Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesellschaftsauflösung bei Nachlasskonkurs. Keine Gesellschaftsauflösung bei Nachlaßkonkurs des Gesellschaftererben. Parteiwechsel im Widerklageverfahren. Feststellung der Gesellschaftereigenschaft durch Klage gegen die Gesellschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Der Nachlaßkonkurs des Gesellschafter-Erben löst die offene Handelsgesellschaft nicht auf.
2. Hat ein von der Gesellschaft verklagter Gesellschafter die Widerklage auf Feststellung seiner Gesellschaftszugehörigkeit irrtümlich gegen die Gesellschaft gerichtet, so kann er sie unter Umständen auch noch in der Berufungsinstanz auf einen Gesellschafter erstrecken, der bisher nicht selbst Partei war, aber die Gesellschaft im Prozeß vertreten hatte.
Orientierungssatz
Es ist rechtlich möglich, durch Gesellschaftsvertrag zu bestimmen, daß ein Prozeß auf Feststellung der Gesellschaftereigenschaft mit der Gesellschaft ausgefochten wird und der Ausgang alsdann für die Gesellschafter verbindlich ist (Festhaltung BGH, 1966-06-30, II ZR 149/64, WM IV 1966, 1036).
Normenkette
HGB § 161 Abs. 2, § 131 Abs. 5
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Teil-Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 17. November 1983 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beklagte ist die alleinige Erbin ihres am 7. November 1980 verstorbenen Ehemannes, des Kaufmanns J K Dieser war einer der beiden persönlich haftenden Gesellschafter der Klägerin. Nach seinem Tode verklagte die Klägerin die Beklagte auf Rückzahlung eines Darlehns von 150.000 DM. Diese rechnete gegen den Darlehnsanspruch mit Gewinnansprüchen auf und machte dazu geltend, sie sei mit dem Erbfall in die Gesellschafterstellung ihres Ehemannes eingerückt. Diese Zahlungsklage ist noch in der Berufungsinstanz anhängig. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Widerklage, mit der die Beklagte festzustellen beantragt hat, daß sie persönlich haftende Gesellschafterin der klagenden Kommanditgesellschaft sei. Die Klägerin tritt dem entgegen. Sie beruft sich darauf, daß über den Nachlaß von J K am 30. April 1981 der Nachlaßkonkurs eröffnet worden ist und die Mitgesellschafter die Beklagte deshalb gemäß § 11 des Gesellschaftsvertrages aus der Gesellschaft ausgeschlossen haben. Nach diesem § 11 können „Gesellschafter, die in Konkurs fallen, … von den übrigen Gesellschaftern ausgeschlossen werden.”
Das Landgericht hat die Widerklage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision, die die Beklagte zurückzuweisen beantragt, möchte die Klägerin das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt haben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann in der handelsrechtlichen Personengesellschaft der Streit, ob jemand der Gesellschaft angehört, nicht mit dieser, sondern nur im Prozeß mit den Mitgesellschaftern ausgetragen werden (vgl. u.a. LM HGB § 125 Nr. 1 mit Anm. Rob. Fischer; BGHZ 48, 175, 177; 81, 263, 264). Die Beklagte hätte daher die Klage auf Feststellung, daß sie noch Gesellschafterin sei, gegen die beiden anderen Gesellschafter richten müssen. Es ist zwar rechtlich möglich, davon abweichend durch Gesellschaftsvertrag zu bestimmen, daß ein derartiger Prozeß mit der Gesellschaft ausgefochten wird und der Ausgang alsdann für die Gesellschafter verbindlich ist (Sen.Urt. v. 30.6.66 – II ZR 149/64 = WM 1966, 1036). Der für die klagende Kommanditgesellschaft maßgebliche Vertrag gibt aber für eine solche Regelung nichts her. Soweit sie das Berufungsgericht daraus herleiten möchte, daß die Gesellschaft durch ihre Geschäftsführung neue Kommanditisten aufnehmen dürfe – wie das bei Publikumsgesellschaften nicht selten der Fall ist –, scheitert seine Auffassung schon daran, daß auch das eine Grundlage im Gesellschaftsvertrag voraussetzen würde, der Gesellschaftsvertrag der Klägerin aber eine dahingehende Bestimmung nicht enthält; eine solche würde überdies nicht die weitgehende Wirkung haben, daß der Gesellschaft damit die Kompetenz zur Führung von Prozessen über die Wirksamkeit von Ausschließungsbeschlüssen zufiele.
Das angefochtene Urteil, mit dem das Berufungsgericht die Gesellschaftszugehörigkeit der Beklagten festgestellt hat, muß daher aufgehoben werden.
2. Andererseits ist die Widerklage in der Revisionsinstanz nicht abzuweisen. Hätte nämlich das Berufungsgericht die Rechtslage erkannt, hätte es die Beklagte, wie diese mit Recht gerügt hat, gemäß § 139 ZPO darauf hinweisen und ihr Gelegenheit geben müssen, die Widerklage auf den Mitgesellschafter N und die Kommanditistin E + S GmbH umzustellen. Obwohl die Rechtsprechung einem Parteiwechsel in der Berufungsinstanz im allgemeinen zurückhaltend gegenübersteht (vgl. u.a. BGHZ 21, 285, 289; Sen.Urt. v. 10.11.80 – II ZR 96/80 = LM ZPO § 303 Nr. 10), wäre er hier ausnahmsweise zulässig gewesen. Denn N hatte schon das gesamte bisherige Verfahren als Vertreter der Klägerin durchgeführt und somit alle Verteidigungsmöglichkeiten gegenüber der Widerklage wahrnehmen können; infolgedessen hätten weder er selbst noch die durch ihn als Geschäftsführer vertretene E + S GmbH bei Einbeziehung in den Prozeß irgendwelche Nachteile hinnehmen müssen. Daher hätten sie mißbräuchlich gehandelt, hätten sie der Fortsetzung des Verfahrens im zweiten Rechtszuge auf der Widerbeklagtenseite nicht zugestimmt, so daß eine Weigerung unbeachtlich gewesen wäre.
Der Parteiwechsel wäre auch nicht deshalb unzulässig gewesen, weil es sich um eine Widerklage handelt. Nach verbreiteter Meinung im Schrifttum und in der Rechtsprechung ist es im Widerklageverfahren jedenfalls in bestimmten Fallgruppen nicht ausgeschlossen, die Widerklage gegen einen bisher am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten zu erheben (Übersicht bei Zöller/Vollkommer, ZPO, 13. Aufl., Anm. IV 2 zu § 33). Im vorliegenden Fall wäre das ebenfalls zulässig gewesen. Die Besonderheit besteht darin, daß das gegen die Mitgesellschafter zu erstreitende Feststellungsurteil für die Klägerin verbindlich ist und damit auch für die im zweiten Rechtszuge noch anhängige Zahlungsklage – wegen der Aufrechnungsforderung – vorgreiflich sein kann. Wo die Dinge tatsächlich und rechtlich derart eng miteinander verknüpft sind, entspricht es dem Sinn des § 33 ZPO, der verklagten Partei den Gegenangriff auch dann zu ermöglichen, wenn die widerbeklagte Partei nicht die Klägerin selbst ist.
Der Rechtsstreit ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um der Beklagten die Möglichkeit zu geben, die Widerklage umzustellen und damit die bisherige Prozeßführung auszuwerten.
3. In der Sache selbst ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, daß die Beklagte noch Gesellschafterin ist. § 11 des Gesellschaftsvertrages ermöglicht zwar den übrigen Gesellschaftern, einen in Konkurs gefallenen Gesellschafter auszuschließen, weil dessen Konkurs die Gesellschaft gemäß § 161 Abs. 2, § 131 Nr. 5 HGB auflöst und die Mitgesellschafter mit dem Ausschluß (und der Zahlung des Abfindungsguthabens in die Konkursmasse) die Möglichkeit haben sollen, die Gesellschaft fortzusetzen. Diese Regelung kann jedoch auf den Nachlaßkonkurs, der über das von einem Gesellschafter ererbte Nachlaßvermögen eröffnet wird, nicht angewandt werden, weil der Nachlaßkonkurs nicht zur Auflösung der Gesellschaft führt.
Das wird zwar im Schrifttum weitgehend anders beurteilt (u.a. Schlegelberger/Geßler, HGB, 4. Aufl., Anm. 15 zu § 139; A. Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl., § 28 II 5 a.E., jeweils m.w.N.), jedoch zu Unrecht.
Nach der schon vom Reichsgericht übernommenen und inzwischen weiter entwickelten ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (insbesondere BGHZ 22, 186; 68, 225), der sich auch der für das Erbrecht zuständige Senat des Bundesgerichtshofes angeschlossen hat (IVa ZR 229/81 v. 4.5.83 = LM BGB § 1922 Nr. 13), vererbt sich der Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft in der Weise, daß er getrennt vom übrigen – bei mehreren Erben gesamthänderisch gebundenen – Nachlaßvermögen unmittelbar und endgültig in das Privatvermögen des Gesellschafter-Erben fällt.Für die Annahme, daß diese einmal vollzogene Trennung des Anteils vom erbrechtlich gebundenen Sondervermögen nachträglich in bestimmten erbrechtlich bedeutsamen Fällen wieder aufgehoben werde, gibt es keinen rechtfertigenden Grund. Das hat der Senat im Ergebnis bereits für den Fall der Nachlaßverwaltung entschieden (BGHZ 47, 293). Hierzu hat er ausgeführt, der Nachlaßverwalter sei aus zwingenden gesellschaftsrechtlichen Gründen nicht legitimiert, Mitgliedschaftsrechte eines Erben, die auf einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung beruhen, geltend zu machen. Der Gesellschaftsanteil verbleibt daher als solcher in der alleinigen Sachbefugnis des Gesellschafter-Erben. Ebenso, wie sich bei der Nachlaßverwaltung die Rechte des Verwalters auf den Gesellschaftsanteil als solchen nicht erstrecken, ergreift auch der Nachlaßkonkurs den Gesellschaftsanteil als solchen nicht (Ulmer, Großkomm. HGB, 3. Aufl., Anm. 56 zu § 139 und Festschrift Schilling, S. 98/99; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO, 9. Aufl., § 214 Rn. 14).
Diese rechtliche Beurteilung steht nicht im Widerspruch zu dem vom Senat wiederholt ausgesprochenen (auch vom IVa-Zivilsenat aaO unter Nr. 3 der Entscheidungsgründe und im Leitsatz b zu diesem Urteil betonten) Grundsatz, daß die Berücksichtigung zwingender gesellschaftsrechtlicher Gründe bei der Erbfolge nicht dazu führen darf, die ausgewogene gesetzliche Regelung über die Haftung des vererbten Vermögens für die Nachlaßverbindlichkeiten und über die Rechtsverhältnisse der Miterben untereinander zu beeinträchtigen. Das ist aber, soweit hier der Nachlaßkonkurs und die damit verknüpften Interessen der Nachlaßgläubiger in Frage stehen, nicht der Fall. Denn es gibt keinen Grund anzunehmen, daß die Sondervererbung des Gesellschaftsanteils auch aus ihm abzuleitende übertragbare Vermögensrechte umfassen müßte. Der Senat hat daher ebenfalls schon für die Nachlaßverwaltung entschieden, daß bis zur Abwicklung des Nachlaßvermögens (jedenfalls bestimmte) Gewinnansprüche und der Anspruch auf das künftige Auseinandersetzungsguthaben zum übrigen Nachlaß gehören und infolgedessen der Nachlaßverwaltung unterliegen (BGHZ 47, 293, 296). Für den Nachlaßkonkurs ist keine andere rechtliche Beurteilung möglich, so daß auch hier der Vorrang der Nachlaßgläubiger vor den Privatgläubigern des Gesellschafter-Erben gewahrt und dem Nachlaßkonkursverwalter der Zugriff auf den Wert des Gesellschaftsanteils (durch Kündigung entsprechend § 135 HGB) möglich ist; mehr könnte er auch nicht erreichen, wenn der Anteil in die Nachlaßkonkursmasse fallen würde. Einzelheiten – wie etwa die Fragen, ob auch die erst vom Gesellschafter-Erben erarbeiteten stillen Reserven dem Nachlaßkonkursvermögen zuzuführen, oder Gewinnansprüche, die als Tätigkeitsvergütung für den Gesellschafter-Erben gelten können, vom Verwalter einzuziehen sind – brauchen hier nicht weiter erörtert zu werden. Es kommt nur darauf an, daß der Nachlaßkonkurs den Gesellschaftsanteil als den Inbegriff der Mitgliedschaftsrechte des Gesellschafter- Erben nicht ergreift und die Gesellschaft deshalb auch nicht gemäß § 131 Nr. 5 HGB aufgelöst wird.
Diese Rechtslage besteht nicht nur, wenn der Nachlaß auf mehrere Erben übergeht, sondern auch, wenn nur ein Erbe vorhanden ist. Hier spielt zwar der für die Sondervererbung von Gesellschaftsanteilen im Vordergrund stehende Gesichtspunkt, daß eine Erbengemeinschaft als Inhaberin der Gesellschafterposition ungeeignet ist, keine Rolle. Die Sondervererbung gewinnt auch, wenn es sich lediglich um einen Erben handelt, im wesentlichen nur dann praktische Bedeutung, wenn der Nachlaß durch Nachlaßverwaltung, Nachlaßkonkurs oder Testamentsvollstreckung vom übrigen Privatvermögen des alleinigen Erben abgesondert wird. Daß aber die Grundsätze über die gesonderte erbrechtliche Behandlung von Gesellschaftsanteilen dennoch hier ebenso wie beim Vorhandensein einer Erbengemeinschaft eingreifen müssen, ergibt sich aus dem gesellschaftsrechtlich zwingenden Grund, daß die Verwaltung solcher Mitgliedschaftsrechte grundsätzlich keine Fremdbestimmung verträgt (vgl. BGHZ 47, 293). Die vom Senat bisher nicht entschiedene Sonderfrage, ob gleichwohl eine Testamentsvollstreckung über einen Kommanditanteil rechtlich möglich ist, kann weiterhin offen bleiben, da auch diese die Absonderung des Anteils vom übrigen Nachlaßvermögen voraussetzen würde.
Schließlich ist auch die Frage zu verneinen, ob § 131 Nr. 5 HGB entsprechend anzuwenden ist. Das wird zwar teilweise mit der Begründung bejaht, es sei der Zweck des Nachlaßkonkurses, das gesamte auf den Erben übergegangene Vermögen des Erblassers zu liquidieren. Während aber im Privatkonkurs eines Gesellschafters wegen seiner Vermögenslosigkeit für ihn keine Möglichkeit besteht, sich den Gesellschaftsanteil zu erhalten, kann das in Fällen des Nachlaßkonkurses durchaus anders sein. Dort ist es nicht sinnvoll, dem Gesellschafter- Erben von vornherein durch eine Ausdehnung der Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus die Chance zu nehmen, durch Zahlung aus seinem Privatvermögen den Auseinandersetzungsanspruch aus der Nachlaßkonkursmasse auszulösen. Wegen des Rechts des Verwalters, andernfalls das Gesellschaftsverhältnis zu kündigen, werden die Interessen der Nachlaßgläubiger hierdurch nicht beeinträchtigt (ebenso Ulmer, Festschrift aaO, S. 99).
Kommt nach alledem die Vorschrift des § 131 Nr. 5 HGB nicht zum Zuge, dann greift im vorliegenden Falle der Ausschließungsgrund des § 11 des Gesellschaftsvertrages nicht ein, der einen Konkurs und damit die Auflösung der Gesellschaft voraussetzt. Der Nachlaßkonkurs ist entgegen der Ansicht der Revision allein für sich auch kein Tatbestand, der den Mitgesellschaftern ohne weiteres das Recht gegeben hätte, das Gesellschaftsverhältnis zur Beklagten aus wichtigem Grunde zu kündigen. Nach dem in die Revisionsinstanz gelangten Sachverhalt ist die Beklagte daher als Erbin ihres Ehemannes (mit Rücksicht auf die im Gesellschaftsvertrag enthaltene Nachfolgeklausel) Gesellschafterin geworden und auch weiterhin geblieben.
Fundstellen
BGHZ 91, 132 |
BGHZ, 132 |
ZIP 1984, 952 |
DNotZ 1984, 630 |
JZ 1984, 890 |