Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung steuerlicher Vorteile auf einen Schadensersatzanspruch bei Rückabwicklung einer Fondsbeteiligung bei negativem bzw. positivem Kapitalkonto des Anlegers
Leitsatz (amtlich)
a) Zur Frage der Anrechnung steuerlicher Vorteile auf einen gegen die beratende Bank gerichteten Schadensersatzanspruch auf Rückabwicklung der Beteiligung an einem Medienfonds, wenn der Anleger entsprechend dem Fondskonzept nur einen Teil der Einlage eingezahlt und durch Verlustzuweisungen Steuervorteile erlangt hat, die oberhalb der tatsächlich geleisteten Einlage und unterhalb der Nominaleinlage gelegen haben.
b) Nimmt der Geschädigte im Rahmen der Rückabwicklung einer Fondsbeteiligung eine Steuervergünstigung nach § 16 Abs. 4 EStG in Anspruch, muss er sich diesen Vorteil auf seinen Schadensersatzanspruch gegen die beratende Bank nicht im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Anrechnung von Steuervorteilen auf den Schadensersatz ist mit dessen Zweck nicht vereinbar, soweit die unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung verbleibenden Steuervorteile ihre Ursache in einer Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 oder Abs. 3 EStG haben, die Steuervorteile aus einer Absenkung des allgemeinen (Spitzen-)Steuersatzes resultieren oder die Steuervorteile ihren Grund in einem gesunkenen persönlichen Steuertarif aufgrund einer veränderten Einkommenssituation des Geschädigten haben und damit keinen inneren Bezug zu der in Rede stehenden Schädigungshandlung aufweisen.
2. Die geschuldete Schadensersatzleistung aus der Rückabwicklung der Beteiligung an einem Medienfonds unterliegt der Einkommensbesteuerung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Ob die Rückabwicklung der Fondsbeteiligung die Voraussetzungen einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 3 Satz 1 EStG erfüllt, kann dahinstehen.
3. Umfangreiche Ausführungen, wie sich bei Rückabwicklung einer Fondsbeteiligung das Vorliegen eines positiven bzw. negativen Kapitalkontos – auch aus steuerrechtlicher Sicht – auf den Schadensersatzanspruch des Anlegers auswirkt.
Normenkette
BGB § 249; EStG §§ 15-16; ZPO § 287 Abs. 1; EStG § 34 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 22.11.2012; Aktenzeichen 12 U 137/11) |
LG Berlin (Urteil vom 02.11.2011; Aktenzeichen 38 O 581/10) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des KG in Berlin vom 22.11.2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist. Das Urteil wird insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 38 des LG Berlin vom 2.11.2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Rückabwicklung seiner Beteiligung an der V. 2 GmbH & Co. KG (im Folgenden: V 2) in Anspruch. Zwischen den Parteien steht nur noch im Streit, ob sich der Kläger auf den ihm zustehenden Schadensersatzanspruch steuerliche Vorteile anrechnen lassen muss.
Rz. 2
Der Kläger zeichnete am 16.5.2002 nach vorheriger Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten eine Beteiligung an V 2 im Nennwert von 50.000 EUR zzgl. eines Agios i.H.v. 1.500 EUR. Hiervon zahlte er entsprechend dem Fondskonzept nur 55 % der Nominaleinlage, d.h. 27.500 EUR, und das Agio ein. Der Rest der Einlage sollte nach § 4 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrags "aus erwirtschafteten Gewinnen der Gesellschaft nach näherer Bestimmung durch die Komplementärin geleistet werden, wobei sich der auf die Kommanditeinlage zu leistende Betrag nach dem dem jeweiligen Kommanditisten gem. § 15 Ziff. 1 zuzuweisenden Gewinn abzgl. der hierauf entfallenden persönlichen Einkommensteuer zzgl. Solidaritätszuschlag" bestimmen sollte; nach § 15 Ziff. 2 haben die Kommanditisten "Anspruch auf Ausschüttung eines Betrages, der erforderlich ist, um die auf ihre Beteiligung an der Gesellschaft entfallende persönliche Einkommensteuer zzgl. Solidaritätszuschlag zu bezahlen, sofern ... liquide Mittel vorhanden sind". Abweichend hiervon kann die Komplementärin die noch ausstehende Kommanditeinlage auch sofort verlangen, wenn "dies nach ihrem Ermessen aufgrund von Liquiditätsengpässen oder Zahlungsschwierigkeiten der Gesellschaft erforderlich" gewesen wäre.
Rz. 3
In den folgenden Jahren wurden der Einkommensbesteuerung des Klägers in Bezug auf V 2 für die Jahre 2002 und 2003 anteilige Verluste i.H.v. 46.005 EUR und 605 EUR sowie für die Jahre 2004 bis 2010 anteilige Gewinne i.H.v. insgesamt 20.290 EUR zugrunde gelegt.
Rz. 4
Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten unter Berufung auf mehrere Aufklärungs- und Beratungsfehler, Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots auf Übertragung der Beteiligung an V 2, Rückzahlung des investierten Kapitals i.H.v. 29.000 EUR zzgl. entgangenen Zinsgewinns und Verzugszinsen, die Freistellung von einer Nachhaftung auf den noch nicht erbrachten Teil der Kommanditeinlage und die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn von allen weiteren steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen aus der Beteiligung an V 2 freizustellen. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten hinsichtlich der Übertragung der Beteiligung an V 2 sowie den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen. Das LG hat der Klage bis auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und einen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage in Höhe anzurechnender Steuervorteile von 4.452,76 EUR abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 7
Dem Kläger stehe gegen die Beklagte zwar ein Schadensersatzanspruch auf Rückabwicklung der Fondsbeteiligung zu, weil diese ihre vertragliche Pflicht zur Aufklärung über eine erhaltene Vertriebsprovision schuldhaft verletzt habe. Auf diesen Anspruch müsse er sich aber die von ihm erzielten Steuervorteile aus der Beteiligung an V 2 anrechnen lassen.
Rz. 8
Eine Anrechnung von Steuervorteilen im Wege der Vorteilsausgleichung komme zwar grundsätzlich nicht in Betracht, wenn die Rückabwicklung des Anlagegeschäfts zu einer Besteuerung führe, die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder nehme. Etwas anderes gelte nach der Rechtsprechung des BGH aber dann, wenn der Schädiger Umstände darlege, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung außergewöhnlich hohe Steuervorteile verblieben oder er gar Verlustzuweisungen erhalten habe, die über seine Einlageleistung hinausgegangen seien. So liege der Fall hier. Die Schadensersatzleistung sei zwar als Betriebseinnahme zu versteuern. Aufgrund der Konstruktion des Fonds habe der Kläger aber für das Jahr 2002 eine Verlustzuweisung i.H.v. 92 % der Nominaleinlage erhalten, während als Anlagebetrag nur 55 % der Nominaleinlage zzgl. 3 % Agio zu leisten gewesen seien. Damit müsse nach der Rechtsprechung des BGH von außergewöhnlichen Steuervorteilen gesprochen werden. Dies sei auch konsequent, beruhe doch die Rechtsprechung des BGH auf der Grundannahme, dass sich die das zu versteuernde Einkommen senkenden Verlustzuweisungen und die das zu versteuernde Einkommen erhöhende Schadensersatzleistung in etwa die Waage hielten. Überschritten die Verlustzuweisungen bezogen auf den Anlagebetrag jedoch die 100 %-Grenze, sei diese Annahme erschüttert. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Nachschusspflicht gem. § 4 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrags, weil diese nur im Falle von Liquiditätsschwierigkeiten des Fonds eingreife.
