OLG: Sittenwidirg: Testament zugunsten der Berufsbetreuerin

Nutzt ein Berufsbetreuer seine gerichtlich verliehene Stellung dazu aus, einen älteren, alleinstehenden und kranken Betreuten zu beeinflussen, ein Testament zu seinen Gunsten zu errichten, dann kann dies sittenwidrig und damit nichtig sein.

Anders als Angehörige hat ein gesetzlicher Berufsbetreuer regelmäßig keine persönliche Beziehung zu den von ihm betreuten Personen. Wird der Betreuer gleichwohl als Erbe von der betreuten Person eingesetzt, mutet dies von vornherein seltsam an. In einem vom OLG Celle entschiedenen Fall kamen weitere Umstände hinzu, die das vor einem Notar errichtete Testament nach § 138 BGB sittenwidrig machten.

Die Erblasserin war eine 92-jährige Frau, die aufgrund ihres schlechten gesundheitlichen Zustands wochenlang stationär im Krankenhaus behandelt wurde. Während des Krankenhausaufenthaltes verstarb die Tochter der Frau, die sich bis dahin um die Angelegenheiten ihrer Mutter gekümmert hatte. Da die Frau keine weiteren Angehörigen mehr hatte, bestellte das Amtsgericht nach dem Tod der Tochter eine Berufsbetreuerin. Diese beauftragte bereits nach wenigen Wochen einen Notar mit der Erstellung eines Testamentes, wonach die von ihr betreute ältere Dame sie als Alleinerbin einsetzen sollte. Das Testament wurde im Krankenhaus von dem Notar beurkundet, wobei der Wert des Vermögens der Erblasserin mit 350.000 EUR angegeben wurde. Kurz darauf wurde die Frau aus dem Krankenhaus entlassen und von der Berufsbetreuerin in ihrem Haushalt aufgenommen, wo sie wenige Tage später eines natürlichen Todes verstarb.

Der Antrag der Berufsbetreuerin auf Erteilung eines Erbscheins zu ihren Gunsten wurde vom Amtsgericht abgelehnt. Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde hatte die Berufsbetreuerin vor dem OLG Celle keinen Erfolg.

Sittenwidrigkeit des Testamentes

Das OLG stufte das notarielle Testament als sittenwidrig ein und bestätigte damit seine bisherige Rechtsprechung. Die Sittenwidrigkeit leitete der Senat aus folgenden Umständen ab:

  • das hohe Alter und die schlechte gesundheitliche Verfassung der Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung,
  • der Gemütszustand der Erblasserin aufgrund des Umstandes, dass ihre Tochter als einzige Angehörige kurz zuvor verstorben war,
  • der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Bestellung der Berufsbetreuerin und der Errichtung des Testamentes,
  • die Tatsache, dass der Notar von der Berufsbetreuerin beauftragt worden war und die Beurkundung im Krankenhaus stattfand.

Im Ergebnis ging die Berufsbetreuerin also leer aus. Auch die Tatsache, dass sie einen Notar beauftragt hatte und das Testament notariell beurkundet worden war, nutzte ihr nichts. Der beantragte Erbschein war – so das OLG – wegen der Sittenwidrigkeit des Testamentes zurecht nicht erteilt worden.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Einsetzung eines Berufsbetreuers als Erben stets sittenwidrig wäre. Zu berücksichtigen sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalls.

(OLG Celle, Beschluss v. 9.1.2024, 6 W 175/23)

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