Leitsatz (amtlich)
Erhält der Anfechtungsgegner Sicherheit durch die Bürgschaft eines vom Gemeinschuldner beauftragten Dritten, ist für die Anfechtungsvoraussetzungen grundsätzlich auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Bürgschaftsvertrag wirksam wird.
Normenkette
KO §§ 30-31
Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) (Aktenzeichen 14 U 20/97) |
LG Oldenburg (Aktenzeichen 13 O 2191/96) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 26. März 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma N. GmbH & Co. B. KG (nachfolgend: Gemeinschuldnerin), die ein Freizeitzentrum betrieb. Die Beschäftigen der Gemeinschuldnerin waren bei der Beklagten krankenversichert.
Die Gemeinschuldnerin, die die Freizeitanlage mit Wirkung vom 1. Januar 1995 an eine andere Gesellschaft verpachtete, die auch das Personal übernahm, geriet mit der Zahlung der für Dezember 1994 geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge von 104.740,36 DM in Rückstand. Nach erfolgloser Mahnung forderte die Beklagte die Gemeinschuldnerin mit Schreiben vom 24. März 1995 auf, bis spätestens 29. März die ausstehende Schuld auszugleichen, und kündigte an, nach erfolglosem Ablauf dieser Frist Konkursantrag zu stellen. Am 28. März 1995 wandte sich die R. H., die das Objekt finanziert hatte und durch erststellige Grundpfandrechte gesichert war, an die Beklagte und erklärte, sie werde die gegenwärtig fällige Forderung sowie die zukünftig noch anfallenden Stundungsgebühren sicherstellen. Am 20. April 1995 wurde die Eröffnung des Vergleichsverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin beantragt. Am 22. Juni 1995 zahlte die R. H. den von der Beklagten angeforderten Betrag von 110.273,36 DM. Am 14. Juli 1995 wurde das Konkursverfahren eröffnet.
Der Kläger hat die Zahlung, hilfsweise die Sicherstellungszusage der Bank angefochten. Er behauptet, die durch die Leistung der R. H. bewirkte Erhöhung der Darlehensverbindlichkeit der Gemeinschuldnerin sei grundpfandrechtlich gesichert. Da auf die Forderung der Beklagten im Konkursverfahren allenfalls eine Quote entfallen wäre, sei die Gläubigergesamtheit benachteiligt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Nach dem für die revisionsrechtliche Prüfung maßgeblichen Sach- und Streitstand wäre die Anfechtungsklage begründet.
1. Das Berufungsgericht stellt für die rechtliche Beurteilung nicht auf den Augenblick der Erfüllung, sondern den Tag der Zahlungszusage durch die R. H. (28. März 1995) ab. Das ist entgegen der Meinung der Revision rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Erhält der Gläubiger Deckung im Wege einer Sicherung, bestimmt sich der für die Anfechtungsvoraussetzungen maßgebliche Zeitpunkt danach, wann die rechtlichen Wirkungen der entsprechenden Rechtshandlung eingetreten sind (Senatsurt. v. 12. November 1992 - IX ZR 237/91, ZIP 1993, 271, 274; v. 9. Januar 1997 - IX ZR 47/96, ZIP 1997, 423, 426; v. 19. März 1998 - IX ZR 22/97, ZIP 1998, 793, 798 z.V.b. in BGHZ 138, 291). Daher kommt es nicht darauf an, wann sich der Gläubiger aus der Sicherung befriedigt hat. Dies gilt ebenso für die als Bürgschaft auszulegende Zusage der Bank vom 28. März 1995. Mit dem Wirksamwerden des Bürgschaftsvertrages war eine durch den Konkursbeschlag nicht zu beeinträchtigende Sicherung für den Gläubiger entstanden. Daher liegt nicht in der Zahlung, sondern bereits in der Übernahme der Bürgschaft die anfechtbare Handlung (ebenso im Falle der Schuldübernahme Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 30 Rdnr. 178).
