Leitsatz (amtlich)
Das Besatzungsmitglied, das während der Freizeit in das Zwischendeck eines im Hafen liegenden Seeschiffes steigt, um zu prüfen, ob dort die Möglichkeit zum Fußballspielen besteht und dabei durch eine nicht verschlossene Luke in den Unterraum stürzt, erleidet einen Arbeitsunfall iS des RVO § 548 (Fortentwicklung von BSG 1961-05-25 2 RU 264/57 = BSGE 14, 197, BSG 1964-07-31 2 RU 8/61 = BG 1965, 72 und BSG 1967-12-14 2 RU 55/64 = SozR Nr 46 zu § 537 RVO aF). Dem Unternehmen (Reederei) ist wegen des Arbeitsunfalls ein Beitragszuschlag nach RVO § 725 Abs 2 idF des UVNG unabhängig davon aufzuerlegen, ob der Unternehmer alle Unfallverhütungsvorschriften beachtet hat.
Normenkette
RVO § 548 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30, § 725 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1963-04-30, § 835 Fassung: 1963-04-30, § 838 Nr. 2 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 4. Juli 1974 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Mit Beitragsbescheid vom 7. April 1971 forderte die Beklagte von der Klägerin für das Jahr 1970 einen Beitragszuschlag zu den Beiträgen zur Unfallversicherung von 450,– DM wegen eines Unfalls des Decksmanns Walter R (R.) am 12. April 1970. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 1971 zurück. R. war auf dem der Klägerin gehörenden Schiff "P" beschäftigt. Am Sonntag, dem 12. April 1970, lag das Schiff im Hafen von D; Ladungsarbeiten wurden nicht ausgeführt. In seiner Freizeit stieg R. zusammen mit einem anderen Besatzungsmitglied in das Zwischendeck, um zu prüfen, ob dort die Möglichkeit zum Fußballspielen bestehe. Dabei bemerkte er nicht, daß eine Sektion des Zwischendecks unverschlossen war. Er stürzte durch diese Öffnung etwa 5,5 m tief in den Unterraum und verletzte sich erheblich. Die Beklagte erkannte den Unfall des R. als Arbeitsunfall an und gewährte wegen der Folgen des Unfalls vom 1. Juli 1970 bis zum 29. Februar 1972 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v. H.
Die Klägerin ist mit der gegen den Beitragszuschlag erhobenen Klage in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Urteile des Sozialgerichts – SG – Hamburg vom 11. Oktober 1973 und des Landessozialgerichts – LSG – Hamburg vom 4. Juli 1974). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt: Der auf die §§ 725 Abs. 2, 871 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm § 27 der Satzung der Beklagten gestützte Beitragszuschlag sei begründet. In § 27 der Satzung werde der Beitragszuschlag an das Vorliegen eines Arbeitsunfalls geknüpft. Der Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung setze einen inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis voraus. Dieser Zusammenhang liege nicht nur vor, wenn das Unfallereignis während der versicherten Tätigkeit eintrete, sondern er könne auch gegeben sein, wenn die betrieblichen Verhältnisse eine rechtlich wesentliche Bedingung für den Eintritt des Unfalls dargestellt haben. Das gelte in besonderem Maße für Seeleute an Bord von Schiffen. Während im allgemeinen Verrichtungen außerhalb der Arbeitszeit dem eigenwirtschaftlichen und damit dem unversicherten Bereich zuzurechnen seien, müßten in der Schiffahrt die Besonderheiten des Bordbetriebes berücksichtigt werden. Diese lägen vor allem darin, daß sich die Arbeitsstätte und die Wohnung des Versicherten auf dem Schiff befänden und für die Schiffsbesatzung auch während der Freizeit eine gewisse Arbeitsbereitschaft bestehe. Diese Gesichtspunkte habe das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 25. Mai 1961 – 2 RU 264/57 – (BSG 14, 197) für die Binnenschiffahrt zusammengefaßt und dabei herausgestellt, daß die Freizeit "mit der ständigen Arbeitsbereitschaft so eng verknüpft ist, daß demgegenüber der persönliche, nicht betriebsbezogene Lebensbereich in den Hintergrund rückt". Die gleichen Grundsätze müßten auch für den Bereich der Seeschiffahrt gelten. Es mache keinen Unterschied, ob das Schiff sich in See befinde oder im Hafen liege. Daher bestehe bei einem Unfall, der sich während der Freiwache ereigne, Versicherungsschutz, wenn an seinem Zustandekommen eine schiffseigentümliche Gefahr wesentlich mitgewirkt habe. Die Lukenöffnung, durch die R. gestürzt sei, bilde einen für Schiffe typischen Gefahrenbereich. Durch die davon ausgehende Gefahr habe sich der Unfall verwirklicht. Sie sei auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß R. der Gefahr während seiner Freizeit erlegen sei, als rechtlich wesentliche Bedingung des Unfalls anzusehen. Demgegenüber falle rechtlich nicht ins Gewicht, daß R. nicht berechtigt gewesen sei, sich im Bereich der Lukenöffnung aufzuhalten. Der Unfallversicherungsschutz werde durch verbotswidriges Verhalten nicht ausgeschlossen. Auch unter dem Gesichtspunkt der selbstgeschaffenen Gefahr sei ein Ausschluß des Versicherungsschutzes nicht erfolgt. In dem Betreten des Zwischendecks durch R. ohne ausreichende Beleuchtung sei kein Verhalten zu sehen, das vernünftigen Überlegungen schwerwiegend widersprochen hätte. Die von der Lukenöffnung ausgehende Gefahr bleibe damit eine für den Unfall rechtlich wesentliche Bedingung. Entgegen der Meinung der Klägerin könne der zu berücksichtigende Gefahrenbereich für die Zeit der Freiwache nicht auf diejenigen Teile der Schiffseinrichtung begrenzt werden, die der Besatzung ohne weiteres zugänglich seien. Vielmehr müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Betriebseinrichtung eine wesentliche Bedingung für das eingetretene Unfallereignis gebildet habe. Daß damit der größte Teil des Schiffes als Gefahrenquelle in Betracht komme, die den Versicherungsschutz auch während der Freizeit auslösen könne, liege an den Besonderheiten des Bordbetriebes. Für die Verpflichtung zur Zahlung eines Beitragszuschlages stelle schließlich der Umstand, daß der leistungspflichtige Arbeitgeber ein verbotswidriges Handeln der Besatzungsmitglieder nicht völlig verhindern könne, kein verwertbares Kriterium dar. Denn § 27 der Satzung der Beklagten diene dem Zweck, durch Förderung angemessener Unfallverhütungsmaßnahmen die Gefahr von Arbeitsunfällen zu vermindern; er sei keine Strafbestimmung.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin hat dieses Rechtsmittel eingelegt und wie folgt begründet: Die vom BSG in Bezug auf die Binnenschiffahrt getroffene Feststellung, daß die Freizeit "mit der ständigen Arbeitsbereitschaft so eng verknüpft ist, daß demgegenüber der persönliche, nicht betriebsbezogene Lebensbereich in den Hintergrund rückt", könne nicht ohne weiteres auf die Seeschiffahrt übertragen werden. Für R. habe keine Arbeitsbereitschaft bestanden. Das Schiff habe fest vertäut im Hafen gelegen, und es habe Sonntagsruhe geherrscht. R. habe Anspruch auf Landgang gehabt. Bei einem Seeschiff sei auch die Trennung von Betriebs- und Wohnbereich wesentlich schärfer durchgeführt als auf einem Binnenschiff. Die vom LSG vertretene Auffassung konsequent zu Ende gedacht würde bedeuten, daß jeder Unfall eines Seemanns in der Freizeit, bei dessen Zustandekommen schiffseigentümliche Gefahren wesentlich mitgewirkt hätten, automatisch ein Arbeitsunfall wäre. Der Versicherungsschutz müsse eine räumliche Einschränkung insofern erfahren, als er auf Unfälle zu beschränken sei, die sich durch schiffseigentümliche Gefahren in einem Bereich ereignet haben, wo mit dem Aufenthalt von Seeleuten unter Berücksichtigung der hierfür erlassenen Unfallschutzvorschriften sowie der den Seeleuten zur Verfügung gestellten Freizeitflächen und der normalerweise von ihnen benutzten Räumlichkeiten vernünftigerweise zu rechnen sei. Aber selbst wenn der Unfallversicherungsschutz wegen der Verursachung dieses Unfalls durch eine schiffseigentümliche Gefahr grundsätzlich zu bejahen sei, wäre im vorliegenden Fall die betriebseigentümliche Gefahr dennoch nicht als rechtlich wesentlich anzusehen, da der Versicherte die Gefahr grob fahrlässig selbst geschaffen habe. R. sei durch das Windenhaus in das völlig dunkle Zwischendeck eingestiegen. Er habe gewußt, daß er zum eigenmächtigen Betreten des Zwischendecks während der Sonntagsruhe des Schiffes nicht berechtigt sei. Ihm seien die Unfallverhütungsvorschriften der Beklagten bekannt gewesen, wonach Stellen an Bord, die Personen betreten müßten, bei Dunkelheit ausreichend zu beleuchten seien. Er habe gewußt, daß das Zwischendeck nicht nur wegen der dort herrschenden Dunkelheit, sondern auch wegen der bisweilen nicht geschlossenen Luken, nicht habe betreten werden dürfen. Die von R. durch grobes Verschulden selbst geschaffene Gefahr sei die allein erhebliche Unfallursache gewesen. Da nach § 725 Abs. 2 RVO Wegeunfälle für die Auferlegung von Zuschlägen unberücksichtigt bleiben, müßten im Wege einer extensiven Auslegung dieser Vorschrift auch alle diejenigen Unfälle ausgenommen werden, die auf ausschließlich in der Sphäre des versicherten Arbeitnehmers liegendes Verhalten zurückzuführen seien. Das würde dem Grundgedanken dieser Vorschrift entsprechen, daß ein Arbeitgeber nicht zu Zuschlägen für Arbeitsunfälle herangezogen werden soll, die nicht von ihm zu vertreten seien, da sie sich nicht in dem von ihm zu verantwortenden Bereich abgespielt haben. Im vorliegenden Fall habe R. den Unfall zwar auf dem Schiff erlitten, das die Betriebsstätte des Unternehmens sei, jedoch habe der Unfall sich in einem Bereich ereignet, der unter den gegebenen Umständen nach allen vom Unternehmer ausgeschöpften Möglichkeiten dem Versicherten überhaupt nicht zur Verfügung gestanden habe. Nach Meinung des LSG diene § 27 der Satzung dem Zweck, durch Förderung angemessener Unfallverhütungsmaßnahmen die Gefahr von Arbeitsunfällen zu vermindern. Es sei aber nicht ersichtlich, wie durch den ihr von der Beklagten auferlegten Zuschlag der Normzweck noch über das hinaus verwirklicht werden könne, was an angemessenen Unfallverhütungsmaßnahmen bereits vor dem in Frage stehenden Unfall erreicht worden sei. Sollte § 27 der Satzung jedoch so auszulegen sein, daß Zuschläge auch für Arbeitsunfälle aufzuerlegen seien, für deren zukünftige Verhinderung dem Unternehmer keine weiteren Möglichkeiten zur Verfügung stehen, dann befinde sich diese Vorschrift nicht im Einklang mit der gesetzlichen Ermächtigung des § 725 Abs. 2 RVO und sei daher unwirksam.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Hamburg vom 4. Juli 1974 und des SG Hamburg vom 11. Oktober 1973 sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18. Oktober 1971 und den Beitragsbescheid der Beklagten vom 7. April 1971 hinsichtlich des Beitragszuschlages für den Unfall des Walter R vom 12. April 1970 in Höhe von 450,– DM aufzuheben,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt vor, daß ein verbotswidriges Handeln für sich allein den Unfallversicherungsschutz nicht ausschließe. Ein grob fahrlässiges, völlig unvernünftiges Handeln, das zum Fortfall des