Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzgeldanspruch. Arbeitnehmereigenschaft. GmbH-Geschäftsführer. Personenidentität zwischen Gesellschafter und Geschäftsführer
Leitsatz (amtlich)
Die zur Arbeitnehmereigenschaft von Gesellschafter-Geschäftsführern entwickelten Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn Personenidentität zwischen Geschäftsführern und Gesellschaftern besteht.
Normenkette
SGB 3 § 25 Abs. 1 S. 1; SGB 3 § 183 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 2001-12-10; SGB 4 § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von Insolvenzgeld (Insg).
Der Kläger war bis Ende 1989 als Meister im Bereich der Produktion der Firma G. beschäftigt. Im Januar 1990 gründete er mit zunächst drei weiteren Personen, darunter zwei Arbeitskollegen, die G. Stahlbau GmbH (G GmbH), die den Geschäftsbetrieb der Firma G. fortführte. Nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters hielten der Kläger und seine früheren Arbeitskollegen jeweils ein Drittel des Stammkapitals der GmbH. Beschlüsse der Gesellschaft bedurften nach § 10 Abs 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages nur dann der Zustimmung von 75 % aller nach dem Gesellschaftsvertrag vorhandenen Stimmen, wenn sie die Änderung des Gesellschaftsvertrages, den Abschluss von Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen oder sonstigen Unternehmensverträgen oder Umwandlungen oder Verschmelzungen betrafen. Im Übrigen wurden die Gesellschafterbeschlüsse mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst (§ 10 Abs 2 Satz 2 Gesellschaftsvertrag). Mit dem Geschäftsführervertrag vom 1. März 1990 wurde der Kläger - ebenso wie die beiden weiteren Gesellschafter - zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Im Rahmen ihrer Tätigkeit waren die Geschäftsführer jeweils alleinvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch befreit. Die Geschäftsführer behielten ihre bisherigen Tätigkeiten und Arbeitszeiten bei. Während der Kläger den Bereich der Produktion leitete, leiteten die beiden weiteren Gesellschafter-Geschäftsführer den kaufmännischen bzw technischen Bereich. Unternehmerische Entscheidungen wurden gemeinsam während der Arbeitszeit im Betrieb getroffen. Der Kläger erzielte ab 1. Januar 2002 8.500 Euro brutto monatlich.
Die AOK Ulm verneinte mit Bescheid vom 26. April 1990 das Vorliegen sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse der Geschäftsführer der G GmbH. Für die Geschäftsführertätigkeit wurden dementsprechend keine Beiträge abgeführt.
Am 1. Dezember 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G GmbH eröffnet. Der Kläger, der bis zum Bezug von Altersrente ab 1. November 2003 als Geschäftsführer tätig war, beantragte bei der Beklagten Insg für ausstehendes Arbeitsentgelt aus der Zeit vom 1. September bis 31. Oktober 2003. Er legte mit dem Antrag einen mit der Sparkasse U. geschlossenen Vertrag vom 5. November 2003 vor, mit dem er der Sparkasse die Ansprüche auf Nettoarbeitsentgelt unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Beklagte für den Monat Oktober 2003 übertrug.
Die Beklagte lehnt den Antrag auf Insg ab (Bescheid vom 21. Januar 2004; Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2004), weil der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer nicht Arbeitnehmer der G GmbH gewesen sei.
Das Sozialgericht (SG) Ulm hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger Insg für die Monate September und Oktober 2003 zu gewähren (Urteil vom 24. Januar 2005): Der Kläger habe weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile, noch über eine Sperrminorität verfügt. Besondere Umstände, die darauf schließen ließen, dass der Kläger die beherrschende Stellung in der GmbH inne gehabt hätte, lägen nicht vor.
Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Insg, weil seine Tätigkeit als Geschäftsführer der G GmbH nicht als abhängige Beschäftigung anzusehen sei. Zwar seien die Voraussetzungen erfüllt, unter denen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für den Regelfall von abhängiger Beschäftigung auszugehen sei. Denn der Kläger verfüge nur über ein Drittel der Gesellschaftsanteile der G GmbH, ohne dass ihm eine Sperrminorität zugestanden hätte. Indes rechtfertigten besondere Umstände den Schluss fehlender Weisungsgebundenheit und damit die Annahme eines vom Regelfall abweichenden atypischen Sachverhalts. Anders als in der Entscheidung des BSG vom 6. März 2003 - B 11 AL 25/02 R - seien der Kläger und seine beiden Mitgesellschafter zugleich alleinige Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen, sodass ihnen in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer dieselben Personen als Gesellschafter gegenübergestanden hätten. Bei Vorliegen einer solchen Fallgestaltung sei für Weisungen der Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern und damit für eine Arbeitnehmereigenschaft kein Raum. Insbesondere ein für ein Arbeitnehmer-Arbeitgeberverhältnis typischer Interessengegensatz sei kaum denkbar. Eine Identität von Geschäftsführern und Gesellschaftern lege auch den Schluss nahe, dass die Geschäftsführer im "eigenen Unternehmen" tätig würden. Dies werde dadurch bestätigt, dass der Kläger und seine Mitgesellschafter bzw -geschäftsführer die Entscheidung der AOK Ulm vom 26. April 1990 über einen Zeitraum von mehr als 13 Jahren akzeptiert hätten. Hinzu komme schließlich, dass im Geschäftsführervertrag keine festen Arbeitszeiten geregelt gewesen seien und die Geschäftsführer jeweils abgegrenzte Betriebsbereiche geleitet hätten. Daraus, dass der Kläger als Geschäftsführer verpflichtet gewesen sei, Anweisungen der Gesellschafterversammlung auszuführen sowie bei bestimmten Geschäften die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen und dass die Gesellschafter-Geschäftsführer entsprechende Entscheidungen auch einvernehmlich getroffen hätten, ergebe sich nichts anderes. Denn unter Berücksichtigung der Personenidentität lasse sich daraus keine Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer ableiten. Mangels Weisungsgebundenheit verlören die für eine Arbeitnehmereigenschaft entsprechenden Umstände an Bedeutung. Schließlich komme dem Umstand, dass der Kläger seine ganze Arbeitskraft sowie seine fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen nach § 1 Abs 4 Satz 1 Geschäftsführervertrag der Gesellschaft zu widmen gehabt habe, hier keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 183 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (SGB III), der Art 3, 103 Grundgesetz sowie von Denkgesetzen und Erfahrungssätzen, Darlegungs- und Beweislastgrundsätzen und anerkannten Auslegungsregeln. Mit seiner Würdigung habe das Berufungsgericht in unzulässiger Weise die Anforderungen daran, wann ein minderheitsbeteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer als Arbeitnehmer anzusehen sei, zum Nachteil des Klägers überspannt und sei von den Grundzügen des Urteils des BSG vom 6. März 2003 - B 11 AL 25/02 R - abgewichen. Soweit das Berufungsgericht besondere Umstände für die fehlende Weisungsgebundenheit des Klägers gesehen habe, sei zunächst zu bemängeln, dass es nicht auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt, sondern eine generalisierende Betrachtung vorgenommen habe. Der vom Berufungsgericht als Unterscheidungsmerkmal hervorgehobene Interessengegensatz zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern habe im Urteil des BSG vom 6. März 2003 keine Rolle gespielt. Es sei auf die Weisungsgebundenheit abzustellen, die mit einem abstrakten Interessengegensatz nichts zu tun habe. Besondere Umstände des Einzelfalls, die auf eine fehlende Weisungsgebundenheit schließen ließen, seien vom Berufungsgericht weder erörtert, noch seien derartige Tatsachen festgestellt worden. Der Kläger sei vollständig in die Organisation des Arbeitgebers eingebunden gewesen. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Arbeitstätigkeit des Klägers im Einzelnen sei Zeugenbeweis angeboten worden, jedoch seien die Zeugen nicht gehört worden, was den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletze. Ferner sei vorgetragen und unter Beweis gestellt worden, dass die drei Gesellschafter die Weisungsrechte auch tatsächlich ausgeübt hätten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. November 2005 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 24. Januar 2005 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass LSG habe unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zutreffend entschieden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Die Rüge der Verletzung des § 183 Abs 1 Satz 1 SGB III greift durch.
Anspruch auf Insg haben nach § 183 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB III (in der hier maßgebenden Fassung durch das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente ≪Job-AQTIV-Gesetz≫ vom 10. Dezember 2001, BGBl I S 3443) Arbeitnehmer, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist nicht zweifelhaft, dass - abgesehen von der streitigen Arbeitnehmereigenschaft - die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Insg vorliegen. Denn über das Vermögen der G GmbH wurde am 1. Dezember 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Aus seiner im Inland ausgeübten Geschäftsführertätigkeit, die mit Ablauf des Monats Oktober 2003 auf Grund seines Eintritts in den Ruhestand endete, standen dem Kläger für die Monate September und Oktober 2003 noch Bezüge nach einem Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 8.500 Euro entsprechend der Gehaltsvereinbarung vom 25. Juni 2002 zu.
Entgegen der Rechtsauffassung des LSG ist der Kläger auch Arbeitnehmer iS des § 183 Abs 1 Satz 1 SGB III gewesen. Der durch die Insg-Vorschriften nicht geregelte Begriff des Arbeitnehmers ist nach der Rechtsprechung des BSG anhand der Vorschriften über die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung zu konkretisieren (BSG SozR 4100 § 141b Nr 41; SozR 3-4100 § 141b Nr 17; Peters-Lange in Gagel, SGB III, § 183 Rz 11; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, § 183 Rz 26). Da der Senat seiner Beurteilung den arbeitsförderungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff zu Grunde legt, steht seiner Auslegung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht entgegen, der unter der Geltung der §§ 59, 61 Konkursordnung von einem engeren Arbeitnehmerbegriff bei Gesellschafter-Geschäftsführern ausgegangen war (BGH, Urteil vom 24. Juli 2003 - IX ZR 143/02 = ZIP 2003, 1662 ff).
Nach § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III sind Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die Beschäftigung wird in § 7 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch (SGB IV), der gemäß § 1 Abs 1 Satz 1 SGB IV auch für die Arbeitsförderung gilt, gesetzlich definiert. Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV). Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Erforderlich ist insbesondere eine Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers (BSGE 38, 53, 57 = SozR 4600 § 56 Nr 1; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1; BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit in erster Linie durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (siehe zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 = SozR 3-2400 § 7 Nr 11).
Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5 und 18; BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 17; BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 30/04 R = ZIP 2006, 678; BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft ist nicht bereits durch die Stellung des Geschäftsführers als Gesellschafter ausgeschlossen. Beim am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenen Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal. Bei Fremdgeschäftsführern, die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt sind, hat das BSG dementsprechend regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die eine Weisungsgebundenheit im Einzelfall ausnahmsweise aufheben (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 20; SozR 4-2400 § 7 Nr 1). Vergleichbares muss - wie der Senat bereits ausgeführt hat (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1; vgl auch BSG, Urteil vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R mwN) - auch bei Geschäftsführern gelten, die zwar zugleich Gesellschafter sind, jedoch weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte Sperrminorität verfügen. Auch für diesen Personenkreis ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung kommt wiederum nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalls den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor.
Derartige einzelfallbezogene Umstände, die gleichwohl unabhängig von den Gesellschafterrechten eine für das Arbeitnehmerverhältnis typische Abhängigkeit vom Arbeitgeber zu vermeiden vermögen, hat das LSG nicht festgestellt. Der Kläger verfügte nur über einen Geschäftsanteil von einem Drittel. Auch eine Sperrminorität stand ihm nicht zu, denn die Gesellschafterbeschlüsse wurden nach § 10 Abs 2 des Gesellschaftsvertrages mit der Mehrheit der Stimmen gefasst. Ausgenommen davon waren lediglich Gesellschafterbeschlüsse betreffend die Änderung des Gesellschaftsvertrages, den Abschluss von Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen oder sonstigen Unternehmensverträgen und betreffend Umwandlungen und Verschmelzungen. Hinsichtlich der Geschäftsführung war der Kläger nach § 6 Abs 1 des Gesellschaftsvertrages ua verpflichtet, die Geschäfte in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Gesellschafter zu führen. Zudem bedurften bestimmte Geschäfte nach § 6 Abs 3 des Gesellschaftsvertrages der vorherigen Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss. Dass die Geschäftsführer im Rahmen ihrer Geschäftsführertätigkeit alleinvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot befreit waren, ist - wie der Senat bereits entschieden hat - bei einer kleineren GmbH nicht untypisch und spricht deshalb nicht zwingend für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1). Über die Regelungen des Gesellschaftsvertrages hinaus hat das LSG zur tatsächlichen Handhabung festgestellt, dass die Gesellschafter die wesentlichen Entscheidungen während der Arbeitszeit im Betrieb einvernehmlich getroffen hatten. Auf Grund der vom LSG getroffenen Feststellungen war damit auch die tatsächliche Ausübung des Einflusses iS einer regelmäßigen Kontrolle der Tätigkeit der Geschäftsführer durch die Gesellschaft gegeben, sodass von einer Bindung des Klägers an die Entscheidungen der Gesamtheit der Gesellschafter und insoweit von einer Weisungsgebundenheit bei der Tätigkeit als Geschäftsführer auszugehen ist.
Diese Annahme wird schließlich auch durch die nach dem Geschäftsführervertrag vom 1. März 1990 vorgesehene Ausgestaltung der Geschäftsführertätigkeit bestätigt. Hierzu hat bereits das LSG zu Recht ausgeführt, dass insoweit alle maßgebenden Indizien (feste Monatsvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Weihnachtsgratifikation, Jahresurlaub, Stellung eines Dienstfahrzeuges, Spesen) für das Vorliegen einer Arbeitnehmertätigkeit sprächen. Dass im Geschäftsführervertrag keine festen Vorgaben hinsichtlich der vom Kläger einzuhaltenden Arbeitszeiten geregelt waren, verliert angesichts des sich aus den Anforderungen der Tätigkeit folgenden Zwanges zur täglichen Anwesenheit während der Arbeitszeiten an Gewicht. Hierzu hat das LSG im Übrigen festgestellt, dass der Kläger auch in zeitlicher Hinsicht an Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden gewesen sei.
Demgegenüber findet sich für den vom LSG aufgestellten Rechtssatz, es sei in der Regel für eine Arbeitnehmertätigkeit kein Raum, wenn den Geschäftsführern dieselben Personen als Gesellschafter gegenüberstünden, keine Grundlage. Denn die Personenidentität von Geschäftsführern und Gesellschaftern ändert an der Rechtsmacht der Gesellschafter und der Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer nichts. Vielmehr hat das LSG sogar ausdrücklich festgestellt, dass die Gesellschafter die ihnen nach dem Gesellschaftsvertrag zustehenden Rechte (einvernehmlich) ausgeübt haben. Die Mitwirkung des Klägers hieran führt angesichts seiner aus dem Gesellschaftsanteil folgenden beschränkten Rechtsmacht zu keiner anderen Bewertung. Auch der Hinweis auf den angeblich fehlenden Interessengegensatz im Arbeitgeber-/ Arbeitnehmerverhältnis ist insoweit nicht behilflich, denn insoweit handelt es sich um kein geeignetes Abgrenzungskriterium. Ein solcher Gegensatz kann zB auch fehlen, wenn der Arbeitnehmer - ohne Gesellschafter zu sein - durch eine Zielvereinbarung am Unternehmenserfolg beteiligt wird. Auch bei der hier vorliegenden Sachlage ist deshalb das Vorliegen darüber hinausgehender Umstände erforderlich, wenn der Schluss auf einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft gezogen werden soll. Eine derartige besondere Fallgestaltung - wie sie im Einzelfall zB bei einer so genannten Familien-GmbH vorliegen kann (vgl BSGE 70, 81, 83 = SozR 3-4100 § 104 Nr 8; BSG USK 8951 und 9975 jeweils mwN; kritisch hierzu Segebrecht in jurisPK-SGB IV § 7 Rz 98) - ist nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG indes nicht gegeben.
Entgegen der Auffassung des LSG bildet der Umstand, dass der Kläger die das Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses verneinende Entscheidung der AOK Ulm akzeptiert hat und auch keine Beitragsabführung erfolgt ist, ebenfalls kein Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit. Entscheidend für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft sind allein die tatsächlichen Verhältnisse im Insg-Zeitraum. Hingegen entfaltet weder die Entscheidung über die Versicherungspflicht Bindungswirkung für die Prüfung der Insg-Voraussetzungen (BSG USK 8951; BSGE 70, 81, 84 ff = SozR 3-4100 § 104 Nr 8), noch erlaubt das Verhalten der Betroffenen Rückschlüsse auf das Vorliegen von persönlicher Abhängigkeit. Letzteres gilt gleichermaßen für die Hinnahme von die Versicherungspflicht verneinenden Entscheidungen, als auch für die tatsächliche Beitragsabführung ohne Bestehen von Versicherungs- und Beitragspflicht.
Das Urteil des LSG kann deshalb keinen Bestand haben. Das erstinstanzliche Urteil war auch insoweit zu bestätigen, als die Beklagte zur Zahlung von Insg für den Monat Oktober 2003 verurteilt worden ist, denn das LSG hat nicht festgestellt, dass die Beklagte der Übertragung der Ansprüche auf Nettoarbeitsentgelt mit der Folge zugestimmt hätte, dass der Sparkasse U. der Anspruch auf Insg zustünde (§ 188 SGB III).
Fundstellen
Haufe-Index 1808436 |
NWB 2007, 4328 |
ZIP 2007, 2185 |
NZI 2008, 156 |
NZI 2008, 48 |
NZS 2008, 138 |
SGb 2007, 541 |
SGb 2008, 168 |
AUR 2007, 327 |
GmbHR 2007, 1324 |
NJW-Spezial 2007, 614 |