Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenbehandlung. Hochschulklinik. Bedeutung der Wissenschaftsfreiheit. Fehlen. Verordnungsfähigkeit eine Arzneimittels. Regressleistung des Vertragsarztes gegenüber Krankenkasse. Beschränkung der Verordnungsfähigkeit gilt auch für Hochschulambulanzen. Honorarkürzung oder Verordnungsregress. Nichtbestehen eines Verschuldenserfordernisses
Orientierungssatz
1. In Zusammenhang mit der Krankenbehandlung kommt in Hochschulkliniken dem Grundrecht des Art 5 Abs 3 S 1 GG Bedeutung zu.
2. Fehlt die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels, so ist eine gleichwohl ausgestellte vertragsärztliche Verordnung (zumindest auch) unwirtschaftlich und der Vertragsarzt muss der durch die Kosten der Medikamentenabgabe belasteten Krankenkasse Regress leisten (vgl BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 63/07 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und vom 6.5.2009 - B 6 KA 3/08 R = MedR 2010, 276
3. Die Beschränkung der Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln unter den Gesichtspunkten geprüfter Qualität und Wirksamkeit wird nicht dadurch aufgehoben oder geändert, dass eine Hochschulambulanz iS des § 117 Abs 1 SGB V die jeweilige Behandlung durchgeführt hat.
4. Ein Verschuldenserfordernis besteht im Rahmen von Honorarkürzungen oder Verordnungsregressen auf der Grundlage des § 106 SGB 5 nicht.
Normenkette
SGB V § 27 Abs. 1, § 73 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, §§ 106, 117 Abs. 1; GG Art 5 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 266 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Umstritten ist ein Regress wegen der Verordnung des Arzneimittels Wobe-Mugos E im Quartal I/2000.
Die Rechtsvorgängerin der klagenden "Charité - Universitätsmedizin" betrieb im streitbefangenen Quartal eine Poliklinik für Naturheilkunde und war zur ambulanten Versorgung der Versicherten der Krankenkassen ermächtigt. Dort wurde der Versicherte D. ua wegen eines Bronchialkarzinoms behandelt. Im Rahmen dieser Behandlung wurde dem Versicherten ua im Januar 2000 Wobe-Mugos E verordnet. Die Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse des Versicherten beantragte beim Prüfungsausschuss die Festsetzung eines Regresses, weil Wobe-Mugos E nicht verordnungsfähig gewesen sei. Diesem Antrag gab der Prüfungsausschuss statt. Die Anrufung des beklagten Beschwerdeausschusses ist ebenso erfolglos geblieben wie das Klage- und Berufungsverfahren.
Das LSG hat seine Entscheidung damit begründet, nach der Rechtsprechung der für das Vertragsarztrecht wie für das Krankenversicherungsrecht zuständigen Senate des BSG sei Wobe-Mugos E nicht mehr verordnungsfähig gewesen, nachdem der Antrag der Herstellerfirma auf Verlängerung der Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz im Jahre 1998 abgelehnt worden war. Deshalb hätte dieses Präparat in der ermächtigten Poliklinik der Klägerin im Januar 2000 im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung des Herrn D. nicht eingesetzt werden dürfen. Aus dem Status der Klägerin und ihrer Rechtsvorgängerin als Einrichtungen der Hochschulmedizin folge nichts anderes. Soweit diese im Interesse von Forschung und Lehre zur ambulanten Versorgung des Versicherten ermächtigt seien, seien sie an die für Vertragsärzte geltenden Regelungen insbesondere hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit von Medikamenten gebunden (Urteil vom 22.6.2011).
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, das Berufungsurteil weiche von der Rechtsprechung des BVerfG ab (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG), stelle eine Überraschungsentscheidung dar (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) und die für die Entscheidung erheblichen Rechtsfragen hätten grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
Das Berufungsurteil weicht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht von der Rechtsprechung des BVerfG ab. Die Aussagen des BVerfG im Beschluss vom 8.4.1981 (BVerfGE 57, 70) zur Reichweite des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit (Art 5 Abs 3 GG) im Rahmen der den Universitätskliniken zugewiesenen Aufgabe der Patientenversorgung stehen nicht im Widerspruch zu den das Berufungsurteil tragenden Grundsätzen. Das BVerfG hat in diesem Beschluss betont, die den Hochschulen übertragene Krankenversorgung müsse in erster Linie an den Erfordernissen einer bestmöglichen Patientenbehandlung ausgerichtet sein und deshalb unterliege die Organisation der Krankenversorgung an den Universitäten nicht im gleichen Umfang den verfassungsrechtlichen Garantien aus Art 5 Abs 3 Satz 1 GG wie die Selbstverwaltung in wissenschaftlichen Angelegenheiten. Wegen der untrennbaren Verbindung der Tätigkeiten eines medizinischen Hochschullehrers im Wissenschaftsbereich und in der Krankenversorgung dürfe das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit bei der Organisation der Krankenversorgung aber nicht gänzlich außer Betracht bleiben. Zu diesen Aussagen hat sich das Berufungsgericht nicht in Widerspruch gesetzt, soweit es ausgeführt hat, es bedürfe im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob die von der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zum Einsatz von Medikamenten in der vertragsärztlichen Versorgung außerhalb ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung (Off-Label-Use) aufgestellten Grundsätze im Hinblick auf das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit zu modifizieren seien. Das Berufungsgericht hat sich in diesem Zusammenhang auf die Aussage des im Termin der mündlichen Verhandlung anwesenden Oberarztes der Klinik der Klägerin, S., gestützt, der angegeben hat, der Einsatz von Wobe-Mugos E sei zum Zeitpunkt der hier zu beurteilenden Behandlung gerade nicht Gegenstand einer wissenschaftlichen Studie gewesen. Ob allein mit dieser Erwägung die Betroffenheit des Schutzbereichs des Art 5 Abs 3 GG durch den hier streitbefangenen Verordnungsregress verneint werden kann, spielt im Zusammenhang mit der von der Klägerin geltend gemachten Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG keine Rolle. Das Berufungsgericht hat jedenfalls deutlich gemacht, dass es grundsätzlich davon ausgeht, dass im Zusammenhang mit der Krankenbehandlung in Hochschulkliniken dem Grundrecht des Art 5 Abs 3 Satz 1 GG Bedeutung zukommt. Insoweit stimmt sein Urteil mit der Grundaussage des Beschlusses des BVerfG vom 8.4.1981 zur Krankenversorgung in Universitätskliniken überein. Da sich das BVerfG in diesem Beschluss nicht zu der Frage geäußert hat, welche Auswirkungen das Grundrecht aus Art 5 Abs 3 Satz 1 GG auf die Verordnung von Arzneimitteln durch ermächtigte Polikliniken im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung hat, scheidet insofern eine Divergenz zwischen den maßgeblichen Erwägungen des BVerfG und denjenigen des LSG von vornherein aus.
Die von der Klägerin in unterschiedlichen Formulierungen aufgeworfenen Rechtsfragen hinsichtlich der Reichweite des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit (Art 5 Abs 3 GG) bei der ambulanten Versorgung von Versicherten haben entgegen der Auffassung der Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Ihnen fehlt die Klärungsbedürftigkeit in dem von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren, weil sie im Hinblick auf die vorliegende Rechtsprechung des BSG beantwortet werden können.
Der erkennende Senat hat sich mit seinen Urteilen vom 5.11.2008 (SozR 4-2500 § 106 Nr 21) und vom 6.5.2009 - B 6 KA 3/08 R - (MedR 2010, 276 f) der Rechtsprechung des für das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung zuständigen 1. Senats des BSG angeschlossen, wonach Wobe-Mugos E jedenfalls seit der Ablehnung der Zulassungsverlängerung durch den Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 9.6.1998 im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht mehr verordnungsfähig war. Fehlt die Verordnungsfähigkeit, so ist eine gleichwohl ausgestellte vertragsärztliche Verordnung (zumindest auch) unwirtschaftlich und der Vertragsarzt muss der durch die Kosten der Medikamentenabgabe belasteten Krankenkasse Regress leisten.
In der Rechtsprechung des 1. wie des 6. Senats des BSG ist geklärt, dass aus der arzneimittelrechtlichen Zulassung eines Arzneimittels, sofern hierbei dessen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit geprüft worden waren, zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gefolgert werden konnte. Für eine solche Schlussfolgerung von der arzneimittelrechtlichen Zulassung auf die Verordnungsfähigkeit im System der gesetzlichen Krankenversicherung fehlte aber dann die Grundlage, wenn der arzneimittelrechtlichen Zulassung eines Medikaments keine - oder eine strukturell nur unzureichende - Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zugrunde lag. Solche Fälle arzneimittelrechtlicher Zulassung ohne Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gab es während der Geltung des Übergangsrechts nach der Neuordnung des Arzneimittelrechts Ende der 1970er Jahre. Damals genügte eine Anzeige mit der Mitteilung über die bisherige Anwendung des Arzneimittels, damit dieses weiterhin als zugelassen galt. Soweit ein Arzneimittel in dieser Weise, ohne Durchlaufen des Arzneimittelzulassungsverfahrens mit Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit die Zulassung behielt bzw diese verlängert wurde, fehlt es an den inhaltlichen Merkmalen, die es rechtfertigen konnten, die Arzneimittelzulassung als ausreichend für die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu akzeptieren (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 21). Aus den in den zitierten Urteilen vom 5.11.2008 und vom 6.5.2009 näher dargelegten Gründen durfte Wobe-Mugos E im Jahre 2000 im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung deshalb nicht verordnet werden. Die gegen diese Urteile erhobenen Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung angenommen worden (BVerfG vom 30.6.2009 - 1 BvR 827/09 - und vom 10.12.2009 - 1 BvR 1908/09).
Soweit die Klägerin dies grundsätzlich akzeptiert, für sich als Einrichtung der Hochschulmedizin aber eine Ausnahmeregelung beansprucht, kann dem nicht gefolgt werden, ohne dass insoweit ein Revisionsverfahren durchgeführt werden müsste. Die Beschränkung der Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln unter den Gesichtspunkten geprüfter Qualität und Wirksamkeit wird nicht dadurch aufgehoben oder geändert, dass eine Hochschulambulanz iS des § 117 Abs 1 SGB V die jeweilige Behandlung durchgeführt hat. § 117 SGB V eröffnet den Hochschulambulanzen den Zugang zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung, um die universitäre Forschung und Lehre zu unterstützen (vgl BSGE 82, 216, 221 = SozR 3-5520 § 31 Nr 9 S 37). Für die im Rahmen einer Ermächtigung nach § 117 SGB V erbrachten Behandlungen gelten aber uneingeschränkt die allgemeinen Regeln für die vertragsärztliche Versorgung. Aus dem Status der Hochschulambulanzen als ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen folgt gemäß § 95 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 Satz 1 SGB V deren Berechtigung und Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Eine Ausnahme von den für die Verordnung von Arzneimitteln im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung geltenden Vorschriften zu Gunsten der Hochschulambulanzen ist von der Zwecksetzung der Ermächtigung nach § 117 Abs 1 SGB V nicht veranlasst (vgl jetzt auch Urteil des 1. Senats des BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - SozR 4-2500 § 31 Nr 19). Diese Ermächtigung dient nicht dazu, den Behandlungsanspruch von Versicherten im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung auf das gesamte Spektrum von Hochschulkliniken zu erweitern. Sinn der früher sog Poliklinikermächtigung ist vielmehr, den Hochschulen im Rahmen ihrer Aufgaben von Forschung und Lehre (§ 117 Abs 1 Satz 2 SGB V) Gelegenheit zu geben, auch Patienten mit Gesundheitsstörungen, die keiner stationären Behandlung in den hochspezialisierten Hochschulkliniken bedürfen, ärztlich zu versorgen. Die Studierenden der Medizin sollen Gelegenheit bekommen, auch in die Behandlung von Gesundheitsstörungen auf dem jeweiligen Fachgebiet eingeführt zu werden, die aus der Perspektive der hochspezialisierten Hochschulmedizin eher banal sein mögen, die aber für die Behandlungstätigkeit von Ärztinnen und Ärzten, soweit sie später in niedergelassener Praxis und nicht in klinischen Einrichtungen der Maximalversorgung beruflich tätig werden, von Bedeutung sind (vgl näher Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 17 RdNr 32).
Unter dieser Perspektive bedarf es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass die ambulante vertragsärztliche Behandlung durch eine Hochschulambulanz nach den allgemeinen Regeln der vertragsärztlichen Versorgung durchzuführen ist, und dass insbesondere die Verordnung von Medikamenten den insoweit geltenden Vorschriften entsprechen muss. Insbesondere der Zweck der Sicherung der Lehre iS des § 117 Abs 1 Satz 2 SGB V könnte nicht erreicht werden, wenn in Hochschulambulanzen nicht vermittelt würde, wie Gesundheitsstörungen nach den Regeln des SGB V ambulant behandelt werden. In § 35c Abs 2 SGB V (zunächst vom 1.4.2007 bis zum 31.12.2010 als § 35c SGB V) ist eine eingehende Regelung zum Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln im Rahmen klinischer Studien erfolgt. Solche Verordnungen zu Lasten der Krankenkasse können auch in ermächtigten Hochschulambulanzen iS des § 117 SGB V erfolgen, wie sich aus § 35c Abs 2 Satz 1 SGB V ergibt. Für die hier zu beurteilende Verordnung von Wobe-Mugos E im Januar 2000 hat § 35c Abs 2 SGB V keine Bedeutung, weil die Regelung damals noch nicht galt und die Verordnung zu Gunsten des Versicherten D. gerade nicht im Rahmen einer klinischen wissenschaftlichen Studie vorgenommen worden ist.
An der Bindung der Verordnungstätigkeit von Hochschulambulanzen an die Vorgaben für die vertragsärztliche Versorgung ändert sich auch dann nichts, wenn Patienten ambulant behandelt werden, die an schwerwiegenden Gesundheitsstörungen leiden. Das ergibt sich im Übrigen schon daraus, dass Hochschulambulanzen nach der Rechtsprechung des Senats außerhalb und neben der generellen Ermächtigung nach § 117 Abs 1 SGB V im Hinblick auf Forschung und Lehre, deren Zwecksetzung soeben dargestellt worden ist, für bestimmte spezialisierte Behandlungsleistungen zusätzlich ermächtigt werden können, wenn dafür ein Bedarf unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung einer hochwertigen vertragsärztlichen Versorgung gegeben ist, und Belange von Forschung und Lehre keine Rolle spielen (BSGE 82, 216, 221 f = SozR 3-5520 § 31 Nr 9 S 37 f). Eine solche Ermächtigung speziell zur Behandlung von Tumorleiden unter Bedarfsgesichtspunkten hatte die Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht; jedenfalls ist die Behandlung des Patienten D. nicht in diesem Rahmen, sondern im Rahmen der allgemeinen Ermächtigung der Hochschulambulanzen zur Unterstützung von Forschung und Lehre durchgeführt worden. Dass der Patient D. im Übrigen trotz seiner lebensbedrohlichen Erkrankung keinen Anspruch auf die Verordnung von Wobe-Mugos E hatte, hat das LSG in Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG dargelegt. In Bezug darauf - also losgelöst von dem Aspekt der Wissenschaftsfreiheit - bezeichnet die Klägerin keine Rechtsfragen, die vom BSG in diesem Zusammenhang grundsätzlich geklärt werden müssten.
Weil damit feststeht, dass für die Verordnung der Klägerin im streitbefangenen Zeitpunkt keine anderen Regeln galten als für die Versorgung durch Vertragsärzte, ist die Verfahrensrüge der Klägerin, das Berufungsurteil stelle eine Überraschungsentscheidung dar, nicht begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Annahme, dass der Status der Klägerin als Hochschulambulanz in der hier betroffenen Konstellation keine Freistellung von den Regeln über die vertragsärztliche Versorgung bei der Arzneimitteltherapie rechtfertigt, die für alle Beteiligten im Quartal I/2000 maßgeblich waren. Ausführungen der Klägerin zum Zusammenhang der Behandlung des Patienten D. mit den Forschungsinteressen der Klägerin waren daher für die Entscheidung des Rechtsstreits von vornherein ohne Bedeutung.
Eine grundsätzliche Bedeutung kommt den in diesem Verfahren zu entscheidenden Rechtsfragen auch nicht im Hinblick auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage zu, ob ein Regress ohne Verschulden der Klägerin festgesetzt werden durfte. In seinem zur Verordnung von Wobe-Mugos E im Jahre 2001 ergangenen Urteil vom 6.5.2009 - B 6 KA 3/08 R - hat der Senat ausdrücklich an seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten, dass ein Verschuldenserfordernis im Rahmen von Honorarkürzungen oder Verordnungsregressen auf der Grundlage des § 106 SGB V nicht besteht. Wenn und soweit für die Verordnung von Arzneimitteln in Hochschulambulanzen, die zur ambulanten Versorgung der Versicherten im Hinblick auf die Zwecke von Forschung und Lehre ermächtigt sind, keine anderen Regeln gelten als für Vertragsärzte und andere ärztlich geleitete Einrichtungen, bedarf es keiner Klärung im Revisionsverfahren, dass auch gegenüber Hochschulambulanzen Regresse wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel kein Verschulden voraussetzen. Das hat der Senat in zahlreichen Entscheidungen zu Verordnungsregressen gegenüber einer anderen Universitätsklinik als selbstverständlich vorausgesetzt (Beschlüsse vom 18.8.2010 - B 6 KA 4/10 B ua betr Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf). Der Senat hat in dem Urteil vom 6.5.2009 - B 6 KA 3/08 R - nicht übersehen, dass zur Verordnungsfähigkeit von Wobe-Mugos E im Zusammenhang mit der kausalen oder zumindest adjuvanten Behandlung von Tumorleiden in der Vergangenheit auch abweichende Auffassungen vertreten worden sind. Er hat jedoch im Einzelnen dargelegt, dass sich kein Vertrauen von Vertragsärzten darauf hat entwickeln können, dass ungeachtet der Ablehnung des Neuzulassungsantrags für Wobe-Mugos E durch das zuständige Bundesinstitut dieses Medikament auf der Grundlage der aufschiebenden Wirkung des von der Herstellerin gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels weiterhin verordnet werden durfte. Auch insoweit ist eine abweichende Beurteilung im Falle der Verordnung von Wobe-Mugos E durch eine Hochschulambulanz nicht gerechtfertigt.
Soweit die Klägerin schließlich grundsätzlich bedeutsame Fragen im Zusammenhang mit der Abgrenzung zwischen Regressen wegen unwirtschaftlichen bzw unzulässigen Verordnungen und wegen der Verursachung eines "sonstigen Schadens" aufwirft, genügt die Begründung nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Die Beschwerde ist deshalb insoweit unzulässig. Die Klägerin bezeichnet schon keine Rechtsfrage, die der Senat im Zusammenhang der Abgrenzung der beiden Regresstypen entscheiden müsste. Der Senat hat sich dazu in den vom LSG zitierten Urteilen vom 14.3.2001 (B 6 KA 19/00 R) und vom 30.1.2002 (B 6 KA 9/01 R) sowie jüngst im Urteil vom 5.5.2010 (B 6 KA 5/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 28) geäußert. Welche Fragen danach noch offen sind, legt die Klägerin, die sich mit diesen Urteilen nicht auseinandersetzt, nicht dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und § 162 Abs 3 VwGO. Die Klägerin trägt die Kosten des von ihr ohne Erfolg geführten Rechtsmittels.
Die Festsetzung des Streitwerts findet ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
Fundstellen