Versicherungsschutzes führen könnte, habe hier nicht vorgelegen. Die Angriffe der Klägerin gegen § 27 der Satzung seien nicht gerechtfertigt. Es gehe nicht darum, den Arbeitgeber von Zuschlägen freizustellen, wenn ihn an dem konkreten Unfall kein Verschulden treffe. Gerade die Erwägung, die subjektive, dem zivilen Schadensersatzanspruch eigene Komponente wegen der Beweisschwierigkeiten und der Gefahren für den Betriebsfrieden auszuschalten, habe zur Schaffung der gesetzlichen Unfallversicherung geführt. Der Zuschlag sei eine Maßnahme, die auf dem Umweg über das Kostenbewußtsein des kaufmännisch denkenden Unternehmers seine Bemühungen anregen und fördern soll, vorbeugend tätig zu werden, insbesondere die Unfallverhütungsvorschriften zu erfüllen. Daß dieser Normzweck im Einzelfall auf dem Wege des Zuschlags nicht erreicht werden könne, sei die Folge jeder generellen Regelung. Jedenfalls könne die Klägerin nicht mit Erwägungen, wie sie etwa für die sogenannte Sphärentheorie des Arbeitsrechts charakteristisch seien, doch wieder zivilrechtliche Haftungskriterien in die gesetzliche Unfallversicherung einführen. Hinzu komme, daß der Zuschlag in der Höhe, wie er der Klägerin auferlegt worden sei, nur einen bescheidenen Anteil derjenigen Kosten wieder einbringe, die im vorliegenden Fall aus dem Unfall erwachsen seien. Die Zuschlagsregelung sei nicht etwa ein verkappter Regress nach § 640 RVO, nur dann bestünde Anlaß, sich mit den Überlegungen der Klägerin noch eingehender auseinanderzusetzen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten damit einverstanden waren (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
In der allgemeinen Unfallversicherung, wie auch in der See-Unfallversicherung (§ 871 RVO), sind nach § 725 Abs. 2 RVO in der bis zum Inkrafttreten des § 15 Nr. 5 des Neunzehnten Rentenanpassungsgesetzes vom 3. Juni 1976 (BGBl I 1373) geltenden Fassung – RVO aF – den einzelnen beitragspflichtigen Unternehmern von der Berufsgenossenschaft unter Berücksichtigung der Zahl und Schwere der vorgekommenen Arbeitsunfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen; Wegeunfälle (§ 550 RVO) bleiben dabei außer Ansatz. Das Nähere bestimmt die Satzung. In § 27 der Satzung der Beklagten ist u. a. vorgesehen, daß für jeden meldepflichtigen Arbeitsunfall, der zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als sieben Tagen geführt hat, ein Zuschlag in Höhe von 150,– DM und wenn er zur Gewährung einer Verletztenrente geführt hat, in Höhe von weiteren 300,– DM aufzuerlegen ist (§ 27 Nr. 2 und 3 der Satzung). Da R. wegen des Unfalls vom 12. April 1970 eine Verletztenrente gewährt worden ist, hat die Beklagte den Zuschlag rechnerisch richtig auf 450,– DM festgesetzt. Der Unfall des R. war auch ein Arbeitsunfall.
Nach § 548 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den § 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Diese und die ergänzenden Vorschriften der §§ 549, 550 und 555 RVO gelten mit allen ihren einzelnen Tatbestandsmerkmalen und den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen und Voraussetzungen in vollem Umfang auch in der See-Unfallversicherung. Darüber hinaus ist jedoch in der See-Unfallversicherung von jeher (§§ 1052 bis 1054 RVO aF, § 838 RVO), wie später auch in der Binnenschiffahrt (§ 552 RVO), teils die Grenze für das Erfordernis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Tätigkeit und Unfall weiter gezogen als in der allgemeinen Unfallversicherung, teils auch der Versicherungsschutz dadurch ausgedehnt, daß die Arbeits- oder Dienstbereitschaft der versicherten Tätigkeit rechtlich gleichgestellt ist.
Nach der zum Umfang des Versicherungsschutzes in der Binnenschiffahrt ergangenen ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG 14, 197; BG 1965, 72; SozR Nr. 46 zu § 537 RVO aF), die wegen der übereinstimmenden rechtlichen Vorschriften auch für die Seeschiffahrt Geltung hat, ist der Versicherungsschutz angesichts der Eigenart der Schiffahrtsberufe nicht allein auf die unmittelbare Ausübung betrieblicher Tätigkeiten beschränkt, er erstreckt sich im Falle der Einwirkung einer dem Schiffahrtsbetrieb eigentümlichen Gefahr auch auf Verhaltensweisen, welche sonst allgemein dem privaten Lebensbereich des Beschäftigten zugerechnet werden. Damit trägt der erkennende Senat den Besonderheiten der Schiffahrtsberufe Rechnung, die dadurch gekennzeichnet sind, daß das Schiff für die Besatzung zugleich die Arbeitsstätte und die Unterkunft bildet und das Besatzungsmitglied an Bord in der Regel einer ständigen Arbeitsbereitschaft unterliegt. Jeder einzelne dieser Umstände allein läßt es nach Ansicht des erkennenden Senats als nicht vertretbar erscheinen, ein Besatzungsmitglied, welches seine Freizeit an Bord des Schiffes mit Schlafen, Essen oder privatem Zeitvertreib verbringt, hierbei als unversichert anzusehen (vgl. insbesondere BSG 14, 197, 201; BG 1965, 72, 73). Es braucht daher nicht darauf eingegangen zu werden, ob für R. am Unfalltage während seines Aufenthalts an Bord eine Arbeitsbereitschaft bestanden hat. Das LSG ist im angefochtenen Urteil zwar davon ausgegangen, ohne jedoch in Betracht zu ziehen, daß das Besatzungsmitglied nach § 61 des Seemannsgesetzes – SeemG – vom 26. Juli 1957 (BGBl I 713) außerhalb der Hafenarbeitszeit Anspruch auf Landgang hat, soweit die Sicherheit des Schiffes und seine Abfahrtszeit es zulassen. Landgang bedeutet die kurzfristige Befreiung von der in § 28 SeemG normierten Verpflichtung, auch während der dienstfreien Zeit an Bord anwesend zu sein. Das Besatzungsmitglied braucht den Landgang nicht zu beantragen, sondern er ist vom Kapitän ohne Zutun des Besatzungsmitgliedes zu gewähren, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Möglicherweise kann daher in der Seeschiffahrt, anders als in der Binnenschiffahrt, nicht von einer ständigen Arbeitsbereitschaft ausgegangen werden, wenn sich das Besatzungsmitglied trotz des Anspruchs auf Landgang an Bord aufhält. Diese Frage kann jedoch offen bleiben. Denn in der Seeschiffahrt bildet das Schiff ebenso wie in der Binnenschiffahrt aus betrieblichen Notwendigkeiten zugleich die Arbeitsstätte und die Unterkunft. Nach § 41 SeemG hat das Besatzungsmitglied Anspruch auf eine Unterkunft auf dem Schiff. Diese besondere Gestaltung der Wohnverhältnisse bestimmt das Verhalten der Besatzungsmitglieder. So hat bereits das Reichsversicherungsamt (RVA) das Angeln von Bord eines Schiffes (während der Fahrt) sowie das Zubereiten und Genießen der gefangenen Fische als Ausfluß des Betriebsbannes, des durch den Betrieb erzeugten und in verständlicher Weise befriedigten Bedürfnisses nach Abwechslung angesehen, weshalb der Tod des Seemannes infolge des Genusses der geangelten giftigen Fische ein Betriebsunfall ist (AN 1896, 422). Auch nach Auffassung des BSG bietet die auf dem Schiff bestehende enge Verbindung zwischen der Arbeitsstätte und der wasserumgebenen Unterkunft für die Besatzungsmitglieder den naturgegebenen Anreiz, sich während der warmen Jahreszeit gleich vom Schiff aus ins Wasser zu begeben, so daß der Tod eines Besatzungsmitgliedes durch Ertrinken beim Baden ein Arbeitsunfall ist (BG 1965, 72). In beiden Fällen waren die in der Schiffahrt besonders gestalteten Wohnverhältnisse wesentlich mitursächlich für den Eintritt der Unfälle durch die dem Schiffsbetrieb eigentümlichen Gefahren, nämlich der Gefahr, daß im Meer neben bekömmlichen auch giftige Fischarten enthalten sind (AN 1896, 422), und der Gefahr, daß das Schiff, von dem aus das Besatzungsmitglied sich ins Wasser begeben hat, nur unter erheblich größeren Schwierigkeiten wieder erstiegen werden könne, als in einem Strandbad nach dem Baden wieder das Trockene aufzusuchen (BG 1965, 72).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die das Revisionsgericht mangels zulässiger und begründeter Revisionsrügen gebunden ist (§ 163 SGG), suchte R. wegen anhaltenden Regens nach einer Möglichkeit für ein Fußballtraining an Bord des Schiffes. Er war in das Zwischendeck eingestiegen, um zu prüfen, ob dieses für das Fußballtraining geeignet wäre. Die beabsichtigte Freizeitgestaltung erhält ihr rechtliches Gepräge als eine dem Betrieb zuzurechnende versicherte Tätigkeit durch die besondere Gestaltung der Wohnverhältnisse und dem sich daraus ergebenden Bedürfnis nach privatem Zeitvertreib auf der Arbeitsstätte, zugleich aber auch durch die Einwirkung einer dem Schiffsbetrieb eigentümlichen Gefahr, mit welcher der Unfall des R. in einem ursächlichen Zusammenhang steht. Wie die Klägerin in ihrem Revisionsvorbringen bestätigt, sind bisweilen im Zwischendeck nicht alle Luken geschlossen. Das LSG hat demnach die Lukenöffnungen zu Recht als einen Gefahrenbereich angesehen, der für ein Schiff typisch ist. Seiner Auffassung, daß R. einen Arbeitsunfall erlitten hat, ist zuzustimmen.
