Entscheidungsstichwort (Thema)
Schiffsbauwerk. Werklieferungsvertrag. Eröffnung des Konkursverfahrens. Aufrechnung gegen den Teil der Werklohnforderung, die der vor Verfahrenseröffnung erbrachten Werkleistung entspricht. Teilherstellung des Schiffes. Nichtbevorrechtigte Konkursforderungen. Teilbarkeit von Werkleistungen. Gesamtbaulohn zum Teil Masseforderung. Wertverhältnis von fertiggestelltem Schiff zu Schiffsbauwerk bei Konkurseröffnung
Leitsatz (amtlich)
a) Stellt der Konkursverwalter des Werklieferanten mit Mitteln der Masse ein Schiffsbauwerk fertig und übereignet das Schiff dem Besteller, so kann der Besteller mit nichtbevorrechtigten Konkursforderungen aus einem anderen Vertrag gegen den Teil der Baulohnforderung aufrechnen, die durch Teilherstellung des Schiffes bis zur Konkurseröffnung – ohne fällig zu sein – bereits entstanden war.
b) Bei Fertigstellung und Ablieferung eines Schiffsbauwerkes durch den Konkursverwalter wird der Gesamtbaulohn zu demjenigen Teil Masseforderung, der sich aus dem Wertverhältnis ergibt, in welchem zur Zeit der Ablieferung das fertiggestellte Schiff zu dem Schiffsbauwerk nach seinem Bauzustand bei Konkurseröffnung steht.
Der Tatrichter hat die bestrittene Masseunzulänglichkeit in einem Prozeß gegen den Konkursverwalter entsprechend § 287 Abs. 2 ZPO zu beurteilen.
Normenkette
KO §§ 17, 55 S. 1 Nr. 1; BGB § 651; KO § 60; ZPO § 287 Abs. 2
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG |
LG Lübeck |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 30. April 1998 – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen – im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Zahlung und die Abweisung ihrer Widerklage mit dem Hilfsantrag zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die E. Werft AG (später Werft oder Gemeinschuldnerin) baute 1993/94 im Auftrag der beklagten Reederei den Passagiersegler „L. M.” zum Festpreis von 13,85 Mio. DM (Bauvertrag vom 14. Dezember 1993). Für den Neubau wurden Rumpfteile des Segelschiffs „J. V. P.” verwendet, das die Beklagte im Oktober 1993 der Werft überlassen hatte und ihr mit weiterem Vertrag vom 14. Dezember 1993 zum Preis von 1,3 Mio. DM verkaufte. Der Kaufpreis für die „J. V. P.” sollte mit Ablieferung des Neubaus fällig sein.
Am 31. Juli 1994 wurde über das Vermögen der E. Werft AG nach Antrag vom 3. Juni 1994 der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestellt. Am 22. September 1994 – nach zwischenzeitlicher Fertigstellung – übergab und übereignete der Kläger den Neubau an die Beklagte. Vorbehaltene Gewährleistungsarbeiten mit Kosten von 316.719,20 DM ließ die Beklagte anderweitig verrichten.
Die Beklagte zahlte bei Ablieferung des Neubaus 6.029.697,27 DM, womit auch Sonderarbeiten abgegolten wurden, und rechnete im übrigen mit einem Anspruch auf Vertragsstrafe und ihrer Forderung aus dem Verkauf des Seglers „J. V. P.” gegen den restlichen Baulohnanspruch des Klägers auf.
Der Kläger hat der Aufrechnung mit der Kaufpreisforderung für die „J. V. P.” widersprochen und die Beklagte auf Zahlung von 983.280,80 DM (1.300.000 DM restlicher Baulohn abzüglich 316.719,20 DM Kosten der Mangelbeseitigung am Neubau) nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat von dem Kläger widerklagend Zahlung von 316.719,20 DM nebst Zinsen verlangt; hilfsweise begehrt sie wegen der bekannt gemachten Masseunzulänglichkeit Feststellung, daß ihr diese Beträge als Masseforderung zustehen.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihre bisherigen Sachanträge weiterverfolgt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Abweisung der Widerklage mit dem Hauptantrag wendet. Im übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO), soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
I. Zur Klage:
1. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Gemeinschuldnerin und die Beklagte über den Schiffsbau einen Werklieferungsvertrag (§ 651 BGB) geschlossen hatten. Dies wird von der Revision nicht angegriffen und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Bauvorhaben bezog sich hier – anders als bei einem Serienbau – auf die Herstellung einer nicht vertretbaren Sache (vgl. § 91 BGB), so daß auf das Vertragsverhältnis nach § 651 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB weitgehend die Vorschriften über den Werkvertrag Anwendung finden. Das Schiffsbauwerk stand bis zur Ablieferung im Eigentum der Werft (Masse).
2. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Beklagten sei die Aufrechnung gegen den Restbaulohnanspruch des Klägers nach § 55 Satz 1 Nr. 1 KO verwehrt, weil das nach Konkurseröffnung über das Vermögen der Gemeinschuldnerin vom Konkursverwalter fertiggestellte Schiffsbauwerk bis zur Ablieferung an die Beklagte Teil der Masse gewesen sei und die Gemeinschuldnerin noch keinerlei Leistungserfolg gegenüber der Beklagten erbracht gehabt habe. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Der Bundesgerichtshof hat für einen bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Bauunternehmers teilweise und danach weiter erfüllten Bauwerkvertrag entschieden, daß gegen den Teil der Werklohnforderung, die der vor Verfahrenseröffnung erbrachten Werkleistung entspricht, von dem Besteller mit einer Konkursforderung aufgerechnet werden kann (BGHZ 129, 336, 338 ff). Für den vorliegenden Werklieferungsvertrag kann nichts anderes gelten. Dem steht nicht entgegen, daß das Schiffsbauwerk – anders als bei einem Werkvertrag – bis zur Ablieferung in vollem Umfang Teil der Masse war und daß die Beklagte als Bestellerin wegen der dinglichen Rechtslage ohne ein Erfüllungsverlangen des klagenden Konkursverwalters ungeachtet ihrer Vorleistungen keine durchsetzbaren Rechte auf das Bauwerk erworben hätte.
Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 17 KO soll der Masse bei einem Erfüllungsverlangen des Konkursverwalters für die von ihr erbrachte Leistung auch die Gegenleistung ungeschmälert zustehen. Dies kann in dem Fall, daß zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens ein gegenseitiger Vertrag vom Gemeinschuldner bereits teilweise erfüllt ist, nur für denjenigen Teil der Gegenleistung gelten, der auf die noch ausstehende und mit Mitteln der Masse zu erbringende Vertragserfüllung entfällt. Nur insoweit hat die Masse Aufwendungen zu erbringen. Soweit der Gemeinschuldner einen gegenseitigen Vertrag bereits vor Konkurseröffnung erfüllt hat, greift dieser Rechtsgedanke nicht ein. In diesem Umfang hat die Masse keine Leistungen mehr zu erbringen, so daß es nicht geboten und nicht gerechtfertigt ist, sie vor einer Aufrechnung gegen den auf diesen Teil entfallenden Gegenleistungsanspruch zu schützen (BGHZ 129, 336, 340).
