Leitsatz (amtlich)

›Ein Werkbesteller kann im Konkurse des Unternehmers nicht Sicherstellung verlangen wegen bisher nicht bekannter, allenfalls möglicher Mängel des abgenommenen Werks.‹

 

Tatbestand

Der Kläger macht als Verwalter im Konkurse über das Vermögen der H. W. GmbH eine unstreitige Restwerklohnforderung aus Tiefbauarbeiten gegen die Beklagte als Bestellerin geltend. Die Gemeinschuldnerin hatte die zugrundeliegenden Arbeiten vor Konkurseröffnung vollständig ausgeführt. Mängel sind daran bisher nicht aufgetreten. Ein Sicherheitseinbehalt für den Gewährleistungsfall war vertraglich nicht vereinbart worden. Die Beklagte meint, sie könne gemäß § 54 Abs. 3 KO in Höhe der Klageforderung Sicherstellung auch wegen früherer, bereits voll bezahlter Werkleistungen verlangen. Landgericht und Oberlandesgericht haben sich dieser Auffassung angeschlossen und der Klage auf Zahlung von 55.830 DM nur ohne Zinsen und Zug um Zug gegen Sicherstellung in gleicher Höhe stattgegeben. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel ist begründet. Der Kläger kann Zahlung des restlichen Werklohns (§ 631 Abs. 1 BGB) fordern, ohne daß die Beklagte Sicherstellung verlangen darf.

1. Gemäß § 54 Abs. 1 KO wird die Aufrechnung im Konkursfalle unter anderem nicht dadurch ausgeschlossen, daß die aufzurechnende Forderung zur Zeit der Verfahrenseröffnung noch bedingt war. Mit einer aufschiebend bedingten Forderung kann zwar erst bei Bedingungseintritt aufgerechnet werden (RGZ 68, 340, 342; Jaeger/Lent, KO 8. Aufl. § 54 Rdn. 6; Kuhn/Uhlenbruck, KO 10. Aufl. § 54 Rdn. 4; Kilger/Karsten Schmidt, KO 16. Aufl. § 54 Anm. 3 b). Ihr Gläubiger kann aber schon vorher nach § 54 Abs. 3 KO Sicherstellung insoweit verlangen, als die Forderung der von ihm einzuzahlenden Schuld gleichkommt.

a) Eine Forderung ist nicht nur dann bedingt im Sinne des § 54 KO, wenn sie unter einer rechtsgeschäftlichen Bedingung (§ 158 BGB) steht. Vielmehr ist der Begriff der Bedingung gemäß dem Zweck der Vorschrift weit auszulegen und kann auch gesetzliche Voraussetzungen für das Entstehen einer Forderung umfassen (RGZ 58, 11; BGH, Urt. v. 6. November 1989 - II ZR 62/89, ZIP 1990, 53, 55; Jaeger/Lent aaO. § 54 Rdn. 9; Kuhn/Uhlenbruck § 54 Rdn. 5). Unter diesem Gesichtspunkt sind als bedingt angesehen worden: Ersatzansprüche gemäß §§ 17, 26 KO durch den Fall der Konkurseröffnung (BGHZ 15, 333, 335; vgl. aber auch BGHZ 116, 156, 158 f), Rückgriffsansprüche des Bürgen oder Hypothekenbestellers nach §§ 774, 1143 BGB durch den Fall der erfolgreichen Inanspruchnahme (RG JW 1936, 3126; BGH, Urt. v. 9. Mai 1960 - II ZR 95/58, WM 1960, 720 f), künftige Ansprüche des Gesellschafters auf das Auseinandersetzungsguthaben (BGH, Urt. v. 11. Juli 1988 - II ZR 281/87, ZIP 1988, 1545, 1546) sowie die Verpflichtung des Beauftragten nach § 667 BGB für den Fall, daß er aus der Geschäftsbesorgung etwas erlangt (BGHZ 71, 380, 384 f). Es muß aber stets ein Element am rechtlichen Entstehen des Anspruchs selbst fehlen. Hingegen handelt es sich bei der Ungewißheit, ob ein Gewährleistungsanspruch besteht und als solcher innerhalb eines bestimmten künftigen Zeitraums tatsächlich erkannt werden wird, nicht um eine derartige Bedingung. Dieses bloße Aufklärungsrisiko soll § 54 KO dem Gläubiger nicht abnehmen oder erleichtern.

b) Nur darum geht es beim Einbehalt zur Sicherung wegen denkbarer Werkmängel (ebenso im Ergebnis OLG Hamburg WM 1988, 1895 f; Kilger/Karsten Schmidt aaO. § 54 Anm. 3 b; Hess/Kropshofer, KO 4. Aufl. § 54 Rdn. 18). Der Mängelbeseitigungsanspruch nach § 633 BGB sowie weitergehende Gewährleistungsrechte (§§ 634 f BGB) entstehen spätestens mit der Abnahme des Werks. Der Unternehmer hat das Werk so herzustellen, daß es jedenfalls zur Zeit der Abnahme vertragsgemäß und mangelfrei ist (BGB-RGRK/Glanzmann, 12. Aufl. § 633 Rdn. 4). Bis dahin trägt er gemäß § 644 Abs. 1 Satz 1 BGB die Vergütungsgefahr. Allein eine Beschaffenheit, die das Werk wenigstens im Keim schon im Zeitpunkt der Abnahme (§ 640 BGB) hat, kann ein Gewährleistungsrecht begründen. Mit der Abnahme entsteht der Nachbesserungsanspruch (vgl. BGHZ 96, 111, 117 f; BGH, Urt. v. 25. Februar 1982 - VII ZR 161/80, NJW 1982, 1524). Von diesem Augenblick an können dem Besteller Forderungen gemäß §§ 633 ff BGB zustehen. Demgemäß beginnen nach § 638 Abs. 1 Satz 2 BGB mit der Abnahme auch die Ansprüche des Bestellers zu verjähren.

Daß eine Fehlerhaftigkeit möglicherweise erst später an ihren Auswirkungen erkennbar wird, berührt das Bestehen des Anspruchs nicht. Insbesondere hängt dieser nicht im Sinne einer Bedingung davon ab. Schwierigkeiten in der Ermittlung derartiger Ansprüche rechtfertigen dementsprechend keine Feststellungsklage wegen bisher nicht erkannter, weiterer Werkmängel (BGH, Urt. v. 26. September 1991 - VII ZR 245/90, ZfBR 1992, 21 f = WM 1992, 334).

c) Allein dieses Verständnis entspricht auch dem Zweck des § 54 KO. Die dem Gläubiger durch §§ 53 ff KO eingeräumte Aufrechnungsbefugnis wirkt im Konkurse wie ein Absonderungsrecht, da sich der Berechtigte aus seiner eigenen Schuld an die Masse unter Ausschluß der übrigen Konkursgläubiger voll befriedigen darf (BGH, Urt. v. 9. Mai 1960 - II ZR 95/58, aaO. S. 721 unter 3 b; Kuhn/Uhlenbruck aaO. § 53 Rdn. 15). Sie schützt das Vertrauen desjenigen Gläubigers, dessen Gegenforderungen rechtlich - sei es auch nur bedingt - bestehen, in die Sicherung, die ihm die Aufrechnungslage sogar im Konkursfalle bietet (BGHZ 2, 300, 305). Dieser Gesichtspunkt begrenzt zugleich den Kreis von Rechtspositionen, die einen solchen Schutz verdienen. Denn es geht jeweils darum, daß eine bloße Konkursforderung ausnahmsweise eine bevorzugte Befriedigung im Konkurse erhält. Wegen der darin liegenden Einschränkung des Gebots der Gleichbehandlung aller Gläubiger im Konkurse darf die Sicherungswirkung der Aufrechnungslage nicht zu weit ausgedehnt werden. Sie ist nur gegeben, wenn gegenwärtig wenigstens der rechtliche Bestand eines - sei es auch aufschiebend bedingten - Anspruchs gewiß ist. Wer hingegen nicht einmal mit Sicherheit dartun kann, daß ihm eine Gegenforderung zusteht, kann nicht gemäß § 387 BGB aufrechnen. Ihm gewährt auch § 54 Abs. 3 KO nicht die Befugnis, eine Sicherung lediglich für den Fall durchzusetzen, daß ihm später eine Gegenforderung möglicherweise noch bekannt werden wird. Durch derartige Zufälligkeiten darf die Abwicklung des Konkurses nicht verzögert werden. Schwierigkeiten allein in der Ermittlung möglicher Gegenforderungen rechtfertigen keine Besserstellung gegenüber anderen Konkursgläubigern.

2. Da der Beklagten kein Leistungsverweigerungsrecht zustand, ist sie mit Klagezustellung am 10. August 1992 in Verzug geraten (§ 284 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Kläger hat belegt, daß er auf Einlagen der C.-bank im Frühjahr 1993 7,25 % Zinsen erhalten hat. Hierzu hat die Beklagte nicht inhaltlich Stellung genommen; ihr pauschales Bestreiten der Voraussetzungen für einen Zinsanspruch genügt nicht (§ 138 Abs. 2 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993260

BB 1994, 1813

NJW 1994, 1659

BGHR BGB § 633 Mängelbeseitigungsanspruch 1

BGHR KO § 54 Abs. 3 Sicherstellung 1

DRsp IV(438)272c

KTS 1994, 411

WM 1994, 1045

ZIP 1994, 714

MDR 1994, 573

MDR 1994, 578

ZfBR 1994, 180

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge