Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.03.2017; Aktenzeichen L 5 KR 304/16) |
SG Koblenz (Entscheidung vom 08.09.2016; Aktenzeichen S 14 KR 822/15) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. März 2017 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der 1963 geborene Kläger gegen die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV). Er ist der Auffassung, in der GKV nicht freiwillig, sondern als Student pflichtversichert zu sein und deshalb in beiden Versicherungszweigen geringere Beiträge zu schulden.
Der Kläger ist seit dem 1.11.2010 bei der Beklagten in der GKV und bei der Beigeladenen in der sPV versichert. Zum Wintersemester 2014/2015 (1.10.2014 bis 31.3.2015) nahm der damals 50-jährige ein Studium an der Universität K. auf. Seinen Antrag auf Pflichtversicherung als Student lehnte die Beklagte ab und führte die zuvor bestehende Pflichtversicherung ab 1.10.2014 als freiwillige Versicherung fort. Dem Widerspruch des Klägers gegen die - auch im Namen der Beigeladenen erfolgte - Festsetzung von Beiträgen zur freiwilligen Versicherung in der GKV und zur sPV nach der Beitragsbemessungsgrenze half die Beklagte durch Neufestsetzung der Beiträge nach der Mindestbemessungsgrundlage teilweise ab. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück, da der Kläger aufgrund seines Lebensalters die Voraussetzungen der Versicherungspflicht als Student in der GKV nicht erfülle. Das SG hat die Klage, mit der der Kläger sein Begehren weiterverfolgt hat, abgewiesen (Urteil vom 8.9.2016). Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision durch das BSG, nachdem das LSG seine Berufung zurückgewiesen und im Urteil vom 16.3.2017 die Revision nicht zugelassen hat.
II
Die Beschwerde des Klägers ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).
1. Der Kläger beruft sich in seiner Beschwerdebegründung vom 19.6.2017 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Die Beschwerdebegründung genügt jedoch nicht den Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes.
a) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr, zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN; vgl auch BVerfG Kammerbeschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7).
b) Der Kläger misst der Frage grundsätzliche Bedeutung zu,
"ob im Hinblick auf die Regelungen, die dem angegriffenen Bescheid zu Grunde liegen, eine unzulässige Altersdiskriminierung … gegeben ist".
Hierzu erläutert er, eine unzulässige Altersdiskriminierung könne sich zum einen aus Art 3 GG ergeben, was er in der Berufungsbegründung ausführlich dargelegt habe. Darüber hinaus könnten die angegriffenen Regelungen gegen Art 21 Abs 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta) verstoßen, die ua die Diskriminierung wegen Alters verbiete. Die Diskriminierung liege in der alleinigen Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung in der GKV, wenn die Altersgrenze der Versicherungspflicht als Student überschritten sei.
c) Es kann unerörtert bleiben, ob der Kläger damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht aufgeworfen und in den folgenden, weniger als eine Seite umfassenden Ausführungen den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt hat. Jedenfalls hat er - die Qualität als Rechtsfrage unterstellt - die Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen nicht den nach § 160a Abs 2 S 3 SGG diesbezüglich geltenden Anforderungen genügend dargelegt.
Um die Klärungsbedürftigkeit seiner Frage darzulegen, hätte der Kläger zumindest auf das bereits vom LSG zitierte Urteil des BSG vom 15.10.2014 (B 12 KR 1/13 R - SozR 4-2500 § 5 Nr 25) eingehen und in Auseinandersetzung mit den dortigen Ausführungen im Einzelnen darlegen müssen, dass die vom ihm formulierte Frage durch dieses Urteil noch nicht beantwortet ist. In diesem Urteil hat der erkennende 12. Senat des BSG unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung entschieden, dass die - mit einer nur engen Ausnahmeregelung versehene - Begrenzung der Krankenversicherungspflicht als Student auf das Höchstalter von 30 Jahren nicht verfassungswidrig ist und ua auf ein weiteres Urteil vom 15.10.2014 verwiesen (BSG, aaO, RdNr 20 ff). In diesem Urteil hat der Senat ausdrücklich festgestellt, dass auch unter Berücksichtigung beachtlicher Hinderungsgründe für den Studienabschluss die Vollendung des 37. Lebensjahrs die absolute Höchstgrenze für die Versicherungspflicht als Student markiert (BSG Urteil vom 15.10.2014 - B 12 KR 17/12 R - BSGE 117, 117 = SozR 4-2500 § 5 Nr 24) und die Vereinbarkeit dieser Regelung insbesondere mit verfassungs- und supranationalen Diskriminierungsverboten bejaht (BSG, aaO, RdNr 26 ff). Dass die von ihm formulierte Frage durch diese höchstrichterliche Rechtsprechung nicht geklärt oder aber wieder klärungsbedürftig geworden sei, hat der Kläger in seiner Beschwerdebegründung vom 19.6.2017 - anders als nach § 160a Abs 2 S 3 SGG für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderlich - nicht dargelegt.
Im Übrigen ist im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Altersgrenze in § 5 Abs 1 Nr 9 SGB V mit Art 3 Abs 1 GG die notwendige Klärungsbedürftigkeit auch aus weiteren Gründen nicht hinreichend dargelegt worden: Wird die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; ferner zB BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - Juris RdNr 9 mwN). Wird in der Beschwerde - wie vorliegend - eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG auch darlegen, worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen (vgl BVerfG ≪Dreier-Ausschuss≫ Beschluss vom 8.6.1982 - SozR 1500 § 160a Nr 45). Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen (BSG Beschluss vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - Juris RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht, denn über die Benennung des Art 3 GG als vermeintlich verletzter Norm des Grundgesetzes hinaus beschränkt sich die Beschwerdebegründung des Klägers im Wesentlichen auf die Behauptung eines möglichen Verstoßes gegen Art 21 Abs 1 Grundrechtecharta. Dies kann die konkrete Darlegung eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz anhand der in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Maßstäbe nicht ersetzen. Entsprechendes gilt für die Darlegung des vermeintlichen Verstoßes gegen die Grundrechtecharta.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11261059 |