Rn 100
Von der Insolvenzfähigkeit zu unterscheiden ist die Fähigkeit, Verfahrenshandlungen selbst oder durch selbst bestellte Vertreter wirksam vorzunehmen und entgegenzunehmen. Diese Verfahrensfähigkeit im Insolvenzverfahren richtet sich über die Verweisung in § 4 InsO nach den Vorschriften zur Prozessfähigkeit in §§ 51 ff. ZPO. Jeder Schuldner und Antragsteller muss mithin die Fähigkeit besitzen, selbst oder durch einen gesetzlichen Vertreter vor Gericht stehen zu können, das heißt auch, einen Eröffnungsantrag stellen zu können (§ 4 InsO, § 51 ZPO). Eine Person ist nur dann verfahrensfähig, wenn sie sich durch Verträge verpflichten kann (§ 52 ZPO).
Rn 101
Die Anknüpfung an die Geschäftsfähigkeit führt dazu, dass unter rechtlicher Betreuung stehende Personen grundsätzlich verfahrensfähig sind. Die Geschäftsfähigkeit wird durch die Betreuerbestellung nicht tangiert und richtet sich allein nach § 104 BGB. Nur wenn im Betreuungsbeschluss ausdrücklich ein sog. Einwilligungsvorbehalt gem. § 1903 BGB angeordnet worden ist, bedarf eine Willenserklärung des Betreuten zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen Zustimmung des Betreuers. Das Insolvenzgericht wäre daher regelmäßig in der misslichen Lage trotz der vorhandenen Betreuung die Geschäftsfähigkeit des betreuten Schuldners feststellen zu müssen. Wird aber der Schuldner bei der Antragstellung durch einen Betreuer vertreten, verliert er, unabhängig von seiner tatsächlich evtl. vorhandenen Geschäftsfähigkeit, seine Verfahrensfähigkeit (§ 4 InsO, § 53 ZPO). Dies gilt auch, wenn der Betreuer in ein laufendes Verfahren nachträglich eintritt. Die Verfahrensführung wird zur Vermeidung divergierenden Prozessverhaltens beim Betreuer monopolisiert. Soweit höchstpersönliche Erklärungen abzugeben sind, müssen sie grundsätzlich von dem in das Verfahren eingetretenen Betreuer abgeben werden. Allerdings muss sich das Gericht über eine persönliche Anhörung des Betreuten oder einen anderen geeigneten Weg zusätzlich ein Bild über dessen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit verschaffen, da ggf. auch der Betreute eine Erklärung nach den Grundsätzen des § 455 Abs. 2 ZPO abzugeben hat. Eine Anhörung des Schuldners ist nämlich in Betracht zu ziehen, wenn dies nach Würdigung aller Umstände, insbesondere auch der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Betreuten, den Umständen des Falls nach angemessen ist. Zur praktischen Vereinfachung empfiehlt es sich, darauf hinzuwirken, dass sowohl der Betreuer als auch der betreute Schuldner die geforderten höchstpersönlichen Erklärungen abgeben bzw. die entsprechenden Formulare gemeinsam unterzeichnen.
Rn 102
Der Betreuer muss zu einer wirksamen Vertretung des Betreuten über einen entsprechenden Aufgabenkreis verfügen. Dies kann das Gericht über eine Beiziehung der Betreuungsakte oder die Vorlage des Betreuungsbeschlusses prüfen. Für das Insolvenzverfahren kommen als Aufgabenkreise in Betracht: "Vermögenssorge", "Insolvenz" oder "Vertretung bei Gerichten und Behörden". Nicht ausreichend ist die bloße Zuweisung des Aufgabenkreises "Schuldenregulierung", da das Verbraucherinsolvenzverfahren mehr ist, als eine bloße Schuldenregulierung.
Rn 103
Da ein Eröffnungsantrag einem minderjährigen, beschränkt Geschäftsunfähigen nicht nur Vorteile bringen kann, benötigt er bei der Antragstellung die Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters (§§ 106, 107 BGB). Minderjährige werden regelmäßig durch die Eltern als Sorgeberechtigte vertreten (Personen- und Vermögenssorge: §§ 1626, 1629 Abs. 1 BGB) und erhalten einen gerichtlich bestellten Vormund, wenn eine elterliche Sorge fehlt oder wenn den Eltern das Vermögens- und Personensorgerecht entzogen ist (§ 1773 BGB). Der Vormund hat dann die Pflicht, nicht nur für die Person, sondern auch für das Vermögen des Mündels zu sorgen und dieses zu vertreten (§ 1793 BGB).
Rn 104
Das Insolvenzgericht hat gem. § 4 InsO, § 56 ZPO von Amts wegen die Verfahrensfähigkeit des Schuldners zu prüfen, dabei gilt nach umstrittener Ansicht des BGH der Amtsermittlungsgrundsatz. Darüber hinaus kann das Gericht bei Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit des Antragstellers, beim zuständigen Betreuungsgericht die Bestellung eines Betreuers anregen. Ist aus den vom Antragsteller vorgelegten Formularen und Anlagen erkennbar, dass eine gerichtlich angeordnete Betreuung bestehen könnte, sollte das Gericht beim Betreuungsgericht nachfragen und ggf. den Betreuer zum Eintreten in das Verfahren auffordern.