Leitsatz (amtlich)
a) Die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu einem Aufnahmezwang Beitrittswilliger für Verbände mit einer überragenden Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich ergeben sich mittelbar aus Art. 9 Abs. 1 GG.
b) Solche Verbände können auch begrenzt auf einzelne Regionen bestehen.
Normenkette
BGB § 25
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Aktenzeichen II ZR 54/98) |
LG Stuttgart (Aktenzeichen 18 O 387/96) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. Januar 1998 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger als Mitglied aufzunehmen.
Der im Jahre 1981 gegründete Kläger ist ein Sportverein mit dem Schwerpunkt Fußball und dem Sitz in L. Er ist Mitglied des Württembergischen Fußballverbandes (WFV), des S. (STB) und des Württembergischen Landessportbundes (WLSB). Der Beklagte ist ein Zusammenschluß von L. er Sportvereinen, dessen Zweck in der Pflege und Förderung des Sports, insbesondere der Jugendarbeit in L. auf gemeinnütziger Grundlage besteht (§ 2 Nr. 2 der Satzung vom 7. April 1978). Nach § 4 Nr. 1 dieser Satzung konnten Sportvereine der Stadt L. Mitglieder des Beklagten werden; sie sollten Mitglied des Württembergischen Landessportbundes e.V. sein. Die Hauptversammlung des Beklagten beschloß am 25. März 1996 eine Neufassung der Satzung, die am 29. Mai 1996 in das Vereinsregister eingetragen wurde. § 4 Nr. 1 lautet nunmehr:
„Mitglieder des Vereins können Sportvereine der Stadt L. werden, deren Mitglieder, und hierbei vor allem deren Jugendmitglieder, überwiegend in L. wohnen. Die Vereine sollen Mitglieder des Württembergischen Landessportbundes e.V. sein. Der antragstellende Verein hat eine gesicherte finanzielle und wirtschaftliche Basis und eine die Funktionärsebene ausreichend tragende Mitgliederzahl nachzuweisen. Ein antragstellender Verein, dessen Sportangebot in gleicher oder ähnlicher Art von einem dem Stadtverband angehörenden Mitgliedsverein bereits angeboten wird, kann grundsätzlich nicht Mitglied werden. In einem solchen Falle hat ein antragstellender Verein jedoch die Möglichkeit, von sich aus sich einem bereits bestehenden Mitgliedsverein anzuschließen oder mit einem solchen einen Kooperationsvertrag abzuschließen.”
Der Kläger strebt seit dem Jahre 1981 vergeblich an, Mitglied des Beklagten zu werden. Seine Aufnahmeanträge lehnte der Beklagte mehrfach ab. Er teilte dem Kläger mit, dem erneuten Aufnahmeantrag habe der Vorstand nicht zugestimmt, weil der Kläger keine „Jugendarbeit” betreibe. Die Hauptversammlung des Beklagten vom 28. April 1997 schloß sich dem an.
Der Kläger begehrt die Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihn als Mitglied aufzunehmen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
A.
Die Feststellungsklage ist zulässig.
Der Antrag, Mitglied eines Vereins oder Verbandes zu werden, kann, wenn die Aufnahme des Antragstellers abgelehnt wird, im Wege der Leistungsklage vor Gericht weiterverfolgt werden. Doch bestehen gegen die Zulässigkeit einer Feststellungsklage keine Bedenken, wenn sie zur endgültigen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt (vgl. BGH, Urt. v. 27. Juni 1995 - XI ZR 8/94, NJW 1995, 2221, 2222 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Der Beklagte hat erklärt, er werde im Falle eines rechtskräftigen Feststellungsurteils zugunsten des Klägers seiner Pflicht, diesen aufzunehmen, nachkommen.
B.
Die Klage ist auch begründet.
Der Beklagte ist ein Verein mit überragender Machtstellung im sozialen Bereich auf örtlicher Ebene, für den in bestimmtem Umfang ein Aufnahmezwang besteht. Der Kläger erfüllt die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Aufnahme als neues Mitglied des Beklagten.
I. Der Beklagte hat im Gebiet der Stadt L. im sozialen Bereich eine überragende Machtstellung und unterliegt nach Maßgabe der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien einem Aufnahmezwang.
1. Das Grundrecht des Art. 9 Abs. 1 GG gewährleistet allen Deutschen das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Damit garantiert es dem einzelnen Bürger die Freiheit, sich aus privater Initiative mit anderen zu Vereinigungen irgendwelcher Art zusammenzufinden, sie zu gründen, ihnen beizutreten, aber auch ihnen fernzubleiben und aus ihnen wieder auszutreten (BVerfGE 50, 290, 354). Gleichzeitig verwirklicht es das Prinzip freier sozialer Gruppenbildung; es umfaßt sowohl für Mitglieder als auch für die Vereinigung die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung der Geschäfte sowie – unbeschadet der Frage der Rechtsfähigkeit – das Recht auf Entstehen und Bestehen (BVerfGE 80, 224, 252 f. m.w.N.). Dieser Schutz, welcher der Vereinigung und nicht nur ihren Mitgliedern zukommt, steht einer generellen Pflicht des Vereins, beitrittswillige Nichtmitglieder aufzunehmen, entgegen. Vielmehr ist die Vereinigung kraft der auch ihr zustehenden Privatautonomie grundsätzlich frei bei der Festlegung der Voraussetzungen für den Erwerb der Mitgliedschaft; auch wenn die satzungsmäßigen Voraussetzungen für eine Aufnahme erfüllt sind, kann sie in der Regel frei entscheiden, ob sie einen Mitgliedschaftsbewerber aufnehmen will (vgl. BGHZ 101, 193, 200).
Die Vereinsfreiheit gehört zu jenen Grundrechten, die eine mittelbare Drittwirkung entfalten (vgl. Bauer in: Dreier, GG-Komm., Art. 9 Rdn. 43 m.w.N.; Jarass/Pieroth, GG, 3. Aufl., Art. 9 Rdn. 13; Scholz in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 9 Rdn. 95 ff.; W. Baecker, Grenzen der Vereinsautonomie im deutschen Sportverbandswesen, 1985, S. 42 f., 51 ff., 59 f. m.w.N.). Ihr ist im Zivilrecht durch die Auslegung der privatschriftlichen Vorschriften, insbesondere der Generalklauseln, Rechnung zu tragen (vgl. Scholz aaO, Rdn. 96). Dementsprechend kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Aufnahmepflicht nur dann bestehen, wenn die Rechtsordnung mit Rücksicht auf schwerwiegende Interessen der betroffenen Kreise die Selbstbestimmung des Vereins über die Aufnahme von Mitgliedern nicht hinnehmen kann. Das ist – in Anlehnung vor allem an § 826 BGB und § 27 GWB – ganz allgemein der Fall, wenn der Verein im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehat und ein wesentliches oder grundlegendes Interesse an dem Erwerb der Mitgliedschaft besteht (BGHZ 93, 151, 152; 102, 265, 276; BGH, Urt. v. 10. Dezember 1985 - KZR 2/85, GRUR 1986, 332, 333 - „Aikido-Verband”; Sen.Urt. v. 9. Juni 1997 - II ZR 303/95, ZIP 1997, 1591, 1593). Im Interesse des Vereins an seinem Bestand und an seiner Funktionsfähigkeit ist dieser Aufnahmezwang dahingehend einzuschränken, daß die Ablehnung der Aufnahme nicht zu einer – im Verhältnis zu bereits aufgenommenen Mitgliedern – sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung eines die Aufnahme beantragenden Bewerbers führen darf. Danach spielen nicht nur die berechtigten Interessen des Bewerbers an der Mitgliedschaft und die Bedeutung der damit verbundenen Rechte und Vorteile eine Rolle, die ihm vorenthalten würden. Es kommt vielmehr auch auf eine Bewertung und Berücksichtigung der Interessen des Vereins oder des Verbandes an, die im Einzelfall dahin gehen können, den Bewerber von der Mitgliedschaft fernzuhalten. Nur wenn nach einer Abwägung der beiderseitigen Interessen die Zurückweisung des Bewerbers unbillig erscheint, besteht in der Regel ein Anspruch auf Aufnahme (BGHZ 93, 151, 153 f.; BGH, Urt. v. 10. Dezember 1985 - KZR 2/85 aaO).
2. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß auch Sportverbände nach diesen Grundsätzen zu behandeln sind und ihre Anwendung nicht allein deshalb ausgeschlossen ist, weil es sich bei dem Beklagten um einen auf den Bereich der Stadt L. beschränkten Verein handelt.
a) Sportverbände können sozial mächtig sein (vgl. BGHZ 63, 282, 284 - DSB; BGH, Urt. v. 10. Dezember 1985 - KZR 2/85 aaO - Landessportbund; vgl. ferner Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht 2. Teil, Rdn. 107 ff.; Stöber, Hdb. zum Vereinsrecht, 7. Aufl., Rdn. 157; Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl., Rdn. 22 ff.). Dies gilt nicht nur für Vereine, in denen sich Berufssportler organisieren, sondern auch für Amateurvereine (vgl. Fritzweiler/Pfister/Summerer aaO, Rdn. 113 m.w.N.).
b) Die Sportverbände, über deren Sozialmächtigkeit bisher entschieden und diskutiert wurde, waren zwar dadurch gekennzeichnet, daß sie flächendeckend das ganze Bundesgebiet oder das Gebiet eines Landes erfaßten (vgl. den Überblick bei Fritzweiler/Pfister/Summerer aaO, 2. Teil Rdn. 113 ff.). Überragende Machtstellungen von Vereinen lassen sich aber auch begrenzt auf einzelne Regionen denken (Bartodziej, ZGR 1991, 517, 524 f.; vgl. ferner BGH, Urt. v. 26. Juni 1979 - KZR 25/78, NJW 1980, 186 - Hamburgischer Anwaltsverein).
3. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Beklagte habe im Bereich L. eine „Monopolstellung”. Er habe eine örtlich überragende Bedeutung. Das komme in seiner unstreitig auch praktizierten Satzung sowie darin zum Ausdruck, daß er bei der Sportförderung der Hauptansprechpartner der Stadt L. sei. Die Nichtaufnahme des Klägers führe im Verhältnis zu den bereits aufgenommenen Sportvereinen zu einer sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung des Klägers. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
a) Allerdings kann die Sozialmächtigkeit des Beklagten nicht mit dem im Bereich des Sports weit verbreiteten Ein-Platz-Prinzip begründet werden. Dieses Prinzip besagt, daß für jedes Bundesland nur ein Landessportbund und für jede Sportart nur ein Spitzenverband in den Deutschen Sportbund aufgenommen wird; entsprechendes gilt für die Landessportbünde (vgl. Fritzweiler/Pfister/Summerer aaO, 2. Teil, Rdn. 108). Der Kläger ist Mitglied des Württembergischen Fußballverbandes und des Württembergischen Landessportbundes. Für diese Mitgliedschaft ist ein Beitritt des Klägers zum Beklagten also nicht erforderlich.
b) Daß der Beklagte im sozialen Bereich – wenn auch regional begrenzt – eine überragende Machtstellung in Anspruch nimmt, ergibt sich aber schon aus seiner Satzung.
Gemäß § 2 Nr. 4 der Satzung des Beklagten vom 25. März 1996 dienen der Erreichung des Vereinszwecks, nämlich der Pflege und Förderung des Sports, insbesondere der Jugendarbeit, vor allem die Unterstützung der Mitglieder bei Gesuchen grundsätzlicher Art gegenüber Behörden und Verbänden, die Unterstützung der Beschaffung von Turn- und Sportplätzen sowie Turn- und Sporthallen, die Förderung des Breitensports und Leistungssports u.a. durch die Beschäftigung von vereinsübergreifend tätigen Jugendtrainern, die enge Zusammenarbeit mit dem Sportamt der Stadt L. und dem Sportkreis L., die Fühlungnahme mit Vertretern staatlicher und kommunaler Behörden sowie sonst maßgeblichen Persönlichkeiten im Interesse der Förderung des Sports, die Sammlung von Arbeitsergebnissen und Erfahrungen im Sport und deren Auswertung für die Mitglieder, die Herstellung von Kontakten der Mitglieder untereinander, die Koordinierung von Vereinsveranstaltungen unter den Mitgliedern und die Information der Öffentlichkeit im Interesse des Sports durch Medien sowie durch Abhaltung von sportlichen Wettbewerben.
Damit wird den Mitgliedsvereinen des Beklagten eine Förderung in Aussicht gestellt, die es ihnen wesentlich erleichtert, ihre sportlichen Ziele zu verfolgen, wenn sie in die Praxis umgesetzt wird. Der Beklagte tritt als einflußreicher und einziger Vertreter der Interessen seiner Mitglieder im Bereich des Sports gegenüber den zuständigen Behörden und Verbänden sowie der Öffentlichkeit und den maßgeblichen Persönlichkeiten auf.
c) Entsprechend der Satzung des Beklagten wird nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts in der Praxis auch verfahren.
aa) Die Mitgliedsvereine des Beklagten werden von der Stadt L. besonders gefördert. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben sie Vorzug bei der Belegung der Hallen und bei der Vergabe von Trainingsstunden. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision gehen fehl.
Richtig ist, daß nach den vorgelegten Richtlinien über die Förderung der Turn- und Sportvereine in L. der zu fördernde Verein nicht zwingend dem Beklagten angehören muß; er sollte dessen Mitglied sein, muß aber direkt oder indirekt dem Württembergischen Landessportbund angehören. Dementsprechend werden nach der Auskunft der Stadt L. auch „vereinzelt” L. er Vereine gefördert, „die weder dem Stadtverband für Sport angehören noch in die spezielle Sportförderung aufgenommen sind”. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, daß nach dem von dem Beklagten vorgelegten Protokoll im Parallelrechtsstreit vor dem Landgericht St. (18 O 125/97) der als Zeuge vernommene Abteilungsleiter für Sportwesen beim Schul- und Sportamt der Stadt L. ausgesagt hat, alle in der Vergangenheit geförderten Vereine hätten dem Stadtverband angehört. Nur bei ein oder zwei Vereinen sei dies nicht der Fall gewesen. Dies erkläre sich aus der Historie. Damit wird bestätigt, daß nach der Praxis der Stadt L. jedenfalls in neuerer Zeit ausschließlich Mitglieder des Beklagten gefördert werden. Entgegen der Meinung der Revision kommt es nicht darauf an, ob wirklich sämtliche Mitglieder des Beklagten bereits in den Genuß einer Förderung durch die Stadt L. gekommen sind. Entscheidend ist, daß diese Förderug sich in der Praxis nur auf Mitglieder des Beklagten erstreckt.
Nach dem Schreiben der Stadt L. vom 15. September 1997 werden Trainingsstunden in Sporthallen „den Sportvereinen – und hier als Dachorganisation dem Stadtverband – zur Verfügung gestellt”. Damit werden die Mitglieder des Beklagten eindeutig bevorzugt. Der Revision kann nicht beigetreten werden, wenn sie meint, hierin liege keine Diskriminierung der Nichtmitglieder des Beklagten, weil es diesem frei stehe, Trainingsstunden auch an Nichtmitglieder weiterzugeben. Der Beklagte würde insoweit ohne jede Rechtspflicht handeln; die Nichtmitglieder wären auf sein Wohlwollen angewiesen.
bb) Mit seinem Vorbringen hat der Kläger seiner Darlegungslast genügt (vgl. dazu Sen.Urt. v. 10. Dezember 1984 - II ZR 91/84, WM 1985, 387, 388 - IG Metall). Es oblag dem Beklagten darzulegen, und – wenn erforderlich – zu beweisen, welche Vergünstigungen sich aus der Mitgliedschaft des Klägers im „Sportkreis L. ” im WLSB ergeben sollen, die so gewichtig sind, daß der Kläger nicht auf die Mitgliedschaft beim Beklagten angewiesen ist.
Zutreffend hat das Berufungsgericht im übrigen ausgeführt, der Kläger könne nicht darauf verwiesen werden, etwaige Diskriminierungen durch die Verwaltungspraxis der Stadt L. im Einzelfall aufzuzeigen. Ihm ist auch darin zuzustimmen, daß sich damit die faktisch stärkere Stellung und das größere Ansehen, das die Mitglieder des Beklagten im Verhältnis zu den in dem Beklagten nicht organisierten anderen Vereinen haben, nicht ausschalten lassen. Die herausragende Rolle des Beklagten im Sportleben der Stadt L. ergibt sich schon daraus, daß seinem Vorstand der Oberbürgermeister, der Vorsitzende des Sportamtes und der Vorsitzende der Deutschen Olympischen Gesellschaft (Stadt- und Kreisgruppe L.) als beratende Mitglieder angehören (§ 11 Nr. 2 der Satzung).
II. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsverstoß zu dem Schluß gekommen, der Kläger genüge den Anforderungen, welche die Satzung des Beklagten an die Aufnahme eines neuen Mitglieds stellt.
1. Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, der Kläger leiste keine „Jugendarbeit”.
a) Die Pflege und Förderung des (Fußball-)Sports ist Vereinszweck des Klägers, dessen weiteres satzungsmäßiges Ziel darin besteht, „insbesondere die Jugend für diesen Sport zu begeistern, durch Förderung von sportlichen Übungen und Leistungen unter den Mitgliedern” (§ 2 Abs. 1 der Satzung des Klägers). Aus dem Umstand, daß der Kläger über keine eigene Jugendabteilung verfügt, kann der Beklagte nicht entnehmen, daß gar keine „Jugendarbeit” erfolgt. Sein Verständnis von „Jugendarbeit” als organisierte Teilnahme an Verbandsspielen stellt nicht die einzig mögliche Auslegung dar. Vielmehr wird auch eine vereinsinterne „Jugendarbeit” erfaßt.
b) Überdies ist die „Jugendarbeit” keine Voraussetzung für Aufnahme weiterer Vereine durch den Beklagten.
Weder § 4 Nr. 1 a.F. noch § 4 Nr. 1 n.F. der Satzung des Beklagten macht zur Bedingung, daß der beitrittswillige Verein „Jugendarbeit” erbringt. Es genügt, daß es sich um einen „Sportverein der Stadt L.” handelt. § 4 Nr. 1 Satz 1 n.F. der Satzung des Beklagten fordert darüber hinaus lediglich, daß die Mitglieder des beitrittswilligen Sportvereins, „und hierbei vor allem dessen Jugendmitglieder”, in L. wohnen müssen. Ein Verein kann aber auch jugendliche Mitglieder haben, wenn er über eine eigens eingerichtete Jugendabteilung nicht verfügt.
2. Der Kläger ist demnach auf eine Mitgliedschaft beim Beklagten angewiesen. Gewichtige gegenläufige Interessen des Beklagten sind nicht zu erkennen. Die Zurückweisung des Klägers, der die satzungsmäßigen Voraussetzungen für seine Aufnahme erfüllt, erweist sich damit als unbillig.
3. Demgegenüber kann sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf die neu eingefügte Bestimmung des § 4 Nr. 1 Satz 4 seiner Satzung berufen, wonach antragstellende Vereine nicht Mitglieder werden können, deren Sportangebot in gleicher oder ähnlicher Art von einem dem Beklagten bereits angehörenden Mitgliedsverein angeboten wird. Diese Regelung benachteiligt den Kläger in völlig unangemessener Weise. Ist das Interesse des Verbandes an dem mit der Aufnahmebeschränkung verfolgten Zweck sachlich überhaupt gerechtfertigt, wäre aber die Zurückweisung des Bewerbers für diesen eine unbillige Benachteiligung, so muß unter Umständen dem Verband, soweit möglich und zumutbar, angesonnen werden, den mit der Aufnahmebeschränkung verfolgten Zweck durch eine andere, „mildere” Ausgestaltung dieser Satzungsbestimmung zu erreichen und auf diese Weise dem Bewerber den Zugang zu den Verbandsvorteilen zu eröffnen (BGHZ 63, 282, 285 f.).
a) Es ist schon nicht erkennbar, daß § 4 Nr. 1 Satz 4 n.F. der Satzung des Beklagten sachlich gerechtfertigt ist. Der Beklagte hat sich zu den Gründen für diese Satzungsänderung nicht geäußert. Die bisherige Praxis, Vereine, welche dieselbe Sportart betreiben, gleichberechtigt in den Stadtverbund aufzunehmen, hat offenbar nicht zu nicht mehr hinnehmbaren Unstimmigkeiten oder Nachteilen für die betroffenen Vereine oder Sportarten geführt. Die dem Beklagten bereits angehörenden Vereine, welche sich dem Fußballsport verschrieben haben, scheinen ohne größere Probleme miteinander auszukommen.
b) Unabhängig davon reicht die Regelung, der antragstellende Verein habe die Möglichkeit, sich von sich aus einem bereits bestehenden Mitgliedsverein anzuschließen oder mit einem solchen einen Kooperationsvertrag abzuschließen, nicht aus. Der Beklagte überläßt es damit den einzelnen Vereinen auszuhandeln, wer von ihnen die Mitgliedschaftsrechte ausüben soll, und entzieht sich in rechtlich unzulässiger Weise seiner Verantwortung.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Goette, Kurzwelly, Kraemer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 23.11.1998 durch Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BGHZ |
BGHZ, 74 |
DB 1998, 2458 |
DB 1999, 423 |
DStR 1999, 331 |
NJW 1999, 1326 |
BGHR |
NJW-RR 1999, 1052 |
EWiR 1999, 1097 |
JR 2000, 103 |
NZG 1999, 217 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 276 |
WuB 1999, 599 |
ZAP 1999, 162 |
ZIP 1999, 237 |
MDR 1999, 344 |
SpuRt 1999, 159 |
VersR 1999, 1502 |