Verfahrensgang
LG Cottbus (Urteil vom 22.05.1998; Aktenzeichen 2 O 576/97) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 22. Mai 1998 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 13.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheiten dürfen auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik ansässigen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Der klagende Gesamtvollstreckungsverwalter verlangt im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückgewähr eines vom Finanzamt Calau gepfändeten und eingezogenen Betrages von 151.317,43 DM.
Die (spätere) Schuldnerin, ein Bauunternehmen in S., hatte Umsatzsteuer und Lohnsteuer (nebst Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag, abzüglich ausgezahlten Kindergeldes) an das Finanzamt Calau des beklagten Landes abzuführen. Ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Aufstellung für 1996 (Bl. 24 und 25 d. A.) wurden die angemeldeten Umsatzsteuerbeträge bis einschließlich August, die Lohnsteuerbeträge bis einschließlich November bezahlt. Die letzte der Zahlungen erfolgte am 28. Januar 1997 mit 101.463,50 DM auf die Lohnsteuer für November 1996.
Wegen offener Säumniszuschläge auf die verspätete Lohnsteuerabführung für August 1996 (Bl. 23 d. A.) erließ das Finanzamt am 09. Dezember 1996 eine Pfändung- und Einziehungsverfügung über 924,00 DM (Bl. 22 d. A.); insoweit erfolgte eine Pfändung des Geschäftskontos der (späteren) Schuldnerin bei der Sparkasse N.
Den Stundungsantrag der (späteren) Schuldnerin vom 14. Januar 1997 (Bf. 59 d. A.) wegen der offenen Umsatzsteuer für November 1996 lehnte das Finanzamt mit Schreiben vom 29. Januar 1997 ab (Bl. 51 d. A.).
Mit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 04. Februar 1997 (Bl. 21 d. A.) vollstreckte das Finanzamt wegen einer Abgabenschuld von insgesamt 333.317,43 DM wiederum in das Geschäftskonto. Im einzelnen handelte es sich um:
Umsatzsteuer September 1996 |
150.627,34 DM |
Umsatzsteuer Oktober 1996 |
171.176,59 DM |
Säumniszuschläge |
9.950,00 DM |
Kosten und Auslagen |
1.563,50 DM |
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333.317,43 DM |
Im Wege dieser Kontenpfändung erhielt das Finanzamt am 10. Februar 1997 von der Drittschuldnerin, der Sparkasse, 151.317,43 DM.
Am 26. Februar 1997 beantragte einer der Geschäftsführer der Schuldnerin die Eröffnung der Gesamtvollstreckung (Bl. 103 d. A.):
Die Gesellschaft sei illiquide, insbesondere seien Löhne und Gehälter für Dezember 1996 sowie Januar und Februar 1997 nicht gezahlt; ebenso wenig könnten andere Verbindlichkeiten von über 7,7 Mio DM ausgeglichen werden. Mit Beschluß vom 25. April 1997 (Bl. 4 d. A.) wurde die Gesamtvollstreckung durch das Amtsgericht Cottbus eröffnet und der Kläger zum Verwalter bestellt.
Mit der am 18. Dezember 1997 zugestellten Klage hat der Kläger die Pfändung und Einziehung des erwähnten Betrages von 151.317,43 DM angefochten und die Ansicht vertreten, im Hinblick auf entsprechende Regelungen in der Konkursordnung und der Insolvenzordnung sei nicht nur eine Rechtshandlung des Schuldners, sondern auch eine solche des Gläubigers anfechtbar, falls sie nach der Zahlungseinstellung vorgenommen wurde und dem Gläubiger zur Zeit des Vollstreckungszugriffes die Zahlungsunfähigkeit bekannt war oder den Umständen nach bekannt sein mußte. Er hat behauptet, die Schuldnerin sei bereits Anfang Februar 1997 zahlungsunfähig gewesen. Dies habe das Finanzamt Calau auch gewußt oder mindestens erkennen müssen, und zwar aufgrund der ersten Kontopfändung vom 09. Dezember 1996, wegen der schon seit Oktober 1996 immer wieder verspäteten – und angemahnten – Abgabenzahlungen und schließlich aufgrund des abgelehnten Stundungsantrages vom 14. Januar 1997.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 151.317,43 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist den Rechtsansichten des Klägers entgegengetreten und hat darauf verwiesen, daß nach § 10 Abs. 1 GesO nur Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar sind. Dem Finanzamt sei lediglich bekannt gewesen, daß verschiedene Steuerbeträge verspätet abgeführt wurden. Den Rückschluß auf das Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit habe dies aber nicht gerechtfertigt zumal die erste Kontenpfändung nur wegen eines geringfügigen Betrages erfolgte und die Schuldnerin am 28. Januar 1997 in der Lage war, 101.463,50 DM (Lohnsteuer November 1996) zu zahlen. Man sei daher nur von einer vorübergehenden Zahlungsstockung ausgegangen.
Mit dem am 22. Mai 1998 verkündeten Urteil (Bl. 62 bis 64 d. A.) hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, nach § 10 Abs. 1 GesO seien nur Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar. Eine solche Rechtshandlung liege nicht vor. Angesichts des klaren Gesetzeswortlautes komme eine Erstreckung der Anfechtung...