Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalertragsteuer bei Rückgewährschuldverhältnis aufgrund des Zuflusses von Nutzungen
Leitsatz (amtlich)
Widerruft der Verbraucher seine auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung, steht seiner Aufrechnung gegen eine Hauptforderung der Bank mit einer Gegenforderung auf Herausgabe der von der Bank als Rückgewährschuldnerin gezogenen Nutzungen aus Zins- und Tilgungsleistungen des Verbrauchers in Höhe des Bruttobetrags nicht entgegen, dass der Zufluss von Nutzungen den Anfall von Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag und von Kirchensteuer nach sich ziehen kann.
Leitsatz (redaktionell)
Die Herausgabe der von der Bank als Rückgewährschuldnerin gezogenen Nutzungen aus Zins- und Tilgungsleistungen des Verbrauchers kann bei Letzterem zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen.
Normenkette
BGB § 357 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2014-06-12, § 346 Abs. 1 Hs. 2, § 387; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 Buchst. b; AO § 43 S. 2
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 17.02.2016; Aktenzeichen 13 U 88/15) |
LG Hamburg (Entscheidung vom 19.08.2015; Aktenzeichen 332 O 343/14) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des OLG Hamburg vom 17.2.2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des vom Kläger erklärten Widerrufs seiner auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung.
Rz. 2
Der Kläger schloss zur Finanzierung des Erwerbs einer Immobilie im Januar 2008 mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über einen Nennbetrag von 138.000 EUR und einen bis zum 31.12.2022 festen Zinssatz von 5,22 % p.a (effektiver Jahreszins 5,35 %). Zur Sicherung von Ansprüchen der Beklagten diente ein Grundpfandrecht. Die Beklagte belehrte den Kläger über sein Widerrufsrecht wie folgt:
Rz. 3
Mit Schreiben vom 17.4.2014 widerrief der Kläger seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.
Rz. 4
Die Klage auf Rückzahlung der bisher geleisteten Zinsen und Tilgungsraten, Herausgabe der von der Beklagten gezogenen Nutzungen und Zustimmung zur Löschung der Grundschuld - sämtlich Zug um Zug gegen Rückzahlung der Darlehensvaluta nebst Zinsen -, auf Feststellung, dass der Beklagten keine Ansprüche mehr gegen den Kläger aus dem Darlehensvertrag zustünden, und auf Freistellung von vorgerichtlich verauslagten Anwaltskosten hat das LG abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit im Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 7
Der vom Kläger erklärte Widerruf sei unwirksam, da bei Erklärung des Widerrufs die Widerrufsfrist bereits abgelaufen gewesen sei. Zwar habe die Beklagte mittels der Verwendung des Worts "frühestens" unzureichend über die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist belehrt. Sie könne sich indessen, da sie lediglich redaktionelle Bearbeitungen vorgenommen habe, auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung berufen.
II.
Rz. 8
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 9
1. Das Berufungsgericht hat allerdings im Ausgangspunkt richtig erkannt, dem Kläger sei gem. § 495 Abs. 1 BGB zunächst das Recht zugekommen, seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nach § 355 Abs. 1 und 2 BGB in der hier nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, §§ 22 Abs. 2, 32, 38 Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgeblichen, zwischen dem 1.8.2002 und dem 10.6.2010 geltenden Fassung zu widerrufen.
Rz. 10
2. Unzutreffend ist dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Widerrufsfrist sei bei Erklärung des Widerrufs am 17.4.2014 bereits abgelaufen gewesen.
Rz. 11
a) Die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung informierte, was das Berufungsgericht noch gesehen hat, mittels des Einschubs "frühestens" unzureichend deutlich über den Beginn und - insoweit vom Berufungsgericht fehleingeschätzt - mittels der eingefügten Fußnote: "Bitte Frist im Einzelfall prüfen" unklar über die Länge der Widerrufsfrist (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rz. 18 f., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ).
Rz. 12
b) Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen, zwischen dem 8.12.2004 und dem 31.3.2008 geltenden Fassung kann sich die Beklagte entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts nicht berufen. Wie der Senat für eine inhaltsgleiche Widerrufsbelehrung nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, hat die Beklagte das Muster, was der Senat durch einen Vergleich selbst feststellen kann (st.Rspr., zuletzt BGH, Urt. v. 11.10.2016 - XI ZR 482/15, WM 2016, 2295 Rz. 26, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ), einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen, die über das nach § 14 Abs. 3 BGB-InfoV in der bis zum 10.6.2010 geltenden Fassung für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion Unschädliche hinausgeht.
III.
Rz. 13
Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Insbesondere kann der Senat mangels hinreichender Feststellungen des Berufungsgerichts nicht von einer Verwirkung des Widerrufsrechts des Klägers ausgehen.
IV.
Rz. 14
Der Senat kann umgekehrt nicht zugunsten des Klägers in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Insbesondere kann der Senat einer tatrichterlichen Würdigung der für eine Subsumtion unter § 242 BGB maßgeblichen Umstände nicht vorgreifen.
V.
Rz. 15
Mangels Entscheidungsreife ist die Sache daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei weist der Senat auf Folgendes hin:
Rz. 16
1. Das Berufungsgericht wird sich zunächst nach Maßgabe der nach Erlass des Berufungsurteils präzisierten Grundsätze mit dem Einwand auseinanderzusetzen haben, der Ausübung des Widerrufsrechts habe § 242 BGB entgegen gestanden (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.2016 - XI ZR 501/15, WM 2016, 1835 Rz. 39 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ, und - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rz. 34 ff. sowie v. 11.10.2016 - XI ZR 482/15, WM 2016, 2295 Rz. 30).
Rz. 17
2. Sollte das Berufungsgericht dahin gelangen, der Widerruf des Klägers habe dazu geführt, dass sich der Darlehensvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt habe, wird es zum - bisher nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ohnehin nicht hinreichend bestimmten - Antrag des Klägers auf Löschung der Grundschuld die Grundsätze des Senatsbeschlusses vom 17.1.2017 (XI ZR 170/16, juris Rz. 7) und zu dem Antrag des Klägers auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten das Senatsurteil vom 21.2.2017 (XI ZR 467/15, n.n.v. Rz. 23 ff., 34 f.) zu berücksichtigen haben. Wegen der vom Kläger beanspruchten Nutzungen wird es, soweit es auf die Vermutung zurückgreift, die Beklagte habe mit den Zins- und Tilgungsleistungen Nutzungen in einer bestimmten Höhe erwirtschaftet, Feststellungen dazu zu treffen haben, ob zwischen den Parteien ein Immobiliardarlehensvertrag i.S.d. § 492 Abs. 1a Satz 2 BGB in der vom 1.8.2002 bis zum 18.8.2008 geltenden Fassung zustande gekommen ist (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rz. 58).
Rz. 18
3. Soweit der Kläger die Rückzahlung von ihm erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen "Zug um Zug" gegen Zahlung der von ihm aus dem Rückgewährschuldverhältnis zu erbringenden Leistung beantragt, gilt Folgendes:
Rz. 19
a) Zwar werden die aus einem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüche - hier: nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12.6.2014 geltenden Fassung (künftig: a.F.) i.V.m. §§ 346 ff. BGB - auch dann, wenn sie gleichartige Leistungen betreffen, nicht automatisch saldiert (BGH, Beschl. v. 12.1.2016 - XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Rz. 16). Solange der Rückgewährschuldner keine Gegenansprüche erhebt, kann der Rückgewährgläubiger, da die Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis nicht in einem gegenseitigen Vertragsverhältnis stehen (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 348 Rz. 1; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, § 348 Rz. 2; Gaier in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 348 Rz. 2), seine Ansprüche ohne Rücksicht auf etwaige Gegenansprüche durchsetzen (vgl. BGH, Urt. v. 5.7.2016 - XI ZR 254/15, WM 2016, 1831 Rz. 27; BGH, Urt. v. 16.10.2009 - V ZR 203/08, WM 2010, 275 Rz. 20).
Rz. 20
b) Beantragt der Rückgewährgläubiger gleichwohl Zahlung Zug um Zug gegen Zahlung, liegt darin eine Aufrechnung. Anderes gölte ausnahmsweise nur dann, wenn ein Aufrechnungsverbot bestünde (Gaier in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 348 Rz. 4). Ein solches Aufrechnungsverbot besteht indessen in Fällen wie dem vorliegenden, in denen ein Verbraucher als Rückgewährgläubiger Zahlung von einer Bank als Rückgewährschuldnerin nach Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrags verlangt, weder aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Absprache noch von Gesetzes wegen:
Rz. 21
aa) Eine Aufrechnungsbeschränkung im Sinne eines Aufrechnungsverbots ergibt sich hier schon deshalb nicht aus Nr. 4 AGB-Banken bzw. Nr. 11 Abs. 1 AGB-Sparkassen, weil in der Vereinbarung einer Aufrechnungsbeschränkung eine zu Lasten des Verbrauchers unzulässige (vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2017 - XI ZR 381/16, juris Rz. 17) Erschwerung der Ausübung des Widerrufsrechts läge.
Rz. 22
bb) Einer Aufrechnung steht auch nicht zumindest teilweise entgegen, dass der Zufluss von Nutzungen den Anfall von Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag (§ 1 Abs. 2 SolZG 1995) und ggf. von Kirchensteuer (§ 51a Abs. 2b bis 2e EStG; vgl. auch BAGE 97, 150, 154) nach sich ziehen kann.
Rz. 23
Die mit dem Einbehalt der Kapitalertragsteuer verbundene besondere Form der Steuererhebung hindert, sofern die vom Kläger beanspruchten Leistungen der Kapitalertragsteuer durch Abzug vom Kapitalertrag nach §§ 20 Abs. 1 Nr. 7, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b EStG unterfallen (dazu allgemein LG Düsseldorf, Urt. v. 5.8.2016 - 8 O 238/15, juris Rz. 49 ff.; Jooß, DStR 2014, 6, 12) und solange der Steuerentrichtungspflichtige gem. § 43 Satz 2 AO Kapitalertragsteuer nicht abgeführt hat, die Durchsetzung des Anspruchs auf Herausgabe mutmaßlich gezogener Nutzungen durch eine auf den Bruttobetrag gerichtete Zahlungsklage nicht.
Rz. 24
Der Verbraucher ist in voller Höhe Gläubiger des Anspruchs aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 1 Halbs. 2 BGB (vgl. zum Bruttolohnanspruch BAGE 97, 150, 152). Durch die Vorschriften über den Steuerabzug wird zwar die Regel, dass der Schuldner den geschuldeten Betrag unmittelbar an den Gläubiger zu zahlen hat, im Verhältnis zwischen der Bank als Schuldnerin und ihrem Kunden als Gläubiger teilweise durchbrochen. Der Leistung an den durch das Abzugsverfahren gesetzlich ermächtigten Steuergläubiger durch die Bank als Steuerentrichtungspflichtige kommt Erfüllungswirkung gem. § 362 Abs. 1 BGB im Verhältnis zwischen der Bank und dem Kunden zu, wobei Gerichte anderer Gerichtsbarkeiten als der Finanzgerichtsbarkeit die Berechtigung des Abzugs nicht überprüfen, sofern für den Steuerentrichtungspflichtigen nicht eindeutig erkennbar war, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht bestand (BGH, Urt. v. 12.5.2005 - VII ZR 97/04, BGHZ 163, 103, 108 f.; v. 17.7.2001 - X ZR 13/99, WM 2001, 2304, 2305 f.; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.4.2015 - 17 U 251/13, juris Rz. 28; BAGE 126, 325 Rz. 18 ff.; BAG, Urt. v. 9.8.2016 - 9 AZR 417/15, juris Rz. 14 f.).
Rz. 25
Diese Erfüllungswirkung ist aber, wenn der Steuerentrichtungspflichtige die Kapitalertragsteuer bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz - wie hier - noch nicht abgeführt hat, erst im Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigen, ohne dass es hierzu eines besonderen Ausspruchs im Tenor einer zusprechenden Entscheidung bedarf (vgl. BGH, Beschl. v. 29.5.2008 - IX ZB 102/07, BGHZ 177, 12 Rz. 8; v. 21.4.1966 - VII ZB 3/66, WM 1966, 758, 759; OLG Brandenburg, Urt. v. 20.1.2016 - 4 U 79/15, juris Rz. 110, vom 1.6.2016 - 4 U 125/15, juris Rz. 129, vom 30.11.2016 - 4 U 86/16, juris Rz. 33 f., vom 14.12.2016 - 4 U 19/16, juris Rz. 36 f., vom 29.12.2016 - 4 U 89/15, juris Rz. 106 f.; v. 8.2.2017 - 4 U 190/15, juris Rz. 97 f.; OLG Frankfurt, Urt. v. 27.4.2016 - 23 U 50/15, juris Rz. 69; Knoblauch, DStR 2012, 1952, 1955; Jooß, DStR 2014, 6, 12; für die Bruttolohnklage auch BAGE 15, 220, 227 f.; 97, 150, 153, 163; Korinth, ArbRB 2008, 129; Laschet/Kontny, DStR 2007, 607; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 704 Rz. 6; gegen einen "Anspruch auf Auszahlung" - soweit den Nettolohn übersteigend - dagegen BAG, Urt. v. 21.12.2016 - 5 AZR 273/16, juris Rz. 14 ff.). Weil die besondere Form des Steuerabzugs an der materiell-rechtlichen Forderungsinhaberschaft nichts ändert, kann der Verbraucher auch mit einem Anspruch aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 1 Halbs. 2 BGB in voller Höhe aufrechnen (a.A. KG, Urt. v. 6.10.2016 - 8 U 228/15, juris Rz. 94 ff., vom 9.2.2017 - 8 U 57/16, juris Rz. 52 ff.; v. 20.2.2017 - 8 U 31/16, juris Rz. 79 ff.).
