Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine öffentliche Last im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG gegeben ist (hier betreffend § 8 des Kommunalabgabengesetzes für Rheinland-Pfalz i.d.F. vom 8. November 1954 – GVBl S. 139).
Normenkette
ZVG § 10 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
OLG Zweibrücken (Urteil vom 13.02.1980) |
LG Frankenthal (Pfalz) (Teilurteil vom 09.03.1979) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 13. Februar 1980 aufgehoben.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 9. März 1979 wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, gegenüber der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Bad Dürkheim (HL 6/78) die Auszahlung des hinterlegten Betrages von 44.267,60 DM aus dem Zwangsversteigerungsverfahren K 37/76 AG Bad Dürkheim an die Klägerin zu bewilligen.
Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien betrieben die Zwangsversteigerung in das Teileigentum der Firma D. Wohnbau-GmbH an dem im übrigen in Wohnungseigentum aufgeteilten „D.-Hochhaus” in B.. Die Klägerin vollstreckte aus Grundschulden. Die Beklagte hatte durch Bescheid vom 3. Mai 1973 für den Ausbau des Bürgersteiges am D.-Hochhaus einen Beitrag von 37.083,10 DM gegen die D. Wohnbau-GmbH festgesetzt. Diesen Beitrag nebst Säumniszuschlägen, insgesamt 59.283,10 DM, machte sie als bevorrechtigte öffentliche Last im Zwangsversteigerungsverfahren geltend. Der Verteilungsplan berücksichtigte das Vorrecht der Beklagten in dieser Höhe. Die Klägerin widersprach der Zuteilung von 57.587,60 DM an die Beklagte, weil ihrer Meinung nach insoweit keine öffentliche Last an dem versteigerten Teileigentum bestand. Der strittige Betrag wurde hinterlegt.
Mit der Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zur Einwilligung in die Auszahlung des hinterlegten Betrages zu verurteilen. In Höhe von 13.320 DM haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Hinsichtlich des noch strittigen Betrages von 44.267,60 DM ist die Klage in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht führt aus: Der Bescheid der beklagten Stadt vom 3. Mai 1973 sei wirksam. Es sei nicht zu beanstanden, daß nur die D. Wohnbau-GmbH und nicht auch die anderen Wohnungseigentümer zur Beitragsleistung herangezogen worden seien. Die festgesetzte Leistung sei als bevorrechtigte öffentliche Last im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG anzusehen. Grundlage dafür sei die Satzung der Beklagten vom 23. Oktober 1964 in Verbindung mit § 8 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 8. November 1954 und mit § 7 der zu diesem Gesetz erlassenen Durchführungsverordnung vom 2. September 1955. Auch die dingliche Gesamthaftung des Teileigentums der D. GmbH sei zu bejahen.
Die Revision hat Erfolg.
II.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stellt sich die Verpflichtung der D. Wohnbau-GmbH zur Zahlung des festgesetzten Beitrages für den Ausbau eines Gehweges nicht als öffentliche Last im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG dar.
Die Bestandskraft des Heranziehungsbescheids vom 3. Mai 1973 hat zwar zur Folge, daß die Haftung der D. GmbH in Höhe des ihr auferlegten Beitrages bindend feststeht; der Bescheid als solcher begründete indessen nur eine persönliche Zahlungspflicht, nicht auch die dingliche Haftung des Grundstücks. Daran ändert der Umstand nichts, daß dieser Bescheid die Zahlungsverpflichtung der D. GmbH als öffentliche Last bezeichnet. Hierauf erstreckt sich seine Bestandskraft schon deswegen nicht, weil es sich nur um einen deklaratorischen, insoweit lediglich die Ortssatzung inhaltlich wiedergebenden Hinweis auf die vermeintliche Rechtsnatur des festgesetzten Beitrages handelt.
Ob eine Abgabenverpflichtung die Eigenschaft einer öffentlichen Last hat, beurteilt sich nach der gesetzlichen Regelung, auf der die Verpflichtung beruht.
Der Rechtsbegriff der öffentlichen Last ist allerdings gesetzlich nicht bestimmt. Er wird nach allgemeiner Ansicht dahin verstanden, daß es sich um eine Abgabenverpflichtung handeln muß, welche auf öffentlichem Recht beruht, durch wiederkehrende oder einmalige Geldleistung zu erfüllen ist und nicht nur die persönliche Haftung des Schuldners, sondern auch die dingliche Haftung des Grundstücks voraussetzt (Senatsurteil vom 27. November 1970, V ZR 52/68, LM § 10 ZVG Nr. 3; Steiner/Riedel, ZVG 8. Aufl. § 10 Rdn. 7 b; Zeller, ZVG 10. Aufl. § 10 Rdn. 7 Anm. 1). Grundlage dafür ist das öffentliche Recht des Bundes, aber auch, wie sich aus § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ZVG ergibt, öffentliches Landesrecht. Soweit das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 45, 297 im Zusammenhang mit dem Hamburgischen Enteignungsgesetz vom 14. Juni 1963 entschieden hat, daß ein Bundesland nicht befugt sei, die Rechtsfigur der öffentlichen Last einzuführen, betrifft diese Entscheidung die Frage der enteignungsrechtlichen Begründung eines im System des Sachenrechts nicht vorgesehenen dinglichen Rechts am Grundstück. Die in § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG ausdrücklich vorausgesetzte Befugnis des Landesgesetzgebers, Abgabenverpflichtungen zu begründen, die ihrer Art nach die Eigenschaft einer öffentlichen Last haben, bleibt davon unberührt (vgl. dazu auch Jäger, DVBl 1979, 24 gegen Messer, NJW 1978, 1406).
Der Bescheid der beklagten Stadt vom 3. Mai 1973 stützt sich auf deren Ortssatzung vom 23. Oktober 1964 und auf die darin in Bezug genommene Bestimmung des § 8 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) für Rheinland-Pfalz in der damals geltenden Fassung vom 8. November 1954 (GVBl S. 139). Diese Bestimmung ermächtigte die Gemeinden, zur Deckung der Kosten für die Herstellung und Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen von den Grundstückseigentümern, den sonstigen dinglich Berechtigten und den Unternehmen, denen diese Einrichtungen in besonderem Maße zum Vorteil gereichen, Beiträge zu erheben. Nicht festgelegt ist in § 8 KAG a.F., daß es sich bei diesen Beiträgen um öffentliche Lasten handelt. Allerdings wird in Rechtsprechung und Schrifttum die Ansicht vertreten, daß eine öffentliche Last nicht unbedingt auch als solche bezeichnet sein muß, sondern daß es im Einzelfall genügen kann, wenn sich diese Eigenschaft aus der rechtlichen Ausgestaltung der Zahlungspflicht und aus ihrer Beziehung zum Grundstück ergibt (Senatsurteil a.a.O.; Fischer, NJW 1955, 1583, 1586; Steiner/Riedel a.a.O. § 10 Rdn. 7 d; Zeller a.a.O. § 10 Rdn. 7 Anm. 1; Dassler/Schiffhauer/Gerhardt, ZVG 11. Aufl. § 10 Anm. IV b; vgl. auch § 4 des rheinland-pfälzischen Ausführungsgesetzes zum ZVG vom 30. August 1974 – GVBl S. 371). Aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit muß jedoch aus der gesetzlichen Regelung eindeutig hervorgehen, daß die Abgabenverpflichtung auf dem Grundstück lastet und daß mithin nicht nur eine persönliche Haftung des Abgabenschuldners, sondern auch die dingliche Haftung des Grundstücks besteht. Zweifel in dieser Hinsicht schließen eine Berücksichtigung der Zahlungspflicht als öffentliche Last aus. So aber liegen die Dinge hier.
Seinem Inhalt nach bezieht sich § 8 KAG a.F. nicht nur auf Grundstückseigentümer und sonstige dinglich Berechtigte; der Beitragspflicht unterliegen auch „Unternehmen”, falls ihnen die Herstellung oder Unterhaltung einer öffentlichen Einrichtung besondere Vorteile bringt. Daraus ergibt sich, daß zur Zahlung auch herangezogen werden kann, wer nicht Grundstückseigentümer (oder sonstiger am Grundstück dinglich Berechtigter) ist und mithin nur persönlich haftet. Hiernach scheidet die Möglichkeit aus, die in § 8 KAG geregelte Beitragspflicht generell als öffentliche Last anzusehen. Es kann daher nicht aus dieser gesetzlichen Regelung gefolgert werden, daß die im Einzelfall festgesetzte Beitragsverpflichtung die Eigenschaft einer öffentlichen Last hat; feststellen ließe sich nur, ob die Verpflichtung so geartet ist, daß sie im Gesetz als öffentliche Last hätte ausgestaltet werden können. Das gilt gerade auch in Fällen, in denen – wie vorliegend – am Grundstück bloß eine dingliche Mitberechtigung des Schuldners besteht (hier: 346,83/1000 Miteigentumsanteile der D. GmbH bei Erlaß des Bescheides), der Schuldner aber gleichwohl in voller Höhe zur Beitragszahlung herangezogen wird; denn dann könnte fraglich sein, ob seine volle Inanspruchnahme auf den Vorteilen für das Grundstück oder etwa nur auf den Vorteilen für das Unternehmen beruht. Eine Vorschrift des öffentlichen Rechts, die in dieser Weise eine Beitragspflicht für öffentliche Einrichtungen unabhängig davon begründet, ob der Schuldner Grundstückseigentümer ist, muß im Interesse der Rechtssicherheit klarstellen und dadurch für den Bürger erkennbar machen, daß die Verpflichtung für den Fall der Heranziehung des (jeweiligen) Grundstückseigentümers den Charakter einer öffentlichen Last hat. Ohne eine solche Regelung fehlt es an der erforderlichen öffentlich-rechtlichen Grundlage für eine dem Einzelfall entsprechende Einstufung der Zahlungspflicht als öffentliche Last.
Aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 KAG a.F. ergibt sich diese Rechtsgrundlage entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht. Diese Bestimmung erklärt für kommunale Abgaben die Vorschriften der Reichsabgabenordnung „über den Steueranspruch sowie über Erstattungs- und Vergütungsansprüche (§§ 97 bis 159)” für sinngemäß anwendbar. Damit ist zwar zugleich auf § 120 a Abs. 1 AO verwiesen; indessen ist dort nur bestimmt, daß bei einer als öffentliche Last auf dem Grundbesitz ruhenden Abgabe die dingliche Haftung gegen den jeweiligen Grundstückseigentümer geltend gemacht werden kann. Geregelt ist mithin nur die Rechtsfolge einer öffentlichen Last, nicht aber deren Voraussetzung. Die Frage ist hier jedoch gerade, ob der Beitragsverpflichtung aus § 8 KAG a.F. die Bedeutung einer öffentlichen Last zukommt. Durch die Verweisung auf § 120 a AO wird diese Frage nicht beantwortet.
Die Bezeichnung des Ausbaubeitrages als öffentliche Last in der Satzung der beklagten Stadt vom 23. Oktober 1964 kann sich auch nicht auf § 7 Abs. 1 der die Durchführung des Kommunalabgabengesetzes betreffenden Landesverordnung des rheinland-pfälzischen Ministers des Inneren vom 2. September 1955 (GVBl S. 89) stützen, wie das Berufungsgericht meint. Darin ist zwar vorgesehen, daß durch gemeindliche Satzung Beiträge für öffentliche Einrichtungen als auf dem Grundstück ruhende öffentliche Lasten bestimmt werden können; zu einer solchen Ermächtigung der Gemeinden war der Minister des Inneren aber nicht befugt, weil er hierzu seinerseits nicht ermächtigt war. Die ihm in § 14 KAG erteilte Ermächtigung, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, ist allerdings nicht – wovon das Berufungsgericht ausgeht – unmittelbar an Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen, da diese Verfassungsnorm nur für den Bereich der Bundesgesetzgebung gilt (BVerfGE 34, 52, 59; 41, 88, 116; BVerfG NJW 1981, 971). Maßgebend ist deshalb hier zunächst Art. 110 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz, wonach (ebenso wie nach Art. 80 GG) eine Rechtsverordnung eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmte gesetzliche Ermächtigungsgrundlage haben muß. Für die Frage, ob die ermächtigende Vorschrift der Landesgesetzgebung, hier also § 14 KAG a.F., die erlassene Rechtsverordnung deckt, sind indessen die verfassungsrechtlichen Grundsätze anwendbar, die zu Art. 80 Abs. 1 GG entwickelt worden sind (BVerfGE 41, 251, 266; BVerfG NJW 1981, 971). Danach muß der Inhalt einer verordnungsrechtlichen Vorschrift dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, wie er in der Ermächtigungsvorschrift und in der zu ihrer Auslegung heranzuziehenden Gesamtregelung des Gesetzes sowie in dessen Zielsetzung zum Ausdruck kommt (BVerfGE 7, 267, 272; 7, 282, 291; 8, 274, 307; 34, 52; BVerfG NJW 1981, 971, 972).
Hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß die Beitragsverpflichtung nach § 8 KAG a.F. auf eine dingliche Haftung hinzielte, sind nicht ersichtlich; denn diese Regelung bezog sich – wie dargelegt – auch auf Schuldner, für die von vornherein nur eine persönliche Haftung in Betracht kam oder für die sich zwischen persönlicher und dinglicher Haftung Unterschiede im Haftungsausmaß ergeben konnten. Der Gesetzgeber hätte deshalb – wie erst in § 8 Abs. 4 KAG in der Fassung vom 2. September 1977 (GVBl S. 306) geschehen – zumindest im Grundsatz die Beitragspflicht als eine öffentliche Last festlegen müssen, wenn der Verordnungsgeber hätte ermächtigt sein sollen, im Rahmen der ihm vorbehaltenen Durchführungsbestimmungen zum Kommunalabgabengesetz die näheren Voraussetzungen zu regeln, unter denen sich die Beitragspflicht als öffentliche Last darstellt. Die konstitutive Begründung öffentlicher Lasten im Verordnungswege geht über die Rechtsetzungsbefugnis hinaus, die dem Minister des Inneren durch § 14 KAG a.F. erteilt war. Infolgedessen ist die, in § 7 Abs. 1 LVO enthaltene Weiterermächtigung an die Gemeinden, Beiträge für öffentliche Einrichtungen als öffentliche Lasten auszugestalten, unwirksam.
Eine Umdeutung des auf der Grundlage der Satzung der beklagten Stadt vom 23. Oktober 1964 festgesetzten Ausbaubeitrages in einen Erschließungskostenbeitrag nach dem Bundesbaugesetz mit der Folge, daß dieser Beitrag gemäß § 134 Abs. 2 BBauG (Fassung vom 23. Juni 1960) als öffentliche Last anzusehen wäre, ist entgegen dem Standpunkt der Revisionserwiderung nicht möglich. Unter § 134 Abs. 2 BBauG fallen gemäß § 128 Abs. 1 Nr. 2 BBauG (a.F. und n.F.) nur Beiträge zur Ersterschließung. Die angeführte Satzung hingegen regelt in § 1 die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau bereits bestehender Erschließungsanlagen. Aus der in dem Heranziehungsbescheid vom 3. Mai 1973 enthaltenen Verweisung auf diese Satzung ist daher zu entnehmen, daß der gegen die D. GmbH festgesetzte Beitrag für den Ausbau des Gehweges keine Ersterschließungsmaßnahme betraf. Das gegenteilige Vorbringen der beklagten Stadt widerspricht den insoweit rechtsbedenkenfreien Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat.
Da somit die Zahlungsverpflichtung der D. GmbH aus dem Bescheid vom 3. Mai 1973 keine öffentliche Last darstellt, gebührt der beklagten Stadt in der Zwangsversteigerung nicht der Vorrang des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG vor den Grundschuldforderungen der Klägerin. Die Klage auf Einwilligung in die Auszahlung des hinterlegten Betrages von 44.267,60 DM ist demnach begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Unterschriften
Hill, Dr. Eckstein, Hagen, Linden, Räfle
Fundstellen
Haufe-Index 1530783 |
NJW 1981, 2127 |
Nachschlagewerk BGH |