Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Nichtzulassungsbeschwerde. Erfolgsaussicht. vorweggenommene Beweiswürdigung
Orientierungssatz
1. Auch der Gesichtspunkt, dass für das Klagebegehren in der Sache keine Erfolgsaussicht besteht, kann im Rahmen der Entscheidung über ein Prozesskostenhilfegesuch berücksichtigt werden (vgl BSG vom 26.10.1994 - 8 BH (Kn) 1/94 = SozR 3-6610 Art 5 Nr 1).
2. Könnten die Leistungseinstellung durch die Bundesanstalt für Arbeit im Jahre 1995 bzw die darauf folgenden weiteren Leistungsablehnungen allenfalls dann rechtswidrig sein, wenn nunmehr festgestellt werden könnte, dass der Arbeitslose zu dem damals maßgeblichen Zeitpunkten tatsächlich objektiv verfügbar war, besteht eine Erfolgsaussicht in der Sache nicht, wenn ausgeschlossen werden kann, dass sich aus einer psychiatrischen Untersuchung Erkenntnisse über den Gesundheitszustand des Arbeitslosen in den Jahren 1995/1996 ergeben, die das Klagebegehren stützen könnten (zur Berücksichtigung einer vorweggenommen Beweiswürdigung im Prozesskostenhilfeverfahren vgl BGH vom 14.12.1993 - VI ZR 235/92 = NJW 1994, 1160).
3. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG 1. Senat 1. Kammer vom 4.4.2002 - 1 BvR 236/02).
Normenkette
SGG § 73a Abs. 1; ZPO § 114 S. 1; SGG § 128 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der 1959 geborene Kläger ist seit vielen Jahren arbeitslos. Nach Abschluß einer zweijährigen Umschulung zum Elektro-Installateur bezog er zwischen Anfang 1986 und dem 20. September 1995 überwiegend Leistungen der Beklagten, zuletzt (Anschluß-)Arbeitslosenhilfe (Alhi). Die Leistungsbewilligung wurde ab dem 21. September 1995 aufgehoben, weil der Kläger der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden hatte. Der entsprechende Bescheid vom 11. Oktober 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 1995 sowie die ablehnenden Bescheide auf danach gestellte Weiterbewilligungsanträge der Jahre 1995 und 1996 sind bindend geworden, nachdem sowohl Klage als auch Berufung, Nichtzulassungsbeschwerde und Verfassungsbeschwerde des Klägers erfolglos waren. Zuletzt versicherungspflichtig beschäftigt war der Kläger vom 30. September bis zum 3. Oktober 1995.
Nach einem weiteren erfolglosen Leistungsantrag vom Juli 1998 meldete sich der Kläger am 24. Januar 2000 erneut arbeitslos und beantragte wiederum die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) oder Alhi. Im Verfahren über die Berufung gegen das die Klage gegen den leistungsablehnenden Bescheid vom 26. Januar 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2000 abweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) Speyer vom 10. Januar 2001 hat der Kläger ua schriftsätzlich beantragt, gemäß seinen Rechtsanträgen vom 27. Dezember 1995 und 23. September 1996 zu entscheiden und damit den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 4. Dezember 1995 "als gegenstandslos zu erkennen". Er hat vorgetragen, auf jeden Fall Anspruch auf - originäre - Alhi zu haben, denn die Beklagte habe seine Leistungsansprüche seit 1995 zu Unrecht abgelehnt. In der mündlichen Verhandlung hat er beantragt, das Urteil des SG Speyer vom 10. Januar 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe ab 1995, hilfsweise ab dem 24. Januar 2000 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Er hat erklärt, er halte weiterhin die vor allem 1995 und 1996 ergangenen Bescheide der Beklagten für rechtswidrig; letztendlich wolle er die Aufhebung dieser Bescheide und die Gewährung von Leistungen seit 1995. Die Beklagte hat - neben der Zurückweisung der Berufung - beantragt, die Klage auf Wiederaufnahme als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 26. Juli 2001 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Speyer vom 10. Januar 2001 zurückgewiesen sowie die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen. Der Kläger erfülle die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe ab seiner erneuten Arbeitslosmeldung am 24. Januar 2000 weder nach der Regelung des § 190 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) noch nach der Übergangsvorschrift des § 434b Abs 1 SGB III. Darüber hinaus könne der Kläger mit seinem Einwand, die Beklagte habe ihm ab dem 21. September 1995 rechtswidrig die ihm zunächst mit Bescheid vom 26. Juni 1995 bewilligte Alhi entzogen und ihm auch in der Folgezeit zu Unrecht keine Leistungen gewährt, nicht gehört werden. Das klagabweisende Urteil gegen diesen Bescheid und die Ablehnungsbescheide vom 28. Dezember 1995 sowie 9. August 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 1996 sei rechtskräftig und die Wiederaufnahmeklage auf Aufhebung des Urteils des LSG vom 30. Juni 1998 unzulässig. Der Kläger habe keine Wiederaufnahmegründe geltend gemacht (§ 179 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 589 Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫); auch die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 179 Abs 2 SGG seien nicht erfüllt. Die Rechtsmittelbelehrung des Berufungsurteils enthält keinen Hinweis auf die mögliche Beantragung und Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde.
Gegen das ihm am 21. August 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger privatschriftlich mit einem beim Bundessozialgericht (BSG) am 19. September 2001 eingegangenen Schriftsatz vom 18. September 2001 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und auf Verfahrensmängel des LSG hingewiesen, ua darauf, daß ihm nach seiner Meinung die begehrte Alhi deswegen zustehe, weil ihn die Beklagte im Jahre 1995 "aus dem Leistungsbezug genötigt" habe. Dies - und anderes - vorzutragen, sei ihm in der Verhandlung nicht möglich gewesen, weil die Verhandlungsdauer auf 20 Minuten festgelegt gewesen sei und eine Erörterung nicht stattgefunden habe. Mit Schriftsatz vom 24. September 2001, beim BSG eingegangen am 25. September 2001, hat der Kläger - unter Überreichung der Formblatterklärung - PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. D. beantragt. Letzterer hat mit einem am 12. November 2001 eingegangenen Schriftsatz die Vertretung des Klägers angezeigt.
Entscheidungsgründe
II. Dem Kläger steht PKH für ein Beschwerdeverfahren nicht zu, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 SGG, § 114 ZPO). Es kann sowohl dahinstehen, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) zu gewähren ist, als auch, ob einer der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgezählten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung der Sache, Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung, Verfahrensmangel) geltend gemacht werden könnte. Denn jedenfalls besteht für das Klagebegehren in der Sache keine Erfolgsaussicht. Auch dieser Gesichtspunkt kann im Rahmen der Entscheidung über ein PKH-Gesuch berücksichtigt werden (BSG vom 26. Oktober 1994, SozR 3-6610 Art 5 Nr 1).
Dem Kläger könnte allenfalls dann Alhi zustehen, wenn festgestellt werden könnte, daß die Einstellung dieser Leistung im Jahre 1995 und die Ablehnung ihrer Wiedergewährung im Jahre 1996 iS des § 44 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) rechtswidrig war. Die vom Kläger bereits damals angefochtenen entsprechenden Bescheide der Beklagten sind bereits durch das SG Speyer und das LSG Rheinland-Pfalz überprüft worden; dessen Entscheidung hat der Kläger sowohl mit der Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG als auch mit der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ohne Erfolg angegriffen. Nach dem damaligen Berufungsurteil aber waren die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig, da sich die objektive Verfügbarkeit des Klägers nicht feststellen ließ; Grund hierfür war, daß er damals mit einer psychiatrischen Begutachtung nicht einverstanden war. Rechtsfehler läßt diese Entscheidung nicht erkennen.
Dann aber könnten die Leistungseinstellung des Jahres 1995 bzw die darauf folgenden Leistungsablehnungen allenfalls dann rechtswidrig sein, wenn nunmehr festgestellt werden könnte, daß der Kläger zu den damals maßgeblichen Zeitpunkten in der Tat objektiv verfügbar war. Dies aber hält der Senat für ausgeschlossen. Denn selbst wenn der Kläger inzwischen bereit wäre, sich einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen, so kann doch - auch anhand des gesamten Akteninhalts - ausgeschlossen werden, daß sich aus dieser Untersuchung Erkenntnisse über den Gesundheitszustand des Klägers in den Jahren 1995/1996 ergeben, die das Klagebegehren stützen könnten (zur Berücksichtigung einer vorwegnehmenden Beweiswürdigung im Verfahren über die PKH: BGH vom 14. Dezember 1993 - IV ZR 235/95, NJW 1994, 1160, 1161 mwN).
Schon deshalb aber fehlt es dem vom Kläger verfolgten Begehren an einer hinreichenden Erfolgsaussicht und damit an den Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH.
III. Die Nichtzulassungsbeschwerde war als unzulässig zu verwerfen, da der Kläger nicht durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten war (§ 166 Abs 1 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen