Entscheidungsstichwort (Thema)
Begrenztes Realsplitting
Leitsatz (amtlich)
Gegenüber dem Anspruch eines unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten auf Erstattung der ihm als Folge des begrenzten steuerlichen Realsplittings (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) erwachsenden steuerlichen Nachteile kann grundsätzlich nicht mit einer Gegenforderung (hier: aus behaupteter steuerlicher Verbindlichkeit aus der früheren Ehe) aufgerechnet werden.
Normenkette
BGB § 394; ZPO § 850b Abs. 1 Nr. 2; EStG § 10 Nr. 1
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 31.07.1995) |
AG Bad Homburg |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 3. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 31. Juli 1995 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien waren bis 1989 miteinander verheiratet. Der Beklagte bezog als Flugzeugführer Einkünfte von jährlich 160.000 bis 180.000 DM. Die Klägerin führte ein Textilgeschäft, aus dem sie keine Gewinne, sondern nur negative Einkünfte erzielte. Die Parteien wurden steuerlich zusammen veranlagt; die anfallenden Steuern entrichtete der Beklagte.
Im Zuge der Scheidung ihrer Ehe verglichen sich die Parteien über die Höhe des vom Beklagten an die Klägerin zu zahlenden Zugewinns. In einem Scheidungsfolgenvergleich vom 19. April 1989 trafen sie über den der Klägerin gebührenden Unterhalt u.a. folgende Regelungen:
3. Der Antragsteller zahlt an die Antragsgegnerin einen Ehegatten-Elementarunterhalt in Höhe von monatlich 3.000 DM, fällig am 3. Werktag eines jeden Monats im voraus.
Der Antragsteller zahlt ferner einen Betrag in Höhe von 500 DM an die Antragsgegnerin als Vorsorgeunterhalt und Krankenversicherungsunterhalt …
5. Die Antragsgegnerin kann in einem Zeitraum von drei Jahren ab Rechtskraft der Scheidung eigene Einkünfte erzielen, ohne daß hierbei eine Anrechnung auf die Unterhaltsleistungen des Antragstellers erfolgt.
In einem weiteren Zeitraum von weiteren drei Jahren danach wird ein eventuelles bereinigtes Nettoeinkommen der Antragsgegnerin hälftig auf die Unterhaltsleistung des Antragstellers, und zwar im Wege der Anrechnungsmethode, angerechnet …
Nach der Scheidung führten die Parteien das begrenzte steuerliche Realsplitting (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) durch, wobei der Beklagte die Unterhaltszahlungen an die Klägerin in Höhe von jährlich 27.000 DM als Sonderausgaben absetzte und die Klägerin ihrerseits den bezogenen Unterhalt in dieser Höhe versteuerte. Der Beklagte erstattete ihr aufgrund einer von ihm eingegangenen Verpflichtung die ihr hierdurch entstehenden steuerlichen Nachteile. Diese beliefen sich für 1991 auf 6.873,43 DM Einkommenssteuer und Solidaritätszuschlag; außerdem erlitt die Klägerin einen Zinsschaden in Höhe von 135 DM.
Aufgrund einer Betriebsprüfung für die Jahre 1986 und 1987 erkannte das Finanzamt die Verluste der Klägerin aus ihrem Textilgeschäft nicht in voller Höhe an und setzte Steuernachzahlungen von insgesamt 13.829,67 DM gegen die Parteien fest. Der Beklagte entrichtete den Nachzahlungsbetrag.
Mit Erklärung vom 13. September 1993 verrechnete er aus der Hälfte dieses Betrages einen nach seiner Meinung auf die Klägerin entfallenden Teil von 6.306 DM mit deren Anspruch auf den Ausgleich der Belastung aus dem begrenzten Realsplitting für 1991. Er zahlte ihr demgemäß zur Erstattung ihrer steuerlichen Nachteile für dieses Jahr nur einen Betrag von 567,43 DM (6.873,43 DM – 6.306 DM).
Die Klägerin macht den vollen Betrag ihrer steuerlichen Belastung aus dem begrenzten Realsplitting für 1991 geltend und nimmt den Beklagten mit der Klage auf Zahlung von 6.306 DM zuzüglich 135 DM (Zinsschaden), zusammen 6.441 DM, in Anspruch.
