Rn 80
§ 103 Abs. 1 sieht keinen konkreten Zeitrahmen vor, innerhalb dessen eine Erklärung zur Erfüllungswahl zu erfolgen hätte. Der Insolvenzverwalter ist demgemäß grundsätzlich nicht an eine Frist gebunden, innerhalb derer eine Erklärung zu erfolgen hat, ob ein beiderseits noch nicht vollständig vollzogener Vertrag noch erfüllt werden soll. Der Insolvenzverwalter kann auch noch lange Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Erklärung zur Erfüllungswahl abgeben, ohne dass allein aufgrund der späten Abgabe der Erklärung Rechtsnachteile für die Insolvenzmasse entstehen.
Rn 81
Bis zur Abgabe der Erklärung zur Erfüllungswahl bleibt es bei dem durch die Verfahrenseröffnung eingetretenen Schwebezustand, wonach die beiderseitigen Leistungspflichten suspendiert, d.h. nicht mehr durchsetzbar sind, dies aber durch die einseitige Erklärung des Insolvenzverwalters, den Vertrag anstelle des Schuldners zu erfüllen, wieder geändert werden kann.
Rn 82
§ 103 Abs. 2 Satz 2 sieht für den Vertragspartner des Schuldners die Möglichkeit vor, die Unsicherheit über das weitere Schicksal des Vertrages zu beseitigen, indem er den Insolvenzverwalter auffordert, sein Wahlrecht auszuüben.
Rn 83
Die Aufforderung an den Insolvenzverwalter ist ebenfalls eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die auch durch konkludentes Verhalten erfolgen kann, etwa durch mehrfache Aufforderung, die vertraglichen vereinbarten Leistungen tatsächlich zu erbringen. Zu weitgehend ist die Auffassung, wonach bereits in der Anmeldung einer Forderung wegen Nichterfüllung zur Aufnahme in die Insolvenztabelle oder die Aufforderung zu einer Mängelbeseitigung an den Insolvenzverwalter eine konkludente Aufforderung zur Erfüllungswahl sein soll. Da die Aufforderung dazu dient, Klarheit über die Frage der weiteren Vertragsabwicklung zu schaffen, kann der Vertragspartner den Insolvenzverwalter auch dann zur Abgabe einer Erklärung auffordern, wenn die wechselseitigen Forderungen im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch nicht fällig gewesen sind.
Rn 84
Ist dem Insolvenzverwalter die Aufforderung zur Ausübung seines Wahlrechtes zugegangen, hat er sich unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB) dazu zu erklären, ob er die Erfüllung des Vertrages wählt.
Rn 85
Erklärt sich der Verwalter nicht rechtzeitig, kann er auf der Erfüllung des Vertrages nicht mehr bestehen, d.h. er kann nicht mehr einseitig die zunächst suspendierten, aufgrund Insolvenzeröffnung nicht mehr durchsetzbaren Vertragspflichten in die Qualität originärer Forderungen der und gegen die Insolvenzmasse1 erheben. Dies gilt natürlich auch für den Fall, dass der Insolvenzverwalter die weitere Vertragserfüllung ausdrücklich ablehnt.
Unberührt hiervon bleibt die Möglichkeit, dass sich Insolvenzverwalter und Vertragspartner auf den Neuabschluss eines Vertrages einigen.
Rn 86
Wann die Erklärung des Insolvenzverwalters noch rechtzeitig nach Aufforderung durch den anderen Teil erfolgen kann, ist in § 103 nicht ausdrücklich geregelt. Nach einhelliger Auffassung ist dem Insolvenzverwalter eine ausreichende Überlegungsfrist einzuräumen, um sich über die Konsequenzen der Entscheidung für die Insolvenzmasse klar zu werden. Lediglich für den Fall des Kaufes einer beweglichen Sache durch den Insolvenzschuldner, die unter Eigentumsvorbehalt geliefert worden ist, bestimmt § 107 Abs. 2, dass die Erklärung zur Erfüllung des Kaufvertrages grundsätzlich auch dann rechtzeitig abgegeben werden kann, wenn sie unverzüglich nach dem Berichtstermin gemäß § 156 erfolgt, der bis zu drei Monaten nach Verfahrenseröffnung anberaumt sein kann, § 29 Abs. 1 Ziff. 1.
Rn 87
Grund für die vom Gesetzgeber als Ausnahmeregelung aufgefasste Bestimmung ist die zumindest vorübergehende Erhaltung des Bestandes der im Besitz des Schuldners befindlichen beweglichen Vermögensgegenstände, um Fortführungs- und Sanierungschancen für das Schuldnerunternehmen zu wahren, die vorzeitige Auflösung einer Unternehmenseinheit zu verhindern und damit der Gläubigerversammlung im Berichtstermin eine tatsächliche Entscheidung zur Fortführung oder Einstellung eines Geschäftsbetriebes des Schuldners zu ermöglichen.
Rn 88
Etwas anderes gilt gemäß § 107 Abs. 2 Satz 2 nur dann, wenn ein Zuwarten auf den Berichtstermin eine erhebliche Minderung des Wertes der Kaufsache erwarten lässt und der Gläubiger den Insolvenzverwalter darauf hingewiesen hat.
Rn 89
Die gesetzgeberische Intention, mit dem Zuwarten auf den Berichtstermin die Fortführungs- und Sanierungschancen für ein Unternehmen des Schuldners zu wahren und der Gläubigerversammlung eine wirkliche Entscheidungsmöglichkeit über eine Weiterführung oder Schließung des Geschäftsbetriebes zu wahren, kann nicht auf die in § 107 Abs. 2 konkret geregelte Konstellation des Verkaufes einer beweglichen Sache unter Eigentumsvorbehalt an den Insolvenzschuldner beschränkt werden, sondern ist auch auf andere Vertragsverhältnisse übertragbar. Gerade weil § 103 auch Miet-, Pacht- und Leasingvert...