Der Gedanke, daß der Masse die Gegenleistung nur für solche Leistungen ungeschmälert gebühren soll, die mit Mitteln der Masse erbracht wurden, trifft auf einen Werklieferungsvertrag über eine nicht vertretbare Sache in gleicher Weise wie für einen Werkvertrag zu. Daß die Leistungen des Auftragnehmers bei einem Werkvertrag kontinuierlich infolge gesetzlichen Eigentumsübergangs (etwa gemäß § 946 BGB) in das Eigentum des Auftraggebers übergehen, während bei einem Werklieferungsvertrag das Werk im allgemeinen (vgl. freilich BGH, Urt. v. 12. Mai 1976 – VIII ZR 26/75, NJW 1976, 1539 f) bis zur Ablieferung im Eigentum des Auftragnehmers verbleibt, fällt nicht entscheidend ins Gewicht. Anders als bei einem Kaufvertrag oder einem Werklieferungsvertrag über vertretbare Sachen steht beim Werklieferungsvertrag über eine nicht vertretbare Sache – ähnlich wie bei einem Werkvertrag – die entgeltliche Schöpfung des Werkes gerade für den Besteller im Vordergrund (BGH, Urt. v. 24. November 1976 – VIII ZR 137/75, WM 1977, 79, 80, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 67, 359, 361), mögen auch Übereignung und Besitzverschaffung als weitere Hauptpflichten hinzutreten. Diese in der Werkschöpfung liegende Gemeinsamkeit zwischen Werkvertrag und Werklieferungsvertrag über eine nicht vertretbare Sache, die den Gesetzgeber veranlaßt hat, einen solchen Werklieferungsvertrag – bis auf wenige Ausnahmen – dem Recht des Werkvertrages zu unterstellen, gebietet es, den vom Auftragnehmer teilweise erfüllten Werklieferungsvertrag über eine nicht vertretbare Sache im Konkursfall bei einem Erfüllungsverlangen des Konkursverwalters grundsätzlich in gleicher Weise zu behandeln wie den Werkvertrag. Deshalb ist derjenige Teil des Werklohnanspruchs, der auf die bis zur Konkurseröffnung erbrachten Werkleistungen entfällt, nicht i.S.v. § 55 Satz 1 Nr. 1 KO „nach der Eröffnung” für die Masse entstanden. Die Beklagte ist nicht gehindert, dagegen mit Konkursforderungen – hier mit dem Anspruch auf den Kaufpreis für die „J. V. P.” – aufzurechnen.
Daß die Beklagte ohne eine Erfüllungswahl des Klägers mit allen Ansprüchen ohne die Möglichkeit einer Aufrechnung Konkursgläubigerin gewesen wäre, läßt das Ergebnis nicht unangemessen erscheinen. Die Masse hat die Wahl des Konkursverwalters nach § 17 KO mit allen Vor- und Nachteilen gegen sich gelten zu lassen. Der Grundsatz der Meistbegünstigung der Masse, unabhängig von einem Erfüllungsverlangen des Konkursverwalters, findet im Gesetz keinen Rückhalt. Hat der Konkursverwalter – wie der Kläger – Erfüllung gewählt und ergeben sich dadurch für den anderen Vertragsteil nach § 54 KO Aufrechnungsmöglichkeiten gegen vorkonkurslich durch Teilherstellung des Lieferungswerkes bereits entstandene, wenn auch nach den §§ 651, 641 BGB zunächst nicht fällige Teilforderungen (vgl. BGHZ 89, 189, 192), so wird die Masse dadurch nicht in ihren Rechten geschmälert.
b) Entgegen der Ansicht, die dem Berufungsurteil zugrunde liegt, war die Gesamtleistung der Gemeinschuldnerin aus dem Schiffsbauvertrag mit der Beklagten bei Konkurseröffnung auch teilbar.
Die Leistung des Werklieferanten einer unvertretbaren Sache kann konkursrechtlich nicht erst in der Lieferung geteilt werden, die den endlichen Leistungserfolg bewirkt. Die Teilbarkeit besteht grundsätzlich auch schon in der Zäsur zwischen Herstellung und Lieferung der Sache und im Zuge der Sachherstellung selbst.
Es spricht vieles dafür, daß nur eine weite Grenzziehung der Teilbarkeit dem Gebot der Gläubigergleichbehandlung im Konkurs gerecht wird (vgl. Thode ZfIR 2000, 165, 180 f; Kreft, Festschrift für Uhlenbruck 2000 S. 387 ff). Zur Teilbarkeit von Werkleistungen im Sinne des § 36 Abs. 2 VerglO hatte die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt, daß sich die Gesamtleistung in hinreichend verselbständigte Teile aufspalten lasse; es genüge nicht, wenn sich eine erbrachte Teilleistung feststellen und bewerten lasse. Wesensgleichheit der Teile mit der Gesamtleistung war freilich nicht erforderlich (anders noch RGZ 155, 306, 313), jedoch sollte sich die teilweise erbrachte Gläubigerleistung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten einem entsprechenden Gegenleistungsteil zuordnen lassen müssen (vgl. BGHZ 67, 242, 249; 125, 270, 274 f). Dem ist der Bundesgerichtshof in seiner neuen Rechtsprechung zu § 17 KO nicht gefolgt. Vielmehr hat er eine Teilbarkeit von Bauleistungen allgemein bejaht (BGHZ 129, 336, 343, 344 f). Auch im Streitfall bestehen gegen die Annahme einer Teilbarkeit der auf Grund des Werklieferungsvertrages geschuldeten Leistungen keine Bedenken.
Schiffsbauwerke sind nach der Kiellegung jederzeit rechtlich verkehrsfähig (vgl. die §§ 76 bis 81 des Schiffsrechtegesetzes). Die Vollendung eines Schiffsbauwerks ist von der Person des Unternehmers unabhängig. Auf die Erlangung der Schwimmfähigkeit, die das Schiffsbauwerk beweglich macht und seine technische Nabelschnur zur Bauwerft löst, kommt es nicht an. Denn unabhängig davon ist das Schiffsbauwerk in seinem jeweiligen Bauzustand als realer Teil des künftigen Schiffes körperlich vorhanden und hinreichend verselbständigt. Ihm kann auch ein dem Grad seiner Fertigstellung entsprechender Teil des Baulohnes zugeordnet werden, was bei vereinbarten Einzelpreisen im Schiffsbauvertrag erleichtert, aber nicht erst ermöglicht wird (anders noch zu § 36 Abs. 2 VerglO, BGHZ 67, 242, 249). Denn entscheidender Gesichtspunkt ist in dieser Hinsicht, daß feststellbar bleibt, welcher Teil des Gesamtbaulohns durch die Erfüllung (Teilleistung) mit Mitteln der Masse den Rang einer Masseforderung erhält (vgl. C. Schmitz, Der Baukonkurs, 1999, Rn. 138; Kreft, Festschrift für Uhlenbruck S. 387, 396). Dies kann mangels anderer Anhaltspunkte – ähnlich wie im Falle der Teilunmöglichkeit (vgl. § 323 BGB) – in entsprechender Anwendung der Minderungsformel (§ 472 BGB) bestimmt werden. Der Gesamtbaulohn ist im Zweifel in jenem Wertverhältnis zu teilen, in welchem zur Zeit der Ablieferung das fertiggestellte Schiff zu dem Schiffsbauwerk nach seinem Bauzustand bei Konkurseröffnung stand.
c) Der Aufrechnung der Beklagten steht nach § 54 Abs. 1 KO nicht entgegen, daß ihre Kaufpreisforderung für die „J. V. P.” zur Zeit der Konkurseröffnung noch nicht fällig war.
3. Durch die Aufrechnung der Beklagten mit ihrer Kaufpreisforderung für den Segler „J. V. P.” kann der streitige Restbaulohn für den Schiffsneubau – je nach dem Ergebnis der weiteren Sachaufklärung – vollständig, in Teilen oder gar nicht getilgt sein.
a) Eine Abzinsung der aufgerechneten Kaufpreisforderung zu Lasten der Beklagten gemäß § 54 Abs. 2 KO kommt nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht in Betracht, weil sich die Forderungen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten mit jeweiliger Fälligkeit am 22. September 1994 gleichzeitig aufrechenbar gegenüberstanden.