Rz. 26
Soweit das BAG eine Aufrechnung mit einer und gegen eine Bruttolohnforderung teilweise an der Gegenseitigkeit (§ 387 BGB) mit Geldforderungen des die Aufrechnung Erklärenden hat scheitern lassen (BAG, Urt. v. 22.3.2000 - 4 AZR 120/99, juris Rz. 12; v. 19.2.2004 - 6 AZR 664/02, juris Rz. 28), steht dem die Rechtsprechung sowohl des BGH als auch des Großen Senats des BAG zur Zulässigkeit und Begründetheit von auf einen Bruttobetrag gerichteten Zahlungsklagen entgegen. Im Umfang der auf die Steuer entfallenden Teile ist der Anspruch nicht bloß auf Freistellung gegenüber dem Steuergläubiger gerichtet, so dass es nicht - was eine Aufrechnung hinderte (BGH, Urt. v. 28.1.2016 - VII ZR 266/14, BGHZ 208, 372 Rz. 26 m.w.N.) - an der erforderlichen Gleichartigkeit der Forderungen fehlt. Sowohl der BGH als auch der Große Senat des BAG qualifizieren die Bruttoforderung als einheitlichen Zahlungsanspruch.
Rz. 27
Soweit das BAG die Aufrechnung gegen einen Bruttolohnanspruch, ohne das Fehlen der Gegenseitigkeit zu beanstanden, an § 394 BGB, § 850e Nr. 1 ZPO hat scheitern lassen (BAGE 95, 104, 107; vgl. auch Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, § 394 Rz. 30), lag dem eine - gesetzlich ausdrücklich geregelte - andere Konstellation zugrunde. Weder ist § 394 BGB anwendbar, wenn der Gläubiger der unpfändbaren Forderung die Aufrechnung erklärt, noch unterliegen Forderungen aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 1 Halbs. 2 BGB einer Pfändungsbeschränkung. Die §§ 43 ff. EStG ordnen eine Beschlagnahme nicht an, auch wenn das zivilrechtliche Vertragsverhältnis durch die gesetzliche Abzugsverpflichtung abgabenrechtlich überlagert wird (BGH, Urt. v. 12.5.2005 - VII ZR 97/04, BGHZ 163, 103, 106; ähnlich BGH, Urt. v. 17.7.2001 - X ZR 13/99, WM 2001, 2304, 2306; BAG, Urt. v. 21.12.2016 - 5 AZR 273/16, juris Rz. 14). Weil erst die Abführung der Kapitalertragsteuer einen besonderen Erfüllungseinwand begründet (vgl. BAG NJW 2017, 972 Rz. 17; offen BAG, Urt. v. 21.12.2016 - 5 AZR 273/16, juris Rz. 28), schließt § 392 BGB eine Aufrechnung nicht aus.
Rz. 28
Eine Verkürzung von Einkommensteuer hat die Aufrechnung nicht zur Folge. Zwar findet § 44 Abs. 1 Satz 7 bis 9 EStG auf die Aufrechnung keine Anwendung, weil allein der Umstand, dass im Falle der Aufrechnung dem Verbraucher die Nutzungen "unbar" zufließen, nicht dazu führt, dass von einem Sachbezug i.S.d. § 8 Abs. 2 EStG auszugehen wäre (vgl. BFHE 232, 50 Rz. 11 f.; Kirchhof in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 8 Rz. 15). Die Bank haftet unbeschadet der Frage, ob ein Haftungsverfahren überhaupt neben dem Veranlagungsverfahren stattfindet (BFH, DStR 2003, 985, 987), nicht nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG, weil ihr als Aufrechnungsgegnerin weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Der Kunde muss aber die Einkünfte jedenfalls im Veranlagungsverfahren angeben.
Rz. 29
Das Berufungsgericht wird es daher dahinstehen lassen können, ob und in welchem Umfang der Zufluss von Nutzungen nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 1 Halbs. 2 BGB vom Kläger als Einnahme aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu versteuern ist, weil auch die vom Schuldner "erzwungene" Kapitalüberlassung oder die Vorenthaltung von Kapital zu steuerbaren Einnahmen auf Kapitalvermögen führen kann (BFHE 175, 439, 447 ff.; 220, 35, 36; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 20 Rz. 111; vgl. aber auch BFHE 235, 197 Rz. 12 ff., 15 ff.).
Fundstellen
Haufe-Index 10852200 |
BFH/NV 2017, 1151 |
BB 2017, 1217 |
BB 2017, 1294 |
DB 2017, 1205 |
NJW 2017, 2102 |
NJW 2017, 9 |
WM 2017, 1008 |
ZAP 2017, 671 |
ZIP 2017, 1103 |
ZIP 2017, 41 |
DZWir 2017, 350 |
DZWir 2017, 400 |
JZ 2017, 444 |
MDR 2017, 713 |
VuR 2017, 316 |
BKR 2017, 468 |
ZBB 2017, 258 |
FMP 2017, 128 |