Rz. 9
Seien - wie hier - Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Geschädigte außergewöhnliche Steuervorteile erlangt habe, sei eine konkrete Berechnung vorzunehmen. Diese beinhalte eine Gegenüberstellung der erzielten Steuervorteile und der zu erwartenden Steuernachteile. Die Darlegungs- und Beweislast für die vom Geschädigten erzielten Vorteile trage die Beklagte. Den Anleger treffe lediglich eine sekundäre Behauptungslast, der der Kläger durch Vorlage der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2010 nachgekommen sei. Unter Zugrundelegung der mitgeteilten Gewinn- und Verlustzuweisungen und der aus den vorgelegten Steuerbescheiden ersichtlichen Spitzensteuersätze ergebe sich für die Jahre 2002 bis 2010 ein saldierter Steuervorteil von 15.638,94 EUR. Ziehe man diesen Steuervorteil im Wege der Vorteilsausgleichung von der Klageforderung von 29.000 EUR ab, errechne sich ein Betrag von 13.361,06 EUR. Da der Kläger den ausgeurteilten Betrag zu versteuern habe, ihm aber nach Abzug der Steuern der Betrag von 13.361,06 EUR verbleiben müsse, belaufe sich der Schadensbetrag im Hinblick auf seine steuerliche Gesamtbelastung aus Einkommensteuersatz, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer von insgesamt 45,57 % auf 24.547,24 EUR. Der weitergehende Anspruch sei daher unbegründet.
II.
Rz. 10
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht Steuervorteile i.H.v. 4.452,76 EUR anspruchsmindernd berücksichtigt.
Rz. 11
1. a) Im Ansatzpunkt zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ersparte Steuern grundsätzlich im Rahmen der Vorteilsausgleichung auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen sind, eine solche Anrechnung aber nicht in Betracht kommt, wenn die Schadensersatzleistung ihrerseits zu einer Besteuerung führt, die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder nimmt (vgl. nur BGH, Urt. v. 18.12.1969 - VII ZR 121/67, BGHZ 53, 132, 134; v. 22.3.1979 - VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 114; v. 15.7.2010 - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rz. 35 f.; v. 1.3.2011 - XI ZR 96/09, WM 2011, 740 Rz. 8; jeweils m.w.N.). Da das Gericht über die Höhe des Schadens unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach freier Überzeugung zu entscheiden hat (§ 287 Abs. 1 ZPO) und eine exakte Errechnung von Steuervorteilen unter Gegenüberstellung der tatsächlichen mit der hypothetischen Vermögenslage angesichts der vielfältigen Besonderheiten der konkreten Besteuerung häufig einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert, müssen in der Regel keine Feststellungen dazu getroffen werden, in welcher genauen Höhe sich die Versteuerung der Schadensersatzleistung auswirkt (BGH, Urt. v. 15.7.2010 - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rz. 36 f.; v. 1.3.2011 - XI ZR 96/09, WM 2011, 740 Rz. 8; jeweils m.w.N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Schädiger Umstände darlegt, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung derart außergewöhnlich hohe Steuervorteile verbleiben, dass es unbillig wäre, ihm diese zu belassen (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 15.7.2010 - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rz. 36 f., 45f.; v. 1.3.2011 - XI ZR 96/09, WM 2011, 740 Rz. 9; v. 23.4.2012 - II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rz. 43). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen anrechenbarer außergewöhnlicher Steuervorteile trägt der Schädiger (BGH, Urt. v. 31.5.2010 - II ZR 30/09, WM 2010, 1310 Rz. 26; v. 15.7.2010 - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rz. 45; v. 23.4.2012 - II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rz. 44).
Rz. 12
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH gelten für die Anrechnung von Steuervorteilen auf einen Schadensersatzanspruch des Weiteren auch die übrigen allgemeinen Grundsätze der Vorteilsausgleichung. Danach sind nur solche Vorteile schadensmindernd zu berücksichtigen, die in einem adäquat-ursächlichen Zusammenhang mit dem Schadensereignis stehen und deren Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entspricht sowie weder den Geschädigten unzumutbar belasten noch den Schädiger unbillig entlasten (vgl. nur BGH, Urt. v. 22.3.1979 - VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 113 f.; v. 19.6.2008 - VII ZR 215/06, WM 2008, 1757 Rz. 6 f.; v. 15.7.2010 - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rz. 35 m.w.N.). Eine Vorteilsanrechnung ist daher nicht mit dem Zweck des Schadensersatzes vereinbar, soweit die unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung verbleibenden Steuervorteile ihre Ursache in einer Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 oder Abs. 3 EStG haben. Die Tarifermäßigung wird vielmehr dem Steuerpflichtigen aus besonderem Anlass gewährt und darf den Schädiger nicht entlasten (BGH, Urt. v. 22.3.1979 - VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 114, 116; v. 27.6.1984 - IVa ZR 231/82, WM 1984, 1075, 1078; v. 15.7.2010 - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rz. 52 m.w.N.). Soweit Steuervorteile aus einer Absenkung des allgemeinen (Spitzen-)Steuersatzes resultieren, sind ebenfalls keine Gründe ersichtlich, weshalb diese - nach dem Willen des Gesetzgebers allen Steuerpflichtigen gleichermaßen zugutekommende - Vergünstigung den Schädiger entlasten soll (BGH, Urt. v. 31.5.2010 - II ZR 30/09, WM 2010, 1310 Rz. 28 ff.; v. 15.7.2010 - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rz. 53; v. 18.12.2012 - II ZR 259/11, WM 2013, 211 Rz. 10). Schließlich weisen Steuervorteile, die ihren Grund in einem gesunkenen persönlichen Steuertarif aufgrund einer veränderten Einkommenssituation des Geschädigten haben, keinen inneren Bezug zu der in Rede stehenden Schädigungshandlung auf und können den Schädiger daher ebenfalls nicht entlasten (BGH, Urt. v. 15.7.2010 - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rz. 40, 54).
Rz. 13
Aufgrund dessen scheidet auch die - vom LG zu Recht verneinte - Berücksichtigung der Vorteile einer Anwendung von § 16 Abs. 4 EStG aus, der bei einer Veräußerung des Betriebs ab Erreichen einer bestimmten Altersgrenze und im Falle der Berufsunfähigkeit eine Steuervergünstigung vorsieht. Der Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG bezweckt, Gewinne aus der Veräußerung kleinerer Betriebe aus sozialen Gründen steuerlich zu entlasten (BR-Drucks. 303/83, 25; BFH, BStBl. II 1976, 360, 362; Gänger in Bordewin/Brandt, EStG, Stand Juli 2008, § 16 Rz. 244a; Schmidt/Wacker, EStG, 32. Aufl., § 16 Rz. 577). Diese Steuervergünstigung wird dem Steuerpflichtigen daher aus besonderen persönlichen Gründen gewährt, was dem Schädiger nicht zugutekommen kann. Zudem wird diese Steuervergünstigung dem Berechtigten nur einmalig eingeräumt. Dem Vorteil aus dem Freibetrag stünde daher der Nachteil aus dem Verlust dieser Steuervergünstigung für andere in Zukunft ggf. anfallende Veräußerungs- oder Aufgabegewinne gegenüber. Eine Obliegenheit des Geschädigten, diesen Vorteil zugunsten des Schädigers endgültig aufzugeben, besteht nicht (vgl. BGH, Urt. v. 15.7.2010 - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rz. 52 zu § 34 Abs. 3 EStG). Dagegen spricht auch die Wertung des § 249 Abs. 1 BGB. Nach dem Grundsatz der Naturalrestitution hat der Geschädigte Anspruch auf Herstellung des Zustands, der ohne das schädigende Ereignis bestünde. Dem geschädigten Anleger muss daher die Möglichkeit, von § 16 Abs. 4 EStG Gebrauch zu machen, erhalten bleiben (so auch KG WM 2013, 1601, 1605; OLG Frankfurt, Urt. v. 20.7.2012 - 23 U 135/11, Umdr. S. 15, n.v.; OLG München, Urt. v. 26.3.2012 - 17 U 3089/11, Umdr. S. 12 f., n.v. und Beschl. v. 26.6.2012 - 19 U 1048/12, Umdr. S. 5, n.v.; Steinle, DStR 1981, 366, 369).
Rz. 14
c) Hat der geschädigte Anleger Verlustzuweisungen steuermindernd geltend gemacht, sind nach der Rechtsprechung des BGH, unabhängig von deren Höhe, außergewöhnliche Steuervorteile zu verneinen, wenn der Anleger in Folge der Rückabwicklung der Fondsbeteiligung dieselben Beträge zu versteuern hat, auf deren Grundlage er zuvor Steuervorteile erlangt hat (BGH, Urt. v. 15.7.2010 - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rz. 55). Zu berücksichtigen sind insoweit nicht lediglich die erstmalige Verlustzuweisung einerseits und die Besteuerung der Rückabwicklung andererseits, sondern darüber hinaus auch sämtliche weiteren steuerwirksamen Gewinn- und Verlustanteile des Anlegers während der Dauer seiner Beteiligung (BGH, Urt. v. 15.7.2010 - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rz. 50). Dazu gehören auch steuerliche Nachteile, die dem geschädigten Anleger im Zusammenhang mit der Zug um Zug gegen die Schadensersatzleistung vorgesehenen Übertragung der Kapitalanlage entstehen (vgl. BGH, Urt. v. 22.3.1979 - VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 114; v. 6.11.1989 - II ZR 235/88, WM 1989, 1925 f.; v. 17.11.2005 - III ZR 350/04, WM 2006, 174, 175; v. 15.7.2010 - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rz. 36; jeweils m.w.N.). Solche Nachteile können insb. durch die - mit der Übertragung der Fondsbeteiligung verbundene - "Übernahme" eines negativen Kapitalkontos durch den Schädiger entstehen, weil der Anleger hierdurch einen Gewinn erzielt, den er versteuern muss (vgl. BGH, Urt. v. 22.3.1979 - VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 114; v. 9.12.1987 - IVa ZR 204/86, WM 1988, 220, 221; v. 6.11.1989 - II ZR 235/88, WM 1989, 1925 f.; jeweils m.w.N.; vgl. auch BFHE 132, 244, 255 f.; BFH BStBl. II 1981, 795, 798).
Rz. 15
Ein negatives Kapitalkonto entsteht bei Fondskonstruktionen der vorliegenden Art, bei denen die Anleger Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen und damit der Einkommensbesteuerung gem. §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unterliegen (vgl. BGH, Urt. v. 22.3.1979 - VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 114 f.; v. 9.12.1987 - IVa ZR 204/86, WM 1988, 220, 221; v. 6.11.1989 - II ZR 235/88, WM 1989, 1925, 1926; v. 14.1.2002 - II ZR 40/00, WM 2002, 813, 815; v. 15.7.2010 - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rz. 50; vgl. auch BFH BStBl. II 1993, 96, 97, BStBl. II 1994, 564, 565 und BStBl. II 2000, 424, 428), in erster Linie durch die anfänglichen Verlustzuweisungen. Es kann sich durch weitere im laufenden Geschäftsbetrieb anfallende Verluste weiter erhöhen, aber auch - wie nach der vorliegenden Fondskonzeption - durch nicht ausgeschüttete Gewinne wieder verringern und sogar positiv werden.
Rz. 16
Die Übertragung des Fondsanteils ist für den geschädigten Anleger ein steuerbarer Vorgang, der im Fall eines negativen Kapitalkontos zu einem Gewinn führt, den er versteuern muss. Denn für den Anleger ergibt sich ein - zu versteuernder - Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in Höhe des Betrages, um den der Veräußerungspreis (nach Abzug der Veräußerungskosten) den Buchwert übersteigt. Im Ergebnis ist dies hier die vom Schädiger zu zahlende Schadensersatzleistung zzgl. des von diesem übernommenen negativen Kapitalkontos (vgl. BFH BStBl. II 1989, 563, 564; BStBl. II 2010, 631 Rz. 33; FG Berlin-Brandenburg, EFG 2012, 1837, 1838; Jooß, DStR 2014, 6, 9; Kobor in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und KStG, Stand Februar 2013, § 16 EStG Rz. 412, 425; Reiß in Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 16 Rz. 154; Schmidt/Wacker, EStG, 32. Aufl., § 15a Rz. 215 f.; zum Buchwert des Kapitalkontos s. auch BFH/NV 2007, 37, 38; BFH/NV 2010, 2056 Rz. 48; FG Berlin-Brandenburg, EFG 2012, 1837 f.; Hessisches FG, EFG 2011, 622, 623; zur Berücksichtigung des Agios als Anschaffungskosten s. BFH BStBl. II 1980, 499, 500; BStBl. II 2001, 24, 26; BStBl. II 2006, 847, 850; FG des Saarlandes, Urt. v. 13.2.1981 - I 432/78, juris Rz. 24; Bundesminister der Finanzen, BStBl. I 1976, 283). Die Besteuerung des negativen Kapitalkontos im Rahmen der Rückabwicklung der Fondsbeteiligung ist Folge der früheren Verlustzurechnung (vgl. BFH BStBl. II 1981, 795, 798; BFH/NV 2006, 11 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 9.12.1987 - IVa ZR 204/86, WM 1988, 220, 221). Der dem Anleger ursprünglich zugeflossene Steuervorteil wird dadurch gleichsam wieder rückgängig gemacht (BGH, Urt. v. 22.3.1979 - VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 114).
Rz. 17
Ist dagegen das Kapitalkonto des Anlegers trotz der anfänglichen Verlustzuweisungen bei Übertragung des Fondsanteils nicht mehr negativ, weil dort in der Zwischenzeit nicht ausgeschüttete Gewinne angefallen sind, haben diese Gewinne in den betreffenden Veranlagungszeiträumen bei dem Anleger einkommenserhöhend gewirkt und die zuvor steuerrechtlich einkommensmindernd angesetzten Verluste insoweit kompensiert (vgl. BGH, Urt. v. 9.12.1987 - IVa ZR 204/86, WM 1988, 220, 221). Für eine Anrechnung der Steuervorteile aus den Verlustzuweisungen bleibt dann kein Raum. Im Fall eines positiven Kapitalkontos hat der Anleger nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG die Schadensersatzleistung zwar nur unter Abzug des (positiven) Buchwerts des übertragenen Fondsanteils zu versteuern (vgl. BGH, Urt. v. 6.11.1989 - II ZR 235/88, WM 1989, 1925, 1926; Schmidt/Wacker, EStG, 32. Aufl., § 16 Rz. 310, 463 m.w.N.); auch dadurch erlangt der Anleger aber in schadensrechtlicher Hinsicht aus der Rückabwicklung der Fondsbeteiligung keinen Vorteil, weil er zuvor die Gewinne versteuern musste.
Rz. 18
2. Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht hier zu Unrecht anrechenbare außergewöhnliche Steuervorteile angenommen.
Rz. 19
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann für die Frage des Vorliegens eines außergewöhnlichen Steuervorteils nicht isoliert auf einen Vergleich zwischen der Verlustzuweisung für 2002, die sich nach seinen Feststellungen auf 92 % des Nominalwerts des Kommanditanteils belief, und der tatsächlichen Einlageleistung von 55 % zzgl. 3 % Agio abgestellt werden, so dass die Verlustzuweisung unter Berücksichtigung des Agios rechnerisch mehr als 158 % der Eigenleistung betragen würde. Vielmehr ist - wie oben dargelegt - eine Gesamtbetrachtung sämtlicher steuer- und schadensrechtlich relevanter Zahlungsströme vorzunehmen.
