Rn 36
Durch die Anordnung der Zwangsverwaltung im Insolvenzverfahren ergeben sich häufig Kollisionen zwischen den Interessen und Befugnissen des Zwangsverwalters einerseits und des Insolvenzverwalters andererseits.
Durch die Anordnung der Zwangsverwaltung erlangt der vom Vollstreckungsgericht bestellte Zwangsverwalter gemäß § 150 Abs. 2 ZVG den Besitz an dem Grundstück und den mit ihm beschlagnahmten Sachen. Dieses Besitzrecht des Zwangsverwalters bricht den Besitz des Insolvenzverwalters. Wird die Zwangsverwaltung zeitlich früher angeordnet, so wird das Besitzrecht des Zwangsverwalters durch eine spätere Insolvenzeröffnung hingegen nicht berührt.
Rn 37
Der Zwangsverwalter ist aufgrund der Beschlagnahmewirkung der § 20 Abs. 2, § 148 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 ZVG berechtigt, eine bestehende Betriebseinrichtung des Schuldners zu benutzen. Die Zwangsverwaltung erfasst auch das Zubehör der Grundstücke. Entfernt und veräußert der Insolvenzverwalter nach der Beschlagnahmewirkung unberechtigt Zubehörgegenstände, so steht den Grundpfandrechtsgläubigern analog § 48 ein Ersatzabsonderungsrecht an der Gegenleistung zu.
Rn 38
Infolge der Beschlagnahmewirkung ist der Zwangsverwalter auch berechtigt, Miet- und Pachtforderungen einzuziehen. Ab dem Zeitpunkt der Beschlagnahme stehen diese also nicht mehr der Insolvenzmasse, sondern den Gläubigern zu, die die Zwangsverwaltung betreiben. Dies gilt selbst dann, wenn der Mietvertrag erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter geschlossen wurde. Da der Insolvenzverwalter daran interessiert ist, die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung des Grundstückes zur Masse zu ziehen, wird er die Zwangsverwaltung in der Praxis selten als Verwertungsform wählen.
Rn 39
Ist der Mieter zur Untervermietung berechtigt, stehen grundsätzlich ihm und nicht dem Eigentümer die Erträge aus der Untervermietung zu. Die Beschlagnahme des Grundstückes erfasst diese Forderungen daher nicht. Etwas anderes gilt aber, wenn die Erträge nur formell dem Hauptmieter, wirtschaftlich jedoch dem Eigentümer zugeordnet sind. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Hauptmietverhältnis nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, weil es allein dem Zweck diente, die Erträge aus dem Untermietverhältnis dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen.
Rn 40
Mit der Anordnung der Zwangsverwaltung kann der Zwangsverwalter in dem Umfang der Beschlagnahme auch zur Fortführung des auf dem Grundstück eingerichteten Betriebes berechtigt und verpflichtet sein. Zwar erfasst die Beschlagnahmewirkung den auf dem Grundstück ausgeübten Gewerbebetrieb des Schuldners als solchen nicht. Ist der Betrieb "ablösbar", kann er also auch an einem anderen Ort ausgeübt werden, so kann der Zwangsverwalter den Betrieb somit nicht fortführen. Liegt der wirtschaftliche Schwerpunkt des Unternehmens aber auf dem Grundstück und ist das Grundstück für eine bestimmte gewerbliche Nutzung dauerhaft ausgebaut, so ist der Zwangsverwalter berechtigt, das Unternehmen im eigenen Namen fortzuführen.
Das Grundstück kann in diesen Fällen nämlich nur für die Zwecke wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden, für die es eingerichtet wurde. Anderenfalls müsste der Zwangsverwalter die von der Beschlagnahmewirkung erfassten Räume an den Schuldner vermieten oder den Schuldner von dem Grundstück verweisen.
Die Fortführung des Unternehmens darf aber nicht dazu führen, dass der Zwangsverwalter in nicht beschlagnahmte Rechte des Schuldners eingreift.
Die Beantragung der Zwangsverwaltung bietet dem Insolvenzverwalter somit auch die Möglichkeit, unliebsame bzw. unrentable Betriebe oder Betriebsteile faktisch "auszugliedern", indem er sie in den Zuständigkeitsbereich des Zwangsverwalters überführt.