Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Verfassungsmäßigkeit. Externe Teilung von Anrechten aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis. Transferverlust. Gleichheitssatz. Schutz von Ehe und Familie. Eigentumsgarantie
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, muss in der Beschwerdebegründung dargetan werden, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist.
2. Der Beschwerdeführer muss zur ordnungsgemäßen Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog. Breitenwirkung) darlegen.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 1, § 169 Sätze 2-3; SGB VI § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 210 Abs. 1a, 4; VersAusglG § 16 Abs. 1, § 17; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. Mai 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der 1961 geborene Kläger hat bis zum 21.12.1993 Pflichtbeitragszeiten bei der Beklagten zurückgelegt. Seitdem ist er von der Rentenversicherungspflicht befreit und leistet Beiträge zur Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung (BRAStV). Die Ehe des Klägers wurde am 27.10.2016 rechtskräftig geschieden. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs wurde im Wege der externen Teilung zu seinen Gunsten ein Anrecht in Höhe von 499,49 Euro monatlich (Kapitalwert: 110 610,06 Euro) bei der Beklagten begründet und angeordnet, den Ausgleichswert in Entgeltpunkte umzurechnen; die externe Teilung erfolgte zu Lasten eines Anrechts seiner früheren Ehefrau beim Landesamt für Finanzen. Zu ihren Gunsten wurde ua im Wege der internen Teilung ein Anrecht bei der BRAStV in Höhe von 91 985,52 Euro begründet (Endbeschluss des AG Forchheim vom 23.2.2017; Beschluss des OLG Bamberg vom 4.12.2017).
Der Kläger ist der Auffassung, er erleide durch die externe Teilung des Anrechts seiner früheren Ehefrau beim Landesamt für Finanzen einen verfassungswidrigen finanziellen Verlust. Er beantragte bei der Beklagten die Auszahlung von Beiträgen, die einem Kapitalwert von 110 610,06 Euro entsprechen würden, um diesen Betrag an die BRAStV zu leisten, hilfsweise die Übertragung entsprechender Beiträge unmittelbar auf die BRAStV. Antrag, Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben (Bescheid vom 20.11.2018; Widerspruchsbescheid vom 1.3.2019; Gerichtsbescheid vom 18.2.2021). Das LSG hat die dagegen gerichtete Berufung mit Urteil vom 12.5.2022 zurückgewiesen. Eine Beitragserstattung komme nur für Versicherte in Betracht, die die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt hätten. Der Kläger habe indes die allgemeine Wartezeit erfüllt. Soweit er sich gegen die externe Teilung des Anrechts seiner früheren Ehefrau beim Landesamt für Finanzen wende, könne er dies nur in einem familienrechtlichen Verfahren vorbringen. Indem die Beklagte den von den Familiengerichten rechtskräftig angeordneten Versorgungsausgleich durchgeführt habe, entstehe dem Kläger kein Schaden, der im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auszugleichen wäre. Ebenso wenig werde hierdurch die Eigentumsgarantie (Art 14 Abs 1 GG) verletzt.
Der Kläger hat Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 8.8.2022 begründet hat.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet wird. Sie ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen. Der Kläger legt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dar.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund gestützt, muss in der Beschwerdebegründung dargetan werden, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss zur ordnungsgemäßen Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Die Beschwerdebegründung wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Der Kläger formuliert schon keine abstrakte Rechtsfrage zur Auslegung revisibler (Bundes-)Normen, an der das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu BSG Beschluss vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 22.4.2020 - B 5 R 266/19 B - juris RdNr 5, jeweils mwN). Sollte er mit seinem Vorbringen, die abgelehnte Beitragserstattung bzw Übertragung von Beiträgen verletze ihn in seinen Grundrechten "aus Artikel 3, 6, 14 GG" und verstoße gegen "den Grundsatz der Besitzstandswahrung bei Renten", Fragen zur Auslegung von § 210 Abs 1a SGB VI aufwerfen wollen, hätte er jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht ausreichend dargetan. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort nicht außer Zweifel steht, sich zB nicht unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder nicht bereits höchstrichterlich entschieden ist (BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). In der Beschwerdebegründung muss deshalb unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgebracht werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung getroffen wurde oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die nunmehr maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (vgl zB BSG Beschluss vom 6.4.2021 - B 5 RE 16/20 B - juris RdNr 6 mwN). Leitet eine Beschwerde einen Revisionszulassungsgrund aus einer Verletzung von Normen des GG ab, muss sie zudem unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr; zB bereits BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; aus jüngerer Zeit zB BSG Beschluss vom 11.2.2020 - B 10 EG 14/19 B - juris RdNr 11 mwN). Daran richtet der Kläger sein Vorbringen nicht aus.
Er macht geltend, die entscheidungserhebliche Rechtsfrage könne für eine Vielzahl von Fällen relevant werden und die einschlägigen Regelungen des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG) beträfen eine nicht unbeträchtliche Personenzahl. Damit wäre allenfalls die sog Breitenwirkung der angestrebten Revisionsentscheidung dargetan. Der Kläger zeigt hingegen nicht ausreichend auf, dass die - unterstellten - Rechtsfragen zur Beitragserstattung in der gesetzlichen Rentenversicherung (weiterer) höchstrichterlicher Klärung bedürfen. Auf die hierzu ergangenen Entscheidungen geht er in keiner Weise ein. Es fehlt daher auch eine Auseinandersetzung mit der Entscheidung des BSG, wonach die bestehenden Regelungen über die Möglichkeit zur (vorzeitigen) Beitragserstattung in § 210 Abs 1a SGB VI nicht gegen Verfassungsrecht verstoßen (vgl BSG Urteil vom 6.9.2017 - B 13 R 4/17 R - SozR 4-2600 § 210 Nr 5 RdNr 19; vgl zur Behandlung eines durchgeführten Versorgungsausgleichs bei der Beitragserstattung § 210 Abs 4 SGB VI). Die Beschwerde geht ebenso wenig auf die Rechtsprechung des BVerfG zum allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG), zum Schutz von Ehe und Familie (Art 6 Abs 1 GG) und zur Eigentumsgarantie (Art 14 Abs 1 GG) ein.
Die Klärungsbedürftigkeit wäre auch nicht ausreichend dargetan, falls der Kläger mit seinem Gesamtvorbringen sinngemäß Fragen zur Verfassungsmäßigkeit der Regelungen zur externen Teilung von Anrechten aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis aufwerfen will (§ 16 Abs 1 VersAusglG). Sein pauschales Vorbringen, die externe Teilung habe "in letzter Zeit verstärkt politische und mediale Aufmerksamkeit erfahren", reicht insoweit nicht aus. Vielmehr wäre auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zum VersAusglG einzugehen gewesen. Nahe gelegen hätte vor allem eine Auseinandersetzung mit dem Urteil des BVerfG vom 26.5.2020 (1 BvL 5/18 - BVerfGE 153, 358 - Versorgungsausgleich - externe Teilung). Darin wird ausgeführt, in welchem Maß die ausgleichsberechtigte Person den mit einer externen Teilung im Einzelfall verbundenen sog Transferverlust verfassungsrechtlich hinzunehmen hat. Es wäre zu untersuchen gewesen, inwiefern sich dieser Entscheidung, die zur externen Teilung von Betriebsrenten (§ 17 VersAusglG) ergangen ist, Aussagen für die externe Teilung anderer Versorgungsanrechte entnehmen lassen. Ausführungen hierzu fehlen. Ungeachtet dessen wäre mit der Beschwerde die Klärungsfähigkeit der angedeuteten Rechtsfrage zu § 16 Abs 1 VersAusglG im vorliegenden Rechtsstreit nicht hinreichend dargetan. Es ist bereits entschieden, dass die Zuständigkeit für Streitigkeiten betreffend den Versorgungsausgleich selbst bei den Familiengerichten liegt, während Rentenversicherungsträger wie die Beklagte für die Berücksichtigung eines durchgeführten Versorgungsausgleichs bei der Rentenberechnung (vgl § 66 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI) zuständig sind (vgl zuletzt BSG Urteil vom 20.1.2021 - B 13 R 5/20 R - BSGE 131, 202 = SozR 4-2600 § 88 Nr 4, RdNr 21 mwN). Vor diesem Hintergrund hätte es näherer Darlegung bedurft, inwiefern in der angestrebten Revision vor dem BSG die Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 16 Abs 1 VersAusglG überhaupt zu prüfen sein könnte. Zu diesem Aspekt, den bereits das LSG herausgestellt hat, trägt der Kläger nichts vor.
Indem der Kläger ausführlich seine Rechtsauffassung darstellt und ausführt, inwiefern er in seinem Fall die Folgen der externen Teilung für unzumutbar erachtet, wendet er sich in der Sache gegen die inhaltliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Auf die Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung im Einzelfall kann eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden (vgl BSG Beschluss vom 3.7.2019 - B 5 RS 10/18 B - juris RdNr 11 mwN).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Gasser Hahn Hannes
Fundstellen
Dokument-Index HI15459436 |