Rn 9

Der allgemeine Gerichtsstand wird gem. § 4, §§ 1319 ZPO bestimmt. Danach ist der allgemeine Gerichtsstand einer natürlichen Person deren Wohnsitz im Inland (§ 13 ZPO). Unter dem Wohnsitz (§§ 7 ff. BGB) ist der räumliche Mittelpunkt der gesamten Lebensverhältnisse zu verstehen.[22] Dabei kommt einer Anmeldung beim zuständigen Einwohnermeldeamt nur eine Indizwirkung zu, da ausschlaggebend die tatsächlichen Verhältnisse sind.[23] Ob und inwieweit über § 16 ZPO die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts begründet sein kann, hängt zunächst von der Frage ab, ob der Schuldner einen Aufenthaltsort innerhalb der Bundesrepublik Deutschland hat und auch im Ausland keinen festen Wohnsitz hat.[24] Ein Wohnsitz an mehreren Orten gem. § 7 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die an den betreffenden Orten unterhaltenen Wohnungen gleichermaßen den Schwerpunkt bilden.[25] Strafhaft oder Untersuchungshaft wirkt nicht wohnsitzbegründend.[26]

Befindet sich der Schuldner in einem Zeugenschutzprogramm und verweigert er mit dem Hinweis darauf die Angabe seines aktuellen Wohnsitzes, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nicht nach § 16 ZPO analog nach seinem letzten bekannten Wohnsitz, da § 10 Abs. 1 ZSHG in Insolvenzverfahren keine Anwendung findet.[27] Ein Schuldner im Zeugenschutzprogramm hat, sofern er die Durchführung eines Insolvenzverfahrens begehrt, seine aktuelle Anschrift offenzulegen.[28]

 

Rn 10

Bei juristischen Personen bestimmt sich der allgemeine Gerichtsstand nach dem Sitz der Gesellschaft, Entsprechendes gilt für Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die jedoch als solche passiv parteifähig sind, wie OHG, KG, Partnerschaft, (arbeitsrechtliche) Gewerkschaften und politische Parteien.

 

Rn 11

Der Sitz bei Kaufleuten ist aus dem Handelsregister zu ersehen, wobei die Eintragung in das Handelsregister weder erforderlich noch für sich ausreichend ist für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit. Bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der im Handelsregister eingetragene Sitz und der tatsächliche Mittelpunkt der selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit auseinanderfallen, ist die handelsregisterliche Eintragung ausreichendes Indiz. Ermangelt es an einem satzungsmäßigen Sitz, so ist nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf den Ort der tatsächlichen Verwaltung abzustellen.

[23] BGH, Beschl. v. 21.12.1994, XII ARZ 35/94, NJW-RR 1995, 507; OLG Schleswig, 11.02.2010, 2 W 11/10, NZI 2010, 260.
[25] AG Köln, Beschl. v. 18.02.2008, 71IK585/07, NZI 2008, 390 [AG Köln 18.02.2008 - 71 IK 585/07].
[26] BGH, Beschl. v. 19.06.1996, XII ARZ 5/96, NJW-RR 1996, 1217; OLG München, Beschl. v. 01.07.2016, 34 AR 77/16, ZInsO 2016, 1702; OLG Hamm, Beschl. v. 18.08.2016, 32 SA 38/16, ZInsO 2017, 163; vgl. dazu ausführlich Greiner, ZInsO 2016, 1928.
[27] LG Hamburg, Beschl. v. 14.07.2005, 326 T 7/05, NZI 2006, 115; AG Hamburg ZInsO 2005, 276; Frind, ZVI 2005, 57.
[28] LG Hamburg, Beschl. v. 14.07.2005, 326 T 7/05, NZI 2006, 115; LG Bonn, Beschl. v. 01.03.2017, 6 T 29/17 mit ausführlicher Abwägung der Interessen von Schuldner und Gläubiger.

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