Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen mit Auslandsbezug
Die in Deutschland ansässige Klägerin wurde von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zur Durchführung diverser Arbeiten beauftragt. Als Gerichtsstand vereinbarten die Parteien in dem schriftlichen Vertrag Frankfurt a. M. Dementsprechend klagte die Klägerin auf Zahlung von Vergütung vor dem Landgericht Frankfurt a.M. Hierbei verklagte sie neben der GbR auch deren Gesellschafter. Einer der beiden Gesellschafter hatte seinen Sitz in Österreich, die GbR und der andere Gesellschafter in Deutschland.
Das LG Frankfurt hielt die Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam und verwies die Klage an das LG Neuruppin, das aufgrund des vertraglichen Erfüllungsorts für alle Beklagten zuständig sei. Das LG Neuruppin lehnte seine Zuständigkeit jedoch ebenfalls ab, sodass das OLG Frankfurt über die örtliche Zuständigkeit und die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu entscheiden hatte.
Der Beschluss des OLG Frankfurt a. M. v. 28.10.2021 (11 SV 41/22)
Das OLG Frankfurt a. M. hielt die Gerichtsstandsvereinbarung für wirksam und bestimmte das LG Frankfurt a. M. als örtlich zuständig. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei die Frage der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung vorliegend nicht nach dem deutschen Zivilprozessrecht (§ 38 ZPO) zu bestimmen, sondern – aufgrund des Auslandsbezugs durch den in Österreich ansässigen Gesellschafter – nach der vorrangig anwendbaren EU-Verordnung (Brüssel-Ia-VO). Zwar sei der Vertrag zwischen der Klägerin und der in Deutschland ansässigen GbR geschlossen worden. Aufgrund der persönlichen Haftung der Gesellschafter einer Personengesellschaft für Verbindlichkeiten der Gesellschaft gelte die Gerichtsstandsvereinbarung aber auch für die Gesellschafter. Habe einer der Gesellschafter seinen Sitz im Ausland (hier: Österreich), sei die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 Brüssel-Ia-VO zu beurteilen. Da die Gerichtsstandsvereinbarung vorliegend schriftlich geschlossenen wurde, seien die Voraussetzungen des Art. 25 Brüssel-Ia-VO erfüllt, die Vereinbarung wirksam und das LG Frankfurt a. M. örtlich zuständig.
Anmerkung
Das deutsche Prozessrecht stellt an die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung erhöhte Anforderungen. Hintergrund ist, dass die Parteien mit einer solchen Vereinbarung – in der Regel zum Nachteil eines der Vertragspartner – von dem Grundsatz abweichen, dass die Klage an dem Sitz des Beklagten zu erheben ist. Daher können nach § 38 Abs. 1 ZPO nur Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen wirksam eine solche Vereinbarung schließen. Eine GbR darf grundsätzlich keine Gerichtsstandsvereinbarung abschließen, da sie weder zu den Kaufleuten zählt (eine GbR betreibt kein Handelsgewerbe) noch als juristische Person des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliches Sondervermögen zu qualifizieren ist. Ausnahmsweise kann eine Gerichtsstandsvereinbarung mit einer GbR jedoch dann wirksam sein, wenn diese tatsächlich ein Handelsgewerbe betreibt und daher – entgegen dem Auftreten als GbR – eine Offene Handelsgesellschaft (OHG) ist. Die OHG ist als Handelsgesellschaft Form-Kaufmann und darf daher Gerichtsstandsvereinbarungen abschließen.
Die Hürden für eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung nach EU-Recht sind niedriger. Zwar gibt es auch hier Ausnahmen (z.B. zu Gunsten von Verbrauchern). Anders als das deutsche Recht stellt Art. 25 Brüssel Ia-VO für die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung bei Auslandsbezug jedoch „lediglich“ Anforderungen an die Form und nicht auch an den Personenkreis. So ist eine Gerichtsstandsvereinbarung u.a. wirksam, wenn sie schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung abgeschlossen wird. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Parteien Kaufleute oder juristische Personen des öffentlichen Rechts sind.
Ist eine Personengesellschaft an einer Gerichtsstandsvereinbarung beteiligt, sollte man vor Einleitung eines Rechtsstreits daher genau prüfen, ob an der Gesellschaft (mindestens) ein persönlicher haftender Gesellschafter mit Sitz im Ausland beteiligt ist. Ist dies der Fall, richtet sich die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nach den abweichenden Maßstäben des europäischen Rechts.
Weitere News zum Thema:
Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Patronatserklärung ausländischer Gesellschaften
Schadensersatz wegen Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung durch Klage vor US-Gericht
BGH: Incoterms entscheiden über Gerichtsstand
-
Italienische Bußgeldwelle trifft deutsche Autofahrer
2.943
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
2.041
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.654
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.5782
-
Diese Compliance-Regelungen gelten für Geschenke und Einladungen
1.381
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.380
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.340
-
Patronatserklärungen: Wirkung, Varianten und praktische Bedeutung
1.333
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.169
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.110
-
Rechtsunsicherheit für die Kundenanlage
17.12.2024
-
Die Verordnung über das Verbot von Produkten, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden
11.12.2024
-
Änderungen des Energiewirtschaftsrechts – Was kommt noch nach dem Ampel-Aus?
10.12.2024
-
Anteil der Zahlungen von Cyber-Versicherungen wegen Datenschutzverstößen steigt stetig
06.12.2024
-
Das Scraping-Urteil des BGH zum Facebook-Datenleck
04.12.2024
-
BGH begrenzt Zulässigkeit von Skonti auf verschreibungspflichtige Arzneimittel
03.12.2024
-
Microsoft Advertising haftet bei fehlender Einwilligung automatisch gesetzter Cookies
28.11.2024
-
Rückbeteiligung bei Unternehmensverkäufen: Chancen und Herausforderungen
26.11.2024
-
Diese Compliance-Regelungen gelten für Geschenke und Einladungen
25.11.2024
-
Risiko der Betriebsstättenbegründung durch mobiles Arbeiten im Ausland
18.11.2024