Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 31.08.1999) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. August 1999 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) gerichtete und auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gestützte Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, daß der Zulassungsgrund schlüssig dargetan wird (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Dies schließt aus, daß der Senat – wie die Klägerin meint – ihr Hinweise zur Ergänzung ihrer Beschwerdebegründung gibt. Den genannten Anforderungen an die Begründung hat die Klägerin nicht hinreichend Rechnung getragen.
Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Klägerin die Frage auf, ob schwere Schädel-Hirn-Verletzungen eine unmittelbare Auswirkung auf einen Herztod haben können. Die Frage betreffe einen größeren Personenkreis, der dem Risiko tätlicher Angriffe im besonderen Maße ausgesetzt sei.
Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargetan. Entsprechend den Voraussetzungen für das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNrn 56 ff) ist hierfür zunächst darzulegen, welcher konkreten abstrakten Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung beigemessen wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 11). Denn die Zulassung der Revision erfolgt zur Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen und nicht zur weiteren Entscheidung des Rechtsstreits. Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die begehrte Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG prüfen zu können (Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 181). Sodann ist darzulegen, daß und inwiefern zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Die grundsätzliche Bedeutung ist nur dann anzunehmen, wenn die vom Beschwerdeführer für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits klärungsbedürftig, klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich ist (BSG SozR 1500 § 160 Nrn 53 und 54; Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 63 mwN). Es muß also eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht – ausreichend – geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17). Demgemäß muß der Beschwerdeführer, der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schlüssig darzulegen hat, aufzeigen, inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNrn 65, 66; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 116 ff).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Frage, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen schweren Schädel-Hirn-Verletzungen und einem Herztod bestehen kann, stellt keine abstrakte Rechtsfrage dar. Denn sie hat nicht Fragen der Auslegung des anzuwendenden Rechts zum Gegenstand, sondern bezieht sich auf die vom Tatsachengericht anzustellende Beweiswürdigung bei der Feststellung des Kausalzusammenhangs, ob der Tod des Ehemanns der Klägerin auf die hierfür verantwortlich gemachte Kopfverletzung zurückzuführen ist. Das Ausmaß der Ermittlungen und insbesondere auch die Wahl der Beweismittel sind nach der ständigen Rechtsprechung des BSG in das pflichtgemäße Ermessen der Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit gestellt (stellvertretend BSGE 30, 192, 205). Diese haben das Gesamtergebnis des Verfahrens in freier Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) nach der Überzeugungskraft der einzelnen Beweismittel unter Abwägung aller Umstände zu würdigen, ohne daß einzelnen Beweismitteln von vornherein ein höherer Beweiswert zukommt (s etwa BSG SozR Nr 34 zu § 128 SGG und Nr 22 zu § 109 SGG; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, § 128 RdNr 4a).
Auch soweit die Klägerin geltend macht, in ein und derselben Sache seien zwei gegensätzliche Urteile ergangen, hat sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht aufgezeigt. Sie trägt in diesem Zusammenhang vor, daß einerseits die 28. Kammer des Sozialgerichts München durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 18. September 1990 den Freistaat Bayern verurteilt habe, den Tod ihres Ehemannes, der bei seiner beruflichen Tätigkeit einen Raubüberfall erlitten habe, als entschädigungspflichtige Gewalttat iS des Opferentschädigungsgesetzes anzuerkennen, und daß andererseits das LSG die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt habe, weil der Tod ihres Ehemannes nicht durch die Gewalttat verursacht worden sei.
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin damit überhaupt eine abstrakte Rechtsfrage formuliert hat. Jedenfalls hat sie die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht hinreichend dargelegt; denn sie hat sich weder mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, noch mit der damit zusammenhängenden Rechtsprechung des BSG auseinandergesetzt.
Ob ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit an die Entscheidung eines anderen Gerichts gebunden ist, hängt in erster Linie von der materiellen Rechtskraft dieser Entscheidung ab. Insoweit binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten in dem betreffenden Verfahren und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand (vgl hierzu ua BSGE 35, 228, 231; Bundesverwaltungsgericht Buchholz 412.3 § 18 BVFG Nr 13; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl § 95 RdNr 4 sowie § 141 RdNr 8) entschieden ist. Nicht von der Rechtskraft erfaßt werden daher materiell-rechtliche Vorfragen; diese können in späteren Verfahren anders entschieden werden (vgl Meyer-Ladewig, aaO § 141 RdNr 7b mwN). Darüber hinaus kann in seltenen Fällen eine Bindung von nicht an dem Rechtsstreit beteiligten Personen, Leistungsträgern oder Behörden an eine Gerichtsentscheidung durch Tatbestandswirkung (vgl ua BSG SozR 3-2200 § 182 Nr 17 mwN) oder Reflexwirkung (vgl ua BSG SozR 3-4100 § 141a Nr 1) herbeigeführt werden.
Die Klägerin hat hierzu in ihrer Beschwerdebegründung keine rechtlichen Erwägungen angestellt. Sie ist weder auf die naheliegende Frage der materiellen Rechtskraft, noch auf etwaige weitergehende Auswirkungen einer Gerichtsentscheidung eingegangen und hat von den hierzu ergangenen Entscheidungen des BSG keine einzige erwähnt.
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen