Leitsatz (amtlich)
Die in einem transportrechtlichen Rahmenvertrag zwischen einem Großverlader und einem Speditionsunternehmen enthaltene Abrede
„Die Entgelte für die Speditions- und Transportleistungen richten sich nach den gesetzlichen Bestimmungen, wobei die jeweiligen Mindesttarife als vereinbart gelten”
ist – unter der Geltung des bis zum 31. Dezember 1993 bestehenden Tarifzwangs im Güterfernverkehr – grundsätzlich als Einigung über einen bestimmten Satz der Beförderungskosten i.S. von § 413 Abs. 1 Satz 1 HGB a.F. auszulegen (§§ 133, 157 BGB).
Normenkette
HGB § 413 Abs. 1 S. 1 F: 10. Mai 1897; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
OLG München (Aktenzeichen 23 U 6035/95) |
LG München I (Aktenzeichen 13 HKO 13719/95) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. Juni 1996 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 13. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I vom 17. Oktober 1995 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, ein Speditionsunternehmen, nimmt die Beklagte, eine Großverladerin, die Milcherzeugnisse herstellt und vertreibt, in erster Linie wegen eines behaupteten Verstoßes gegen den Güterfernverkehrstarif auf Erstattung von Umsatzgarantievergütungen für in den Jahren 1989 bis 1992 durchgeführte Gütertransporte in Anspruch.
Zwischen den Parteien bestanden auf der Grundlage eines Rahmenvertrages vom 22. Dezember 1986/21. Januar 1987 laufende Geschäftsbeziehungen, innerhalb deren die Klägerin regelmäßig Speditions- und Transportleistungen unter anderem im Güterfernverkehr für die Beklagte erbrachte. Nach § 4 des Vertrages galten die jeweiligen gesetzlichen Mindesttarife als vereinbart. Vor Abschluß des Rahmenvertrages hatte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 18. Dezember 1986 u.a. folgendes mitgeteilt:
„Im Rahmenvertrag sind unter § 4 die Entgelte für die Speditions- und Transportleistungen grundsätzlich definiert. Es gelten die jeweiligen Mindesttarife als vereinbart.
Ergänzend haben wir für 1987 folgendes festgelegt:
…
Wir erhalten eine Umsatzrückvergütung in Höhe von 1,0 % auf alle für die Belieferung von Regionallägern und Großkunden anfallenden Streckenfrachten.
Diese Rückvergütung ist zahlbar nach Vorliegen der Jahreszahlen.
Wir haben uns bereit erklärt, eine Verrechnung dieser Zahlung vorzunehmen, sofern die neuen Tarifregelungen im Jahre 1987 darüber hinausgehende Reduzierungen der Frachtsätze erbringen würden.”
Die Klägerin erteilte der Beklagten für den Zeitraum von 1989 bis 1992 nach Ablauf eines jeden Kalenderjahres Gutschriften, welche die Beklagte bei der Begleichung nachfolgender Frachtentgeltforderungen der Klägerin von den in Rechnung gestellten Beträgen absetzte.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe der Beklagten vereinbarungsgemäß in Form von Rückvergütungen Gutschriften gewährt, die um 1 % über dem preisrechtlich zulässigen Satz gelegen hätten. Der Gesamtbetrag belaufe sich für den Zeitraum von 1989 bis 1992 auf 313.876,11 DM. Diesen Betrag nebst Zinsen macht die Klägerin mit ihrer Klage geltend. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei um die ihr durch Gutschriften gewährten Vergünstigungen ungerechtfertigt bereichert, da diese im Tarif nicht vorgesehen, mithin unzulässig und die zugrundeliegenden Vereinbarungen demzufolge nichtig seien.
In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihre Forderung hilfsweise darauf gestützt, daß ihr die Beklagte für die in den Jahren 1989 bis 1992 durchgeführten Transporte noch restliche Frachtvergütungen in Höhe der von ihr vorgenommenen Rechnungskürzungen schulde.
Die Beklagte ist dem nach Grund und Höhe entgegengetreten. Sie hat eine tarifwidrige Abrechnung der von der Klägerin erbrachten Transportleistungen in Abrede gestellt und vorgebracht, die vereinbarte Frachtvergütung, die preisrechtlich nicht zu beanstanden sei, habe sich insgesamt aus den von der Klägerin gewährten Rückvergütungen und allen von ihr selbst seit 1988 erteilten und durch Verrechnungsschecks beglichenen Gutschriften ergeben. Überdies hat sie die Auffassung vertreten, sie habe aus der Verrechnung der Gutschriften keinen Vermögensvorteil erlangt, weil mit Hilfe einer „nichtigen Rückvergütung” keine Hauptforderung der Klägerin habe erfüllt werden können. Sofern die Klägerin noch Ansprüche auf Zahlung von Frachtvergütungen haben sollte, seien diese inzwischen nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Kraftverkehrsordnung (KVO) verjährt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin einen Anspruch auf Ersatz des Wertes der der Beklagten in Form von Gutschriften gewährten Umsatzrückvergütungen gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 1 und 2 BGB und § 23 Abs. 2 Satz 4 GüKG 1983 zuerkannt. Dazu hat es ausgeführt:
Die Rückvergütungen seien wegen Umgehung des bis Ende 1993 in Kraft gewesenen Güterfernverkehrstarifs unwirksam und daher rechtsgrundlos erlangt; nach Verrechnung durch die Beklagte seien sie wertmäßig wieder an die Klägerin auszukehren.
Auf die von 1989 bis 1992 im Güterfernverkehr durchgeführten Transporte komme das Güterkraftverkehrsgesetz in der seit 1983 bis zur Abschaffung des Tarifzwangs geltenden Fassung zur Anwendung (im folgenden: GüKG 1983). Dementsprechend seien die einzelnen Speditions- und Beförderungsverträge zwischen den Parteien nach § 22 Abs. 2 Satz 2 und 4, § 22 Abs. 3 GüKG 1983 zwar mit dem – kraft Gesetzes einbezogenen – preisrechtlich zulässigen Entgelt wirksam; die tarifwidrigen Rückvergütungen der Klägerin seien jedoch unwirksam. Die Beklagte habe selbst zugestanden, daß der Güterfernverkehrstarif die streitgegenständlichen Rückvergütungen nicht vorgesehen habe.
Es liege auch ein Verstoß gegen § 22 Abs. 2 Satz 2 GüKG 1983 vor. Wenn man berücksichtige, daß sowohl nach dem Rahmenvertrag als auch nach dem Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 18. Dezember 1986 die „jeweiligen Mindestsätze” als vereinbart galten, so habe die Klägerin dargetan und belegt, daß der Güterfernverkehrstarif im Ergebnis durch die in Rede stehenden Rückvergütungen in deren Höhe unterschritten worden sei. Denn ohne eine Tarifunterschreitung wäre die in dem genannten Schreiben geäusserte Bereitschaft der Beklagten, eine Verrechnung der streitgegenständlichen Rückvergütungen „vorzunehmen, sofern die neuen Tarifregelungen im Jahre 1987 darüber hinausgehende Reduzierungen der Frachtsätze erbringen würden”, angesichts der vereinbarten Mindestsätze nicht verständlich. Vor allem die Gutschriftmitteilung der Klägerin für das Jahr 1991, in der sie die Rückvergütungssätze mit „2 % + 1 %” und „3,75 % + 1 %” angegeben habe und die von der Beklagten auch bei der Begleichung späterer Frachtrechnungen abgesetzt worden seien, belege eindrücklich die Überschreitung der tariflich zulässigen Rückvergütungssätze von 2 % bzw. später 3,75 %.
Die Klägerin könne den Wert der unzulässigen Rückvergütungen und Gutschriften aus ungerechtfertigter Bereicherung herausverlangen. Mit Bezahlung der tarifmäßigen Beförderungsentgelte seien die einzelnen Beförderungsverträge aus den Jahren 1989 bis 1992 gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Leistung erloschen. Weder die erste noch die nachfolgenden Rückvergütungen hätten nach Verrechnung der entsprechenden Gutschriften zum Wiederaufleben der ursprünglichen Ansprüche auf Erfüllung der einzelnen Beförderungsverträge geführt. Die jeweilige Gutschrift für die Rückvergütungen stelle im Hinblick auf die von der Beklagten periodisch vorgenommene Abrechnung zwischen den Parteien ein abstraktes Schuldversprechen oder -anerkenntnis i.S. der §§ 780, 781 BGB dar, so daß es durch die Verrechnung zum Erlöschen der Einzelansprüche der Klägerin auf Beförderungsentgelt gekommen sei. Da die erfüllten Einzelbeförderungsverträge mithin nicht mehr auflebten, sei die Leistung der gegenständlichen Umsatzrückvergütungen ohne Rechtsgrund erfolgt und die Beklagte sei demzufolge zur Herausgabe des Wertes der Vergütungen nach § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 1 und 2 BGB verpflichtet.
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen die erstinstanzliche Entscheidung.
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß sich die Frage der Wirksamkeit von Abreden über tarifwidrige Rückvergütungen nach der jeweils bei Abschluß derartiger Vereinbarungen geltenden Gesetzeslage beantwortet. Wie der Senat im Zusammenhang mit Frachtentgeltnachforderungen von Transportunternehmern sowohl für den Bereich des Güterfernverkehrs (vgl. BGH, Urt. v. 12.10.1995 - I ZR 118/94, TranspR 1996, 66 = VersR 1996, 259) als auch für denjenigen des Güternahverkehrs (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.1997 - I ZR 27/95, TranspR 1997, 420 = VersR 1998, 210; Urt. v. 15.1.1998 - I ZR 128/95, TranspR 1998, 156, 158 = VersR 1998, 785) entschieden hat, ist der Rechtszustand im Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsschlusses bei der Beurteilung der Gültigkeit von Absprachen über untertarifliche Beförderungsentgelte maßgeblich. Für die hier in Rede stehenden Rückvergütungen kann nichts anderes gelten, da es nicht darauf ankommt, auf welchem Wege oder in welcher Form die preisrechtlich zulässigen Mindestsätze unterschritten werden sollten.
2. Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe durch den Erhalt der einzelnen Gutschriften für die ihr gewährten Rückvergütungen und deren Verrechnung mit nachfolgenden Speditionsentgelt- und Frachtentgeltforderungen der Klägerin einen Vermögensvorteil erlangt, den die Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 1 und 2 BGB kondizieren könne, hält dagegen der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Dabei kann das Vorliegen eines Tarifverstoßes unterstellt werden, so daß es auf die dagegen gerichteten Angriffe der Revision nicht ankommt.
Bei der durch Vertrag erfolgten Anerkennung des Bestehens eines Schuldverhältnisses handelt es sich zwar – wie schon die gesetzliche Regelung in § 812 Abs. 2 BGB zeigt – zumindest im bereicherungsrechtlichen Sinne um eine Leistung. Im Streitfall führten die Gutschriften der Klägerin für sich allein – selbst bei Unterstellung einer Tarifwidrigkeit der darin (offen oder verdeckt) ausgewiesenen Rückvergütungen – jedoch nicht zu einem Vermögensvorteil der Beklagten, so daß ihr daraus auch keinerlei aufrechnungsfähige Gegenansprüche erwachsen konnten.
a) Das Berufungsgericht hat – unter Hinweis auf eine periodisch von der Beklagten vorgenommene Abrechnung zwischen den Parteien – in den jeweiligen Gutschriften abstrakte Schuldversprechen oder -anerkenntnisse gesehen. Die vom Berufungsgericht insoweit vorgenommene Auslegung ist revisionsrechtlich in vollem Umfange nachprüfbar. Die Revision rügt mit Erfolg, daß die gegebene Begründung nicht tragfähig sei (§ 286 Abs. 1 ZPO) und überdies gegen gesetzliche Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verstoße.
Für den Rechtsverkehr im Bankbereich geht die Rechtsprechung davon aus, daß bereits die Gutschrift als Buchungsakt im Rahmen des Girovertrags grundsätzlich ein abstraktes Schuldversprechen oder -anerkenntnis des Kreditinstituts gegenüber dem Kunden zum Inhalt hat, das diesem einen entsprechenden – selbständigen – Auszahlungsanspruch gegen die Bank verschafft (vgl. BGHZ 6, 121, 124; 87, 246, 252; 103, 143, 146; 105, 263, 269). Zur Begründung wird insbesondere angeführt, daß die Gutschrift diejenige Rechtshandlung darstellt, die das im Girovertrag zwischen Gläubiger und Kreditinstitut aufschiebend bedingt und global abgegebene, abstrakte Schuldversprechen der Bank ohne weitere empfangsbedürftige Willenserklärung nach Inhalt und Höhe konkretisiert (BGHZ 103, 143, 146, m.w.N.).
Auf andere Bereiche, wie etwa den des Transportrechts, lassen sich die vorgenannten Grundsätze, die insbesondere dem dringenden Bedürfnis erhöhter Rechtssicherheit bei der Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs dienen, indes nicht ohne weiteres übertragen. Als Leistung i.S. von § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Altern. BGB kommen nur die – im Streitfall nicht vorliegenden – konstitutiven Formen des Schuldversprechens und -anerkenntnisses in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 27.6.1953 - II ZR 176/52, VersR 1953, 316, 318; Urt. v. 24.5.1956 - II ZR 33/55, LM Nr. 1 zu § 13 AVB f. KraftVers.; MünchKommBGB/Lieb, 3. Aufl., § 812 Rdn. 309; Staudinger/Lorenz, BGB, 13. Bearb., § 812 Rdn. 11 f.).
Das Berufungsgericht hat im Streitfall keine Umstände festgestellt, die die Annahme tragen könnten, mit der Erteilung der Gutschriften oder deren Anzeige sollte die Verpflichtung zur Zahlung von Rückvergütungen nach dem Willen der Parteien aus ihrem wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang gelöst, allein auf die Leistungsbereitschaft der Klägerin abgestellt und damit eine selbständige Forderung geschaffen werden, so daß sich die Beklagte zur Begründung ihrer Ansprüche nur auf die Gutschriften als solche zu berufen brauchte. Nur dann könnte ein abstraktes Schuldversprechen oder -anerkenntnis bejaht werden (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.1976 - VIII ZR 148/74, NJW 1976, 567; Urt. v. 18.5.1995 - VII ZR 11/94, NJW-RR 1995, 1391 f.). Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß Zahlungen seitens der Klägerin an sich nicht vorgesehen waren; die Gutschriften hatten mithin in erster Linie den Zweck, die Beklagte darüber zu informieren, welche Beträge sie – aus Sicht der Klägerin – bei nachfolgenden Rechnungen sollte absetzen dürfen; dadurch konnte einer potentiellen tatsächlichen Ungewißheit über die Höhe der Rückvergütungen entgegengewirkt werden. Dies entspricht aber dem Wesen eines nur bestätigenden (deklaratorischen) Schuldanerkenntnisses (vgl. BGH, Urt. v. 5.12.1979 - IV ZR 107/78, NJW 1980, 1158).
b) Aber auch dann, wenn die Klägerin zur Umgehung der unabdingbaren tariflichen Preisbestimmungen abstrakte Schuldversprechen oder -anerkenntnisse in Form von Rückvergütungsgutschriften hätte gewähren wollen, wären für die Beklagte keine Gegenforderungen begründet worden, mit denen sie gegenüber Frachtentgeltforderungen der Klägerin hätte aufrechnen können. Denn Rechtsgeschäfte dieser Art sind privatrechtliche Verträge (vgl. BGH NJW-RR 1995, 1391), die bei einem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gemäß §§ 134, 139 BGB nichtig sind.
aa) § 22 Abs. 2 GüKG 1983 enthielt besondere Regelungen für die Tarifumgehung, die eine spezielle Form der Gesetzesumgehung i.S. des § 5 Abs. 1 GüKG 1983 darstellte (vgl. Münz/Haselau/Liebert, GüKG, 3. Aufl., § 5 Anm. 2 lit. a). Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift erstreckte sich hinsichtlich der Beförderungsleistung auch auf Speditionsverträge (§ 20 Abs. 2 Satz 1 GüKG 1983). Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 GüKG 1983 waren sämtliche Zahlungen und Zuwendungen, die im Ergebnis zu einer Preisrechtswidrigkeit der Frachtvergütung führten, verboten. Die Bestimmung untersagte damit jeden dem Auftraggeber des Frachtführers gewährten Vermögensvorteil, der dazu diente, den Tarifzwang unter Ausnutzung der Vertragsfreiheit zu unterlaufen. Alle Zuwendungsgeschäfte dieser Art waren demzufolge wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig. Lediglich der Speditions- oder Frachtvertrag selbst blieb – unter Einbeziehung der tarifgemäßen Vergütung und Beförderungsbedingungen – wirksam (§ 22 Abs. 3, § 20 Abs. 2 Satz 1 GüKG 1983).
bb) Als Zuwendungen sind alle Privatrechtsgeschäfte anzusehen, die eine Vermögensverschiebung zwischen den Beteiligten zum Ziel haben. Unerheblich ist dabei, ob die Bereicherung durch eine Verpflichtung oder Verfügung eintritt; ebensowenig ist von Bedeutung, ob das jeweilige Rechtsgeschäft an sich abstrakt oder kausal ist (vgl. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band, 3. Aufl., § 12 I 1; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., Überbl. v. § 104 Rdn. 19). Selbst Schuldversprechen oder -anerkenntnisse nach §§ 780 f. BGB, wie sie die Klägerin nach Auffassung des Berufungsgerichts abgegeben hat, wären demnach als gegen das gesetzliche Verbot des § 22 Abs. 2 Satz 2 GüKG 1983 verstoßende Zuwendungen anzusehen und daher nichtig.
3. Standen der Beklagten somit aufrechenbare Gegenforderungen weder aus einer kausalen Rahmenvereinbarung noch aufgrund abstrakter Schuldversprechen oder -anerkenntnisse gemäß §§ 780 f. BGB zu, ist vorliegend davon auszugehen, daß in Höhe der unzulässigen Absetzungen noch Beförderungsentgeltansprüche der Klägerin bestehen, sofern diese nicht verjährt sind (vgl. BGH, Urt. v. 1.12.1965 - Ib ZR 130/63, VersR 1966, 134). Die Klägerin hat ihr Zahlungsbegehren in der Berufungsinstanz auch – was das Berufungsgericht von seinem Standpunkt aus ungeprüft lassen konnte – hilfsweise darauf gestützt, daß ihr noch nicht erfüllte Frachtvergütungsansprüche zustehen. Deren Durchsetzbarkeit steht jedoch gemäß § 222 Abs. 1 BGB die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen.
Dabei bedarf es im Streitfall keiner Entscheidung, ob zwischen den Parteien – was das Berufungsgericht offengelassen hat (BU 7 unten) – Beförderungs- oder Speditionsverträge zustandegekommen sind. In beiden Fällen wären die noch nicht erfüllten Vergütungsansprüche verjährt, und zwar unabhängig davon, ob von der einjährigen Verjährungsfrist nach § 40 Abs. 1 KVO oder von der zweijährigen Verjährungsfrist nach § 196 Abs. 1 Nr. 3 BGB auszugehen ist. Denn die Verjährung hätte spätestens mit Ablauf des Jahres 1993 zu laufen begonnen (vgl. § 201 Satz 1 BGB einerseits und § 40 Abs. 2 lit. a KVO andererseits), da – wie sich aus den von der Klägerin in Ablichtung vorgelegten Scheckbegleitbriefen ergibt – die in Rede stehenden Transportentgeltforderungen aus den Jahren 1990 bis 1993 stammen und auch die Teilleistungen der Beklagten auf diese Forderungen ebenfalls nur in diesem Zeitraum erbracht worden sind. Nach der längsten hier in Betracht zu ziehenden Verjährungsregelung wäre Verjährung danach spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 1995 eingetreten. Die Klägerin hat die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche jedoch erst mit der Berufungsbegründung vom 8. Februar 1996 zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht. In erster Instanz hat sie noch ausdrücklich erklärt, sie verlange bewußt nicht die Nachzahlung des gekürzten Tarifentgelts, sondern nur diejenigen Beträge, für die sie der Beklagten tarifwidrige Gutschriften erteilt habe.
a) Läge ein Frachtgeschäft vor, wäre die einjährige Verjährungsfrist des § 40 Abs. 1 KVO ohne weiteres anzuwenden, sofern die von der Beklagten gekürzten Entgeltforderungen aus Beförderungen im Güterfernverkehr (§ 1 Abs. 1 KVO) – was vorliegend offensichtlich der Fall ist – stammen. Aber selbst wenn auch Güternahverkehrsgeschäfte in Betracht kämen, würde nur die zweijährige Verjährungsfrist nach § 196 Abs. 1 Nr. 3 BGB gelten; die vierjährige Frist nach § 196 Abs. 2 BGB scheidet aus, da sie für Ansprüche der Frachtführer nicht gilt.
b) Entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Ansicht würde die vierjährige Verjährungsfrist nach § 196 Abs. 2 i.V. mit § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB aber auch dann nicht gelten, wenn von einem Speditionsgeschäft auszugehen wäre. Denn auch auf ein solches Geschäft wäre, sofern sämtliche Beförderungen im Güterfernverkehr durchgeführt wurden, gem. § 1 Abs. 5 KVO i.V. mit § 413 Abs. 1 Satz 1 HGB a.F. die Verjährungsregelung des § 40 Abs. 1 KVO anzuwenden; bei Beförderungen im Güternahverkehr würde auch hier die zweijährige Frist gem. § 196 Abs. 1 Nr. 3 BGB gelten (vgl. BGHZ 84, 257).
Die Klägerin ist – anders als die Revisionserwiderung meint – als Fixkostenspediteurin i.S. des § 413 Abs. 1 Satz 1 HGB a.F. anzusehen, da sie sich mit der Beklagten über einen bestimmten Satz der Beförderungskosten geeinigt hat; sie hat daher ausschließlich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers. Diese Beurteilung folgt aus § 4 Abs. 1 des zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrages, in dem bestimmt ist, daß „die Entgelte für die Speditions- und Transportleistungen … sich nach den gesetzlichen Bestimmungen (richten), wobei die jeweiligen Mindesttarife als vereinbart gelten”.
aa) Die Frage, ob die Parteien die Versendung von Gütern gegen einen bestimmten Satz (Betrag) der Frachtkosten abgesprochen haben, ist allerdings in erster Linie tatsächlicher Natur (BGHZ 84, 257, 260). Ihre Beantwortung ist daher grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Das angefochtene Urteil enthält zu einer Fixkostenvereinbarung keine Feststellungen, da sich das Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus mit § 4 Abs. 1 des Rahmenvertrages nicht zu befassen brauchte. Im Streitfall kann der Senat die Auslegung der Abrede, daß die „jeweiligen Mindesttarife als vereinbart gelten” sollten, nach §§ 133, 157 BGB jedoch selbst vornehmen, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen und weitere Feststellungen nicht mehr in Betracht kommen (vgl. BGHZ 65, 107; 104, 178, 181 f.; 122, 308, 316 m.w.N.). Sie führt zu der Annahme, daß sich die Parteien in § 4 Abs. 1 des Rahmenvertrages über einen bestimmten Satz der Beförderungskosten i.S. von § 413 Abs. 1 Satz 1 HGB a.F. geeinigt haben.
