Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 2
Grundsätzlich haben die Gläubiger im Insolvenzverfahren nach § 87 ihre Forderungen und Ansprüche nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren zu verfolgen. Lediglich für bestimmte Ausnahmefälle wird ein Bedürfnis für eine schnelle Klärung der betroffenen Rechtsverhältnisse anerkannt. Dies hat in § 86 Abs. 1 seinen Niederschlag gefunden.
Die Vorschrift spricht zunächst von Rechtsstreitigkeiten, die gegen den Schuldner anhängig sind. Auch hier ist ebenso wie bei § 85 die formale, prozessuale Parteirolle des Schuldners für die Beurteilung nicht entscheidend. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Rechtsstreit ein Recht betrifft, das, wenn es besteht, in der Insolvenz zur Aussonderung (§ 47) oder zu abgesonderter Befriedigung (§§ 49 ff.) berechtigt oder eine Masseverbindlichkeit (§§ 53 ff.) darstellt, also ein Recht, das zur Minderung der für die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehenden Teilungsmasse führen würde, sog. Teilungsmassegegenstreit im Gegensatz zum unter Rn. 1 dargestellten Schuldenmassestreit.
Rn 3
Weitere Voraussetzung ist, dass der Rechtsstreit zur Zeit der Verfahrenseröffnung gegen den Schuldner anhängig ist. Hierzu ist wiederum unabhängig von einer Zustellung bzw. vom Eintritt der Rechtskraft auf den in § 27 Abs. 2 Nr. 3 bzw. Abs. 3 geregelten Zeitpunkt abzustellen.
Rn 4
Weiter enthält Abs. 1 eine abschließende Aufzählung der Streitgegenstände, bei denen Aufnahme sowohl durch den Verwalter als auch durch den Prozessgegner in Betracht kommt. Aufnahmefähig sind danach zunächst Rechtsstreitigkeiten, die die Aussonderung eines Gegenstands oder Rechts nach § 47 i.V.m. den allgemeinen Vorschriften betreffen. Darunter fallen z.B. gegen den späteren Insolvenzschuldner gerichtete Klagen auf Herausgabe einer Sache nach §§ 985, 546 oder 695 Satz 1 BGB, auf Feststellung, dass das Eigentum an einer Sache oder eine gegen einen Dritten gerichtete Forderung dem Kläger (und nicht dem Insolvenzschuldner) zusteht (anders aber bei Klagen aufgrund einer Sicherungsübereignung oder Sicherungszession, § 51 Nr. 1), sowie Klagen auf Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB) oder auf Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs (§ 899 BGB). Rechtsstreitigkeiten, in denen der (spätere) Insolvenzschuldner auf Unterlassung in Anspruch genommen wurde, fallen unter § 86 nicht nur dann, wenn der Insolvenzschuldner bzw. der Verwalter sich gegen die Klage mit einem für die Masse in Anspruch genommenen Recht, etwa dem Eigentum oder einem Patentrecht, verteidigt, das auch der Kläger für sich reklamiert und auf das dieser sein Unterlassungsbegehren stützt. Vielmehr richtet sich die Aufnahme eines gegen den Insolvenzschuldner anhängigen Unterlassungsrechtsstreits immer schon dann nach § 86 Abs. 1, wenn der Unterlassungskläger mit seiner Klage ein (im Fall seines Bestehens) aussonderungsfähiges Recht, z.B. auch ein beschränktes dingliches Recht, verteidigt. Nicht zu folgen ist dagegen der (früheren) höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der ein Aktivprozess i.S. des § 85 (früher § 10 KO) vorliegt, wenn sich die Unterlassungsklage gegen den Gewerbebetrieb des nachmaligen Insolvenzschuldners richtet. Denn für die Frage, ob ein Aktivprozess oder ein Passivprozess gegeben ist, ob also zunächst nur der Insolvenzverwalter den unterbrochenen Prozess aufnehmen kann (§ 85) oder ob auch der Prozessgegner sofort eine gleiche Aufnahmeberechtigung hat (§ 86 Abs. 1), kann es nur auf das vom Prozessgegner zu schützende Recht ankommen, nicht auf das Recht oder Rechtsgut, mit dem sich der Insolvenzschuldner verteidigt oder das von einem Erfolg der Unterlassungsklage negativ betroffen wäre. Bei einer Unterlassungsklage, mit der der Kläger nicht ein aussonderungsfähiges Recht verteidigt, sondern z.B. das Unterbleiben unlauteren Wettbewerbs seitens des insolvenzschuldnerischen Unternehmens begehrt (§ 8 UWG), ist § 86 zumindest entsprechend anwendbar. Ein vertraglicher Unterlassungsanspruch gegen den Insolvenzschuldner, der nicht dinglich (etwa durch eine Dienstbarkeit, §§ 1018, 1090 BGB) abgesichert ist, bindet den Insolvenzverwalter nur, wenn er Erfüllung des zugrunde liegenden Vertrags gewählt hat (§ 103 Abs. 1) oder wenn dieser nach § 108 mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbesteht (§ 55 Abs. 1 Nr. 2). Die Aufnahme des Verfahrens richtet sich dann nach § 86 Abs. 1 Nr. 3.
Hinsichtlich des Insolvenzanfechtungsanspruchs (§ 143) hat entgegen der früher h.M. inzwischen zu Recht die Ansicht die Oberhand gewonnen, dass dieser in der Insolvenz des Anfechtungsgegners nicht lediglich eine Insolvenzforderung darstellt, sondern zur Aussonderung berechtigt. Denn die Insolvenzanfechtung soll die anfechtbare Rechtshandlung ungeschehen machen, zwar nicht gegenüber allen Personen und in allen Wirkungen (so die inzwischen nicht mehr vertretene dingliche Theorie), wohl aber insoweit, als die Haftungsinteressen der Gläubiger des Insolvenzschuldners dies erheischen. Es ist nicht gerechtfertigt, im F...