Rz. 20
Danach unterliegt die von der Beklagten geschuldete Schadensersatzleistung beim Kläger der Einkommensbesteuerung gem. §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, weil er aus der Beteiligung an V 2, einem Medienfonds, Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Ob die Rückabwicklung der Fondsbeteiligung die Voraussetzungen einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 3 Satz 1 EStG erfüllt, kann dahinstehen. Die Steuerbarkeit der Ersatzleistung ergibt sich bereits aus den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften; § 16 EStG hat insoweit lediglich klarstellende Funktion (BFH BStBl. II 1989, 543, 544; Schmidt/Wacker, EStG, 32. Aufl., § 16 Rz. 6).
Rz. 21
Daneben stellt auch die im Rahmen der Rückabwicklung der Fondsbeteiligung erfolgende "Übernahme" eines - etwaigen - negativen Kapitalkontos durch die Beklagte einen steuerpflichtigen Gewinn nach § 16 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EStG dar, wodurch der dem Kläger insoweit ursprünglich zugeflossene Steuervorteil aus den Verlustzuweisungen wieder rückgängig gemacht wird. Ob und in welcher Höhe vorliegend (noch) ein negatives Kapitalkonto besteht, hat das Berufungsgericht zwar nicht festgestellt und lässt sich auch dem Vorbringen der Parteien nicht entnehmen. Darauf kommt es aber - wie oben dargelegt - nicht an. Umstände, aus denen sich vorliegend ausnahmsweise etwas anderes ergeben könnte, hat die darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht vorgetragen. Insbesondere ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung nichts anderes aus dem Umstand, dass die Verlustzuweisungen in den Jahren 2002 und 2003 von insgesamt 46.610 EUR die Einlageleistung des Klägers einschließlich Agio i.H.v. 29.000 EUR erheblich übersteigen. Ein dadurch entstandener und ggf. noch bestehender negativer Kapitalsaldo des Klägers unterläge, wie die Revision zu Recht geltend macht, als Teil des Veräußerungsgewinns der Besteuerung, wodurch der (noch bestehende) steuerliche Vorteil aus den Verlustzuweisungen kompensiert würde.
Rz. 22
b) Soweit sich das Berufungsgericht auf Entscheidungen des BGH stützt, in denen ein außergewöhnlicher Steuervorteil jedenfalls dann in Betracht gezogen worden ist, wenn die Verlustzuweisung über die Einlageleistung hinausgeht, d.h. 100 % der Einlageleistung übersteigt (vgl. BGH, Urt. v. 15.7.2010 - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rz. 55; v. 1.3.2011 - XI ZR 96/09, WM 2011, 740 Rz. 9; s. ferner BGH, Urt. v. 27.6.1984 - IVa ZR 231/82, WM 1984, 1075, 1078; v. 12.2.1986 - IVa ZR 76/84, WM 1986, 517, 520), sind diese Entscheidungen vorliegend nicht einschlägig. Dort hat sich der BGH nicht damit befasst, ob und inwieweit ein - aufgrund einer nicht vollständigen Einzahlung der Einlage und einer damit einhergehenden über der tatsächlichen Einzahlung liegenden Verlustzuweisung entstandenes - negatives Kapitalkonto zu berücksichtigen ist (vgl. etwa BGH, Urt. v. 27.6.1984 - IVa ZR 231/82, WM 1984, 1075, 1078; v. 12.2.1986 - IVa ZR 76/84, WM 1986, 517, 520). Dies ist indes - wie oben ausgeführt - hier zu bejahen.
III.
Rz. 23
Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil ist zurückzuweisen und das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 6536681 |
BFH/NV 2014, 814 |
BGHZ 2014, 110 |
DB 2014, 530 |
DB 2014, 6 |
DStR 2014, 707 |