b) Die Beklagte hat mit ihrer Kaufpreisforderung nicht (in unzulässiger Weise) gegen die Restbaulohnforderung aufgerechnet, die sich aus der Fertigstellung des Schiffsbauwerkes nach Konkurseröffnung ergeben hat (Masseforderung), sondern gegen den vorkonkurslich entstandenen Forderungsteil der Gemeinschuldnerin, der mit Übergabe und Übereignung des fertiggestellten Schiffes an die Beklagte fällig geworden ist (§§ 651, 641 BGB) und noch nicht durch ihre an die Gemeinschuldnerin geleisteten Anzahlungen belegt war.
Die Schlußabrechnung der Beklagten vom 22. September 1994 enthält zwar keine Tilgungsbestimmung für die geleistete Schlußzahlung und die Aufrechnung. Insoweit ergibt sich das Nähere jedoch aus § 396 Abs. 1, § 366 Abs. 2 BGB. Die Banküberweisung der Schlußzahlung tilgte zunächst die der Beklagten (Schuldnerin) lästigere Schuld gegenüber dem Kläger, die nach § 55 Satz 1 Nr. 1 KO nicht durch Aufrechnung zu berichtigen war. Durch die Aufrechnung erlosch (§ 389 BGB) im nämlichen Umfang mithin die Werklohnforderung der Gemeinschuldnerin, welche die vorkonkurslich geleisteten Anzahlungen von 6.902.500 DM übersteigt (siehe oben 2.). Die Höhe dieses Forderungsteils hat das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – bisher nicht festgestellt. Der entsprechende Sachvortrag der Parteien ist streitig. Der Senat ist daher zu einer abschließenden Entscheidung nicht in der Lage. Die hiernach notwendigen weiteren Feststellungen werden im erneuten Berufungsdurchgang – wie bereits im Beschluß des Berufungsgerichts vom 23. Dezember 1997 erörtert – nachzuholen sein.
c) Das Berufungsgericht wird bei seiner erneuten Prüfung, inwieweit die Klageforderung erfüllt ist, sich je nach Umständen auch mit einer Anfechtung des Klägers auseinanderzusetzen haben, die sich nach § 30 Nr. 1 Fall 2 KO gegen die seit der Zahlungseinstellung oder dem Eröffnungsantrag durch Wertschöpfung der Gemeinschuldnerin in dem später abgelieferten Schiffsbauwerk geschaffene Aufrechnungslage richtet (vgl. BGH, Urt. v. 28. September 2000 – VII ZR 372/99, WM 2000, 2453, 2456, z.V.b. in BGHZ 145, 245; v. 5. April 2001 – IX ZR 216/98, WM 2001, 1041, 1042, z.V.b. in BGHZ). Diese Anfechtung liegt schon darin, daß der Kläger von der Beklagten unbeschadet ihrer Aufrechnung vollen Umfanges Zahlung verlangt und damit die in § 37 KO bestimmte Anfechtungsfolge für sich in Anspruch genommen hat (vgl. BGHZ 135, 140, 149 ff). Feststellungen dazu, seit wann die Beklagte gegebenenfalls vom Eintritt der Krise bei der Gemeinschuldnerin Kenntnis hatte, werden in diesem Zusammenhang nachzuholen sein.
