Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts ist zum 1.1.2023 in Kraft getreten
Die Neuregelungen wurden bereits mit dem "Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts" am 4.5.2021 vom Bundestag verabschiedete und am 12.05.2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.
- Die Reform widmet sich vielen, teilweise oft monierten Problempunkten in der Betreuung und Vormundschaft und soll überkommene Defizite im Umgang mit (Pflege-)Kindern und Betreuungsbedürftigen ausräumen.
- Außerdem soll aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen das Gebot größtmöglicher Selbstbestimmung besser als bisher umgesetzt werden.
Grundlegende Neustrukturierung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts
Das Gesetzespaket enthält umfassende Umbauten im Vormundschafts- und Betreuungsrecht vor: Mit der Reform wurden eine ganze Reihe von Gesetzen geändert, darunter
- das BGB,
- das EGBGB,
- das FamFG,
- die ZPO,
- das BtOG,
- das SGB
- und das RPflG.
Was ist neu im Betreuungsrecht?
Die Reform des Betreuungsrechts zielt auf eine Stärkung des Selbstbestimmungsrechts und der Autonomie unterstützungsbedürftiger Menschen.
Grundsatz der Erforderlichkeit einer Betreuungsanordnung
Die Reform betont die Umsetzung des Erforderlichkeitsgrundsatzes in der betreuungsrechtlichen Praxis. Dieser Grundsatz impliziert, dass eine Betreuung nur angeordnet werden darf, wenn sämtliche, einer Betreuungsanordnung vorgelagerten sozialrechtlichen Hilfen nicht mehr aussichtsreich sind, um den Betroffenen ausreichend zu versorgen, § 1814 Abs. 3 BGB - neu.
Mehr Selbstbestimmung für die Betroffenen
Das Selbstbestimmungsrecht von Betroffenen wird gestärkt, indem diese in sämtliche Stadien eines Betreuungsverfahrens eingebunden werden und ein Recht auf Information haben sowie ein Mitspracherecht bei der gerichtlichen Entscheidung über das Ob und Wie einer Betreuerbestellung, § 1816 BGB - neu. Die Betroffenen können nun auch bei der Auswahl des konkreten Betreuers ihre Vorstellungen einbringen und hierbei so weit wie möglich in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Gegen den freien Willen eines Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden, § 1814 Abs. 2 BGB.
Rechtlicher Vorrang der Wünsche der Betreuten
Mit der Normierung dieses Grundsatzes wird ein grundsätzlicher Vorrang der Wünsche des Betreuten als zentraler Maßstab des Betreuerhandelns und des Betreuungsrechts implementiert. Das Mittel der Stellvertretung darf der Betreuer nur dann einsetzen, wenn dies unbedingt erforderlich ist, weil der Betreute im konkreten Fall zu einer eigenen vernunftbestimmten Handlung nicht in der Lage ist, § 1821 BGB.
Bessere gerichtliche Kontrolle der Betreuer
Durch einen Ausbau der gerichtlichen Kontrolle - in der Regel durch den Rechtspfleger - können nun Pflichtwidrigkeiten des Betreuers, die das Selbstbestimmungsrecht des Betreuten beeinträchtigen, besser erkannt und gegebenenfalls auch sanktioniert werden. Hierdurch und durch spezielle Kriterien für die Auswahl eines konkreten Betreuers soll ein höherer Qualitätsstandard der Betreuung erreicht werden.
Neues Betreuungsorganisationsgesetz
Sämtliche öffentlich-rechtlich geprägten Vorschriften zu Betreuungsbehörden, Betreuungsvereinen sowie ehrenamtlichen und beruflichen Betreuern werden nun im Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) zusammengefasst. Damit werden einige bisher in verschiedenen Gesetzen verstreute Vorschriften sowie das Betreuungsbehördengesetz obsolet. Das neue BtOG regelt die Zuständigkeit der Betreuungsbehörden in den §§ 1 ff BtOG und verpflichtet diese gemäß § 8 BtOG zur Ausschöpfung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten, um die Anordnung einer Betreuung nach Möglichkeit zu vermeiden.
Stärkung der Rechtsstellung der Betreuungsvereine
Zur Verbesserung des Informations- und Kenntnisniveaus ehrenamtlicher Betreuer wurde die Möglichkeit einer Anbindung an einen anerkannten Betreuungsverein sowie eine Begleitung und Unterstützung durch diesen neu eingeführt, §§ 1818 ff BGB. Anerkannte Betreuungsvereine erhalten einen gesetzlichen Anspruch auf eine bedarfsgerechte finanzielle Ausstattung mit öffentlichen Mitteln zur Wahrnehmung der ihnen zugewiesenen Aufgaben, § 17 BtOG. Eine verlässliche öffentliche Förderung durch Länder und Kommunen soll für Betreuungsvereine die benötigte Planungssicherheit gewährleisten.
Neues Betreuerregister
Mit einem neu eingeführten formalen Registrierungsverfahren werden persönliche und fachliche Mindesteignungsvoraussetzungen für Berufsbetreuer eingeführt. Gemäß § 23 BtOG werden nur solche Betreuer im Betreuerregister registriert, die die erforderliche persönliche Eignung und Zuverlässigkeit sowie eine ausreichende Sachkunde für die Tätigkeit besitzen.
Änderungen im Vormundschaftsrecht
Das früher geltende Vormundschaftsrecht stammt in seinen Grundzügen aus dem Jahr 1896 und gilt als nicht mehr zeitgemäß.
Mündel im Zentrum des Vormundschaftsrechts
Im Vordergrund der früheren Regelungen standen vor allem die Vermögenssorge, während die Personensorge und die Rechte des Mündels eher eine Nebenrolle spielten. Dies wurde mit der Reform der §§ 1773 ff BGB nun grundlegend geändert und das Mündel als Subjekt und Träger von Rechten in den Vordergrund gerückt.
Hierzu wurden die verschiedenen Vormundschaftstypen zu einem Gesamtsystem zusammengefügt und es sind lediglich noch ehrenamtliche Vormünder vorrangig zu bestellen. Zwischen den übrigen Vormündern, also den beruflichen Vormündern einschließlich des Jugendamtes als Amtsvormund, besteht jetzt Gleichrangigkeit. Ähnlich wie in dem Betreuungsrecht enthält auch das Mündel nun mehr Mitspracherechte.
Vergütung von Vormund und Betreuer
Die Systematik der Vergütungsregeln wurde geändert. Unterschieden wird zwischen berufsmäßig und nicht berufsmäßig tätigen Vormündern und Betreuern. Im BGB werden jetzt nur die Ansprüche des nicht berufstätig tätigen Vormunds und des ehrenamtlichen Betreuers auf Vorschuss, Aufwendungsersatz und Aufwandsentschädigung sowie auf Ermessensvergütung (§§ 1835, 1835a, 1836, 1908 i BGB) geregelt.
Die Vergütungsansprüche der beruflich tätigen Vormünder und Betreuer einschließlich des Jugendamtes und der Betreuungsbehörde auf Aufwendungsersatz und Vergütung werden ausschließlich im Vormund- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG) gemeinsam geregelt, § 1875 Abs. 2 BGB. Neu hinzu gekommen sind die Vergütungsregeln für Vormundschafts- und Betreuungsvereine gemäß §§ 5, 13 VBVG.
Eherechtliches Notvertretungsrecht
Die Vertretungsmöglichkeiten des anderen Ehegatten in gesundheitlichen Notsituationen wurden deutlich erweitert. In Fällen, in denen ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder einer Krankheit vorübergehend nicht in der Lage ist, die Angelegenheiten seiner Gesundheitssorge zu regeln, erhält der andere Ehegatte ein auf drei Monate begrenztes gesetzliches Vertretungsrecht, § 1358 BGB. Dieses umfasst:
- die Einwilligung in Untersuchungen und Heilbehandlungen,
- die Einwilligung in ärztliche Eingriffe,
- den Abschluss von Behandlungs- und Krankenhausverträgen,
- den Abschluss von Verträgen über eilige Maßnahmen zur Rehabilitation
- sowie einige weitere dringliche Regelungsbefugnisse, § 1358 Abs. 1 Ziff. 1-4 BGB.
Dem Notvertreter gegenüber sind gemäß § 1358 Abs. 2 BGB die Ärzte für die Dauer des Notvertretungsrechts von der Schweigepflicht entbunden. Gemäß § 1358 Abs. 3 BGB besteht das Vertretungsrecht nicht bei getrenntlebenden Ehegatten oder wenn dem behandelnden Arzt bekannt ist, dass der vertretene Ehegatte eine Vertretung durch den anderen Ehegatten nicht wünscht oder er bereits eine andere Person zu seiner Vertretung bevollmächtigt hat oder eine gerichtliche Betreuung steht.
Stärkung der Rechte der Pflegeeltern bzw. des Kindesrechts gegenüber Elternrechten
Dabei geht es u. a. durch Änderung des § 1777 BGB darum, die möglicherweise über Jahre gewachsene Bindung der Kinder zu ihren Pflegeeltern nicht durch Bindungsabbrüche zu Lasten des Kindes zu gefährden. Das Recht des Kindes wird gegenüber dem Recht der leiblichen Eltern gestärkt und Pflegeeltern unter bestimmten Voraussetzungen eher die Vormundschaft eingeräumt.
Die Reform ist seit dem 1.1.2023 in Kraft
Bereits am 12.5.2021 wurde das Reformpaket im Bundesgesetzblatt verkündet. Um den Betroffenen eine Übergangszeit einzuräumen, in der sie sich fachlich und organisatorisch auf die Änderungen einstellen können, hat man zwischen Verkündung und In-Kraft-Treten der Reform einen fast zweijährigen Zeitraum eingeräumt.
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