Schadensersatz wegen Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung

Die Klageerhebung vor einem US-Gericht kann einen vertraglichen, verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch in Höhe der zweckentsprechenden Rechtsverteidigungskosten begründen, sofern die Parteien einen ausschließlichen inländischen Gerichtsstand vereinbart hatten, das US-Gericht die Klage wegen Unzuständigkeit abgewiesen und entsprechend dem US-Prozessrecht keine Kostenerstattung angeordnet hat.

Hintergrund

Die Klägerin (amerikanisches Unternehmen) hatte die Beklagte (deutsches Unternehmen) vor einem US-Gericht verklagt, obwohl die Parteien zuvor vertraglich einen ausschließlichen Gerichtsstand in Bonn unter Anwendung des deutschen Rechts vereinbart hatten. Das US-Gericht wies die Klage wegen fehlender Zuständigkeit ab, ordnete jedoch aufgrund der im US-Prozessrecht geltenden sog. „American rule of costs“ keine Kostenerstattung der Rechtsanwaltskosten der Beklagten an, die sich auf 196.118,03 USD beliefen.

Das Urteil des BGH vom 17.10.2019, Az. III ZR 42/19

Die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands ist gemäß der Entscheidung des BGH dahingehend auszulegen, dass die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht einen Anspruch auf Schadensersatz begründe. In diesem Fall steht dem deutschen Unternehmen ein Schadensersatzanspruch in Höhe der Kosten seiner Rechtsverteidigung zu, da  das amerikanische Unternehmen eine unzulässige Klage vor einem US-Gericht erhoben hatte. Das US-Gericht hatte diese Klage zwar abgewiesen, jedoch dem deutschen Unternehmen keine Kostenerstattung zugesprochen. Dabei ist es unerheblich, ob die Gerichtsstandsvereinbarung in Form einer Allgemeinen Geschäftsbedingung oder einer Individualvereinbarung in das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien einbezogen worden ist.

Insbesondere mit der umfassenden Vereinbarung deutschen Rechts (Prozess- und materielles Recht), hätten die Parteien nicht nur ihr Interesse zum Ausdruck gebracht, Rechtssicherheit zu schaffen, Rechtsstreitigkeiten planbar und wirtschaftliche Prozessrisiken berechenbar zu machen. Sie erkennen damit außerdem die Grundsätze an, dass eine Verletzung vertraglicher Pflichten – und damit auch die pflichtwidrige Anrufung eines Gerichts – einen vertraglichen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB begründen kann, und eine in einem Zivilrechtsstreit unterliegende Partei der anderen Partei die zur Rechtsverteidigung erforderlichen Kosten zu erstatten hat.

Anmerkung

Bislang bestand lediglich Einigkeit, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung gerichtsstandsbegründend oder gerichtsstandsauschließend wirkt („prozessuale Wirkung“). Der BGH hat darüber hinaus jetzt erstmals einer Gerichtsstandsvereinbarung  eine materiell-rechtliche  Wirkung zugesprochen, d.h. beide Parteien sind auch vertraglich verpflichtet, sich an diese Vereinbarung zu halten und haften bei Verletzung dieser Pflicht auf Schadensersatz. Dies war bisher heftig umstritten und somit hat der BGH durch seine Entscheidung eine offene Rechtsfrage geklärt.

In der Praxis werden auf diese Weise inländische Gerichtsstandsvereinbarung gestärkt. Dies ist vor allem im internationalen Wirtschaftsverkehr für deutsche Unternehmen begrüßenswert. Die Parteien werden z.B. besser davor geschützt, dass trotz einer Gerichtsstandsvereinbarung versucht wird, vor einem Gericht zu klagen, bei dem höhere Schadensersatzansprüche erwartet werden (sog. „forum shopping“).  Bei Gerichtsverfahren in den USA gemäß dem Recht eines US-Bundesstaates drohen  zumeist deutlich höhere Rechtsverteidigungskosten und deutlich höhere Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche.

Daher ist es sehr empfehlenswert, bei den Vertragsverhandlungen deutsches Recht und einen Gerichtsstand in Deutschland oder als Kompromiss die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts zu vereinbaren, um Klagen vor US-Gerichten zu vermeiden.


Schlagworte zum Thema:  Gerichtsstand, Schadensersatz