Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Rente wegen Todes. Witwenrente. widerlegbare Vermutung. Versorgungsehe. kurze Ehedauer. Versorgungsabsicht. sozialgerichtliches Verfahren

 

Orientierungssatz

Der Frage, ob besondere Umstände iS eines Ausnahmetatbestandes vorliegen, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen, ist vorrangig anhand aller vorhandenen objektiven Ermittlungsmöglichkeiten (§ 103 SGG) nachzugehen. Sie ist in erster Linie auf tatsächlicher Ebene zu beantworten.

 

Normenkette

SGB 6 § 46 Abs. 2, 2a; SGG §§ 103, 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 22.04.2009; Aktenzeichen L 6 R 343/08)

SG Koblenz (Entscheidung vom 07.08.2008; Aktenzeichen S 5 R 306/06)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. April 2009 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt B beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Mit Urteil vom 22.4.2009 hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) einen Anspruch der Klägerin auf Witwenrente verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegt und für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. beantragt. Zur Begründung der Beschwerde beruft sich die Klägerin auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und sinngemäß Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG.

Der Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin ist abzulehnen, sodass auch die Beiordnung von Rechtsanwalt B. ausscheidet.

Nach § 73a SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist hier nicht der Fall. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine derartige Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine konkrete Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Klägerin misst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei, "ob die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe dann widerlegt ist, wenn das Zusammenleben nicht nur über einen Zeitraum von einigen Jahren sondern über Jahrzehnte erfolgt ist."

Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin mit dieser Formulierung eine Rechtsfrage aufgezeigt hat. Die Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen die vom Gesetz aufgestellte Vermutung der "Versorgungsehe" als widerlegt anzusehen ist, ist in erster Linie auf tatsächlicher Ebene zu beantworten. Die Dauer des Zusammenlebens ist ein tatsächlicher Umstand, der rechtliche Bedeutung lediglich als "Indiz" oder Element der Beweiswürdigung hat, die mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angegriffen werden kann. Die dargestellten Bedenken können indes dahinstehen. Die Klägerin hat es jedenfalls versäumt, die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage darzutun.

Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage nicht, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt muss eine Rechtsfrage auch dann angesehen werden, wenn das Revisionsgericht bzw das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sie zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ggf zu anderen Vorschriften ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8; s hierzu auch Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 117 mwN). Die Klägerin hat noch nicht einmal behauptet, dass höchstrichterliche Entscheidungen zu der von ihr aufgezeigten Frage nicht vorliegen.

Abgesehen davon fehlen auch jegliche Ausführungen zur Klärungsfähigkeit.

Ebenso wenig ist der Zulassungsgrund der Divergenz ordnungsgemäß dargelegt. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zu Grunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG die vom BSG aufgestellten rechtlichen Maßstäbe missachtet, sondern erst, wenn das LSG diesen Maßstäben widersprochen, also eigene Rechtsgrundsätze entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass die angefochtene Entscheidung auf der Abweichung beruht. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte tragende Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher in der Entscheidung des LSG enthaltene tragende Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss die Kausalität zwischen der behaupteten Divergenz und der angefochtenen Entscheidung aufgezeigt sowie dargetan werden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zu Grunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht gerecht.

Die Klägerin behauptet noch nicht einmal, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Ihr Vorbringen erschöpft sich vielmehr in der Behauptung, das Urteil des LSG weiche "von anderen gerichtlichen Entscheidungen", insbesondere von der "Entscheidung des Verwaltungsgerichts Koblenz, Az. 6 K 1937/06" ab.

Die nicht formgerecht begründete Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI8022032

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