Rn 34
Seinem Wortlaut nach erfasst § 159 nur die Zeit nach dem Berichtstermin und bestimmt, dass die Verwertung nunmehr unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB), zu erfolgen hat. Dabei ist unverzüglich aber keinesfalls mit sofort gleichzusetzen.
Rn 35
So kann – auch wenn keine Sanierung oder übertragende Sanierung erfolgversprechend erscheint – für das wirtschaftliche Ergebnis des Insolvenzverfahrens eine vorübergehende Fortführung (zur Dauer vgl. Rn. 40) von Vorteil sein. Der Verwalter kann auf diese Weise u.U. aus dem Unternehmen heraus bessere Einzelveräußerungserlöse für die Vermögensgegenstände erzielen. Wenn der Verwalter die bestehenden Missstände beseitigt, können zudem die aus der Fortführung fließenden Erlöse massemehrend wirken. Diese Vorgehensweise ist allerdings nur möglich, soweit keine ausdrücklich anderslautende Entscheidung der Gläubigerversammlung nach § 157 vorliegt.
Rn 36
Wenn sich der Verwalter zur vorübergehenden Fortführung entschließt bzw. von der Gläubigerversammlung hiermit beauftragt wird, haftet er nach § 61 den Massegläubigern (§ 53) auf Schadensersatz, wenn er von ihm selbst begründete Masseverbindlichkeiten wegen Masseunzulänglichkeit nicht befriedigen kann, obwohl er diese Unzulänglichkeit bei Begründung der Verbindlichkeit hätte erkennen können. Dabei trägt nach neuem Recht der Verwalter die Beweislast dafür, dass er diese Entwicklung nicht vorhersehen konnte (§ 61 Satz 2). Der Gesetzgeber hat sich gegen die bisher in der Rechtsprechung vertretene Position entschieden, wonach die allgemeinen Vorschriften ergeben sollten, welche Pflichten den Verwalter einem Vertragspartner gegenüber treffen, der mit der Insolvenzmasse Geschäfte machen will, so dass – nach allgemeinen Regeln – die andere Vertragspartei als Anspruchssteller hinsichtlich der Schadensersatzansprüche bisher immer beweisen musste, dass der Verwalter die Entwicklung hätte vorhersehen können, was ihr in den seltensten Fällen gelungen sein dürfte. Eine Eigenhaftung aus Verletzung von Aufklärungs- und Hinweispflichten des Verwalters bestand nur dann, wenn ein besonderer Vertrauenstatbestand vorlag oder diese Pflicht ausdrücklich übernommen wurde. Das Argument, dass die Neuvertragspartner des Verwalters durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewarnt seien und darum sehenden Auges ein erhöhtes Risiko eingingen, konnte den Gesetzgeber der InsO nicht überzeugen. Vielmehr verweist er darauf, dass dadurch die Gefahr entstehe, dass niemand mehr bereit wäre, mit dem Verwalter Verträge zu schließen. Auf diese Weise würde dem Verwalter die Verwaltung und Verwertung der Masse entscheidend erschwert werden. Daher müsse der Verwalter die verschärfte Haftung für die von ihm begründeten Masseverbindlichkeiten in Kauf nehmen zugunsten einer verbesserten Verhandlungsposition für den Abschluss solcher Verträge.
Rn 37
Um bei der Unternehmensfortführung hinsichtlich der Deckung der Masseverbindlichkeiten jederzeit den Überblick zu behalten, empfiehlt es sich für den Insolvenzverwalter dringend, die – neben der handelsrechtlichen (§ 155) – notwendige Insolvenzbuchhaltung in einen Liquidations- und einen Fortführungsteil aufzuspalten. Nur auf diese Weise kann der Verwalter durch sorgfältige Kalkulation Haftungsfälle vermeiden oder sein fehlendes Verschulden beweisen.
Rn 38
Einfacher stellt sich die Situation jetzt im Falle eintretender Masseunzulänglichkeit i.S.d. § 208 für den Verwalter dar. Der Verwalter hat die Möglichkeit, bei knapper Masse nach § 208 Masseunzulänglichkeit anzuzeigen und später die nach der Anzeige begründeten Masseverbindlichkeiten nach den Kosten, aber vor den vor der Anzeige begründeten Verbindlichkeiten zu befriedigen.
Dieser Weg – Anzeige der Masseunzulänglichkeit – ist dem Verwalter immer dann sogleich zu Beginn des Verfahrens zu empfehlen, wenn die Fortführung des Unternehmens zwar sinnvoll erscheint, die Masse jedoch zunächst knapp ist oder die betreffende Branche mit besonderen Risiken der Forderungsrealisierung belastet ist, wie z.B. die Baubranche.
Rn 39
Alle Regeln bezüglich der Geschäftsfortführung gelten auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter, der das Unternehmen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 fortführt, da nach § 55 Abs. 2 die vom vorläufigen Verwalter begründeten Masseverbindlichkeiten den vom endgültigen Verwalter begründeten gleichgestellt sind.
Rn 40
Unabhängig von dem angestrebten Ziel (Liquidation, Sanierung oder übertragende Sanierung) darf die Unternehmensfortführung durch den Verwalter allerdings auch nach der InsO nicht Selbstzweck und muss vorübergehender Natur sein, um sich innerhalb der von § 1 abgesteckten Zielvorgaben zu halten.
Rn 41
Für die eigene Haftpflichtversicherung des Insolvenzverwalters ist zu beachten, dass unternehmerische Tätigkeit und die daraus ggf. resultierenden Schäden im Rahmen einer üblichen Berufshaftpflichtversicherung nicht versichert und auch nicht versicherbar sind, so dass die im Zusammenhang mit einer Betriebsfortführung entst...