Entscheidungsstichwort (Thema)
Begrenzung des Haftungsumfangs durch den Schutzzweck der verletzten Pflicht eines Steuerberatungsvertrags
Leitsatz (amtlich)
Der Grundsatz, daß der Haftungsumfang durch den Schutzzweck der verletzten Pflicht begrenzt wird, gilt auch im Vertragsrecht.
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Steuerberater, der für einen Mandanten ein Finanzierungskonzept entwirft und dabei künftige steuerliche Vergünstigungen mit einbezieht, ist verpflichtet, die steuerrechtliche Lage hinsichtlich dieser Vergünstigungen gewissenhaft zu prüfen und dem Mandanten in diesem Zusammenhang etwa erforderliche Hinweise oder Ratschläge zu erteilen. Der Steuerberater hat diese Beratungspflicht grundsätzlich bereits bei der Aufstellung des Finanzierungskonzepts zu erfüllen und darf damit nicht zuwarten, bis der Mandant ihn bei der Ausgestaltung der in dem Konzept vorgesehenen Verträge erneut konsultiert.
2. Der unterlassene Hinweis auf das im Ergebnis nicht eingetretene steuerliche Risiko einer bestimmten Vermögensanlage kann nicht dazu führen, daß der Vertragspartner alle Nachteile, die seine Entscheidung für diese im Vergleich zu einer anderen denkbaren Anlageform angeblich mit sich gebracht hat, auf den Steuerberater abwälzen durfte.
Normenkette
BGB § 249; StBerG § 33
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 28.02.1989; Aktenzeichen 3 U 105/88) |
LG Aachen (Urteil vom 03.05.1988; Aktenzeichen 12 O 305/83) |
Tatbestand
Der Kläger nimmt den beklagten Steuerberater auf Schadensersatz wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung und der Beklagte den Kläger auf Zahlung von Honoraren für steuerliche Beratung und Vertretung in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger war mit seinen beiden Brüdern Miterbe seiner im März 1980 verstorbenen Mutter. Zum Nachlaß gehörte das Hausgrundstück D. 15 in A.. Der Kläger wünschte das Hausgrundstück zu erwerben und anschließend zu modernisieren und ließ sich von dem Beklagten ein Finanzierungsmodell erstellen. Der Entwurf des Beklagten vom Mai 1980 berücksichtigte die vom Kläger an seine Brüder zu leistenden Zahlungen und den Modernisierungsaufwand, sah die Aufnahme erheblicher Kredite vor und stellte dem Kläger in Aussicht, daß die jährliche Belastung an Zinsen und Tilgungen zur Hälfte aus Steuerersparnissen finanziert werden könne.
Der Kläger akzeptierte das Finanzierungskonzept des Beklagten, leitete die Kreditaufnahme ein, erwarb durch einen notariellen Auseinandersetzungsvertrag mit seinen Brüdern das Hausgrundstück gegen Ausgleichszahlungen von insgesamt 280.000 DM und nahm die Modernisierung des Hauses in Angriff.
Im August 1980 beantragte der Beklagte für den Kläger unter Hinweis auf den Grunderwerb und begonnene Modernisierungsarbeiten die Eintragung von Freibeträgen auf der Lohnsteuerkarte wegen Verlustes aus Vermietung und Verpachtung, erhöhter Absetzung und Finanzierungsaufwands. Diesem Antrag wurde stattgegeben. Den aus gleichen Gründen für 1981 gestellten Antrag lehnte das Finanzamt dagegen unter Berufung auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 7. Oktober 1980 ab, weil es sich bei dem Erwerb von Erbanteilen im Rahmen der Erbauseinandersetzung um einen unentgeltlichen Erwerb handle. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das Finanzamt zurück, worauf der Kläger Klage beim Finanzgericht Köln erhob.
Parallel zu den Lohnsteuerverfahren erhob der Kläger Einsprüche gegen die entsprechenden Einkommensteuerbescheide für 1980 und 1981. Die Entscheidung über die Einsprüche wurde zunächst wegen des beim Finanzgericht Köln bereits anhängigen Verfahrens ausgesetzt.
Nachdem der Bundesfinanzhof im Urteil vom 9. Juli 1985 seine Rechtsprechung zur Frage des Erwerbs im Rahmen der Erbauseinandersetzung geändert hatte, erklärten der Kläger und das Finanzamt das finanzgerichtliche Verfahren in der Hauptsache für erledigt. Dem Kläger wurde durch Beschluß die Hälfte der Kosten des Verfahrens auferlegt.
Das Hausgrundstück wurde vom Kläger im Juni 1985 für 640.000 DM verkauft.
Der Kläger wirft dem Beklagten vor, ihn im Mai 1980 pflichtwidrig nicht auf die steuerlichen Risiken hingewiesen zu haben. Er behauptet, er hätte bei Kenntnis dieser Risiken von dem gesamten Vorhaben Abstand genommen, gemeinsam mit seinen Brüdern das Hausgrundstück veräußert, dabei einen Kaufpreisanteil von 140.000 DM erhalten, diesen Betrag als Festgeld angelegt und so einen Gewinn erzielt, der den Saldo aus den mit dem Erwerb, der Renovierung, der Nutzung und der Veräußerung des Hausgrundstücks verbundenen Aufwendungen und Erlösen sowie Gebrauchsvorteilen und Steuervergünstigungen um 133.198,63 DM überstiegen hätte.
Nachdem der Kläger zunächst Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten wegen fehlerhafter Beratung verlangt hatte, nahm er den Beklagten sodann im Wege der Leistungsklage auf Schadensersatz von 181.047,63 DM nebst Zinsen in Anspruch und beantragte schließlich unter teilweiser Klagerücknahme, den Beklagten zur Zahlung von 133.198,63 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat im Wege der Widerklage beantragt, den Kläger zur Zahlung von 9.436,47 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Er stützt die Widerklage auf behauptete Honorarforderungen für Beratung, Begutachtung und Tätigkeit im vorgerichtlichen Verfahren sowie für die Vertretung des Klägers im finanzgerichtlichen Verfahren.
Das Landgericht hat durch Grund- und Teilurteil die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seine zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet.
I. Zur Klage 1. Das Berufungsgericht bejaht einen Schadensersatzanspruch des Klägers dem Grunde nach. Es geht davon aus, daß der Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Kläger im Zusammenhang mit den in das Finanzierungsmodell eingesetzten Steuervorteilen umfassend zu beraten, und sieht darin, daß der Beklagte nicht auf das Risiko der Verweigerung der Steuervorteile hingewiesen hat, eine Verletzung der Beratungspflicht. In diesem Zusammenhang stellt das Berufungsgericht fest, daß der Kläger vom Erwerb des Hausgrundstücks Abstand genommen hätte, wenn ihm die Schwierigkeiten bekannt gewesen wären. Zu der unter den Parteien streitigen Frage, ob und in welcher Höhe dem Kläger durch den Erwerb ein Schaden entstanden ist, schließt es sich der Überzeugung des Landgerichts an, daß eine hohe Wahrscheinlichkeit für die spätere Feststellung eines Mindestschadens spreche.
2. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Der Kläger kann vom Beklagten keinen Schadensersatz wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung verlangen.
a) Dem Berufungsgericht ist allerdings im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, daß der Beklagte verpflichtet war, den Kläger im Zusammenhang mit den in das Finanzierungsmodell eingesetzten Steuervorteilen umfassend zu beraten. Ein Steuerberater, der für einen Mandanten ein Finanzierungskonzept entwirft und dabei künftige steuerliche Vergünstigungen mit einbezieht, ist verpflichtet, die steuerrechtliche Lage hinsichtlich dieser Vergünstigungen gewissenhaft zu prüfen und dem Mandanten in diesem Zusammenhang etwa erforderliche Hinweise oder Ratschläge zu erteilen. Der Steuerberater hat diese Beratungspflicht grundsätzlich bereits bei der Aufstellung des Finanzierungskonzepts zu erfüllen und darf damit nicht zuwarten, bis der Mandant ihn bei der Ausgestaltung der in dem Konzept vorgesehenen Verträge erneut konsultiert.
b) Ob dem Berufungsgericht auch darin zu folgen ist, daß der Beklagte die ihm obliegende Beratungspflicht verletzt hat, kann hier dahinstehen. Da die vom Beklagten zugrunde gelegten Steuervorteile der tatsächlichen, vom Bundesfinanzhof inzwischen in seinem Urteil vom 9. Juli 1985 (BFHE 144, 366 = BStBl 1985, 722; ebenso Urteil vom 22. September 1987 – IX R 15/84, FR 1988, 359, 360) klargestellten Rechtslage entsprachen, könnte ihm eine Pflichtverletzung nur dann zur Last fallen, wenn die Lage sich im Mai 1980 so dargestellt hätte, daß ein gewissenhafter Steuerberater die Gewährung der in Aussicht genommenen Steuervorteile für unsicher halten und seinen Mandanten darauf hinweisen mußte. Selbst wenn das der Fall gewesen sein sollte, würde ein Schadensersatzanspruch des Klägers, wie die Revision mit Recht geltend macht, daran scheitern, daß der von ihm behauptete Schaden außerhalb des Zurechnungszusammenhangs der vom Beklagten verletzten Beratungspflicht läge.
Für den Bereich der deliktischen Haftung und anderer gesetzlicher Haftungsvorschriften ist allgemein anerkannt, daß ein Schaden nur dann zu ersetzen ist, wenn er in den Schutzbereich der verletzten Vorschrift fällt. Das ist dann der Fall, wenn es sich um Folgen handelt, die im Bereich der Gefahren liegen, um deretwillen die Rechtsnorm erlassen wurde. Notwendig ist ein innerer Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage, nicht nur eine bloß zufällige äußere Verbindung (Senatsurteil vom 10. Oktober 1989 – XI ZR 130/88, WM 1989, 1799 m.w.Nachw.). Diese Grundsätze gelten auch für Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten; auch hier hängt die Ersatzpflicht des Schädigers davon ab, daß die verletzte Vertragspflicht das Entstehen von Schäden der eingetretenen Art verhindern sollte (Grunsky in MünchKomm, 2. Aufl. BGB Vor § 249 Rdn. 45 m.w.Nachw.).
Im vorliegenden Fall hätte der Zweck einer etwaigen Vertragspflicht des Beklagten zur Unterrichtung des Klägers über die mit dem Erwerb des Grundstücks aus dem Nachlaß verbundenen steuerlichen Risiken darin bestanden, den Kläger vor einem möglichen Eintritt dieser Risiken und den daraus sich ergebenden Vermögensnachteilen zu schützen. Sinn und Zweck einer solchen Pflicht wäre es dagegen nicht gewesen, den Kläger vor Vermögensdispositionen zu bewahren, die sich aus anderen als steuerlichen Gründen als wirtschaftlich nachteilig herausstellen würden. Das Risiko einer steuerlichen Nichtanerkennung der Entgeltlichkeit des Grundstückserwerbs aus dem Nachlaß ist im Ergebnis gerade nicht eingetreten. Der Kläger erhält alle Steuervorteile, die ihm der Beklagte in Aussicht gestellt hat. Der unterlassene Hinweis des Beklagten auf das im Ergebnis nicht eingetretene Risiko kann daher nicht dazu führen, daß der Kläger alle Nachteile, die seine Entscheidung für eine bestimmte Vermögensanlage im Vergleich zu einer anderen denkbaren Anlageform angeblich mit sich gebracht hat, auf den Beklagten abwälzen dürfte.
c) Das Berufungsgericht stützt allerdings seine Überzeugung von der hohen Wahrscheinlichkeit eines dem Kläger entstandenen Schadens unter anderem darauf, daß „auch die dem Kläger entgangenen Zinsnachteile, auf die er in der Berufungsinstanz ebenfalls die Klage gestützt hat, im einzelnen zu errechnen” seien. Das rechtfertigt jedoch schon deshalb keine andere Beurteilung, weil derartige Zinsnachteile vom Kläger nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden sind.
Von Zinsnachteilen infolge verspäteter Realisierung der vom Beklagten in Aussicht gestellten Steuervorteile hatte erstmals das Landgericht in seinem Urteil gesprochen. Demgegenüber hat der Beklagte in seiner Berufungsbegründung gerügt, daß der Kläger einen Zinsverlust oder Mehrkosten einer Finanzierung nicht geltend gemacht hatte, und hat außerdem im einzelnen dargelegt, warum derartige Nachteile nach seiner Ansicht nicht entstanden sein können. Der Kläger hat in der Berufungserwiderung nichts zu den angeblichen Zinsnachteilen vorgetragen, sondern lediglich die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils zur Entstehung eines Schadens pauschal als zutreffend bezeichnet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Vertreter des Klägers dann erklärt, er mache „den vom LG angeführten Mindestschaden (Zinsverlust) auch zum Gegenstand der Klage”.
Nach alledem fehlt es an einem Vortrag des Klägers, worin im einzelnen die angeblichen Verzögerungsschäden aus der verspäteten Gewährung von Steuervorteilen liegen sollen. Vom Vorliegen solcher Nachteile als Bestandteil des dem Kläger angeblich entstandenen Schadens kann deshalb nicht ausgegangen werden. Es kann daher dahinstehen, ob ein derartiger Schadensbestandteil noch in den Schutzbereich der vom Beklagten möglicherweise verletzten Beratungspflicht fallen würde.
II. Zur Widerklage 1. Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Widerklage mit der Begründung aufrechterhalten, dem Honoraranspruch des Beklagten stehe die Einrede der allgemeinen Arglist nach § 242 BGB entgegen. Die vom Beklagten geltend gemachten Gebühren beruhten auf seiner Tätigkeit vor dem Finanzamt und dem Finanzgericht. Diese Tätigkeit habe ausschließlich der Minderung des vom Beklagten zu vertretenden Schadens gedient. Ihrer hätte es nach der Ansicht des Berufungsgerichts nicht bedurft, wenn der Beklagte den Kläger zutreffend beraten hätte.
2. Diese Ausführungen halten aus dem gleichen Grund wie diejenigen zur Begründetheit des Klageanspruchs revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Da der Kläger, wie oben dargelegt, vom Beklagten keinen Schadensersatz wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung verlangen kann, kann er den Honoraransprüchen des Beklagten nicht den Einwand der allgemeinen Arglist nach § 242 BGB entgegensetzen.
Für die Frage, ob und in welchem Umfang die Honoraransprüche des Beklagten begründet sind, kommt es daher darauf an, ob die übrigen Einwände durchgreifen, die der Kläger gegen die einzelnen Ansprüche geltend gemacht hat. Zu diesen Einwänden und den sie betreffenden streitigen Tatsachenbehauptungen der Parteien hat das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, keine Feststellungen getroffen. Das wird nach der Zurückverweisung der Sache nachzuholen sein.
III. Das Berufungsurteil konnte somit keinen Bestand haben. Da die Sache hinsichtlich der Klage zur Endentscheidung reif ist, war das landgerichtliche Urteil insoweit zu ändern und die Klage abzuweisen. Hinsichtlich der Widerklage war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da insoweit noch tatrichterliche Feststellungen erforderlich sind.
Fundstellen
BB 1990, 586 |
NJW 1990, 2057 |
ZIP 1990, 593 |
JZ 1990, 602 |