 2 GmbHG sei gegenüber den Anfechtungsrechten aus §§ 29 ff. KO in der Weise subsidiär, daß der Geschäftsführer die Erfüllung seiner Ersatzpflicht gegenüber der Masse auch dann verweigern darf, wenn die Geltendmachung von Anfechtungsrechten wegen Ablaufs der Ausschlußfrist des § 41 KO nicht mehr in Betracht kommt.
a) Die Anfechtungsrechte aus §§ 29 ff. KO gegen die Leistungsempfänger und der Ersatzanspruch gegen den für die Weggabe der Leistung verantwortlichen Geschäftsführer aus § 64 Abs. 2 GmbHG dienen gleichermaßen ausschließlich dem Zweck, eine vor Konkurseröffnung eingetretene Schmälerung der Konkursmasse zugunsten der Konkursgläubiger auszugleichen. Allein von ihrem Interesse hat sich deshalb der Konkursverwalter bei seiner Entscheidung, ob er mögliche Anfechtungsrechte ausüben will, leiten zu lassen. Infolgedessen darf er bei seiner Entscheidung auch Zweckmäßigkeitserwägungen Raum geben, die sich zu Lasten des Geschäftsführers auswirken, der von einer Rückgewähr der von ihm haftungsbegründend fortgegebenen Leistung durch den Anfechtungsgegner reflexartig profitieren würde. Entscheidet er sich dabei gegen die Konkursanfechtung, indem er die dafür gesetzlich vorgesehene Frist ungenutzt verstreichen läßt, so verletzt er damit allenfalls die Befriedigungsaussichten der Gläubigergemeinschaft, nicht aber rechtlich geschützte, ihm anvertraute Interessen des Geschäftsführers. Dementsprechend könnte eine sich daraus ergebende Schadensersatzpflicht des Konkursverwalters auch nur gegenüber den Konkursgläubigern, nicht aber auch gegenüber dem Geschäftsführer bestehen. Der Geschäftsführer gehört nicht zu dem Kreis der durch § 82 KO geschützten „Beteiligten”; er ist vielmehr ausschließlich Schuldner der Masse, dem gegenüber der Konkursverwalter keine konkursspezifischen Pflichten (vgl. dazu auch BGH, Urt.v. 12. November 1992 – IX ZR 68/92, ZIP 1993, 48 ff. = WM 1993, 1055 ff.), auch nicht hinsichtlich der Auswahl der von ihm für die Masse verfolgten Ansprüche, zu erfüllen hat. Der Umstand, daß der Geschäftsführer durch die ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der bestmöglichen Wahrung der Gläubigerinteressen zu treffende Entscheidung des Konkursverwalters Entlastungsmöglichkeiten verlieren und dadurch mittelbar in seinen Vermögensinteressen berührt werden kann, ist nicht dazu geeignet, eine Beteiligtenstellung des Geschäftsführers zu begründen, die den Konkursverwalter ihm gegenüber im Sinne des § 82 KO verantwortlich machen könnte. Der Geschäftsführer steht damit im Ergebnis nicht anders als ein Bürge, zu dessen Inanspruchnahme es nur deshalb kommt, weil der Konkursverwalter oder ein Mitglied des Gläubigerausschusses durch eine schuldhafte Verkürzung der Masse die Befriedigung des Hauptgläubigers aus der Masse verhindert hat (vgl. BGH, Urt.v. 11. Oktober 1984 – IX ZR 80/83 WM 1984, 1575, 1576).
b) Im übrigen würde der nach § 64 Abs. 2 GmbHG haftende Beklagte nicht einmal dann von seiner Haftung gegenüber der Masse frei, wenn der Konkursverwalter auch ihm gegenüber konkursspezifische, durch die unterlassene Ausübung des Konkursanfechtungsrechts verletzte Pflichten zu erfüllen hätte. § 82 KO führt unmittelbar nur zu einer persönlichen Ersatzpflicht des Konkursverwalters, nicht aber zu einem Leistungsverweigerungsrecht gegenüber der Masse. Voraussetzung für eine Befreiung von der Leistungspflicht gegenüber der Masse wäre deshalb, daß der Beklagte das Versäumnis des Konkursverwalters auch der Masse entgegenhalten dürfte, weil diese gleichfalls ihm gegenüber eine für sie von dem Konkursverwalter wahrzunehmende Verpflichtung zur vorrangigen Geltendmachung etwaiger Konkursanfechtungsrechte hätte.
Eine solche Verpflichtung ist jedoch nicht anzuerkennen. Mit der Haftung des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 2 GmbHG hat der Gesetzgeber der Konkursmasse ein zusätzliches Mittel zur rationellen Wiederauffüllung der ihr vorher entzogenen Vermögenswerte zur Verfügung gestellt. Anstatt eine unter Umständen erhebliche Vielzahl von Prozessen gegen verschiedene Anfechtungsgegner führen zu müssen, braucht der Konkursverwalter bei Durchsetzung des Ersatzanspruchs gegen den Geschäftsführer nur einen einzigen Rechtsstreit gegen nur einen Prozeßgegner zu führen (vgl. auch Scholz/K. Schmidt aaO Rdn. 35: „… konzentrierte Liquidation entstandener Schäden”). Darüber hinaus sind Anfechtungsprozesse vielfach mit erheblichen, im voraus nur schwer abwägbaren Prozeßrisiken belastet, die vor allem darauf beruhen, daß die Tatbestände der §§ 30 ff. KO zu einem großen Teil subjektive, auf die Person des Anfechtungsgegners bezügliche Merkmale enthalten, die eine verläßliche Beurteilung der Erfolgsaussichten selbst dort erschweren, wo das Gesetz eine Beweislastumkehr vorsieht. Hinzu kommt, daß der Ersatzanspruch aus § 64 Abs. 2 GmbHG nach oben durch die Höhe der unrechtmäßig zum Schaden der Masse erbrachten Leistungen begrenzt ist (Scholz/K. Schmidt aaO Rdn. 35). Da die Masse infolgedessen gegen den Geschäftsführer keinen Anspruch auf Ersatz der unter Umständen beträchtlichen Kosten eines erfolglosen Anfechtungsrechtsstreits besitzt, würde ein Vorrang der Konkursanfechtung vor dem Ersatzanspruch aus § 64 Abs. 2 GmbHG bedeuten, daß sich die Masse und die durch das Verhalten des Geschäftsführers geschädigten Konkursgläubiger von ihm ein erhebliches Prozeßrisiko und damit die Gefahr weiterer Masseschmälerungen zuschieben lassen müßten. Sieht der Konkursverwalter mit Rücksicht auf dieses Risiko von der Geltendmachung von Konkursanfechtungsrechten ab, so bleibt die Masse jedenfalls mit der Gefahr belastet, daß seine Einschätzung in dem gegen den Geschäftsführer angestrengten Rechtsstreit, in dem die Erfolgsaussichten mögliche Anfechtungsprozesse inzidenter geprüft werden müßten, nicht geteilt würde.
Darüber hinaus sprechen aber vor allem auch die im wesentlichen schon oben unter a) angeführten Gründe gegen eine Verpflichtung der Masse gegenüber dem Geschäftsführer, sich vorrangig an den Anfechtungsgegner zu halten, um ihm eine Inanspruchnahme aus § 64 Abs. 2 GmbHG zu ersparen.
Die in §§ 29 ff. KO vorgesehenen Möglichkeiten, bestimmte Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte, die der spätere Gemeinschuldner noch vor Konkurseröffnung vorgenommen hatte, nachträglich mit dem Ziel der Rückerlangung des dabei aus seinem Vermögen Fortgegebenen anzufechten, werden der Masse vom Gesetz ausschließlich im Interesse ihrer Gläubiger zugebilligt. Diesem gesetzgeberischen Anliegen widerspräche es, den der Masse eingeräumten Vorteil nicht ihren Gläubigern, sondern statt dessen einem ihrer weiteren Schuldner, nämlich dem ihr nach § 64 Abs. 2 GmbHG haftenden Geschäftsführer zugute kommen zu lassen, wenn die Konkursmasse infolge einer Fehlentscheidung ihres Verwalters, insbesondere einer Fehleinschätzung des mit der Verfolgung von Anfechtungsrechten verbundenen Risikos, tatsächlich keine Rückgewähr erlangt. Dies gilt um so mehr, als der Geschäftsführer gerade die für die anfechtbare Fortgabe von Vermögenswerten der anschließend in Konkurs gefallenen Gesellschaft verantwortliche Person ist. Bei dieser Sachlage sind die zunächst durch die pflichtwidrige Fortgabe dieser Vermögenswerte und sodann erneut durch das Fehlverhalten des Konkursverwalters doppelt geschädigten Konkursgläubiger im Vergleich mit dem Geschäftsführer als verantwortlichem Schädiger vorrangig schutzwürdig. Die Konkursgläubiger brauchen sich deshalb, wenn für die unterlassene Geltendmachung von Anfechtungsrechten Versäumnisse oder Fehleinschätzungen des Konkursverwalters verantwortlich sind, die auch ihn gegenüber den Konkursgläubigern schadensersatzpflichtig machen, von dem ihnen nach § 64 Abs. 2 GmbHG haftenden Geschäftsführer nicht auf die Geltendmachung dieser Ansprüche aus § 82 KO verweisen zu lassen. Der Schadensersatzanspruch aus § 82 KO gegen den Konkursverwalter tritt vielmehr zusätzlich neben den weiterbestehenden Anspruch gegen den Geschäftsführer aus § 64 Abs. 2 GmbHG. Eine Entlastung des Geschäftsführers von seiner Haftung nach dieser Bestimmung könnte allenfalls eintreten, wenn und soweit die Masse tatsächlich von dem Konkursverwalter Ersatz des ihr entstandenen Schadens erhält (wie hier auch Scholz/K. Schmidt aaO Rdn. 35 und 41). Nahe liegt allerdings, was jedoch nach Lage des Falles gegenwärtig keiner Entscheidung bedarf, auch die gegenteilige Annahme, daß den Konkursgläubigern kein Schaden als Voraussetzung für einen Ersatzanspruch gegen den Konkursverwalter aus § 82 KO verblieben ist, wenn sie Leistung von dem primär schädigenden Geschäftsführer erlangt haben.
Fundstellen
BGHZ, 325 |
BB 1996, 499 |
ZIP 1996, 420 |
JZ 1997, 622 |
GmbHR 1996, 211 |