Die Bürgschaft der R. H. kam mit der Entgegennahme ihres Schreibens vom 28. März 1995 durch die Beklagte zustande; denn diese war sich mit der Bürgin in den zuvor geführten Verhandlungen bereits über die Gewährung einer entsprechenden Sicherheit einig geworden. Eine Annahmeerklärung der Gläubigerin gegenüber der Bürgin war unter diesen Umständen nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten (§ 151 Satz 1 BGB). Die Betätigung des Annahmewillens lag darin, daß die Beklagte die Urkunde behalten hat (vgl. Senatsurt. v. 6. Mai 1997 - IX ZR 136/96, NJW 1997, 2233).
2. Das Berufungsgericht verneint die Voraussetzungen für eine Anfechtung der Sicherheitenbestellung nach allen Alternativen des § 30 KO. Ob das rechtlicher Nachprüfung standhält, kann offenbleiben; denn der Tatrichter hat jedenfalls übersehen, daß auf der Grundlage des Klagevorbringens – auch unter Berücksichtigung der im angefochtenen Urteil getroffenen tatrichterlichen Feststellungen – der geltend gemachte Anspruch gemäß § 31 Nr. 1 KO gerechtfertigt ist.
a) Das Berufungsgericht meint, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe schon nicht fest, daß die Zusage der R. H. der Gemeinschuldnerin als anfechtbare Handlung zuzurechnen sei. Zwar habe die Gemeinschuldnerin die Bank von dem Schreiben der Beklagten vom 24. März 1995 in Kenntnis gesetzt. Die Verhandlungen zwischen der Bank und der Beklagten seien aber offenbar ohne Beteiligung der Gemeinschuldnerin geführt worden.
Diese Erwägungen sind jedoch rechtlich nicht haltbar. Wie die Revision zutreffend rügt, ist in den Tatsacheninstanzen zwischen den Parteien nicht streitig gewesen, daß die Bank im Auftrag der Gemeinschuldnerin tätig geworden ist. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz hat die Gemeinschuldnerin die Bank gebeten, eine Sicherheit zu stellen, um einen Konkursantrag der Beklagten zu verhindern. Die daraufhin gewährte Bürgschaft ist folglich von der Gemeinschuldnerin veranlaßt worden. Daß sie möglicherweise an den zum Abschluß des Bürgschaftsvertrages führenden Verhandlungen nicht unmittelbar beteiligt war, ändert daran nichts. In der Bestellung der Sicherheit liegt eine mittelbare Zuwendung der Gemeinschuldnerin an die Beklagte durch die Leistung eines Dritten.
b) Die Bürgschaft bildete eine inkongruente Deckung; denn die Beklagte hatte keinen Anspruch darauf, eine solche Sicherheit zu erhalten. Nach ständiger Rechtsprechung ist in der Gewährung einer inkongruenten Deckung ein erhebliches Beweisanzeichen für die Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Gemeinschuldners sowie deren Kenntnis beim Anfechtungsgegner zu sehen (BGHZ 123, 320, 326; BGH, Urt. v. 30. Januar 1997 - IX ZR 89/96, ZIP 1997, 513, 515; v. 21. Januar 1999 - IX ZR 329/97, ZIP 1999, 406, 407). Hat der Empfänger die Sicherheit, wie im Streitfall, infolge der Drohung mit einem Konkursantrag erhalten, trifft das in ganz besonderem Maße zu. In solchen Fällen fehlt dem Schuldner nur dann die Benachteiligungsabsicht, wenn er ausnahmsweise annimmt, er könne gleichwohl mit Sicherheit alle seine Gläubiger befriedigen (Senatsurt. v. 12. Juli 1990 - IX ZR 245/89, WM 1990, 1588, 1590; v. 30. Januar 1997, aaO). Entsprechendes hat die Beklagte nicht behauptet und das Berufungsgericht nicht festgestellt.
c) Die Anfechtung nach § 31 Nr. 1 KO setzt lediglich eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung voraus; die entsprechenden Tatsachen hat der Konkursverwalter vorgetragen.
Zwar erwarb die R. H. aufgrund der von ihr erbrachten Leistungen eine Forderung gegen die Gemeinschuldnerin in gleicher Höhe, sei es aus Darlehen (§ 607 BGB), sei es aus entgeltlicher Geschäftsbesorgung (§§ 675, 670 BGB). Nach der Behauptung des Klägers ist dieser Anspruch jedoch durch Grundschulden der Bank an einem Objekt der Gemeinschuldnerin gesichert. Die Forderung ist auf diese Weise einer dinglichen Sicherheit unterstellt worden, die ein Absonderungsrecht (§ 48 KO) des leistenden Dritten begründet, während der Beklagten eine lediglich im Range des § 61 Abs. 1 Nr. 1 e KO zu befriedigende Forderung zustand, auf die allenfalls eine Quote entfallen wäre. Infolgedessen hat auf der Grundlage des für die revisionsrechtliche Prüfung maßgeblichen Sachverhalts die Beklagte als Zuwendungsempfängerin eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Deckung erhalten (vgl. RGZ 81, 144, 145 f; BGHZ 114, 315, 322; Jaeger/Henckel, aaO § 30 Rdnr. 164), die anfechtungsbelastet ist; denn an die Stelle der Forderung der Beklagten ist der grundpfandrechtlich gesicherte Rückzahlungsanspruch der Bürgin getreten.
d) Ob der Masse – wie die Revisionserwiderung geltend macht – auch gegen die Bank ein Rückgewähranspruch aus § 37 KO zusteht, weil diese infolge der Leistung an die Beklagte eine Rückgriffsforderung gegen die Gemeinschuldnerin aus §§ 774, 670 BGB erworben hat, durch die eine früher bestellte Grundschuld „aufgefüllt” wurde, braucht nicht entschieden zu werden. Ein solcher Anspruch hätte allenfalls zur Folge, daß die Beklagte und die R. H. wie Gesamtschuldner haften. Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung wäre im übrigen selbst dann die Anfechtung gegen die Beklagte vorrangig, weil nur bei ihr im Ergebnis eine Vermögensmehrung eingetreten ist (vgl. Jaeger/Henckel, aaO § 30 Rdnr. 164).
3. Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO).
a) Die Anfechtungsklage ist begründet, wenn der Kläger zu beweisen vermag, daß die R. H. hinsichtlich ihres infolge der Leistung aus der Bürgschaft begründeten Anspruchs dinglich gesichert und die Masse dadurch in Höhe des Klagebetrages geschmälert ist. Das ist anzunehmen, sofern der Bank infolge ihrer Rückgriffsforderung ein höherer Erlös aus der Grundschuld zugeflossen ist, ohne diesen Anspruch also ein entsprechender Betrag im Massevermögen der Gläubigergesamtheit verblieben wäre. Sollte die Bank dagegen aufgrund ihrer Absonderungsrechte nur in demselben Umfang Befriedigung erlangt haben, wie sie sie auch ohne die Bürgschaft erzielt hätte, ist eine Gläubigerbenachteiligung nicht eingetreten.
b) Die Beklagte hat nicht behauptet, sie hätte auch als Konkursgläubigerin im Range des § 61 Abs. 1 Nr. 1 e KO für ihre Forderung volle Erfüllung erhalten. Ob im Verteilungsverfahren auf den Anspruch der Beklagten eine Quote entfällt, hat für die Höhe des Klageanspruchs keine Bedeutung. Der Anfechtungsgegner hat grundsätzlich den gesamten durch die angefochtene Rechtshandlung erlangten Wert herauszugeben, weil erst mit Beendigung des Konkursverfahrens feststeht, welche Beträge auf die einzelnen Gläubigerforderungen entfallen, und der Anfechtungsprozeß mit solchen Fragen nicht belastet werden soll. Sie gehören in das dafür vorgesehene Verteilungsverfahren nach §§ 149 ff KO (BGHZ 114, 315, 323; BGH, Urt. v. 11. Juni 1992 - IX ZR 147/91, ZIP 1992, 1008, 1010).
Unterschriften
Paulusch, Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof, Fischer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 29.04.1999 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539269 |
BB 1999, 1293 |
DB 1999, 1492 |
NJW 1999, 3046 |
EWiR 1999, 957 |
KTS 1999, 377 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 1218 |
ZIP 1999, 973 |
InVo 1999, 266 |
MDR 1999, 1021 |
NZI 1999, 268 |
ZInsO 1999, 409 |
ZBB 1999, 239 |