Das Amtsgericht – Familiengericht – hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt er sein Begehren auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, ob dem Beklagten eine fällige Forderung gegen die Klägerin zusteht, weil gegenüber der Klageforderung nach Treu und Glauben jedenfalls das Aufrechnungsverbot des § 394 BGB eingreife, wie es i.V. mit der Pfändungsschutzvorschrift des § 850 b ZPO für Unterhaltsansprüche allgemein anerkannt sei. Dazu hat das Gericht im einzelnen ausgeführt: Zwar handele es sich bei dem streitbefangenen Befreiungsanspruch nicht um eine Unterhalts-„Rente” im Sinne von § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Jedoch komme der Freistellungszahlung des Unterhaltsverpflichteten Unterhaltsersatzfunktion zu. Der Steuernachteil von 6.441 DM, den die Klägerin erlitten habe, ginge nämlich letztlich zu Lasten des ihr von dem Beklagten zufließenden Aufstockungsunterhalts, wenn die Aufrechnung zugelassen würde. Ebensowenig wie der Beklagte die laufenden Unterhaltszahlungen durch Aufrechnung kürzen könne, dürfe er das Verfügungseinkommen der unterhaltsbedürftigen Klägerin durch Aufrechnung gegenüber der Ersatzforderung aus dem steuerlichen Realsplitting schmälern. Auch bei Einkünften der vorliegenden Größenordnung erscheine dies schlechterdings unbillig, weil die Freistellungsverpflichtung unbedingt bestehe und nicht von den Umständen des Einzelfalles abhängig sein könne.
2. Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
Nach § 394 BGB findet, soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, die Aufrechnung gegen diese Forderung nicht statt. Gemäß § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO sind unpfändbar und unterliegen daher nicht der Pfändung – u.a. – „Unterhaltsrenten, die auf gesetzlicher Vorschrift beruhen”.
Eine solche der Unterhaltsrente aufgrund gesetzlicher Vorschrift jedenfalls gleichzustellende Forderung macht die Klägerin mit dem vorliegenden Steuererstattungsanspruch geltend, mit dem sie, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, den Erhalt des vollen ihr zustehenden Aufstockungsunterhalts für das Jahr 1991 sicherstellen will.
a) Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin nur eine einmalige Zahlung und nicht periodisch wiederkehrende Leistungen verlangt. Nach dem gesetzlichen Zweck der Vorschrift des § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO – und auch nach ihrer geschichtlichen Entwicklung (vgl. dazu OLG Düsseldorf FamRZ 1982, 498, 499) – erfaßt die Regelung entgegen dem Wortlaut (Unterhalts-„Renten”) generell Unterhalts-„Forderungen”, die im Rahmen und aufgrund einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung geschuldet werden, und damit auch einmalig zu zahlende Unterhaltsbeträge. Auch diese sind dazu bestimmt, dem Berechtigten die zu seinem Lebensunterhalt bestimmten Mittel – unverkürzt und rechtzeitig – zukommen zu lassen (vgl. Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht 6. Aufl. Rdn. 2636, 2637; Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 3. Aufl. V 15 und 16; Zöller/Stöber ZPO 20. Aufl. § 850 b Rdn. 3; Thomas/Putzo ZPO 19. Aufl. § 850 b Rdn. 8; BGHZ 31, 210, 218 für Unterhaltsrückstände; a.A. Stein/Jonas/Brehm ZPO 21. Aufl. § 850 b Rdn. 13 und MünchKomm/Smid ZPO § 850 b Rdn. 8; beide unter Bezugnahme auf KG NJW 1980, 1341 = FamRZ 1980, 614 betreffend eine Freistellungsforderung einer Ehefrau aus Schlüsselgewalt gegenüber dem Ehemann).
b) Die Unpfändbarkeit der geltend gemachten Forderung gemäß § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO wird weiterhin nicht dadurch in Frage gestellt, daß sowohl dem Anspruch der Klägerin auf den laufenden Unterhalt als auch dem Steuererstattungsanspruch aus dem begrenzten Realsplitting vertragliche Vereinbarungen der Parteien zugrunde liegen. Ein Unterhaltsanspruch verliert trotz vertraglicher Ausgestaltung nicht seine Eigenschaft als gesetzlicher Anspruch – hier i.S. von § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO –, wenn die vertragliche Vereinbarung den gesetzlichen Unterhaltsanspruch, dessen Bestand unangetastet bleibt, lediglich inhaltlich nach Höhe, Dauer und Modalitäten der Unterhaltsgewährung näher festlegt und präzisiert (BGHZ 31, aaO; BGH Beschluß vom 29. November 1978 – IV ZR 74/78 = FamRZ 1979, 220, ständige Rechtsprechung).
Auch bei der Scheidungsfolgenvereinbarung der Parteien unter Nr. 3 und Nr. 5 liegen keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, daß die Parteien entgegen der Lebenserfahrung den Willen gehabt hätten, den Unterhaltsanspruch der Klägerin völlig auf eine vertragliche Grundlage zu stellen und ihn damit seines Wesens als eines gesetzlichen Anspruchs zu entkleiden (vgl. BGH Urteil vom 28. Juni 1984 – IX ZR 143/83 = FamRZ 1984, 874, 875 unter II 4 b m.w.N.).
Im weiteren Sinn gilt dies auch für den Steuererstattungsanspruch aus dem begrenzten Realsplitting. Die Vereinbarung, mit der sich der Beklagte verpflichtet hat, die der Klägerin aus dem begrenzten Realsplitting (vgl. dazu im einzelnen Göppinger/Märkle a.a.O. Rdn. 4056 bis 4070) erwachsenden steuerlichen Nachteile zu erstatten, hat unterhaltsrechtlichen Charakter. Denn sie dient dem Zweck, der Klägerin durch die Ausgleichung der mit dem begrenzten Realsplitting für sie verbundenen steuerlichen Belastungen den ihr nach der Unterhaltsvereinbarung vom 19. April 1989 zustehenden Nettounterhalt im Ergebnis ungeschmälert zukommen zu lassen (Senatsurteil vom 23. März 1983 – IVb ZR 369/81 = FamRZ 1983, 576, 577). Damit ergänzt die Vereinbarung die Regeln unter Nr. 3 und Nr. 5 des Scheidungsfolgenvergleichs hinsichtlich der steuerlichen Behandlung der Unterhaltszahlungen in einer Weise, die sich als weitere vertragliche Ausgestaltung der nachehelichen Unterhaltsverpflichtung des Beklagten darstellt.
3. a) Die Revision hält dem entgegen: Das Aufrechnungsverbot nach § 394 BGB i.V. mit § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO beziehe sich nur auf Unterhaltsrenten, die auf gesetzlicher Vorschrift beruhten. Demgegenüber beruhe die Verpflichtung des unterhaltsberechtigten Ehegatten zur Mitwirkung am steuerlichen Realsplitting auf § 242 BGB. Auch der Freistellungs- bzw. Erstattungsanspruch wegen der den unterhaltsberechtigten Ehegatten treffenden Steuerpflicht sei also mit einer auf gesetzlicher Vorschrift beruhenden Unterhaltsrente nicht vergleichbar. Eine extensive Auslegung der gesetzlichen Verbotsvorschrift komme grundsätzlich nicht in Betracht. Zudem sei zu berücksichtigen, daß beide einander gegenüberstehenden Forderungen ihre Wurzeln in der steuerlichen Belastung hätten, also auf Forderungen desselben Finanzamts beruhten. Daher wäre es grob unbillig, wenn der Beklagte, der aus Zweckmäßigkeitserwägungen von der Finanzbehörde zuerst für die an sich beide Parteien treffende Steuerverbindlichkeit herangezogen worden sei, deswegen nicht im Wege der Aufrechnung Befriedigung verlangen könnte.
b) Damit kann die Revision nicht durchdringen. Wie der Senat in dem Urteil vom 23. März 1983 (a.a.O. S. 576 ff.) näher ausgeführt hat, beruht die Verpflichtung des ausgleichsberechtigten Ehegatten zur Zustimmung zum begrenzten Realsplitting gegen Ausgleichung der ihm hierdurch (ggf.) erwachsenden steuerlichen Nachteile „auf einer Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Rahmen des zwischen geschiedenen Ehegatten bestehenden gesetzlichen Unterhaltsrechtsverhältnisses”. Der Erstattungs- oder Freistellungsanspruch des unterhaltsberechtigten Ehegatten aus dem begrenzten Realsplitting ist demgemäß kein isolierter Anspruch nach § 242 BGB, sondern ein Anspruch „im Rahmen des gesetzlichen Unterhaltsrechtsverhältnisses”, der als solcher Unterhaltsqualität besitzt (vgl. Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 5. Aufl. Rdn. 875). Das begründet seine Unpfändbarkeit nach Maßgabe des § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO (vgl. dazu OLG Bamberg FamRZ 1987, 1047 ff.) und bedeutet damit zugleich, daß die Aufrechnung gegen den Anspruch ausgeschlossen ist, § 394 BGB.
Gründe, die ausnahmsweise eine Aufrechnung gegenüber dem Klageanspruch rechtfertigen könnten (vgl. BGHZ 30, 36, 38 f. auch Senatsurteil BGHZ 123, 49 ff.), liegen nicht vor. Die engen Voraussetzungen, unter denen die Rechtsprechung derartige Ausnahmen, gestützt auf den allgemeinen Arglisteinwand, zuläßt (BGHZ a.a.O. S. 39; vgl. auch BGB-RGRK/Weber, 12. Aufl. § 394 Rdn. 25 ff.), sind nicht erfüllt. Reine Zweckmäßigkeits- oder Billigkeitserwägungen, aus denen die Revision die Aufrechenbarkeit herleiten will, reichen hierfür ebensowenig aus wie der Umstand, daß sowohl die Klageforderung als auch der von dem Beklagten erhobene Gegenanspruch ihre Wurzeln in der steuerlichen Belastung haben.
4. Ob der von dem Beklagten geltend gemachte Anspruch begründet ist, kann – wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat – nach den vorstehenden Ausführungen dahingestellt bleiben, da eine Aufrechnung gegenüber der Klageforderung mit dem Anspruch jedenfalls ausgeschlossen ist.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Zysk, Hahne, Gerber
Fundstellen
NJW 1997, 1441 |
NWB 1997, 872 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1997, 479 |