Unwirksamkeit eines Testaments wegen mangelnder Bestimmtheit
Nach einer Entscheidung des OLG München ist ein Testament nichtig, wenn der Wortlaut so unbestimmt ist, dass die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt. Das OLG München stellte in seiner Entscheidung maßgeblich auf eine Auslegung der Begrifflichkeiten des Testaments unter Berücksichtigung der konkreten Umstände bei der Testamentserrichtung ab.
Wer mich pflegt und betreut soll Erbe werden
In dem vom OLG entschiedenen Beschwerdeverfahren ging es um die Erteilung eines Erbscheins auf der Grundlage eines von der Erblasserin ca. 10 Jahre vor ihrem Tod errichteten Testaments. Die handschriftlich von der Erblasserin errichtete letztwillige Verfügung enthielt die Bestimmung: „Die Person, die mich bis zu meinem Tod pflegt und betreut, soll mein gesamtes Vermögen bekommen!“ Im Anschluss nannte die Erblasserin in dem Testament den Namen der Person, von der sie zur Zeit der Errichtung des Testaments gepflegt und betreut wurde.
Beschwerde gegen Erbscheinerteilung beim OLG erfolgreich
Die in dem Testament von der Erblasserin namentlich genannte Pflegeperson hatte nach deren Tod die Erteilung eines auf sie lautenden Erbscheins beim zuständigen AG beantragt. Dieses stellte in einem Beschluss die Erteilung des beantragten Erbscheins in Aussicht. Der hiergegen seitens der Beschwerdeführerin eingelegten Beschwerde half das Beschwerdegericht nicht ab und legte die Akten dem OLG zur Entscheidung vor. Dieses gab der Beschwerde im Ergebnis statt.
Konkrete Benennung der begünstigten Person erforderlich
Nach Auffassung des OLG ist die Antragstellerin in dem von der Erblasserin 10 Jahre vor ihrem Tod errichteten Testament nicht wirksam zur Alleinerbin eingesetzt worden. Das OLG stellte dabei maßgeblich auf die Vorschrift des § 2065 Abs. 2 BGB ab. Danach darf die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, keinem anderen überlassen werden. Vor diesem Hintergrund war nach der Entscheidung des OLG die testamentarische Verfügung der Erblasserin daraufhin zu untersuchen, ob diese eine eindeutige Bestimmung über die Person enthielt, der das Erbe zufallen sollte.
Allein der Erblasserwille entscheidet über die Auslegung des Testaments
Das OLG stellte klar, dass es bei der Auslegung des Testaments gemäß §§ 2084, 133 BGB auf die Ermittlung des wirklichen Willens des Erblassers ankommt und nicht auf den im Testament buchstäblich verwendeten Ausdruck (BGH, Urteil v. 16. Juli 1997, IV ZR 356/96). Das Gericht müsse hinterfragen, was der Erblasser wollte, und zwar zunächst mithilfe der von ihm benutzten Worte und Begrifflichkeiten und in zweiter Linie unter Heranziehung und Bewertung der Gesamtumstände zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments (OLG München, Beschluss v. 5.4.2022, 33 U 1473/21).
Erblasserin von Antragstellerin zum Todeszeitpunkt nicht betreut
Im konkreten Fall konnte nach Auffassung des Senats allein aus der namentlichen Nennung der Antragstellerin im Testament noch keine Erbeinsetzung abgeleitet werden. Die Erblasserin habe in ihrem Testament die Antragstellerin lediglich beispielhaft benannt, weil diese zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments für die Betreuung und Pflege der Erblasserin zuständig gewesen sei. Im Verlauf der darauffolgenden 10 Jahre bis zum Tod der Erblasserin sei zweimal eine andere Betreuerin eingesetzt worden. Zum Zeitpunkt ihres Todes und auch in den Jahren davor sei die Erblasserin von der Antragstellerin nicht formal betreut worden.
„Pflegt und betreut“ zu unbestimmt
Der von der Erblasserin gewählte Wortlaut „pflegt und betreut“ lässt nach Auffassung des Senats auch nicht ohne weiteres erkennen, was die Erblasserin mit dieser Wortwahl genau gemeint hat. Der Begriff „betreut“ könne sich sowohl auf eine formale Betreuung als auch auf ein tatsächlich betreuendes Verhalten beziehen und als Synonym für die Pflege gebraucht worden sein. Auch der Begriff „pflegt“ sei nicht eindeutig und könne sich sowohl auf die körperliche Pflege als auch auf emotionale und psychische Zuwendung oder auf beides beziehen (BayObLG; Beschluss v. 27.11.1990, 1 a 76/88).
Zeitliche Komponente ist unklar
Beide Begriffe sind nach Auffassung des Senats auch in zeitlicher Hinsicht schwer zu fassen. Aus dem Testament sei nicht zu erkennen, ob eine Pflege und Betreuung nur in den letzten Wochen des Lebens der Erblasserin (möglicherweise eine reine Sterbebegleitung) für die Erbeinsetzung ausreicht oder ob eine Betreuung über mehrere Jahre stattgefunden haben müsse.
Tatsächlicher Erblasserwille nicht erkennbar
Im Ergebnis ist nach Auffassung des OLG der wahre Wille der Erblasserin aus dem Wortlaut des Testaments nicht hinreichend sicher feststellbar, um denjenigen als Erben zu identifizieren, den die Erblasserin als ihren Rechtsnachfolger einsetzen wollte. Auch außerhalb des Testaments liegende Umstände, die grundsätzlich zur Auslegung des Testaments herangezogen werden könnten (BGH, Urteil v. 22.10.1975, IV ZR 17/74; OLG Karlsruhe, Urteil v. 3.5.2007, 19 U 58/05), seien nicht erkennbar. Insbesondere seien keine Personen bekannt, die mit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments Kontakt gehabt hätten und die möglicherweise Angaben zum Inhalt des Testierwillens der Erblasserin hätten machen können.
Testament wegen Unbestimmtheit unwirksam
Das OLG kam daher zu dem Ergebnis, dass der Inhalt der testamentarischen Verfügung zu unbestimmt ist, um einen eindeutigen Willen der Erblasserin zu identifizieren. Demgemäß ist das Testament wegen mangelnder Bestimmtheit nach der Entscheidung des Senats als unwirksam einzustufen.
(OLG München, Beschluss v. 25.9.2023, 33 Wx 38/23e)
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