Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde. keine schlüssige Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfragen. Auseinandersetzung mit bisheriger Rechtsprechung. ausnahmsweise Weiteranwendbarkeit gesetzes- oder verfassungswidriger Satzungsvorschriften
Orientierungssatz
Zur Unzulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde gem §§ 160 Abs 2 Nr 1, 160a Abs 2 S 3 SGG, wenn die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht schlüssig dargelegt worden bzw keine Auseinandersetzung mit der dazu bisher ergangenen Rechtsprechung erfolgt ist (hier: Frage der Anwendbarkeit einer gesetzes- oder verfassungswidrigen Satzungsregelung).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 27.03.2007; Aktenzeichen L 3 U 121/06) |
SG Koblenz (Entscheidung vom 27.03.2003; Aktenzeichen S 7 U 240/00) |
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1, § 169 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) . Die Klägerin hat den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nicht in der gebotenen Weise dargelegt ( § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie geeignet ist, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Dass und warum dies der Fall ist, muss sich aus der Beschwerdebegründung ergeben. Den Darlegungserfordernissen für eine Grundsatzrevision ist daher nur dann genügt, wenn eine abstrakte Rechtsfrage klar formuliert und ausgeführt wird, dass diese von allgemeiner Bedeutung, klärungsbedürftig und klärungsfähig ist. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 11 RdNr 19 und Nr 9 RdNr 4, jeweils mwN). Die Rechtsfrage darf sich nicht auf den Einzelfall in dem Sinne beschränken, ob das LSG richtig entschieden hat ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 ). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
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Die Klägerin hat zwar folgende Rechtsfragen formuliert, denen sie eine grundsätzliche Bedeutung beimisst: |
"Besteht tatsächlich eine Kompetenz der Fachgerichte, Übergangsregelungen zu treffen, insbesondere erkanntermaßen gesetzeswidrige untergesetzliche Normen, wie Satzungsbestimmungen und Normsetzungsbeschlüsse, in Bezug auf in der Vergangenheit liegende Zeitabschnitte für unbefristete Zeit weiter anzuwenden, und dies namentlich auch dann, wenn erkennbar ist, daß der gesetzeswidrige Zustand nicht mit Wirkung für die betreffenden Vergangenheitszeiträume behoben werden wird?" |
"Kann der Begriff des "Unternehmens der Forstwirtschaft" (§ 123 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) dergestalt als unwiderlegliche Vermutung verstanden werden, daß auch die dauerhafte und nachweisliche Untätigkeit des Eigentümers eines Waldgrundstücks als unternehmerische Betätigung für die Beurteilung als Unternehmen unbeachtlich ist? Insbesondere: Wird die Unternehmereigenschaft (§ 123 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) des Eigentümers eines Waldgrundstücks dann unwiderleglich vermutet, wenn das Grundstück über Generationen hinweg weder bewirtschaftet noch anderweitig (z.B. als Urwald) genutzt worden sind, und eine Bewirtschaftung oder anderweitige Nutzung auch in der Zukunft weder vorgesehen noch wirtschaftlich sinnvoll ist?" |
"Ist es mit den Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG vereinbar, Unfallversicherungsbeiträge zu erheben, die nicht an eine unternehmerische Betätigung, sondern an völlige Passivität eines Grundstücksinhabers und die bloße Fiktion einer unternehmerischen Betätigung anknüpfen, und die den Wert eines - nicht wirtschaftlich nutzbaren - Grundstücks innerhalb überschaubarer Zeit auffressen, und der Eigentümer dem nur durch eine Aufgabe der unmittelbaren Sachherrschaft ausweichen kann?" |
Sie hat es aber versäumt, deren Klärungsbedürftigkeit schlüssig darzulegen.
Die Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich geklärt ist ( BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 1 ). Zu ihrer Darlegung bedarf es regelmäßig einer Aufarbeitung der rechtlichen Problematik und einer Auseinandersetzung mit bereits vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung, damit beurteilt werden kann, in welchem Zusammenhang sich die Rechtsfrage stellt und welche Rechtsgrundsätze mit Blick auf das anhängige Verfahren einer Weiterentwicklung oder Präzisierung durch das Revisionsgericht bedürfen ( BSG Beschluss vom 3.4.2008 - B 2 U 355/06 B ). Das ist hier nicht geschehen.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 7.12.2004 ( B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1; die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung angenommen worden - BVerfG Beschluss vom 22.11.2005, 1 BvR 1216/05) ausgeführt, dass gesetzes- oder verfassungswidrige Vorschriften einer Satzung ausnahmsweise weiter anzuwenden sind, wenn die Besonderheit der betreffenden Vorschrift es notwendig macht, sie als Regelung für eine Übergangszeit fortbestehen zu lassen, damit in dieser Zeit nicht ein Zustand eintritt, der von der gesetzes- und verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige und jedenfalls dann, wenn das zuständige Revisionsgericht die beanstandete Praxis in der Vergangenheit als gesetzeskonform bewertet hatte und seine Rechtsprechung ohne Vorankündigung ändert, der Verwaltung Gelegenheit zu geben ist, ihr Satzungsrecht der bestehenden Rechtslage anzupassen. Die Klägerin benennt zwar diese Entscheidung und zitiert aus ihr. Dem Beschwerdevorbringen ist indes nicht zu entnehmen, weshalb die zuerst gestellte Rechtsfrage nach der Kompetenz, gesetzeswidrige Satzungsbestimmungen weiter anzuwenden, durch die aufgezeigte Rechtsprechung des Senats nicht geklärt sein soll. Mit dem Urteil vom 7.12.2004 ist über die Berechtigung zur Beitragserhebung hinsichtlich eines in der Vergangenheit liegenden Beitragszeitraums entschieden worden.
Darüber hinaus ist der Senat in der bezeichneten Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass wegen der die Forstwirtschaft prägenden langen Bewirtschaftungszeiträume die - widerlegbare - Vermutung besteht, dass bei Nutzungsrechten an forstwirtschaftlichen Flächen auch bei im Einzelfall fehlenden konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen eine forstwirtschaftliche Tätigkeit und damit die Eigenschaft des Nutzungsberechtigten als forstwirtschaftlicher Unternehmer gegeben ist, sowie aus Gründen der Praktikabilität und Nachprüfbarkeit daran festgehalten wird, dass die an den Besitz eines Waldgrundstücks anknüpfende Vermutung der forstwirtschaftlichen Betätigung nur dadurch widerlegt werden kann, dass eine Nutzung der forstwirtschaftlichen Fläche zu anderen Zwecken als der periodischen Gewinnung von Forsterzeugnissen nachgewiesen wird. Auch damit hat sich die Klägerin nicht hinreichend auseinander gesetzt. Bezüglich der zweiten von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage hat sie es unterlassen, den Inhalt des Urteils vom 7.12.2004 ( aaO ) im Hinblick darauf zu untersuchen, dass abweichend von der formulierten Frage und entgegen ihrem Vortrag ausdrücklich von einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung ausgegangen wird. Gleiches gilt für die dritte Rechtsfrage. Auch insoweit geht die Klägerin von ihrer Ansicht aus, der Senat habe in seiner dargestellten Rechtsprechung für „Kleinwaldbesitzer„ eine unwiderlegliche Vermutung aufgestellt.
Schließlich hat die Klägerin nicht schlüssig dargetan, dass zumindest eine der aufgeworfenen Rechtsfragen erneut klärungsbedürftig geworden sein könnte. Sie hat weder neue eigene Gesichtspunkte aufgezeigt noch vorgetragen, dass der Rechtsprechung des Senats in nicht geringfügigem Umfang mit nicht von vornherein abwegigen Einwänden entgegengetreten worden wäre ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 ). Letztlich macht die Klägerin im Kern geltend, die bisherige Rechtsprechung zum Begriff des forstwirtschaftlichen Unternehmens sei im Hinblick auf sogenannte Kleinwaldbesitzer unzutreffend und deswegen habe auch das LSG im vorliegenden Falle unzutreffend entschieden. Dies kann indes nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen. Dass das LSG nach Ansicht der Klägerin ggf weitere Beweise hätte erheben müssen, begründet ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG in der bis zum Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17.8.2001 ( BGBl I 2144 ) am 2.1.2002 geltenden Fassung, weil die Klage vorher erhoben wurde ( BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 ).
Fundstellen