Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzicht. Wirkungen der Restschuldbefreiung. Allgemeine Geschäftsbedingungen. Schuldgrund. Vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung. abstraktes Schuldanerkenntnis
Leitsatz (amtlich)
a) Der vollständige oder teilweise Verzicht auf die Wirkungen der Restschuldbefreiung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unwirksam.
b) Der Schuldner kann den Schuldgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam anerkennen.
Normenkette
InsO §§ 301-302; BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Kassel (Urteil vom 17.07.2014; Aktenzeichen 1 S 297/13) |
AG Kassel (Entscheidung vom 04.06.2013; Aktenzeichen 40 C 516/12 (20)) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Kassel vom 17.7.2014 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin handelte mit Mineralöl. Ihr Geschäftsführer ist Vermieter von drei in einem Haus befindlichen Einheiten, von denen der Beklagte eine zum Betreiben seiner Versicherungsagentur gemietet hatte. Wegen finanzieller Probleme blieb der Beklagte ab Januar 2009 die Mieten schuldig. In den Jahren 2009 und 2010 versorgte die Klägerin das Gebäude mit Heizöl und stellte dem Beklagten dessen Anteil mit insgesamt 1.642,10 EUR in Rechnung. Da dieser nicht zahlte, beauftragte sie ein Inkassobüro mit der Eintreibung der Forderungen. Ein Mitarbeiter dieses Büros suchte den Beklagten am 1.10.2010 auf und veranlasste ihn, in zwei Formularurkunden anzuerkennen, der Klägerin 1.061,07 EUR und 905,20 EUR, jeweils zzgl. Zinsen, zu schulden. In zwei weiteren Formularurkunden erkannte der Beklagte an, die Forderungen stellten solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung dar und nähmen nicht an einer möglichen Restschuldbefreiung teil, sollten sie Insolvenzforderungen werden.
Rz. 2
Am 23.5.2012 wurde das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Die Klägerin meldete ihre beiden Forderungen aus den Schuldanerkenntnissen zur Tabelle an, und zwar gleichzeitig als Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung. Die Forderungen wurden zur Tabelle festgestellt; der Beklagte widersprach jedoch dem Schuldgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung. Mit der Feststellungsklage möchte die Klägerin mit einem Haupt- und einem Hilfsantrag den Widerspruch des Beklagten überwinden und erreichen, dass ihre Forderungen von der vom Beklagten beantragten Restschuldbefreiung nicht berührt werden. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom LG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Feststellungsanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat, soweit noch erheblich, ausgeführt: Die Klage sei mit Haupt- und Hilfsantrag zulässig, aber unbegründet. Die Erklärungen des Beklagten, die Forderungen aus den abstrakten Schuldanerkenntnissen stellten Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung dar und sollten an einer möglichen Restschuldbefreiung nicht teilnehmen, seien nach § 134 BGB nichtig.
II.
Rz. 5
Diese Ausführungen halten jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Die Feststellungsklage ist mit beiden Anträgen - bezogen auf die vom Berufungsgericht unwidersprochen und mit Recht mangels Angabe eines konkreten Schuldgrundes als abstrakte Schuldanerkenntnisse ausgelegten Schuldurkunden (vgl. BGH, Urt. v. 5.12.1979 - IV ZR 107/78, NJW 1980, 1158) - zulässig (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2010 - IX ZR 24/10, ZInsO 2011, 244 Rz. 9, 19), aber unbegründet. Bei den Forderungen der Klägerin aus den Schuldanerkenntnissen handelt es sich nicht um Verbindlichkeiten des Beklagten aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen (§ 302 Abs. 1 Nr. 1 InsO; Hauptantrag). Auch nehmen diese Forderungen in dem Fall, dass dem Beklagten Restschuldbefreiung erteilt wird, an der Restschuldbefreiung teil (§§ 286, 300 InsO; Hilfsantrag). Dass es sich bei den zur Tabelle angemeldeten Forderungen der Klägerin unabhängig von den Erklärungen des Beklagten um ausgenommene Forderungen handelt, ist nicht festgestellt und wird in Bezug auf die abstrakten Schuldanerkenntnisse von der Klägerin auch nicht behauptet. Auf die Anerkenntnisse des Beklagten, die Forderungen der Klägerin aus den Schuldanerkenntnissen seien ausgenommene Forderungen i.S.v. § 302 Nr. 1 InsO und nähmen an einer Restschuldbefreiung nicht teil, kann die Privilegierung der Forderungen aus den Schuldanerkenntnissen nicht gestützt werden. Denn diese Klauseln sind nach §§ 307 Abs. 1 und 2, 310 Abs. 1, 305 BGB unwirksam.
Rz. 6
1. Bei den Anerkenntnissen zur Restschuldbefreiung handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB. Denn sie wurden von dem von der Klägerin beauftragten Inkassobüro für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert und dem Beklagten zur Unterschrift vorgelegt. Unerheblich ist, dass die Erklärungen zur Restschuldbefreiung nicht in einem gegenseitigen Vertrag enthalten sind, sondern als Anlage zu den abstrakten Schuldanerkenntnissen einseitige Rechtsgeschäfte darstellen, durch die die Wirkungen der Restschuldbefreiung für die Forderungen ausgeschlossen werden sollten. Denn §§ 305 ff. BGB gelten, wenn wie hier Rechtsbeziehungen durch ein einseitiges Rechtsgeschäft zustande kommen, welches Bestandteile enthält, die nicht vom Erklärenden, sondern von demjenigen vorformuliert werden, demgegenüber die Erklärung abzugeben ist, oder der sonst an ihrer Abgabe interessiert ist (BGH, Urt. v. 5.5.1986 - II ZR 150/85, BGHZ 98, 24, 28; v. 9.4.1987 - III ZR 84/86, NJW 1987, 2011; vom 16.3.1999 - XI ZR 76/98, BGHZ 141, 124, 126; Staudinger/Schlosser, BGB, 2013, § 305 Rz. 6; Basedow in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 305 Rz. 9).
Rz. 7
2. Auch wenn der Beklagte im Hinblick auf die in seinem Gewerbebetrieb begründeten Forderungen bei der Abgabe der abstrakten Schuldanerkenntnisse und der Nebenerklärungen nach § 13 BGB nicht Verbraucher, sondern nach § 14 Abs. 1 BGB Unternehmer war und deswegen § 310 Abs. 1 BGB zur Anwendung kommt, gilt zu seinen Gunsten § 307 BGB. Danach sind die Klauseln, die die Erklärungen des Beklagten zur Restschuldbefreiung enthalten, unwirksam, weil sie ihn entgegen den Geboten nach Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Denn sie sind mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Rz. 8
a) Dies gilt insb. für den vorherigen Verzicht des Schuldners auf die Wirkungen der Restschuldbefreiung. Nach § 1 Satz 2 InsO wird dem redlichen Schuldner Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Die Restschuldbefreiung stellt - neben der Gläubigerbefriedigung - ein zusätzliches Verfahrensziel des Insolvenzverfahrens dar (vgl. BGH, Beschl. v. 16.3.2000 - IX ZB 2/00, BGHZ 144, 78, 83 f.; v. 3.11.2005 - IX ZB 211/03, juris Rz. 9; vgl. auch BGH, Beschl. v. 13.10.2011 - IX ZB 80/10, NJW 2012, 609 Rz. 12). Sie soll dem redlichen Schuldner einen wirtschaftlichen Neuanfang ermöglichen (vgl. BGH, Beschl. v. 3.12.2009 - IX ZB 247/08, BGHZ 183, 258 Rz. 21). Sie findet ihre innere Rechtfertigung zum einen darin, dass das pfändbare Vermögen des Schuldners, insb. der pfändbare Teil seines Arbeitseinkommens, über einen angemessenen Zeitraum zugunsten der Insolvenzgläubiger verwertet wird; dies ermöglicht während der Dauer des Insolvenzverfahrens die Vorschrift des § 35 Abs. 1 InsO, die auch Neuerwerb dem Insolvenzbeschlag unterwirft, und während der Wohlverhaltensperiode die Abtretung der pfändbaren Forderungen auf Bezüge nach § 287 Abs. 2 InsO. Zum anderen setzt die Restschuldbefreiung voraus, dass der Schuldner nicht gegen die Pflichten verstößt, die ihm § 290 InsO a.F. für die Zeit vor und nach der Verfahrenseröffnung auferlegt, und die ihn nach § 295 InsO in der Wohlverhaltensperiode treffenden Obliegenheiten erfüllt (BGH, Beschl. v. 26.2.2015 - IX ZB 44/13, NZI 2015, 328 Rz. 15).
Rz. 9
Die Regelungen der Restschuldbefreiung dienen dabei nicht nur dem persönlichen Schutz und dem Persönlichkeitsrecht des Schuldners, dem ein wirtschaftlicher Neubeginn ermöglicht werden soll und für den die vollständige Restschuldbefreiung von existentieller Bedeutung ist (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.2013 - IX ZR 30/13, NZI 2013, 1025 Rz. 11; FK-InsO/Kothe, 8. Aufl., Vor §§ 286 ff. Rz. 35). Vielmehr verfolgen diese Regelungen das allgemeinwirtschaftliche und sozialpolitische Ziel, den Schuldner wieder in den Markt zu integrieren und sein Abdriften in graue Kredit- und Arbeitsmärkte zu verhindern (FK-InsO/Kothe, a.a.O.). Auch aus dem Sozialstaatsgebot ist die Berechtigung der Restschuldbefreiung abzuleiten (vgl. BT-Drucks. 12/7302, 153; BGH, Beschl. v. 3.3.2005 - IX ZB 171/03, NZI 2005, 404; Mohrbutter/Ringstmeier/Pape, Handbuch Insolvenzverwaltung, 9. Aufl., Kap. 17 Rz. 2).
Rz. 10
Ein vorheriger Verzicht des Schuldners auf den Schutz vor Einzelvollstreckungen ist unwirksam (BGH, Urt. v. 20.11.1997 - IX ZR 136/97, BGHZ 137, 193, 197; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., Vor § 704 Rz. 26; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 12. Aufl., Vor § 704 Rz. 17). Den Verzicht des Schuldners auf die Unpfändbarkeit von Gegenständen nach § 811 Nr. 1 ZPO hat schon das RG für unwirksam angesehen, weil diese Rechtsnorm dem Schuldner keine Wohltat erweisen wolle, sondern es sich um eine Regelung der Zwangsvollstreckung handele, die ihren wesentlichen Grund im öffentlichen Interesse habe. Sie beruhe auf dem sozialpolitischen Gedanken, dass die Zwangsvollstreckung nicht zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners und seiner Familie führen dürfe (RGZ 72, 181, 183; BFHE 159, 421, 422; vgl. KG, NJW 1960, 682; OLG Köln, Rpfleger 1969, 439; Gruber in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 811 Rz. 13 ff.; Zöller/Stöber, a.a.O., § 811 Rz. 10; Musielak/Voit/Becker, ZPO, 12. Aufl., § 811 Rz. 8; Kindl in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 2. Aufl., § 811 Rz. 7). Entsprechendes gilt für die §§ 850 ff. ZPO (Smid in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 850 Rz. 3; Musielak/Voit/Becker, a.a.O., § 850 Rz. 1; Meller-Hannich in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, a.a.O., § 850 Rz. 30).
Rz. 11
In der Literatur wird in Anschluss an diese Rechtsprechung zur Einzelvollstreckung auch für die Gesamtvollstreckung gefordert, dass ein mit einem Gläubiger im Voraus vereinbarter vollständiger oder teilweiser Verzicht auf die Wirkung des § 301 Abs. 1 InsO generell - also auch durch Individualvereinbarung - unwirksam sei (Ahrens in FK/InsO, 8. Aufl., § 287 Rz. 97; § 301 Rz. 25; Fischer in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 286 Rz. 12; Schmidt/Henning, InsO, 18. Aufl., § 286 Rz. 9; HK-InsO/Waltenberger, 7. Aufl., § 286 a.F. Rz. 6; Pape in Pape/Uhländer, InsO, § 286 Rz. 21; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 1997, S. 238 f.; a.A. Goebel, Vollstreckung effektiv 2007, 12; vgl. Stephan in MünchKomm/InsO, 3. Aufl., § 301 Rz. 25 unter Verweis auf § 134 BGB). Eine solche Vereinbarung während der Treuhandzeit zugunsten eines einzelnen Gläubigers ist schon nach § 294 Abs. 2 InsO unzulässig, weil danach Sonderabkommen zugunsten einzelner Gläubiger verboten sind (Stephan in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 301 Rz. 24). Etwas anderes soll für die von der Restschuldbefreiung erfassten, unbefriedigt gebliebenen Verbindlichkeiten gelten, die nach der Erteilung der Restschuldbefreiung grundsätzlich durch Vereinbarungen neu sollen begründet werden können. Durch ein abstraktes Schuldanerkenntnis oder durch ein Schuldversprechen i.S.d. §§ 780, 781 BGB soll die Forderung wieder klagbar gemacht werden können. Allerdings wird darauf verwiesen, dass dann, wenn das selbständige Schuldanerkenntnis ohne Gegenleistung erklärt werde, es schenkweise gegeben werde und deswegen gem. § 518 Abs. 1 Satz 2 BGB der notariellen Beurkundung bedürfe (Stephan in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 301 Rz. 23; Ahrens in FK/InsO, a.a.O., § 301 Rz. 26; vgl. BGH, Urt. v. 5.12.1979 - IV ZR 107/78, NJW 1980, 1158, 1159).
Rz. 12
Ob ein solcher im Voraus erteilter Verzicht des Schuldners auf die Wirkung der Restschuldbefreiung für einzelne Forderungen in jedem Fall unwirksam ist, kann vorliegend dahinstehen. Jedenfalls sind Regeln, welche die Wirkungen der Restschuldbefreiung zum Nachteil des Schuldners einschränken, mit den wesentlichen Grundsätzen der Restschuldbefreiung nicht vereinbar. Auf die schuldnerschützenden Wirkungen der Restschuldbefreiung kann deshalb durch Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht im Voraus verzichtet werden.
Rz. 13
b) In Literatur und Rechtsprechung ist streitig, ob ein Schuldner in einer außergerichtlichen individuellen Erklärung die Qualifizierung einer Forderung als einer ausgenommenen Forderung i.S.v. § 302 Nr. 1 InsO anerkennen kann und sich die Parteien außergerichtlich über diese Qualifizierung vergleichen können (einerseits: OLG Düsseldorf, ZInsO 2013, 1488, 1490 f.; Schumann, Die Leistungen 2011, 1, 2; Goebel, Vollstreckung effektiv 2007, 12; FoVo 2014, 1, 2; Angabe des Schuldgrundes in einer notariellen Urkunde: Weinland in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 302 Rz. 24; andererseits: AG Göttingen, NZI 2012, 31 f.; NZI 2012, 679, 680; Ahrens in FK/InsO, 8. Aufl., § 302 Rz. 53; Schmidt/Henning, InsO, 18. Aufl., § 302 Rz. 16; Jäger, Gläubigerhandbuch InsO, 2. Aufl., S. 567 f.). Jedenfalls in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist eine solche Klausel unwirksam und verstößt gegen die wesentlichen Grundgedanken der Restschuldbefreiung und des § 302 Nr. 1 InsO.
Rz. 14
Als materielle Grenze der Restschuldbefreiung begründet § 302 InsO privilegierte Verbindlichkeiten, die von der schuldbefreienden Wirkung der Restschuldbefreiung ausgenommen sind. Für diese bleibt trotz erteilter Restschuldbefreiung die Nachhaftung des § 201 Abs. 1 InsO bestehen (FK-InsO/Ahrens, 8. Aufl., § 302 Rz. 1; Stephan in MünchKomm/InsO, 3. Aufl., § 302 Rz. 1a). Gerechtfertigt ist die Nachhaftung aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen nach § 302 Nr. 1 InsO wegen ihres besonderen Unrechtsgehalts. Letztlich sind es Billigkeitsgesichtspunkte, die der gesetzlichen Regelung zugrunde liegen. Das Gesetz hält es für unbillig, dass ein Schuldner von Verbindlichkeiten gegenüber einem Gläubiger befreit wird, den er vorsätzlich geschädigt hat (BGH, Urt. v. 21.6.2007 - IX ZR 29/06, NJW 2007, 2854 Rz. 9 f.; vgl. Ahrens in FK/InsO, a.a.O., Rz. 2; Landfermann in HK/InsO, 7. Aufl., § 302 a.F. Rz. 1; HmbKomm-InsO/Streck, 5. Aufl., § 302 Rz. 1; vgl. auch Stephan in MünchKomm/InsO, 3. Aufl., § 302 Rz. 2).
