Sittenwidrigkeit eines Testamentes zugunsten der Betreuerin
Anders als bei Mitarbeitern von Pflegeheimen in § 14 HeimG gibt es für Berufsbetreuer kein gesetzliches Verbot, teure Geschenk oder Aufmerksamkeiten von den Betreuten anzunehmen. Grundsätzlich ist es daher möglich, dass eine betreute Person ihre Betreuerin als Erbin einsetzt. Voraussetzung dafür ist jedoch stets,
- dass der Erblasser geschäfts- und testierfähig ist
- und sich das Testament nicht im Einzelfall als sittenwidrig erweist.
Betreuerin lässt sich als Erbin im Testament einsetzen
Das OLG Celle hatte sich mit einem Fall zu befassen, in welchem eine Berufsbetreuerin im Januar 2005 vom Amtsgericht für einen hilfebedürftigen, 85-jährigen Mann bestellt worden war, der einen schweren Schlaganfall erlitten hatte und unter erheblichen geistigen Defiziten litt. Der Mann hatte keine Verwandten und lebte in einem Pflegeheim. Einige Monate nach ihrer Bestellung begab sich die Betreuerin Anfang Mai 2005 mit dem Mann zu einer Notarin und ließ ein Testament beurkunden, in welchem sie selbst als Erbin eingesetzt wurde. Zusätzlich sollte eine Person miterben, die von der Betreuerin beauftragt worden war, mit dem Mann gelegentlich einkaufen oder spazierenzugehen.
Als der Mann verstorben war, teilte die Betreuerin sich mit dem Miterben den Nachlass. Das Amtsgericht bestellte jedoch einen Nachlasspfleger, der den Nachlass sichern sollte und daher die Herausgabe des Vermögens von der Betreuerin und dem Miterben verlangte.
Letztwillige Verfügung war mangels Testierfähigkeit und wegen Sittenwidrigkeit nichtig
Dagegen setzen sich die Betreuerin und der Miterbe erfolglos zur Wehr. Das mit der Sache befasste OLG Celle stellte zunächst fest, dass der bei Testamentserrichtung 85-jährige Mann aufgrund seiner erheblichen geistigen Defizite gar nicht mehr testierfähig gewesen ist und die letztwillige Verfügung daher nicht ohne Einfluss Dritter treffen konnte. Darüber hinaus hielt das Gericht das Testament für sittenwidrig, da die Betreuerin die Einsamkeit und Hilflosigkeit des Mannes zu ihrem Vorteil ausgenutzt hat.
Bis zur Bestellung als Betreuerin kannte sie den Mann überhaupt nicht. Schon einige Monate danach beauftragte sie selbst eine Notarin und begleitete den wohlhabenden Mann zur Beurkundung. Sie hat bewusst keine ärztliche Bescheinigung über seine Testierfähigkeit eingeholt und das Amtsgericht auch nicht über die Erbeinsetzung informiert. Die gesamten Umstände führen zur Sittenwidrigkeit des Testamentes.
Dass als Folge der Nichtigkeit des notariellen Testaments das Land Niedersachsen erben wird (§ 1936 S. 1 BGB), ändert an der Anwendung von § 138 BGB nichts.
(OLG Celle, Urteil v. 07.01.2021, 6 U 22/20).
Anmerkung: Die Entscheidung wird teilweise kritisiert (Litzenburger), weil das Gericht es zur Begründung der Unwirksamkeit nicht beim Mangel der Testierfähigkeit bewenden ließ, die Sittenwidrigkeit durch Einflussnahme aber nicht hinlänglich bewiesen sei.
Gegen ein pauschales gesetzliches Verbot erbrechtlicher Zuwendungen an Betreuer spricht, dass es sich dabei oft um nahe Familienangehörige handelt, die dadurch von der Erbfolge ausgeschlossen würden. Das wäre rechtspolitisch unerwünscht und aus aus verfassungsrechtlichen Gründen wohl unzulässig (Art. 6, 14 GG; vgl. dazu ausführlicher Dittrich ZEV 2013, 14, 17).
Hintergrund: Verfügungen des Betreuten zugunsten des Betreuers
Das BayObLG (Beschluss vom 18.12.1997, 1 Z BR 73/97) und das LG Hamburg (LG Hamburg, Urteil v. 17.02.2000, 301 T 264/99) kamen zu dem Ergebnis, § 14 HeimG sei auf eine Verfügung des Betreuten zugunsten des Betreuers nicht analog anzuwenden. Auch die Sittenwidrigkeit einer solchen Verfügung wurde vom BayObLG verneint.
Dies sieht – zumindest im Ergebnis – das OLG Braunschweig im Urteil vom 4.11.1999 – 2 U 29/99 – jedoch anders. Nach dessen Meinung kann eine Erbeinsetzung des Betreuers durch den Betreuten u.U. sittenwidrig sein. Es begründet dies mit den Grundsätzen des Betreuungsrechts und dass es das Gesetz als sittenwidrig missbillige, wenn ein Betreuer seine ihm gerichtlich verliehene Vertrauensstellung und seinen persönlichen Einfluss auf den Betreuten dazu benutzt, gezielt darauf hinzuwirken, dass der infolge seiner geistigen Behinderung leicht beeinflussbare Betreute ohne reifliche Überlegung über erhebliche Vermögenswerte zugunsten des Betreuers durch ein Testament vor einem Notar verfügt, wenn der Notar nicht von dem Betreuten, sondern von dem begünstigten Betreuer hinzugezogen wurde. Für den Vorwurf der Sittenwidrigkeit reiche es aus, dass sich der Betreuer, der durch die von ihm herbeigeführte letztwillige Verfügung bedacht ist, der Tatumstände bewusst ist, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt (Krug in: Krug/Rudolf/Kroiß/Bittler, Erbrecht).
Aus: Deutsches Anwalt Office Premium
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