Der erörterten Anfechtungsmöglichkeit steht keine Überschreitung der einjährigen Anfechtungsfrist des § 41 Abs. 1 KO entgegen. Die Anfechtungsfrist kann hier, wie in anderen Fällen, in denen die Aufrechnungslage in anfechtbarer Weise geschaffen worden ist, nicht vor dem Zugang der Aufrechnungserklärung beginnen (vgl. dazu BGHZ 86, 349, 353; 129, 336, 343; BGH, Urteil v. 28. September 2000 – VII ZR 372/99, aaO), welche die Beklagte mit ihrer Abrechnung vom 22. September 1994 abgegeben hat. Die hierdurch in Lauf gesetzte Anfechtungsfrist ist durch das vollständige und ordnungsgemäß begründete Gesuch des Klägers um Prozeßkostenhilfe, das am 22. September 1995 bei Gericht eingegangen ist, nach § 41 Abs. 1 Satz 2 KO i.V.m. § 203 Abs. 2 BGB rechtzeitig gehemmt worden (vgl. BGHZ 70, 235, 237 ff; BGH, Urt. v. 29. Januar 1981 – III ZR 168/79, NJW 1981, 1550 f). Nach Zugang des Bewilligungsbeschlusses am 12. Dezember 1995 hat die am 19. Dezember 1995 „in angemessener Frist” eingereichte Klage die Anfechtungsfrist gewahrt (vgl. BGH, Urt. v. 22. März 2001 – IX ZR 407/98, WM 2001, 1038, 1039 m.w.N.).
II. Zur Widerklage:
Die Widerklage hat das Berufungsgericht mit dem auf Zahlung gerichteten Hauptantrag wegen Unzulänglichkeit der Masse (§ 60 KO) als unzulässig und mit dem Hilfsfeststellungsantrag als unbegründet abgewiesen. Auch das hält der Nachprüfung nur teilweise stand.
1. Gegen die Abweisung der Widerklage mit dem Hauptantrag rügt die Revision allerdings ohne Erfolg, daß das Berufungsgericht die vom Kläger geltend gemachte Masseunzulänglichkeit nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt habe.
a) Ist ernstlich damit zu rechnen, daß die Konkursmasse zur vollständigen Befriedigung aller Massegläubiger nicht ausreicht, darf der Konkursverwalter wegen einer bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Masseschuld jedenfalls nicht mehr uneingeschränkt zur Leistung an den Massegläubiger verurteilt werden. Denn die Vollstreckung solcher Urteile würde der in § 60 KO angeordneten Verteilung einer unzulänglichen Masse den Boden entziehen (vgl. BGH, Urt. v. 5. Juli 1988 – IX ZR 7/88, WM 1988, 1391, 1392; BAGE 31, 288, 293; BAG KTS 1986, 484, 486; ZIP 1989, 53, 54; ZIP 1999, 36 f; 1999, 585; BFHE 181, 202, 206 = ZIP 1996, 1838; OLG Düsseldorf, ZIP 1995, 2003, 2004; ähnlich BSGE 52, 42, 46). Auch der hiervon betroffene Massegläubiger kann in der Regel nur entsprechend § 146 KO die Eintragung in die Tabelle betreiben und erlangt damit im Erfolgsfall die Rechtsstellung des § 147 KO. Ob bei feststehender Verteilungsquote mit dieser Beschränkung auch zur Leistung an den klagenden Massegläubiger verurteilt werden könnte, bedarf vorliegend keiner Prüfung.
b) Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 60 KO trifft im Prozeß den Konkursverwalter (Senatsbeschl. v. 29. Februar 1996 – IX ZR 117/95, BGHR KO § 60 Abs. 1 – Masseunzulänglichkeit 3; BAGE 31, 288, 295 a.E. f.; BAG KTS 1986, 484, 486 unter II. 1.; ZIP 1999, 36, 37 unter II. 3. vor a; BFHE 181, 202, 207; OLG Düsseldorf, aaO). Ihr ist der Kläger gerecht geworden.
Der Kläger hat am 11. März 1996 im Niedersächsischen Staatsanzeiger (S. 192) für das vorliegende Konkursverfahren die Unzulänglichkeit der Masse öffentlich bekannt gemacht. Teilweise wird die Ansicht vertreten, daß der Konkursverwalter seiner prozessualen Last bereits durch den Hinweis auf eine solche Bekanntmachung genüge (so OLG Düsseldorf, aaO; LAG Düsseldorf, ZIP 2001, 526, 528; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl., § 60 Rdn. 3 e; Uhlenbruck, EWiR 1996, 33). Nach anderer Ansicht kann eine solche Wirkung nicht ohne weiteres angenommen werden (so BFHE 181, 202, 206 f = ZIP 1996, 1838, 1840; LAG Hamm, ZIP 1992, 1406; Hess/Kropshofer, KO 4. Aufl., § 60 Rdn. 9; ähnlich Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 60 KO Anm. 2, der die Anzeige als Beweismittel wertet). Der Senat hat diese Rechtsfrage bisher nicht entschieden (vgl. Beschl. v. 29. Februar 1996, aaO). Sie kann auch hier offen bleiben.
Das Berufungsgericht hat seine tatrichterliche Überzeugung von der Masseunzulänglichkeit im Streitfall sowohl auf die öffentliche Bekanntmachung des Klägers im Niedersächsischen Staatsanzeiger vom 11. März 1996 gestützt als auch auf den eingereichten Finanzstatus vom 4. August 1997, den der Kläger schriftsätzlich unter Bezug auf die eidesstattliche Versicherung vom 5. August 1997 im Prozeßkostenhilfeverfahren weiter erläutert hat. Diese tatrichterliche Würdigung der öffentlichen Bekanntmachung des Klägers im Niedersächsischen Staatsanzeiger als Beweisanzeichen für die behauptete Masseunzulänglichkeit neben anderen Umständen ist auch gegenüber dem Bestreiten eines Massegläubigers – wie hier der Beklagten und Widerklägerin – nicht zu beanstanden (vgl. für eine Würdigung im Rahmen von § 12 FGG auch KG, ZIP 2000, 2029, 2030; zu eng Runkel/Schnurbusch, NZI 2000, 49, 51, die der öffentlichen Bekanntmachung für die Feststellung der Masseunzulänglichkeit jede Beweisfunktion absprechen). Die Einrede der Masseunzulänglichkeit betrifft die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen gegen die Masse, die sich mit der besonderen Rangordnung des § 60 KO im wesentlichen auf die Höhe der den Massegläubigern jeweils zustehenden Befriedigung auswirkt. Der Tatrichter kann deshalb entsprechend § 287 Abs. 2 ZPO auch über die Vorfrage der Masseunzulänglichkeit befinden, wenn der Massegläubiger – wie hier die Beklagte mit dem Hauptantrag der Widerklage – trotz der Unzulänglichkeitseinrede des Konkursverwalters auf dessen Verurteilung anträgt.
Vor diesem Hintergrund zeigt die Revision nicht auf, daß die von ihr gerügte mangelhafte Aufklärung der bestrittenen Masseunzulänglichkeit durch das Berufungsgericht, insbesondere die Nichteinholung des vom Kläger als Beweis der Masseunzulänglichkeit angebotenen Sachverständigengutachtens, das Verfahren verletzt hat.
2. Mit dem Hilfsantrag kann die Widerklage nicht abgewiesen werden, soweit die Restwerklohnforderung aus dem Schiffsbauvertrag vom 14. Dezember 1993 nicht durch Zahlung belegt werden muß. Die Ersatzpflicht des Klägers für die „Vollendungskosten” ist als solche unstreitig. Dies begegnet keinen Rechtsbedenken, auch soweit es um die Bevorrechtigung der Forderung als Masseschuld im Sinne von § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO geht (vgl. Thode, aaO S. 179; Kreft, aaO S. 397).
Unterschriften
Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof, Fischer, Raebel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 22.02.2001 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 625195 |
BGHZ |
BGHZ, 28 |
DB 2001, 2041 |
NJW 2001, 3704 |
BGHR 2001, 711 |
BauR 2001, 1580 |
EWiR 2001, 1107 |
IBR 2001, 487 |
JurBüro 2002, 50 |
KTS 2001, 583 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1470 |
WuB 2002, 901 |
ZIP 2001, 1380 |
InVo 2001, 371 |
MDR 2001, 1076 |
NZI 2001, 537 |
ZInsO 2001, 708 |
NZBau 2001, 498 |