Rz. 15
Die Ausnahmen von der Restschuldbefreiung beschränken sich abschließend auf die in § 302 InsO aufgeführten Verbindlichkeiten. Es war die Absicht des Gesetzgebers, die Nachhaftung des Schuldners, der ein Insolvenzverfahren durchlaufen hat, auf Ausnahmen zu beschränken (BGH, Urt. v. 21.6.2007 - IX ZR 29/06, NZI 2007, 532 Rz. 14; MünchKomm/InsO/Stephan, 3. Aufl., § 302 Rz. 3). Auch wenn es durchaus noch andere besonders schutzwürdige Forderungen gibt, die von einer Schuldbefreiung ausgenommen werden könnten, würde jede weitere Durchbrechung der vollständigen Schuldbefreiung zum einen den wirtschaftlichen Neubeginn des Schuldners gefährden und die Befriedigungsaussichten der Neugläubiger nachhaltig beeinträchtigen (Stephan in MünchKomm/InsO, a.a.O., Rz. 3). Deswegen gehört diese gesetzliche Beschränkung der privilegierten Forderungen zu den wesentlichen Grundsätzen der Restschuldbefreiung. Diese Beschränkung würde durchbrochen, wenn der Schuldner in Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Schuldgrund wirksam anerkennen könnte.
Rz. 16
Die Qualifizierung des Schuldgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung ist einer Vereinbarung oder einem Anerkenntnis in Allgemeinen Geschäftsbedingungen schon deswegen nicht zugänglich, weil den zur Tabelle festgestellten Forderungen jeweils konkrete Lebenssachverhalte zugrunde liegen. Diese können nicht allgemein im Voraus durch Klauseln umschrieben werden, die nicht für den konkreten Einzelfall, sondern für eine Vielzahl von Fällen formuliert sind. Das beweist der vorliegende Sachverhalt deutlich. In dem vom Inkassobüro verwendeten Formular wird die Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung darin gesehen, dass der Beklagte zahlungsunfähig gewesen sei, als er Leistungen der Klägerin entgegengenommen habe. Bezogen auf die Schuldanerkenntnisse hatte der Beklagte jedoch Leistungen der Klägerin nur insoweit entgegengenommen, als diese mit ihm eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen hatte. Dies haben die Parteien ersichtlich nicht als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Beklagten bewertet. Aber auch bezogen auf die nicht zur Tabelle angemeldete Grundforderung beschreibt die Klausel die angeblich deliktische Handlung nicht. Denn zwischen den Parteien war unstreitig, dass nicht der Beklagte das Heizöl bestellt hatte, sondern der Vermieter, der jedenfalls gegenüber den anderen Mietern verpflichtet war, die Heizanlage zu betreiben. Der Beklagte hat sein Büro nur beheizt und insoweit die Leistung seines Vermieters in Anspruch genommen. Worin eine vorsätzlich unerlaubte Handlung gegenüber der Klägerin liegen soll, kann der zu beanstandenden Klausel nicht entnommen werden, zumal sowohl der Vermieter des Beklagten wie auch die Klägerin um die finanziellen Schwierigkeiten des Beklagten wussten.
Fundstellen
Haufe-Index 8330909 |
DB 2015, 1959 |
DB 2015, 7 |
DStR 2015, 12 |
NJW 2015, 3029 |
NJW 2015, 8 |
EBE/BGH 2015 |
EWiR 2015, 611 |
KTS 2016, 521 |
WM 2015, 1640 |
WuB 2015, 598 |
ZAP 2015, 963 |
ZIP 2015, 1692 |
DZWir 2015, 576 |
JZ 2015, 527 |
JuS 2016, 167 |
MDR 2015, 1041 |
NJ 2015, 3 |
NZI 2015, 7 |
NZI 2015, 858 |
Rpfleger 2015, 722 |
VuR 2016, 75 |
ZInsO 2015, 1739 |
InsbürO 2015, 418 |
InsbürO 2016, 77 |
NJW-Spezial 2015, 629 |
VE 2016, 5 |
ZVI 2015, 378 |
FMP 2015, 188 |
VIA 2015, 83 |