Rn 15
Durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013 wurde § 114 und damit auch dessen Abs. 1aufgehoben. Die Sichtweise, dass entsprechende Vorausverfügungen des Schuldners grundsätzlich wirksam seien und eine Beschränkung deshalb erforderlich sei, um die Insolvenzgläubiger zumindest teilweise an dem Wert der Bezüge zu beteiligen, sowie zu verhindern, dass eine etwaig erteilte Restschuldbefreiung in Hinblick auf die dann fortbestehenden Belastungen aus Verfügungen über Bezüge ins Leere liefen, geriet unter Hinweis auf die Rechtsprechung in die Kritik: Es handle sich auch um ein Privileg, zu Lasten der Insolvenzmasse und das dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zuwiderlaufe. Mit der Aufhebung des § 114 Abs. 1 a. F. entfällt auch die sachliche Rechtfertigung des Aufrechnungsprivilegs in § 114 Abs. 2 a. F.
Bei der Änderung des § 294 Abs. 3 n. F. handelt es sich deshalb um eine Folgeänderung zur Aufhebung des § 114 Abs. 2 a. F.
Rn 15a
Übt der Schuldner eine Berufstätigkeit aus oder leistet er sonstige Dienste, hat er regelmäßig Ansprüche auf entsprechende Bezüge. Von diesen Forderungen gegen den Arbeit- oder Auftraggeber hat er mit seiner Erklärung gemäß § 287 Abs. 2 die pfändbaren Anteile für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den vom Gericht bestimmten Treuhänder abgetreten. Die Auszahlung der pfändbaren Anteile durch den dem Schuldner Verpflichteten wäre gefährdet, wenn der Verpflichtete aus Forderungen gegen den Schuldner selbst ohne jede Einschränkung aufrechnen könnte.
Rn 16
(Zu § 294 Abs. 3 a. F.)
Beruhend auf dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung enthielt deshalb § 294 Abs. 3 zwar kein allgemeines Aufrechnungsverbot für sämtliche Insolvenzgläubiger im Abtretungszeitraum, aber eine Einschränkung der Aufrechnungsmöglichkeiten des zur Leistung der abgetretenen Forderungen des Schuldners Verpflichteten.
Rn 17
Derjenige, der zur Leistung der in Höhe des pfändungsfreien Teils an den Treuhänder abgetretenen Bezüge verpflichtet war ("Verpflichteter"), konnte nur dann aufrechnen, wenn seine Gegenforderung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden hatte und die Aufrechnung nicht gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2-4 unzulässig war. Weiter konnte nur mit denjenigen Forderungen des Schuldners aufgerechnet werden, die gemäß § 114 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 in einem Zeitraum von zwei Jahren seit dem Ende des zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Kalendermonats fällig wurden. Die ursprüngliche Befristung von drei Jahren wurde durch das Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze für nach dem 1.12.2001 eröffnete Verfahren auf zwei Jahre verkürzt (Art. 103a EGInsO).
Rn 18
Die Einschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit nach § 294 Abs. 3 bezog sich nur auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst wurden, d. h. auf die pfändbaren Bezüge. Dagegen war die Aufrechnung mit demjenigen Teil der Forderungen unbeschränkt möglich, die nicht von der Abtretung erfasst waren, d.h. mit dem unpfändbaren Teil der Bezüge. Eine solche Aufrechnung kam nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Auslegung des § 394 BGB in Betracht, wenn der Schuldner beispielsweise seinem Arbeitgeber vorsätzlich Schaden zugefügt hatte.
Rn 19
§ 294 Abs. 3 nahm nicht auf § 96 Abs. 1 Nr. 1 Bezug. Deshalb konnte ein Finanzamt in der Insolvenz des Schuldners mit einem Steuererstattungsanspruch aufrechnen, der auf zu viel einbehaltener Lohnsteuer in einem Zeitraum vor der Insolvenzeröffnung beruhte (§ 95 Abs. 1). § 95 Abs. 1 geht § 96 Abs. 1 Nr. 1 vor. Für die Wohlverhaltensperiode, in die die Aufrechnungsbeschränkungen des § 96 nicht mehr greifen, gilt nichts anderes.
Rn 20
Hatte die Aufrechnungslage bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht bestanden – erwarb also der zur Leistung der Bezüge Verpflichtete neue Forderungen gegen den Schuldner – so war die Aufrechnung bis zum Ende der Wohlverhaltensperiode ohne Unterschied, ob durch regulären Ablauf oder durch vorzeitige Beendigung, gänzlich ausgeschlossen.
Rn 21
Gläubiger, die erst während des Restschuldbefreiungsverfahrens Forderungen erwerben, sind keine Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38. Sie nehmen deshalb an den Ausschüttungen des Treuhänders nicht teil. Gläubiger von Forderungen, die nach Abschluss des Insolvenzverfahrens, aber während der Laufzeit der Abtretung entstanden sind, haben bis zum Abschluss des Restschuldbefreiungsverfahrens faktisch ebenfalls keine Zugriffsmöglichkeiten auf Vermögen des Schuldners, da dieser zum einen den pfändbaren Teil seiner laufenden Bezüge abgetreten hat und zum anderen regelmäßig kein Vermögen mehr vorhanden sein dürfte, das nicht im Rahmen des vorangegangenen Insolvenzverfahrens verwertet worden ist.