Entgegen der Meinung der Klägerin ist eine Begrenzung des Versicherungsschutzes auf solche Unfälle, die während der Ausübung eines privaten Zeitvertreibs durch Einwirkungen von schiffseigentümlichen Gefahren in Bereichen eingetreten sind, wo mit dem Aufenthalt von Seeleuten unter Berücksichtigung der Unfallschutzvorschriften sowie der den Seeleuten zur Verfügung gestellten Freizeitfläche und der normalerweise von ihnen benutzten Räumlichkeiten vernünftigerweise zu rechnen ist, nicht vorzunehmen. Dies würde der vom Gesetzgeber in der See-Unfallversicherung gewollten Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf Unfälle im Betriebsbann des Schiffes zuwiderlaufen und letztlich auch nicht im Interesse der Unternehmen liegen. Eine der wesentlichen Grundlagen der gesetzlichen Unfallversicherung ist die Ablösung der Unternehmerhaftpflicht (§ 636 RVO). Anstelle der privatrechtlichen Haftung des einzelnen Unternehmers tritt die Gesamthaftung der in den Berufsgenossenschaften zusammengeschlossenen Gemeinschaft der Unternehmer, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob den Verletzten oder den Unternehmer an dem Eintritt des Unfalls ein Verschulden trifft. Damit werden Schadensersatzprozesse zwischen dem Unternehmer und seinen Betriebsangehörigen vermieden und der Arbeitsfrieden im Unternehmen erhalten. Bei einer räumlichen Begrenzung des unfallversicherungsrechtlich geschützten Bereiches auf dem Schiff würde es aber zu Schadensersatzprozessen kommen, wenn der Unternehmer den Bereich, der seiner Meinung nach von den Besatzungsmitgliedern während der Freizeit nicht betreten werden darf, nicht in einer Weise vor dem Betreten durch die Besatzungsmitglieder sichert, daß ein unbefugtes Betreten praktisch ausgeschlossen ist. Daß damit gleichzeitig eine wohl unerträgliche Einengung der Bewegungsfreiheit der Besatzungsmitglieder an Bord des Schiffes während der Freizeit verbunden ist, kann ebenfalls nicht übersehen werden.
Mit dem LSG ist der erkennende Senat der Auffassung, daß der Versicherungsschutz hier nicht unter dem Gesichtspunkt einer selbstgeschaffenen Gefahr oder des verbotswidrigen Handelns versagt werden kann.
Einen Rechtssatz des Inhalts, daß der Versicherungsschutz entfällt, wenn der Versicherte sich bewußt einer erhöhten Gefahr aussetzt und dadurch zu Schaden kommt, gibt es nicht (vgl. BSG 6, 164, 169). Auch leichtsinniges oder unbedachtes Verhalten beseitigt nicht den bestehenden ursächlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit. Der für die Annahme eines Arbeitsunfalls erforderliche innere Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit ist nur dann ausnahmsweise nicht mehr gegeben, wenn ein Beschäftigter sich derart sorglos und unvernünftig verhält, daß für den Eintritt des Arbeitsunfalls nicht mehr die versicherte Tätigkeit, sondern die selbstgeschaffene Gefahr als die rechtlich allein wesentliche Unfallursache anzusehen ist. Das BSG hat den Begriff der "selbstgeschaffenen Gefahr" stets eng ausgelegt und nur mit größter Zurückhaltung angewendet (BSG 6, 164, 169; 14, 64, 67; 30, 14, 15; SozR Nr. 53 und 77 zu § 542 RVO aF). Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG liegt im vorliegenden Fall eine zum Ausschluß des Versicherungsschutzes führende selbstgeschaffene Gefahr nicht vor. Zwar hat R., ohne dazu berechtigt zu sein, das nicht beleuchtete Zwischendeck betreten. Jedoch ist nach Meinung des erkennenden Senats darin nicht ein in so hohem Maße sorgloses und vernunftwidriges Verhalten zu erblicken, daß die versicherte Tätigkeit nicht mehr als eine wesentliche Bedingung für den Eintritt des Unfalls angesehen werden könnte. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn das LSG über die Art und Weise, wie R. in das Zwischendeck gelangt ist, nicht nur das Vorbringen der Klägerin wiedergegeben, sondern selbst festgestellt hätte, daß R. durch das Windenhaus in das Zwischendeck gekrochen war. Unerheblich ist ferner, daß R. dabei einem Verbot zuwidergehandelt hat, da nach § 548 Abs. 3 RVO, der auch für die See-Unfallversicherung gilt (früher § 1052 Abs. 2 RVO aF), verbotswidriges Handeln die Annahme eines Arbeitsunfalls nicht ausschließt. In diesem Zusammenhang hat das LSG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 12. Oktober 1973 – 2 RU 190/72 –, Die Leistungen 1974, 339) zutreffend darauf hingewiesen, daß dies auch dann gilt, wenn bei einem nicht verbotswidrigen Handeln der Arbeitsunfall gar nicht eingetreten wäre.
Die Auffassung des Klägers, daß bei einer an dem Sinn und Zweck des § 725 Abs. 2 RVO aF orientierten extensiven Auslegung dieser Vorschrift nicht nur Wegeunfälle, sondern auch sonstige Unfälle nicht zur Auferlegung eines Zuschlags führen dürfen, die sich außerhalb des vom Unternehmer zu verantwortenden Bereichs ereignet haben, überzeugt nicht. Zur Begründung des durch den Sozialpolitischen Ausschuß des Bundestages eingefügten § 725 Abs. 2 RVO aF ist ausgeführt worden, daß die Unfallsicherheit eines Betriebes entscheidend davon abhänge, in welchem Umfang der Unternehmer sich um sie bemühe. Könne ihm vorgeworfen werden, daß er schuldhaft die Bemühungen unterlassen habe, müsse der Versicherungsträger den Unternehmer in eine Ordnungsstrafe nehmen. Davon abgesehen solle auch schon das Vorliegen eines Arbeitsunfalls zu einer Veränderung des Beitrags führen. Der Unternehmer, der einen Betrieb eröffne oder unterhalte, habe technische Einrichtungen nötig, die mehr oder minder große Gefahren mit sich brächten. Für die Folgen aus diesen Gefahrenlagen müsse der Unternehmer einstehen (BT-Drucksache IV/938 – neu – S. 23). Nach dem aus dieser Begründung erkennbaren Sinn und Zweck des § 725 Abs. 2 RVO aF kommt es bei der Auferlegung eines Zuschlages für den Unfall nicht darauf an, ob der Unternehmer alle zur Verhütung von Unfällen erforderlichen Maßnahmen durchgeführt hat. Entscheidend ist, daß der Unfall in der Regel als eine Folge der durch den Betrieb bedingten Gefahrenlage angesehen werden muß. Diese ist im vorliegenden Fall durch die aus betrieblichen Notwendigkeiten bestehende enge Verknüpfung von Arbeitsstätte und Unterkunft gekennzeichnet. Es ist daher mit dem Normzweck vereinbar, Arbeitsunfälle, die sich in diesem Gefahrenbereich ereignen, mit einem der Schwere des Unfalls angepaßten Zuschlag zu belegen. Gleichzeitig werden dadurch auch die Bemühungen des Unternehmers um die Unfallsicherheit angeregt, deren es auch nach Erfüllung aller von der Berufsgenossenschaft erlassenen Unfallverhütungsvorschriften bedarf, sei es auch nur, daß die Bemühungen darin bestehen, die Schiffsbesatzungen wegen ihrer häufig wechselnden Zusammensetzung wiederholt auf die vielfältigen dem Schiffahrtsbetrieb eigentümlichen Gefahren hinzuweisen, die sie auch in der Freizeit an Bord bedrohen.
Da die Beklagte der Klägerin wegen des Unfalls des R. am 12. April 1970 zu Recht einen Zuschlag von 450,– DM auferlegt hat, mußte die Revision der Klägerin nach § 170 Abs. 1 SGG zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen