Entscheidungsstichwort (Thema)
Approbationsvorbehalt. Arztvorbehalt. Behandlung. Berechtigung. Berufsausübung. Berufsfreiheit. Differenzierung. Diplom-Psychologe. Gemeinwohl. Krankheit. Psychotherapie-Richtlinien. Psychotherapie-Vereinbarung. Qualifikation. Verhältnismäßigkeit. Verhaltenstherapie. Weiterbildung
Leitsatz (amtlich)
Die Zulassung eines nichtärztlichen Verhaltenstherapeuten zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Wege des Delegationsverfahrens darf von dem Erfordernis einer Zusatzausbildung an einem von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung anerkannten Ausbildungsinstitut abhängig gemacht werden.
Normenkette
SGB V §§ 15, 72, 92; GG Art. 3, 12
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) werden das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 1990 abgeändert und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30. März 1988 aufgehoben.
Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) verpflichtet ist, der Klägerin die Berechtigung zur Durchführung von Verhaltenstherapie im Delegationsverfahren zu erteilen.
Die 1943 geborene Klägerin hat im Dezember 1980 das Studium der Psychologie an der Universität Düsseldorf mit der Diplom-Prüfung abgeschlossen. Seit Anfang 1981 ist sie in einer Praxis in Haan als Verhaltenstherapeutin tätig. Bis Ende 1983 stand sie hier unter der Supervision des Diplom-Psychologen J…. Im Jahre 1983 erhielt sie vom Berufsverband Deutscher Psychologen e.V. die Anerkennung als “Klinische Psychologin”. Die Klägerin besitzt die Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (nur Verhaltenstherapie) nach dem Heilpraktikergesetz.
Im Mai 1985 beantragte sie bei der Beklagten die “Zulassung als Vertragsbehandlerin für Verhaltenstherapie”. Mit Bescheid vom 28. April 1986, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 1987, lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe nicht die für die Durchführung der Verhaltenstherapie in der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung erforderliche Zusatzausbildung an einem anerkannten Ausbildungsinstitut nachgewiesen.
Mit Urteil vom 30. März 1988 hat das Sozialgericht (SG) den Bescheid vom 28. April 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und festgestellt, die Beklagte sei verpflichtet, von der Klägerin im Delegationsverfahren gegenüber Kassenpatienten erbrachte verhaltenstherapeutische Leistungen abzurechnen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 5. Dezember 1990 unter Neufassung der Urteilsformel zurückgewiesen und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, die Klägerin in die Liste der nichtärztlichen Verhaltenstherapeuten einzutragen. Zur Begründung hat es dargelegt, der Anspruch der Klägerin auf Teilnahme am Delegationsverfahren ergebe sich nicht aus den zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen geschlossenen Psychotherapie-Vereinbarungen, weil sie nicht die geforderte zweijährige Zusatzausbildung an einem anerkannten Ausbildungsinstitut aufweise. Die Vereinbarungen seien jedoch insoweit mangels ausreichender gesetzlicher Ermächtigung unwirksam. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, in grundlegenden normativen Bereichen die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Das sei nicht geschehen; denn § 92 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V), der die Richtlinienkompetenz der Bundesausschüsse zum Inhalt habe, sei als Grundlage einer Regelung über die Ausübung von Berufen, die im SGB V nicht erfaßt würden, zu unbestimmt. Eine ausreichende Rechtsgrundlage für die aufgrund der Psychotherapie-Vereinbarungen vorgenommenen Eingriffe in das Recht der Berufsausübung von Diplom-Psychologen nach Art 12 des Grundgesetzes (GG) ergebe sich auch nicht aus den Vorschriften des SGB V über den Sicherstellungsauftrag der kassenärztlichen Versorgung, insbesondere nicht aus § 72 Abs 2 SGB V. Den Normen fehle es im Hinblick auf ein Regelungssystem, das Dritte betreffe, ebenfalls an der erforderlichen Bestimmtheit. Eingriffe gegenüber Dritten seien auch von der Befugnis zum vorläufigen Verwaltungshandeln ohne entsprechende gesetzliche Ermächtigung, die den Selbstverwaltungskörperschaften – hier den Vertragsparteien der Psychotherapie-Vereinbarungen – innerhalb ihres Kompetenzbereiches zustehe, nicht gedeckt, so daß die Regelungen der Vereinbarungen über die zusätzliche Qualifikation von Diplom-Psychologen für die Teilnahme am Delegationsverfahren unwirksam seien. Sie seien darüber hinaus unverhältnismäßig, weil das angestrebte Ziel, die drohende Unterversorgung bei der verhaltenstherapeutischen Behandlung zu vermeiden, durch diejenigen Diplom-Psychologen zu erreichen sei, die von ihrem Berufsverband als “Klinische Psychologen” anerkannt worden seien. Zudem dürften von nichtärztlichen Verhaltenstherapeuten nicht höhere Weiterbildungsanforderungen verlangt werden, als dies bei der Weiterbildung der ärztlichen Psychotherapeuten der Fall sei. Die Klägerin habe danach einen Anspruch auf Aufnahme in die Liste der nichtärztlichen Verhaltenstherapeuten. Dagegen bestehe kein Anspruch darauf, verhaltenstherapeutische Leistungen unmittelbar mit der Beklagten abzurechnen. Insoweit sei ihre Klage abzuweisen gewesen.
