Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung eines privatschriftlichen Testaments, das der Erblasser mehr als 10 Jahre vor seinem Tod errichtet hat und das als Erben denjenigen bestimmt, der den Erblasser "bis zu meinem Tod pflegt und betreut" und gleichzeitig eine Person nennt, die dies gegenwärtig tut.
2. Ein Testament ist nichtig, wenn der Wortlaut der Verfügung so unbestimmt ist, dass die Auslegung ergebnislos bleiben muss (Anschluss an BayObLG, Beschluss vom 23.05.2001, 1 Z BR 10/01).
3. Auf einen "Mindestbedeutungsgehalt" der vom Erblasser verwendeten Begriffe kann nur dann abgestellt werden, wenn feststeht, dass Erblasser diese in eben jenem Sinne verwendet hat.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 2065
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 617 VI 14143/21) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts München - Nachlassgericht - vom 06.12.2022, Az. 617 VI 14143/21, aufgehoben.
2. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 vom xx.xx.2021 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die kinderlose und verwitwete Erblasserin ist am xx.xx.2021 in München verstorben. Ihr Ehemann ist im Jahre 1983 vorverstorben. Mit diesem hatte sie am xx.xx.1965 einen notariellen Erbvertrag errichtet, der gegenseitige Erbeinsetzungen für den ersten Erbfall vorsah und hinsichtlich der Erbeinsetzung für den zweiten Erbfall dem überlebenden Ehegatten das Recht zur vollständigen Abänderung einräumte.
Die Erblasserin errichtete am 01.04.2011 ein handschriftliches Testament folgenden Inhalts:
"Mein letzter Wille!
Die Person, die mich bis zu meinem Tode pflegt und betreut, soll mein gesamtes Vermögen bekommen!"
Zurzeit ist es : Frau xx. xx [= Beteiligte zu 1], wohnhaft ... Ich bin im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte.
[Unterschrift]
Das Nachlassgericht erließ am 06.12.2022 einen Beschluss, in dem es die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Beteiligten zu 1 ankündigte und die sofortige Wirksamkeit aussetze. Der dagegen seitens der Beschwerdeführerin eingelegten Beschwerde vom 11.01.2023 half das Nachlassgericht mit Beschluss vom 31.01.2023 nicht ab und legte die Akten dem Senat vor.
Mit richterlicher Verfügung vom 05.04.2023 hat der Senat die Akten des bezüglich der Erblasserin geführten Betreuungsverfahrens beigezogen. Soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung, ergaben sich daraus folgende Erkenntnisse:
Mit Beschluss vom 11.02.2014 wurde auf Wunsch der Erblasserin nicht nur die Beteiligte zu 1, sondern auch Frau D. P. als Betreuerin für die Erblasserin bestellt. Die Erblasserin hatte im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung zuvor erklärt, sie würde beide Damen mögen, sie seien sehr patent und anständig. Durch Beschluss des Amtsgerichts München - Betreuungsgericht - vom 13.07.2017 wurde eine weitere Betreuerin bestellt, die Betreuerin D. P. wurde auf eigenen Wunsch entlassen.
II. Die Beschwerde ist zulässig und auch im Ergebnis erfolgreich.
Der Senat teilt die Ansicht des Nachlassgerichts, dass keine Zweifel an der Urheberschaft der Erblasserin hinsichtlich des Testaments vom 01.04.2011 bestehen. Allerdings kann die Beteiligte zu 1 aus dem Testament keine Rechte herleiten, denn dieses Testament enthält keine Erbeinsetzung zu ihren Gunsten. Zwar wird die Beteiligte zu 1 in diesem Testament namentlich genannt, eine Erbeinsetzung ist damit aber nicht verbunden, denn die Erblasserin hat als Erbin gerade keine bestimmte Person eingesetzt (sogleich unter 1.). Vielmehr hat sie lediglich Voraussetzungen festgelegt, die ein Erbe erfüllen muss und festgehalten, dass die Beteiligten zu 1 diese Voraussetzungen derzeit erfüllt. Welche Voraussetzungen genau das sind, lässt sich jedoch nicht feststellen, so dass sich auch nicht feststellen lässt, welche Person diese Voraussetzungen erfüllt (sogleich unter 2.).
1. Die Beteiligte zu 1 wurde durch ihre namentliche Benennung im Testament vom 01.04.2011 nicht als Erbin eingesetzt. Die Namensnennung der Beteiligten zu 1 erfolgte in diesem Zusammenhang nur beispielhaft; als Rechtsnachfolgerin sollte sie jedenfalls nur dann bestimmt sein, wenn sie die von der Erblasserin genannten Voraussetzungen bzw. Bedingungen erfüllt. Das ergibt sich im Wege der Testamentsauslegung.
a) Bei der Testamentsauslegung gemäß § 133 BGB kommt es auf die Ermittlung des wirklichen Willens des Erblassers an, ohne am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (BGH, Urteil vom 16.07.1997, IV ZR 356/96, ZEV 1997, 376; MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, § 2084 Rn. 1; Burandt/Rojahn/Czubayko, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 2084 Rn. 9; Krätzschel in: Krätzschel/Falkner/Döbereiner, Nachlassrecht, 12. Aufl. 2022 § 9 Rn. 10; NK-Erbrecht/Fleindl/Kroiß, 6. Aufl. 2022, § 2084 Rn. 3).
Für die Entscheidung, ob eine Person als Erbe eingesetzt ist oder nicht, kommt es wesentlich darauf an, wer nach dem Willen des Erblassers den Nachlass zu regeln und die Nachlassschulden zu tilgen hat, sowie darauf, ob der Bedachte unmittelbar Rechte am Nachlass erwerben soll (BayObLG, Beschluss vom 09.12.1985, BReg. 1 Z 90/85, FamRZ 1986, 835).
Grundsätzlich ist bei nicht eindeuti...