Rn 5
Für die zeitliche Abgrenzung des § 147 Satz 1 von § 129 kommt es darauf an, wann die Rechtshandlung vorgenommen wurde. Insoweit sind die Abs. 1–3 des § 140 zu beachten. Welche Rechtshandlungen in sachlicher Hinsicht von § 147 Satz 1 erfasst werden, ergibt sich aus dem Wortlaut sowie aus einer erweiterten Auslegung der Norm (siehe unten Rn. 8 ff.). In jedem Fall muss die Rechtshandlung Teil einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Schuldners sein, die – trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens – zu einem beschlagsfreien Erwerb geführt hat. In persönlicher Hinsicht berechtigen (im Rahmen eines mehraktigen Erwerbstatbestands) sowohl Rechtshandlungen des Schuldners als auch solche des Anfechtungsgegners – beispielsweise dessen Antrag auf Eigentumsumschreibung im Grundbuch – zu einer Anfechtung nach § 147 Satz 1.
2.1.1 Die gesetzlich geregelten Fälle
Rn 6
In sachlicher Hinsicht erfasst § 147 Satz 1 neben Verfügungen des Schuldners über die in § 81 Abs. 3 Satz 2 genannten Finanzsicherheiten insbesondere solche über Grundstücke, Schiffe und Flugzeuge, die nach §§ 892, 893 BGB, §§ 16, 17 SchiffsRG oder §§ 16, 17 LuftfahrzeugRG wirksam sind. § 147 Satz 1 ist folglich insbesondere im Zusammenhang mit den Vorschriften in § 81 Abs. 1 Satz 2 und § 91 Abs. 2 zu sehen, die nach der Verfahrenseröffnung vorgenommene Rechtshandlungen ausnahmsweise deshalb für wirksam erklären, weil für den Erwerber der Gutglaubensschutz eines öffentlichen Registers streitet. Der Erwerber kann nach diesen Vorschriften gutgläubig Eigentum erwerben, wenn für den Erwerb eine Registereintragung vorausgesetzt ist, der Eintragungsantrag erst nach Verfahrenseröffnung gestellt wird und sich die Verfahrenseröffnung weder aus dem Register ergibt, noch dem Erwerber sonst bekannt ist. Um Ungleichbehandlungen mit Erwerbstatbeständen vor Insolvenzeröffnung zu vermeiden, soll der Rechtserwerb auch hier keinen Bestand haben, wenn der Erwerbsvorgang anfechtbar ist. Damit ist für einen unangreifbaren Erwerb nach Verfahrenseröffnung neben dem guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Insolvenzschuldners sowie dem fehlenden Insolvenzvermerk im Register auch guter Glauben hinsichtlich der Krisenfreiheit des Insolvenzschuldners erforderlich. Ansonsten wird der Erwerb über den Rückgewähranspruch nach erfolgter Anfechtung korrigiert.
Rn 7
§ 147 Satz 1 setzt nicht voraus, dass der Schuldner die letzte Rechtshandlung nach Verfahrenseröffnung selbst vorgenommen hat. Auch die Rechtshandlungen Dritter sind im Rahmen des § 147 Satz 1 anfechtbar; insbesondere kann auch der Eintragungsantrag des Begünstigten Gegenstand der Anfechtung sein.
2.1.2 Entsprechende Anwendung in den Fällen des § 82 Satz 1
Rn 8
Eine den in § 147 Satz 1 ausdrücklich geregelten Fällen vergleichbare Konstellation findet sich auch in § 82 Satz 1. Die Regelung, auf die in § 147 Satz 1 nicht verwiesen wird, betrifft den Fall, dass der Schuldner nach Verfahrenseröffnung unter Mitwirkung eines Vertragspartners, dem die Verfahrenseröffnung nicht bekannt ist, über sein Vermögen verfügt. Dem Vertragspartner kommt hier die noch fehlende öffentliche Bekanntmachung zugute. Aufgrund seines guten Glaubens bleibt die Rechtshandlung wirksam. Auch in diesem Fall ist nicht einsichtig, warum diese Rechtshandlung – anders als solche, die vor Insolvenzeröffnung vorgenommen wurden – nicht anfechtbar sein soll. Insoweit enthält § 147 Satz 1 eine Lücke. Weiß also der Schuldner von der Zahlungsunfähigkeit oder einem Benachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners und sind die Insolvenzgläubiger benachteiligt, so ist die Erfüllungsleistung in entsprechender Anwendung des § 147 Satz 1 anfechtbar.
2.1.3 Entsprechende Anwendung in den Fällen des § 878 BGB
Rn 9
§ 147 Satz 1 verweist dem Wortlaut nach nicht auf den Rechtserwerb nach § 91 Abs. 2 i.V.m. § 878 BGB. Das ist zunächst einmal nachvollziehbar für die Fälle, in denen die Erklärung für den Schuldner bindend geworden ist und der Gläubiger den Antrag auf Eintragung beim Grundbuchamt vor Insolvenzeröffnung gestellt hat. Dieser von § 878 BGB erfasste Fall ist nämlich nicht dem § 147 Satz 1, sondern dem § 129 unmittelbar zuzuordnen. Dies folgt aus § 140 Abs. 2. Danach gilt ein Rechtsgeschäft als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem – die übrigen Wirksamkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts unterstellt – die Willenserklärung für den Schuldner bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. § 129 kommt damit zur Anwendung, obwohl die Eintragung (und damit auch die Rechtsänderung) erst nach Insolvenzeröffnung erfolgt ist. Letztlich bleibt damit der Vollrechtserwerb bestandsfest, wenn der Erwerbe...