Gesetzestext

 

(1) Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Käufer einer Sache läßt die Rechte des Verkäufers aus einem Eigentumsvorbehalt unberührt, wenn sich diese Sache zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem der Verfahrenseröffnung befindet.

(2) Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Verkäufer einer Sache nach deren Lieferung rechtfertigt nicht die Auflösung oder Beendigung des Kaufvertrags und steht dem Eigentumserwerb des Käufers nicht entgegen, wenn sich diese Sache zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem der Verfahrenseröffnung befindet.

(3) Die Absätze 1 und 2 stehen der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit einer Rechtshandlung nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m) nicht entgegen.

1. Insolvenz des Käufers (Art. 7 Abs. 1)

 

Rn 1

Art. 7 differenziert zwischen der Insolvenz des Käufers (Abs. 1) und der Insolvenz des Verkäufers (Abs. 2).

 

Rn 2

Gemäß Art. 7 Abs. 1 bleiben die Rechte des Vorbehaltsverkäufers von der Insolvenz des Käufers unberührt, auch wenn sich die Sache in einem anderen Mitgliedstaat befindet.[1] Ein in einem anderen Mitgliedstaat wirksam begründeter Eigentumsvorbehalt ist daher insolvenzfest und muss vom Insolvenzverwalter, auch wenn er nach der lex fori concursus unwirksam wäre, anerkannt werden.

 

Rn 3

Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung. Dann muss sich die Sache in einem anderen Mitgliedstaat befunden haben. Art. 7 Abs. 1 kommt nicht zur Anwendung, wenn die Sache nach Verfahrenseröffnung in einen anderen Mitgliedstaat verbracht wird.[2]

 

Rn 4

Beim Eigentumsvorbehalt im internationalen Rechtsverkehr ist zu beachten, dass nach deutschem IPR beim Eigentumsvorbehalt gemäss Art. 43 EGBGB die lex rei sitae (Recht des Lageortes) gilt. Dieses Belegenheitsrecht gilt u.a. für Entstehung, Übertragung und Untergang des Eigentums, für die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit des Eigentumsvorbehalts und für die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs durch Dritte.[3]

 

Rn 5

Berücksichtigt werden muss dabei, dass in anderen Mitgliedstaaten der Schutz des Eigentumsvorbehalts nicht so weitgehend ist wie in Deutschland.[4] Vereinfacht lässt sich sagen, dass der einfache Eigentumsvorbehalt meistens (z.B. in Belgien, England, Frankreich, Niederlande, Österreich und Spanien) anerkannt ist.[5] Eingeschränkt gilt dies auch beim verlängerten Eigentumsvorbehalt unter Vorausabtretung der Kaufpreisforderung gegenüber dem Zweitkäufer.[6] In Belgien ist allerdings beispielsweise der verlängerte Eigentumsvorbehalt unter Abtretung der zukünftigen Kaufpreisforderungen des Importeurs gegen seine Kunden in der Regel unwirksam.[7] Ein erweiterter Eigentumsvorbehalt oder Eigentumsvorbehalt mit Verarbeitungsklausel sind in den EU-Staaten häufig nicht durchsetzbar (zum Beispiel in Belgien und den Niederlanden).[8] Sie kommen daher als Sicherungsmittel für den deutschen Exporteur nur eingeschränkt in Betracht.

[1] Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 35. Vgl. im deutschen Recht die Regelung des § 107 InsO.
[2] Fritz/Bähr, DZWiR 2001, 221 (228); Huber ZZP 114 (2001), 133 (160).
[3] Lehr, KTS 2000, 577 (580).
[4] Vgl. Stumpf, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung im Ausland.
[5] Lehr, KTS 2000, 577 (580); Lehr, RIW 2000, 747 ff.
[6] In diesem Fall ist in vielen EU-Staaten die vorherige Kaufpreisabtretung rechtlich zulässig. Lehr, KTS 2000, 577 (581).
[7] Lehr, RIW 2000, 747 (749).
[8] Lehr, KTS 2000, 577 (581); Lehr, RIW 2000, 747 ff.

2. Insolvenz des Verkäufers (Art. 7 Abs. 2)

 

Rn 6

Nach Art. 7 Abs. 2 hindert die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verkäufers den Eigentumserwerb des Käufers nicht, wenn dieser den Restkaufpreis bezahlt.[9]

 

Rn 7

Soweit der Verkäufer insolvent ist, regelt die Verordnung, dass die Verkäuferinsolvenz nicht die Auflösung oder die Beendigung des Kaufvertrages bedeutet. Grundsätzlich ist das Anwartschaftsrecht aus dem Eigentumsvorbehalt daher insolvenzfest. Soweit der Käufer weiter die Raten an den Insolvenzverwalter zahlt, erwirbt er das Volleigentum an dem Gegenstand. Voraussetzung ist allerdings, dass dieser Erwerb mit dem jeweiligen nationalen Recht und den Besonderheiten übereinstimmt.[10] Der Verkäufer darf dann auch die Erfüllung nicht ablehnen.[11]

[9] Entsprechende Vorschrift: § 107 Abs. 1 InsO.
[10] Vgl. dazu: Lehr, RIW 2000, 747 (749.).
[11] Balz, ZIP 1996, 948 (950).

3. Vorbehalt bei Gläubigerbenachteiligung (Art. 7 Abs. 3)

 

Rn 8

Ähnlich wie in Art. 5 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 2 ist auch für die Fälle des Eigentumsvorbehalts in Art. 7 Abs. 3 vorgesehen, dass gegen die Eigentumsvorbehalte die Nichtigkeit, die Anfechtbarkeit oder die relative Unwirksamkeit gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. m auf dem Klagewege geltend gemacht werden kann.

4. Aufsatzliteratur

 

Rn 9

Lehr, Eigentumsvorbehalt als Sicherungsmittel im Exportgeschäft, RIW 2000, 747

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