Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. Pflegebedürftigkeit. Auftreten von Krankheitsschüben
Orientierungssatz
Pflegebedürftigkeit iS des SGB 11 setzt stets voraus, dass zumindest einmal täglich Hilfe im Bereich der Grundpflege erforderlich ist. Hierauf kann auch nicht verzichtet werden, wenn der Versicherte aufgrund von Krankheitsschüben mehrmals monatlich in erheblichem Maße fremder Hilfe bedarf (vgl BSG vom 14.12.2000 - B 3 P 5/00 R = SozR 3-3300 § 15 Nr 11).
Normenkette
SGB 11 § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der 1963 geborene Kläger leidet an einer angeborenen, schubweise verlaufenden Hautkrankheit, die während der - mehrmals monatlich auftretenden - akuten Krankheitsphasen wegen Bewegungseinschränkungen und schmerzhafter Blasenbildung zu einem Hilfebedarf bei den Verrichtungen des täglichen Lebens führt. Die beklagte Pflegekasse lehnte nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 6.12.2002 den Antrag auf Gewährung von Pflegegeld der Pflegestufe I ab (Bescheid vom 10.1.2003, Widerspruchsbescheid vom 18.3.2003), weil der Pflegebedarf nicht täglich auftrete und der Grundpflegebedarf auch nicht den Mindestzeitwert von "mehr als 45 Minuten" erreiche. Der Kläger sei außerhalb der Krankheitsschübe in der Lage, die Verrichtungen der Grundpflege (§ 14 Abs 4 Nr 1 bis 3 SGB XI) selbstständig durchzuführen. Der auf den täglichen Pflegebedarf im Wochendurchschnitt umzurechnende Hilfebedarf während der Krankheitsschübe liege zudem unterhalb des genannten Mindestzeitwerts. Das Sozialgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens mangels Erfüllung der sachlichen und zeitlichen Voraussetzungen der Pflegestufe I abgewiesen (Urteil vom 21.7.2005). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zurückgewiesen (Urteil vom 19.6.2008).
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit der - fristgerecht erhobenen - Beschwerde, die er mit Verfahrensfehlern (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) begründet. Der Rechtsstreit sei noch nicht entscheidungsreif gewesen. Zum Umfang des täglichen Grundpflegebedarfs hätte es weiterer Ermittlungen des LSG bedurft.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den sich aus § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 SGG ergebenden formalen Anforderungen. Das Rechtsmittel ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG) .
1. Der Verfahrensmangel der unzureichenden Sachaufklärung ist nicht formgerecht dargelegt worden. Eine Verfahrensrüge erfüllt nur dann die gesetzliche Form, wenn die sie begründenden Tatsachen im Einzelnen angegeben sind und in sich verständlich den behaupteten Verfahrensfehler ergeben (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14) . Außerdem ist darzulegen, aus welchen Gründen die Entscheidung des LSG auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Das Vorbringen des Klägers, das LSG habe seine Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 103 SGG) verletzt, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Eine Verletzung von § 103 SGG kann nach § 160 Abs 2 Nr 3, 2. Halbsatz SGG mit der Nichtzulassungsbeschwerde nur dann geltend gemacht werden, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung über die zu beurteilenden Fragen ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Hierzu muss der Beweisantrag so genau bezeichnet werden, dass er ohne große Schwierigkeiten auffindbar ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5 und 64; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, IX. Kap RdNr 208, 209) . Bezieht sich der Beschwerdeführer trotz Durchführung einer mündlichen Verhandlung nur auf schriftsätzlich gestellte Beweisanträge, die in der Sitzungsniederschrift nicht aufgeführt sind, ist weiter darzulegen, aus welchen Gründen zu schließen ist, dass die Beweisanträge dennoch aufrechterhalten worden sind (BSG SozR 1500 § 160 Nr 12) .
a) Der Kläger hat in der Beschwerdebegründung schon keinen Beweisantrag benannt, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Die allgemeine Rüge unzureichender Ermittlungen reicht zur formgerechten Darlegung eines Verfahrensmangels nicht aus.
b) Zudem führt der Kläger auch nicht aus, welche zusätzlichen, dem LSG nicht bekannten Tatsachen zum berücksichtigungsfähigen Pflegebedarf die weiteren Ermittlungen hätten ergeben sollen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Pflegebedürftigkeit iS des SGB XI stets voraussetzt, dass zumindest einmal täglich Hilfe im Bereich der Grundpflege erforderlich ist. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits entschieden, dass hierauf auch dann nicht verzichtet werden kann, wenn der Versicherte aufgrund von Krankheitsschüben mehrmals monatlich in erheblichem Maße fremder Hilfe bedarf (Urteil vom 14.12.2000 - B 3 P 5/00 R -, SozR 3-3300 § 15 Nr 11) . Nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger aber außerhalb der Krankheitsschübe keinen Grundpflegebedarf. Daher bedurfte es auch keiner Anregung oder Auflage an den Kläger, ein Pflegetagebuch zu führen.
2. Soweit der Kläger mit seinem Vortrag zusätzlich die Fehlerhaftigkeit der Beweiswürdigung rügen will, liegt gleichfalls keine formgerechte Darlegung eines Verfahrensmangels vor. Nach der eindeutigen Regelung des § 160 Abs 2 Nr 3, 2. Halbsatz SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des für die richterliche Überzeugungsbildung maßgeblichen § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen