Verfahrensgang
LG Neubrandenburg (Urteil vom 06.12.2004) |
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 6. Dezember 2004 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zur Schuldfähigkeit aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer – Schwurge-richt – des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Anstiftung zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen diesen Strafausspruch richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.
I.
Der Angeklagte ist Facharzt für Frauenheilkunde. Nach den Feststellungen betrieb seine Ehefrau K. S., die in der Praxis des Angeklagten als Sprechstundenhilfe gearbeitet hatte, seit dem August 2003 die Scheidung. Sie hatte bemerkt, „dass der Angeklagte – seiner langjährigen Neigung folgend – intime Beziehungen zu anderen Frauen, namentlich zu seinen Patientinnen, unterhielt”, und fühlte sich von dem Angeklagten, der sie aus dem Praxisbetrieb ausgeschlossen hatte, in zunehmendem Maße gegängelt und in ihren persönlichen Freiheiten geknebelt. Der Angeklagte versuchte, seine Ehefrau, die das alleinige Sorgerecht für die beiden gemeinsamen Kinder beanspruchte, als ungeeignet für deren Erziehung darzustellen. Unter anderem wandte er sich an den sozialpsychiatrischen Dienst des Landkreises, um eine Einweisung seiner Ehefrau in eine psychiatrische Einrichtung herbeizuführen.
Nachdem das Familiengericht im Oktober 2003 K.S. das Sorgerecht für die ehelichen Kinder übertragen und dem Angeklagten ein Umgangsrecht zugesprochen hatte, fasste der Angeklagte den Entschluss, seine Ehefrau töten zu lassen. Er hielt den Lebensgefährten einer seiner Patientinnen, A.F., für geeignet, die Tat auszuführen. Im Oktober oder November 2003 traf sich der Angeklagte in seiner Praxis mit A.F. und dessen Freund M.M.. Der Angeklagte bot die Zahlung von 40.000 Euro als Lohn für die Erfüllung des Auftrages, seine Ehefrau zu töten, an. A.F. und M.M. waren sich einig, den Auftrag keinesfalls auszuführen. A.F. wollte jedoch ausloten, wie weit der Angeklagte gehen würde. Nach einem weiteren Treffen mit A.F. und M.M. ließ der Angeklagte A.F. zwei 500-Euro-Noten zukommen, von denen F.eine an M.M. weitergab. Im Dezember 2003 bot der Angeklagte M.M. an, er werde 10.000 Euro mehr zahlen, wenn „sie bis zum Ende des Jahres verschwunden” sei. Anfang Januar 2004 suchte der Angeklagte die Lebensgefährtin von A.F. auf und erklärte, „es solle jetzt endlich passieren, sie müsse bedenken, dass sie zwei Kinder habe. Sonst werde er sich sein Geld über ein Inkassounternehmen zurückholen.” A.F. befürchtete nach diesem „Auftritt” des Angeklagten, dass K.S. ernsthaft in Gefahr sei. Er wandte sich deshalb an einen Rechtsanwalt, der die Polizei einschaltete. Der Angeklagte wurde am 10. Januar 2004 nach einem weiteren Treffen mit A.F., bei dem der Angeklagte erklärt hatte, die Sache müsse bis Mittwoch erledigt sein, in Untersuchungshaft genommen.
Nach Auffassung des Landgerichts hat sich der Angeklagte der versuchten Anstiftung zum Mord schuldig gemacht, weil A.F. und M.M., hätten sie die Tat ausgeführt, aus Habgier gehandelt hätten. Da der Angeklagte demgegenüber keines der Mordmerkmale des § 211 StGB verwirklicht habe, sei der gemäß § 30 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen von drei Jahren bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe gemäß § 28 Abs. 1 StGB nochmals zu mildern, so dass von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe auszugehen sei.
Entscheidungsgründe
II.
Der Strafausspruch hat keinen Bestand, weil schon die Strafrahmenwahl durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet; damit kommt es auf die Einzelbeanstandungen der Beschwerdeführerin zu den Strafzumessungserwägungen im engeren Sinne nicht an. Dass nach der Vorstellung des Angeklagten von den Tatumständen (vgl. BGHR StGB § 28 Abs. 1 Merkmal 3) die Vorraussetzungen für die obligatorische (vgl. BGHR aaO) Strafmilderung nach § 28 Abs. 1 StGB vorliegen, ist durch die bisherigen Feststellungen nicht rechtsfehlerfrei belegt.
1. Allerdings ist die Annahme des Landgerichts, bei dem Angeklagten liege keines der Mordmerkmale vor, soweit es die täterbezogenen Merkmale betrifft, im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat, wie die Urteilsausführungen belegen, nicht verkannt, dass die Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB ausgeschlossen ist, wenn sowohl Teilnehmer als auch Täter ein täterbezogenes Mordmerkmal verwirklicht haben und diese Merkmale gleichartig sind (vgl. BGHSt 23, 39, 40; BGH NJW 2005, 996, 997).
a) Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte selbst aus Habgier gehandelt haben könnte, enthalten die Urteilsfeststellungen nicht.
b) Auch die Nichtannahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Nicht jede Tötung des Intimpartners, die geschieht, weil sich dieser vom Täter abwenden will, ist deswegen zwangsläufig schon aus niedrigen Beweggründen begangen (vgl. BGH StV 1997, 290). Vielmehr beruht eine solche Tat bei einem Motivbündel nur dann auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, die der Tat ihr Gepräge geben, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen (vgl. BGHR § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 20). Die Wertung des Landgerichts, im Hinblick darauf, dass es sich um einen durch wechselseitige Vorwürfe und Demütigungen geprägten Beziehungskonflikt gehandelt habe, und im Hinblick auf die Auseinandersetzungen um das Sorgerecht für die Kinder seien die Beweggründe des Angeklagten „jedenfalls” nachvollziehbar, ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden.
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet jedoch die – pauschale – Verneinung des Mordmerkmals der Heimtücke. Würde der Haupttäter nach der Vorstellung des Anstiftenden von den Tatumständen bei dem angestrebten Tötungsdelikt ein tatbezogenes Merkmal der zweiten Gruppe des § 211 StGB verwirklichen, ist für eine Strafmilderung nach § 28 Abs. 1 StGB kein Raum (vgl. BGH NJW 2005, 996, 997 m.w.N.). Ist das angestrebte Tötungsdelikt nach der Vorstellung des Anstiftenden ein Heimtückemord, bleibt es bei der streng akzessorischen Bestrafung des Teilnehmers, so dass bei einer versuchten Anstiftung zum Heimtückemord der nur einmal nach § 30 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB gemilderte Ausgangsstrafrahmen von drei Jahren bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe zu Grunde zu legen ist. Zu der Frage, ob der Vorsatz des Angeklagten eine mögliche Verwirklichung des Mordmerkmals der Heimtücke bei der angestrebten Tötung seiner Ehefrau durch die damit beauftragten Täter umfasste, verhalten sich die Urteilsgründe jedoch nicht. Das ist unter den hier gegebenen Umständen rechtsfehlerhaft:
Für den Anstifter reicht, auch soweit es die Verwirklichung der Mordmerkmale durch die mit der Ausführung der Tat Beauftragten betrifft, bedingter Vorsatz aus (vgl. BGHSt 44, 99; BGH NJW 2005, 996, 997). Bedingten Vorsatz in diesem Sinne hat ein Straftäter aber auch dann, wenn er aus Gleichgültigkeit mit jeder eintretenden Möglichkeit einverstanden ist (vgl. BGHSt 40, 304, 306 f.). Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte hinsichtlich der eigentlichen Durchführung der Tat keine Vorgaben gemacht. Dass die Tötung in offener Konfrontation ausgeführt werden würde, lag nach den gesamten Umständen fern (vgl. BGH NJW 2005, 996, 997). Danach liegt, zumal der Anstiftervorsatz die fremde Haupttat nicht in allen Einzelheiten, sondern nur in ihren Hauptmerkmalen erfassen muss, die Annahme einer versuchten Anstiftung zur heimtückischen Tötung nahe.
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung nur des Strafausspruchs, denn die Prüfung eines bedingten Vorsatzes des Angeklagten hinsichtlich des weiteren Mordmerkmals der Heimtücke lässt den Schuldspruch wegen versuchter Anstiftung zum Mord unberührt. Dieser ist, unabhängig davon, ob sich der Vorsatz des Angeklagten auch auf eine heimtückische Tatbegehung erstreckte, schon deshalb gerechtfertigt, weil der Angeklagte nach den Feststellungen davon ausging, die von ihm mit der Tatausführung Beauftragten würden die Tat allein des Geldes wegen, mithin aus Habgier, begehen. Die Frage, ob der Angeklagte mit der Möglichkeit einer heimtückischen Tatbegehung rechnete und diese in Kauf genommen hat, kann hiervon losgelöst geprüft und entschieden werden (vgl. BGHSt 41, 222). Insoweit sind ungeachtet des rechtkräftigen Schuldspruchs ergänzende Feststellungen durch den neuen Tatrichter, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen, möglich.
4. Die gemäß § 301 StPO gebotene Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dies gilt insbesondere auch für die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB ausgeschlossen hat.
III.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
Bei einer doppelten Milderung des Strafrahmens des § 211 StGB gemäß § 49 StGB im Hinblick auf § 30 Abs. 1 und auf § 28 Abs. 1 StGB würde die versuchte Anstiftung zum Mord mit sechs Monaten Freiheitsstrafe eine wesentlich geringere Mindeststrafe nach sich ziehen, als eine versuchte Anstiftung zum Totschlag, weil der Strafrahmen des § 212 StGB nur einmal im Hinblick auf § 30 StGB zu mildern wäre. Eine versuchte Anstiftung zum Totschlag zöge mithin eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren als Mindeststrafe nach sich. Die Frage, ob in derartigen Fällen der Beteiligung am Mord zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen die für eine Beteiligung am Totschlag zu verhängende Mindeststrafe eine „Sperrwirkung” entfaltet, diese also nicht unterschritten werden kann, hat der Bundesgerichtshof bisher offen gelassen (dazu neigend BGH, Beschluss vom 30. Juni 2005 – 1 StR 227/05 m. N.). Der Senat bejaht diese Frage. Bei Gesetzeskonkurrenz entfaltet ebenso wie bei Tateinheit (§ 52 Abs. 2 Satz 2 StGB) das zurücktretende Delikt eine Sperrwirkung hinsichtlich der Mindeststrafe (st. Rspr., vgl. BGHSt 1, 152, 156; BGH NStZ 2003, 440 m. w. N.). Für die nach ständiger Rechtsprechung (seit BGHSt 1, 368, 370, vgl. auch BGHSt 36, 231, 233) als eigenständig zu begreifenden Straftatbestände der §§ 211, 212 StGB kann nicht anderes gelten, denn der Unrechtsgehalt des Totschlags ist im Mord enthalten (vgl. BGHSt 36, 231, 235), weil die vorsätzliche Tötung im Sinne des § 212 notwendiges Merkmal auch des § 211 StGB ist (vgl. BGHSt 1, 368, 370; 36, 231, 235).
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Athing, Ernemann, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 2556923 |
NStZ 2006, 288 |