Diesel: Kein Restschadenersatzanspruch gegen VW bei Audi-Kauf

Käufer von VW-Fahrzeugen mit der sogenannten Abgasmanipulationssoftware haben 10 Jahre Zeit zur Geltendmachung von Restschadenersatzansprüchen. Audi-Käufern verwehrt der BGH diese Option.

Käufer von Dieselfahrzeugen, in denen eine Software zur Manipulation der Abgaswerte auf dem Rollenprüfstand eingebaut ist, haben beim Kauf eines Neuwagens von VW 10 Jahre lang die Möglichkeit einen sogenannten Restschadensersatzanspruch geltend zu machen. Den Käufern eines Neufahrzeugs von Audi mit VW-Motor hat der BGH diesen Anspruch nun verwehrt.

Audi-Käuferin klagte gegen VW auf Schadenersatz

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte die Klägerin die Volkswagen-AG wegen Verwendung einer unzulässigen Abgasabschalteinrichtung in dem von ihr im Dezember 2011 zum Preis von 54.000 Euro gekauften Neufahrzeug Audi Q5 2.0 TDI auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Das Fahrzeug ist mit einem von VW hergestellten Dieselmotor Typ EA 189 ausgestattet, in dem die bekannte „Schummel-Software“ eingebaut ist, die auf dem Rollenprüfstand die CO2-Emissionen deutlich verringert. Im September 2015 veröffentlichte VW eine Ad-hoc-Mitteilung, mit der auf dieses Abgasproblem hingewiesen wurde. Anschließend berichteten die Medien weltweit umfangreich über die gegen VW in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwürfe (Stichwort: „Dieselgate“).

Schadensersatzklage gegen VW erst im Jahr 2020

Im Jahr 2020 klagte die Audi-Käuferin gegen VW unter anderem auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs. Nachdem die Klage in den Vorinstanzen weitgehend erfolgreich war, hat der BGH die Klage auf die Revision von VW als unbegründet abgewiesen. Die Klageabweisung beruht auf 2 Argumentationssträngen, die zum einen die Frage der Verjährung und zum anderen das Problem der Anwendbarkeit der Grundsätze zum sogenannten Restschadenersatz beim Kauf eines Fahrzeugs nicht unmittelbar von VW, sondern von einer der Konzerntöchter wie Audi betreffen.

Schadensersatzanspruch wegen sittenwidriger Schädigung ist verjährt

Nach Auffassung des BGH war der auf § 826 BGB gestützte Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen VW durch Ablauf der 3-jährigen Verjährungsfrist bei Klageeinreichung im Jahr 2020 verjährt. Die Klägerin hatte zwar behauptet, sie habe erst im Jahr 2017 durch ein Schreiben von VW von der in ihrem Fahrzeug verbauten Abgassoftware Kenntnis erhalten, dies erschien dem BGH aber nicht glaubhaft. Der BGH verwies auf § 199 BGB, wonach die 3-jährige Verjährungsfrist einer Forderung entweder mit Entstehung des Anspruchs oder mit der Kenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen beginnt. Letzteres gelte auch dann, wenn dem Gläubiger diese Kenntnis infolge grober Fahrlässigkeit fehlt.

Fehlende Kenntnis war spätestens Ende 2016 grob fahrlässig

Nach der Bewertung des BGH war die von der Klägerin behauptete Unkenntnis spätestens Ende 2016 grob fahrlässig. Angesichts der mannigfachen Medienberichte und der seitens der Klägerin eingeräumten allgemeinen Kenntnis vom Dieselskandal hätte die Klägerin nach Auffassung des Senats spätestens Ende des Jahres 2016 Veranlassung zur Ermittlung einer möglichen Betroffenheit ihres Fahrzeuges gehabt. Dass sie dieser Frage nicht nachgegangen sei, bewertete der Senat als grob fahrlässiges Verhalten, sodass der Lauf der 3-jährigen Verjährungsfrist spätestens mit Ablauf des Jahres 2016 begonnen habe und die Verjährung damit Ende des Jahres 2019 eingetreten sei. Die Klageeinreichung im Jahr 2020 sei daher nicht mehr geeignet gewesen, den Lauf der Verjährung zu unterbrechen.

Restschadensersatzanspruch zieht oft noch nach Verjährungseintritt

Soweit die Klägerin ihren Anspruch nicht nur auf § 826 BGB, sondern auch auf § 852 BGB stützte, ist auch hiernach die Forderung nach Auffassung des Senats nicht begründet. Gemäß § 852 BGB ist der Ersatzpflichtige auch nach Eintritt der Verjährung eines Schadensersatzanspruches aus unerlaubter Handlung zur Herausgabe des durch die unerlaubte Handlung Erlangten verpflichtet. Nach dieser Vorschrift hat der BGH den Käufern von VW-Dieselfahrzeugen, in denen die Manipulationssoftware eingebaut war, auch nach Eintritt der Verjährung des Schadensersatzanspruchs aus unerlaubter Handlung diesen sogenannten Restschadenersatzanspruch gemäß § 852 BGB gewährt und das Unternehmen VW zur Rückzahlung des Kaufpreises oder eines Teils davon unter Anrechnung der gezogenen Nutzungsvorteile verurteilt.

Unterschiedliche Schadensberechnung bei Direkt- oder Händlerkauf

Der BGH hatte bei der Berechnung der Höhe des Restschadensersatzanspruches unterschieden zwischen den Fällen, in denen ein Kläger das Fahrzeug unmittelbar von VW erworben hat und den Fällen, in denen der Erwerb über einen freien Händler erfolgte.

  • Im Falle des Direkterwerbs hat der BGH die Höhe des Restschadenersatzes an der Höhe des vom Kläger gezahlten Kaufpreises festgemacht.  VW habe nämlich den Kaufpreis als solchen auf Kosten des Klägers erlangt und daher diesen als das ungerechtfertigt Erlangte zurückzugewähren.
  • Beim Kauf über einen Händler hat VW nach der Bewertung des BGH lediglich eine Forderung gegen den Händler in Höhe des Händlereinkaufspreises erlangt. Die Bereicherung von VW bestehe demzufolge in der Forderung des Herstellers gegen den Händler auf Zahlung des Händlereinkaufspreises. Nur diesen müsse VW daher als das Erlangte (abzüglich Nutzungsentschädigung) herausgeben (BGH Urteile v. 21.2.2022, VIa ZR 8/21 und VIa ZR 57/21)

Audi-Kauf erzeugt keinen unmittelbaren Wertzuwachs bei VW

In dem jetzt entschiedenen Fall des Kaufs eines Audi- Neufahrzeugs mit VW Motor hat VW demgegenüber nach der Bewertung des BGH unmittelbar nichts erlangt. Die für einen Anspruch nach § 852 BGB vorausgesetzte Vermögensverschiebung sei im Verhältnis zwischen der Klägerin und VW nicht eingetreten. Audi habe als Tochtergesellschaft von VW den Fahrzeugmotor nach konzerninternen Verrechnungsmodalitäten von VW erworben. Mit der Veräußerung seitens Audi an die Klägerin habe VW keinen Vermögensvorteil mehr erlangt. VW habe den Wertzuwachs bereits vorher mit Herstellung und Veräußerung des Motors an Audi realisiert.

Konzernverflechtung ändert nichts

Die wirtschaftliche Verflochtenheit der Konzernmutter VW mit dem Tochterunternehmen Audi ändert nach Auffassung des BGH an diesem Ergebnis nichts. Auch wenn im Rahmen eines möglichen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ein Vorteil von VW in Form einer Erhöhung des Gesamtgewinns durch Abnahme von VW-Motoren seitens Audi entstehe, so sei dies bezogen auf den Endverkauf nur ein indirekter Vorteil. Es fehle an einem unmittelbaren, deckungsgleichen Wertzuwachs im Zusammenhang mit dem Erwerbsgeschäft des Endkäufers.

Klage abgewiesen

Damit war der Rechtsstreit für den BGH entscheidungs- und die Klage abweisungsreif.

(BGH, Urteil v 14.7.2022, VII ZR 422/21)

Verjährung von Diesel-Schadenersatzansprüchen nach der BGH-Rechtsprechung

Nach der aktuellen und den vorangegangenen Entscheidungen des BGH zur Verjährung der Schadensersatzansprüche von VW-Dieselkäufern kann zusammenfassend festgestellt werden:

  • Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche der Käufer beginnt gemäß § 195 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Käufer von dem sogenannten Dieselskandal Kenntnis erhalten hat.
  • Dies ist infolge der medialen Berichterstattung regelmäßig das Jahr 2015, so dass entsprechende Ansprüche aus § 826 BGB Ende des Jahres 2018 verjährt waren.
  • Hat ein Käufer im Einzelfall im Jahr 2015 nachweislich keine Kenntnis von dem Dieselskandal erworben, so kann der Lauf der Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2016 beginnen, so dass die Verjährung ausnahmsweise erst mit Ende des Jahres 2019 eintritt.
  • Hat ein Käufer auch im Jahre 2016 noch keine Kenntnis erlangt, so beruht dies in der Regel auf grober Fahrlässigkeit, so dass dennoch die Verjährung spätestens Ende 2019 eintritt.

Restschadensersatzanspruch verjährt erst nach 10 Jahren

Nach der Rechtsprechung des BGH steht VW-Käufern trotz der Verjährung des Anspruchs aus § 826 BGB ein sogenannter Restschadensersatzanspruch gemäß § 852 Satz 1 BGB zu. Nach dieser Vorschrift ist der Ersatzpflichtige, der durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt hat, auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe des Erlangten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Auch dieser Anspruch wird durch Anrechnung der gezogenen Nutzungsvorteile des Käufers geschmälert. Der Anspruch verjährt gemäß § 852 Satz 2 BGB erst nach 10 Jahren. Für Käufer anderer Konzernmarken gilt diese Möglichkeit nicht.

Kein Restschadenersatzanspruch bei Gebrauchtwagenkauf

Zur Frage des Restschadensersatzanspruchs hatte der BGH kürzlich entschieden, dass Käufern von gebrauchten VW-Diesel-Fahrzeugen kein Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB zusteht, da auch hier der Fahrzeughersteller durch den Kauf eines Gebrauchtwagens nicht ungerechtfertigt bereichert werde. Die Vermögensverschiebung zugunsten des Herstellers trete bereits vollständig beim Neuwagenkauf ein (BGH, Urteile v. 10.2.2022, VII ZR 365/21, VII 396/21 u.a.).


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