bb) Der Grund für die Gleichstellung des Fixkostenspediteurs mit einem Frachtführer ergibt sich aus dem Zweck der Vorschriften der §§ 412, 413 HGB a.F., der darin besteht, einen Spediteur, der sein eigentliches Arbeitsgebiet verläßt, also nicht nur Güterversendungen durch Frachtführer für fremde Rechnung im eigenen Namen besorgt (§ 407 Abs. 1 HGB a.F.), sondern Frachtverträge für eigene Rechnung schließt, in seinen Rechten und Pflichten wie einen Frachtführer zu behandeln. Seine Rechtsstellung ist in diesen Fällen derjenigen eines Frachtführers so weit angenähert, daß kein Grund besteht, ihn anders zu behandeln als einen Unternehmer, der als Hauptfrachtführer die Beförderung des Gutes im Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen übernimmt, aber mit der Durchführung des Transports einen Dritten beauftragt (BGHZ 65, 340, 343; 83, 87, 91 f.; 83, 96, 99 f.).
Die Absprache über einen bestimmten Satz der Beförderungskosten, durch den zugleich die eigentliche speditionelle Tätigkeit mit abgegolten wird (vgl. BGH, Urt. v. 27.1.1994 - I ZR 314/91, TranspR 1994, 387, 388 = VersR 1994, 1090), erfordert nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nicht, daß ein Gesamtbetrag vereinbart wird. Es genügt vielmehr, daß die Vertragsparteien sich über ein festes Entgelt je Beförderungseinheit oder Transportabschnitt einigen (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.1972 - I ZR 103/70, VersR 1972, 873: pro Einzelfahrt; Urt. v. 21.11.1975 - I ZR 74/75, VersR 1976, 433: je Tonne, insoweit in BGHZ 65, 340 nicht abgedruckt; Urt. v. 30.6.1978 - I ZR 146/76, VersR 1978, 935: pro Kiste; BGHZ 84, 257: je Teilstrecke; ferner Helm in: GroßkommHGB, 4. Aufl., §§ 412, 413 Rdn. 114; Koller, Transportrecht, 3. Aufl., § 413 HGB Rdn. 3, jeweils m.w.N.).
Durch Abreden der vorliegenden Art, nach denen die Speditions- und Transportleistungen durch den jeweiligen gesetzlichen Mindesttarif abgegolten sein sollen, sind entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung die formellen Anforderungen, die an die Vereinbarung eines bestimmten Satzes der Beförderungskosten i.S. des § 413 Abs. 1 HGB a.F. zu stellen sind, erfüllt. Der Güterfernverkehrstarif sah eine abgestufte Frachtberechnung auf der Grundlage des Gewichts des Gutes, der Tarifentfernung und – bei Ladungsgut – auch der Güterart vor; für den Bereich des Güternahverkehrs bestanden in ähnlicher Weise konkrete Sätze, differenziert nach Einsatzzeit, Entfernung, Nutzlast und/oder Ladungsgewicht. Da die Parteien von detaillierten Frachtentgeltabreden abgesehen haben, existierten offenbar für sämtliche Streckentransporte, die die Klägerin „durchzuführen” hatte, konkrete Tarifbestimmungen. Der Hinweis der Revisionserwiderung auf ihre Revisionsbegründung in der Sache I ZR 197/98, im Falle der Vereinbarung tariflicher Mindestsätze könne eine Fixkostenvereinbarung nicht angenommen werden, da „wegen der vielen tariflichen Zweifelsfragen dem Klarheitsinteresse des Auftraggebers” nicht hinreichend Rechnung getragen werde, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Sowohl der Güterfernverkehrstarif als auch der Güternahverkehrstarif enthielten bestimmte – mithin feste – Sätze der Beförderungskosten, die anhand verschiedener Kriterien zumindest für Großverlader wie die Beklagte und Speditionsunternehmen wie die Klägerin hinreichend bestimmbar waren. Der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck des § 413 Abs. 1 HGB a.F. läßt sich kein Anhaltspunkt für die Annahme entnehmen, daß diese (auch) dem Schutz des Interesses des Versenders an einer klaren Preisgestaltung dienen sollte.
cc) Ausgehend vom Zweck des § 413 Abs. 1 HGB a.F. ist entscheidend, daß ein Spediteur, der verspricht, seine Leistungen gegen Zahlung der gesetzlichen Mindesttarife zu erbringen, für eigene Rechnung handelt und sich in dem typischen Konflikt zwischen der gegenüber dem Versender bestehenden Interessenwahrungspflicht und seinem wirtschaftlichen Eigeninteresse befindet, der nach dem Willen des Gesetzgebers gerade durch die Anwendung des jeweils einschlägigen Frachtrechts gelöst werden soll. Auch im Streitfall hat sich die Klägerin der Stellung eines Frachtführers so weit angenähert, daß es gerechtfertigt erscheint, ihr gemäß § 413 Abs. 1 Satz 1 HGB a.F. die Rechte und Pflichten eines solchen aufzuerlegen. Hierfür sind folgende Erwägungen maßgeblich:
In dem zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrag ist nicht vorgesehen, daß die Klägerin für die von ihr zu erbringenden Leistungen eine Provision i.S. von § 409 HGB a.F. erhalten sollte. Sie sollte vielmehr sowohl die Speditions- als auch die Transportleistungen gegen Zahlung der jeweiligen tariflichen Mindestsätze „durchführen” (§ 4 Abs. 1 i.V. mit § 1 Abs. 1 des Rahmenvertrages). Dem streitgegenständlichen Rahmenvertrag kann ferner nichts dafür entnommen werden, daß die Klägerin gegenüber der Beklagten verpflichtet sein sollte, über jede einzelne durchgeführte Beförderung unter Darstellung ihrer eigenen Aufwendungen detailliert Rechnung zu legen. Dieser Punkt hätte aber gerade – wenn tatsächlich eine fremdnützige Geschäftsbesorgung, die nach § 407 Abs. 1 HGB a.F. ein wesentliches Kriterium für die Einordnung eines Vertragsverhältnisses als Speditionsvertrag darstellt, von den Parteien gewollt gewesen wäre – einer konkreten Regelung bedurft. Statt dessen heißt es in § 4 Abs. 2 des Rahmenvertrages, es solle eine dekadische Erstellung der „Frachtrechnungen” seitens der Klägerin erfolgen, was ebenfalls auf eine Fixkostenspedition hindeutet.
c) Haben sich die Parteien somit in § 4 Abs. 1 des streitgegenständlichen Rahmenvertrages über einen festen Satz der Beförderungskosten geeinigt, richtet sich die Verjährungsfrist für die von der Klägerin hilfsweise erhobenen Ansprüche auf Zahlung restlichen Beförderungsentgelts nach den Bestimmungen der Kraftverkehrsordnung, da die Klägerin gemäß § 413 Abs. 1 Satz 1 HGB a.F. ausschließlich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers hat und die hier in Rede stehenden Transporte offensichtlich im Güterfernverkehr durchgeführt wurden (andernfalls käme die zweijährige Verjährungsfrist nach § 196 Abs. 1 Nr. 3 BGB in Betracht, vgl. oben unter II. 3.). Ob die Klägerin auf den Fernstrecken eigene Kraftfahrzeuge eingesetzt hat (§ 1 Abs. 5 KVO), ist für die Anwendung der Verjährungsregelung des § 40 KVO ohne Bedeutung. Diese Vorschrift galt für die Vergütungsansprüche jedes Spediteurs im innerdeutschen Güterfernverkehr, der nach § 412 oder § 413 HGB a.F. die Rechte und Pflichten eines Frachtführers hatte (vgl. BGH, Urt. v. 17.3.1994 - I ZR 280/91, TranspR 1994, 341 = VersR 1994, 960; Urt. v. 26.6.1997 - I ZR 28/95, TranspR 1997, 384 = VersR 1998, 255, zum Abtretungsanspruch aus § 52 lit. a Satz 1 ADSp a.F.).
III. Danach war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen die Entscheidung des Landgerichts zurückzuweisen. Gemäß § 97 Abs. 1 ZPO hat die Klägerin die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Unterschriften
Erdmann, Mees, v. Ungern-Sternberg, Bornkamm, Pokrant
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.01.1999 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen