Rn 52
Der Jahresabschluss und der Lagebericht großer und mittelgroßer Kapitalgesellschaften (und durch § 264 a HGB, § 3 PublG erfasster Personalgesellschaften und Einzelkaufleute) sind im Rahmen der Rechnungslegung durch einen Abschlussprüfer gesondert zu prüfen (§§ 316 ff., 267 Abs. 2 und 3 HGB). Ohne diese Prüfung kann der Jahresabschluss nicht festgestellt werden. Das Insolvenzverfahren berührt diese Prüfungspflicht grundsätzlich nicht. Allerdings geht die Befugnis der Gesellschafterversammlung (oder des satzungsmäßig hierzu bestimmten Organs), den Abschlussprüfer zu wählen, und die Befugnis der gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft, den gewählten Abschlussprüfer zu beauftragen, mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf das Insolvenzgericht über (§ 155 Abs. 3). Denn nach Insolvenzeröffnung dient die Abschlussprüfung primär den Gläubigern, nicht aber den Anteilseignern. Voraussetzung für die Bestellung des Abschlussprüfers (und ggf. seine Abberufung) ist ein Antrag des Insolvenzverwalters.
Rn 53
Unter den Voraussetzungen der §§ 270 Abs. 3 AktG, 71 Abs. 3 GmbHG (die Verhältnisse der Gesellschaft sind im Rahmen der Abwicklung so überschaubar geworden, dass eine Prüfung im Interesse der Anteilseigner und der Gläubiger nicht mehr geboten erscheint) kann sich der Insolvenzverwalter durch das Gericht von der Pflicht zur Prüfung befreien lassen; das gilt indes nicht für die Rechnungslegung vor Verfahrenseröffnung. Zuständig ist das Registergericht, nicht das Insolvenzgericht. Die regelmäßige Pflichtprüfung bei Genossenschaften (§§ 53 ff. GenG) ist in der Insolvenz des Verbandes jedenfalls dann obsolet, wenn der Geschäftsbetrieb eingestellt worden ist, auch wenn noch das Gesellschaftsvermögen verwertet wird; aber auch bei (verminderter) Fortführung des Geschäftsbetriebs sollte man die Prüfungsobliegenheit (in Bezug auf das dem Insolvenzverfahren unterfallende Vermögen) nur beim Insolvenzverwalter verorten.
Rn 54
Bei der satzungsmäßigen Rechtslage verbleibt es, wenn im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein Abschlussprüfer gewählt und ihm der Prüfauftrag erteilt worden war (§ 155 Abs. 3 Satz 2). Die Prüfung dieses Abschlussprüfers beschränkt sich aber auf das Rumpfgeschäftsjahr, das regelmäßig durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die davorliegende Zeit entsteht. Die hieraus entstehenden Kosten stellen sonstige Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 dar. Mit Insolvenzeröffnung beginnt ein neues Geschäftsjahr (§ 155 Abs. 1 Satz 1), auf das sich der Prüfauftrag nicht (mehr) bezieht; die Bestellung eines neuen Prüfers erfolgt auf Antrag des Verwalters durch das Registergericht (§ 155 Abs. 3 Satz 1). Umstritten ist, ob der handelsrechtliche Prüfungsauftrag und der ihm zugrunde liegende schuldrechtliche Prüfungsvertrag auch dann von der Insolvenzeröffnung unberührt bleiben, wenn sie sich nicht auf das Rumpfgeschäftsjahr vor Verfahrenseröffnung, sondern weiter davor liegende, bereits abgeschlossene Geschäftsjahre beziehen (z. B. Verfahrenseröffnung am 24.08.2017, Prüfung für das Geschäftsjahr 01.01. bis 31.12.2016). Gegen den Fortbestand des Prüfungsauftrags sprechen der Wortlaut von § 155 Abs. 3 Satz 2 und der Sinn und Zweck der §§ 103, 115 f. (der Insolvenzverwalter soll bezogen auf die bei Verfahrenseröffnung schwebenden Geschäfte selbst entscheiden können, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie zu Lasten der Masse nach Verfahrenseröffnung erfüllt werden), maßgeblich für den Fortbestand des Prüfungsauftrags indes systematische (Gleichbehandlung des unmittelbar vor Insolvenzeröffnung liegenden Rumpfgeschäftsjahres mit weiter davor liegenden Geschäftsjahren) und teleologische Gründe (die Prüfung hat für länger zurückliegende Geschäftsjahre erst recht eine wirtschaftliche Bedeutung für die Anteilseigner).