Die Beigeladene zu 1) und die Beklagte habe gegen das Urteil des LSG Revisionen eingelegt.
Die Beigeladene zu 1) rügt eine Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des LSG beruhten die Psychotherapie-Richtlinien und die Psychotherapie-Vereinbarungen auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. So genüge zunächst § 92 Abs 1 SGB V den verfassungsrechtlichen Anforderungen; denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gelte Art 80 Abs 1 GG nicht für die Normsetzungsbefugnis von Selbstverwaltungsträgern. Die Befugnis zum Erlaß von Normen liege im Autonomiebereich der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Soweit das Berufungsgericht darauf abhebe, daß § 92 SGB V nicht zur Regelung gegenüber außerhalb der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung stehenden Personen ermächtige, verkenne es, daß Normadressaten der Richtlinien und Vereinbarungen ausschließlich Ärzte seien. Die Mitwirkung von psychologischen Psychotherapeuten erfolge im Rahmen der ärztlichen Behandlung, die unter der überwachenden Beobachtung des Kassenarztes stattfinde und von diesem zu verantworten sei (Delegationsverfahren). Dabei sei es auch notwendig, die Qualifikation der Personen festzuschreiben, die im Rahmen des Delegationsverfahrens tätig werden dürften. Nur wenn deren Qualifikation gesichert sei, könne der Arzt Teile der Heilbehandlung an sie übertragen. Die Ansicht des LSG, § 72 Abs 2 SGB V sei keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Schaffung einer untergesetzlichen Regelung, stehe im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Diese habe die Einbeziehung von Nichtärzten in die Leistungserbringung im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung aus Gründen der Sicherstellung gebilligt. Des weiteren sei die sich aus den Psychotherapie-Vereinbarungen ergebende Differenzierung hinsichtlich der Zusatzqualifikation der Psychologen im Vergleich zu den Anforderungen an Ärzte mit der Zusatzbezeichnung “Psychotherapie” sachlich gerechtfertigt. Ärzte erlangten im Gegensatz zu psychologischen Therapeuten während ihrer Ausbildung umfassende Kenntnisse in der Krankenbehandlung. Der Abschluß “Diplom-Psychologe” könne dagegen erworben werden, ohne daß im Studium jemals die Frage der Krankenbehandlung eine Rolle gespielt habe. Eine mindestens dreijährige Zusatzausbildung sei deshalb erforderlich. Eine durch einen Berufsverband verliehene Qualifikation könne nicht als sachgerechte Lösung akzeptiert werden, weil ansonsten psychologische Psychotherapeuten verpflichtet wären, Mitglied eines Berufsverbandes zu werden. Selbst wenn man der Auffassung des LSG von der Unwirksamkeit der Psychotherapie-Vereinbarungen folgen würde, hätte dem Antrag der Klägerin auf Aufnahme in die Liste der nichtärztlichen Verhaltenstherapeuten nicht stattgegeben werden dürfen. Eine Einbeziehung nichtärztlicher Therapeuten in das System der gesetzlichen Krankenversicherung wäre dann nämlich wegen des Fehlens einer Rechtsgrundlage ausgeschlossen. Es bliebe in diesem Fall beim Approbationsvorbehalt, wonach Leistungen im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung ausschließlich Ärzten vorbehalten seien.
Die Beklagte schließt sich zur Begründung ihrer Revision den Ausführungen der Beigeladenen zu 1) an.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,
die Klage unter Aufhebung der Urteile des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30. März 1988 und des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 1990 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Sie hält die Urteile der Vorinstanzen für zutreffend und trägt ergänzend vor: Die Psychotherapie-Richtlinien in der am 12. Januar 1989 als weitergeltend beschlossenen Fassung und die von ihnen in Bezug genommene Psychotherapie-Vereinbarung idF vom 20. September 1990 seien unwirksam. § 92 Abs 1 SGB V sehe vor, daß die Bundesausschüsse die erforderlichen Richtlinien beschlössen. Ein Beschluß, wonach vor Inkrafttreten des SGB V vorhandene Richtlinien “weitergelten”, sei insoweit nicht ausreichend. Ebensowenig könnten in die Richtlinien Regelungen einbezogen werden, die nicht von den Richtliniengebern selbst stammten. Die Psychotherapie-Richtlinien enthielten darüber hinaus Berufszugangs- und Berufsausübungsregelungen, die nicht einmal für Ärzte als “Richtlinien” ergehen könnten. Derartige Regelungen seien unter der Geltung des Art 12 Abs 1 GG entweder durch Gesetz oder durch untergesetzliche Rechtsnormen vorzunehmen. Die Richtlinien stellten insoweit keinen Rechtsnormersatz dar. Der Bundesausschuß sei zudem kein tauglicher Normgeber, weil er nicht demokratisch legitimiert sei. Für Nichtmitglieder der an ihm beteiligten Körperschaften könne er Berufsausübungsregelungen ohnehin nicht treffen. Schließlich verstoße die Regelung, eine etwa notwendige Zusatzausbildung von psychologischen Verhaltenstherapeuten zwingend und ausschließlich an einem von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung anerkannten Institut zu absolvieren, gegen das Übermaßverbot. Wenn die Beklagte ohne gesetzliche Grundlage eine Beteiligung nichtärztlicher Verhaltenstherapeuten an der kassenärztlichen Versorgung einführe, so sei sie im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG verpflichtet, sie, die Klägerin, ebenso in die Liste der im Delegationsverfahren zugelassenen nichtärztlichen Verhaltenstherapeuten einzutragen wie diejenigen ihrer Berufskollegen, die die in den Psychotherapie-Vereinbarungen vorgeschriebene Zusatzausbildung nachweisen könnten. Ihre Ungleichbehandlung wäre nur zulässig, wenn die von ihr, der Klägerin, nachgewiesene Zusatzausbildung unter irgendeinem rechtlich beachtenswerten Gesichtspunkt gegenüber der von der Beklagten verlangten geringerwertig wäre. Das sei jedoch nach den bindenden Feststellungen des SG und des LSG nicht der Fall.
Der Beigeladene zu 4) bezieht sich auf das Revisionsvorbringen der Beigeladenen zu 1) und führt weiter aus, der Wirksamkeit der Psychotherapie-Vereinbarungen stehe nicht entgegen, daß der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen habe. Denn hier liege bereits ein unmittelbarer Eingriff in Grundrechte der Betroffenen nicht vor. Die Psychotherapie-Richtlinien und die darauf beruhende Psychotherapie-Vereinbarung wendeten sich unmittelbar an die Ärzte und nicht an die psychologischen Psychotherapeuten. Als Bestandteil der Bundesmantelverträge seien die Richtlinien sowohl für die Kassenärztliche Vereinigung und ihre Mitglieder als auch für die Landesverbände der Krankenkassen und ihre Mitglieder verbindlich. Nur gegenüber diesen Beteiligten entfalteten die Richtlinien Rechtswirkungen. Die Klägerin sei lediglich mittelbar betroffen. Insoweit ließen die Psychotherapie-Richtlinien und die Psychotherapie-Vereinbarungen objektiv eine berufsregelnde Tendenz nicht deutlich erkennen. Jedenfalls fehle es an einem wesentlichen Eingriff. Aus Grundrechten könnten im übrigen Leistungsrechte nicht hergeleitet werden.
Der Beigeladene zu 2) schließt sich dem Revisionsvorbringen der Beigeladenen zu 1), die Beigeladenen zu 3) und 6) dem Revisionsvorbringen der Beigeladenen zu 1) und 4) an. Die Beigeladenen zu 5) und 7) sehen von einer Stellungnahme ab.
Entscheidungsgründe
II
Die Revisionen der Beigeladenen zu 1) und der Beklagten, die auch hinsichtlich der Begründung durch ausschließliche Bezugnahme auf die Revisionsbegründung der Beigeladenen zu 1) zulässig ist (s zuletzt Urteil des Senats vom 14. Mai 1992 – 6 RKa 41/91 –, insoweit in BSGE 70, 285, 289 = SozR 3-2500 § 122 Nr 1 S 7 nicht abgedruckt), sind begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Teilnahme an der Behandlung von Krankenkassenmitgliedern im sog Delegationsverfahren.
Die rechtliche Beurteilung der zulässigerweise erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) richtet sich nach dem im Zeitpunkt der Revisionsentscheidung geltenden Recht (BSGE 68, 47, 48 = SozR 3-2500 § 159 Nr 1 S 2; BSGE 70, 285, 289 = SozR 3-2500 § 122 Nr 1 S 8), sofern, wie hier, das neue Recht des SGB V nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfassen will. Maßgebend sind somit die Vorschriften des SGB V idF des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz ≪GSG≫) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S 2266), die als Anlage 1 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Bundesverbänden der Primärkassen geschlossene Psychotherapie-Vereinbarung vom 20. September 1990 idF vom 17. Oktober 1991 sowie die als Anlage 1 zum Arzt/Ersatzkassenvertrag (EKV-Ärzte) vereinbarte Anwendung von Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung in der Neufassung vom 20. September 1990, gültig ab 1. Oktober 1990.
Die Klägerin begehrt, wie ihrem Vorbringen zu entnehmen ist, im Kern die Erteilung oder Feststellung ihrer Berechtigung zur Teilnahme am sog Delegationsverfahren (§ 4 der Psychotherapie-Vereinbarung, § 4 der Anlage 1 zum EKV-Ärzte; im folgenden: Vereinbarungen), als deren Folge sich die Aufnahme in eine den Krankenkassen von den KÄVen zur Verfügung zu stellende “Liste” (jeweils § 6 Abs 1 der Vereinbarungen) ergibt. Die Beklagte war für die Entscheidung über die Teilnahme der Klägerin am Delegationsverfahren zuständig. Die Vereinbarungen sprechen zwar insoweit nicht ausdrücklich von einer Zulassung zum Delegationsverfahren. Sie setzen aber die Zulassung eines Diplom-Psychologen, der zu Lasten der Krankenkassen deren Mitglieder behandeln will, durch die KÄV voraus. Gem § 4 Abs 3 der Vereinbarungen ist nämlich der Arzt, der einen psychologischen Psychotherapeuten zur Behandlung hinzuziehen will, verpflichtet, sich zu vergewissern, daß diesem “die Berechtigung zur Durchführung von Psychotherapie im Delegationsverfahren seitens einer Kassenärztlichen Vereinigung erteilt wurde”. Die Erteilung der Berechtigung wiederum hängt von der Erfüllung bestimmter, in § 3 der Vereinbarungen im einzelnen festgelegter Voraussetzungen ab. Die Vorschriften des § 4 Abs 3 der Vereinbarungen schreiben mithin nicht nur ein Zulassungsverfahren vor. Sie begründen auch die Zuständigkeit der Beklagten zur Entscheidung über die Zulassung zum Delegationsverfahren. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage von der, die den Urteilen des 3. Senats des BSG vom 30. März 1993 – 3 RK 1/93 (zur Veröffentlichung vorgesehen) und 3 RK 2/93 zugrunde lag. In diesen Verfahren wollten psychologische Psychotherapeuten zur selbständigen Behandlung von Krankenkassenmitgliedern ohne Zwischenschaltung eines Arztes zugelassen werden. Der 3. Senat hat hierfür die Zuständigkeit der Zulassungsausschüsse (§ 96 Abs 1 SGB V) bejaht.
Zutreffend hat das LSG zunächst entschieden, daß die Klägerin auf der Grundlage der bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts maßgebenden einfachrechtlichen Regelungen keinen Anspruch auf Teilnahme am Delegationsverfahren herleiten konnte. Dies hätte uU im Wege der Besitzstandswahrung zu beachten sein können.
Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem derzeit geltenden einfachen Recht. Die insoweit vorrangig einschlägigen Vereinbarungen setzen, wie alle Vorläufervorschriften ebenfalls, für die Teilnahmeberechtigung am Delegationsverfahren neben anderem voraus, daß der die Teilnahme begehrende Diplom-Psychologe nach dem Studium eine zusätzliche verhaltenstherapeutische Ausbildung an einem von der Beigeladenen zu 1) anerkannten Ausbildungsinstitut zurückgelegt hat (vgl nunmehr die Vorschriften der §§ 3 Abs 5 der Vereinbarungen). Eine derartige Ausbildung hat die Klägerin nach den – den Senat gem § 163 SGG bindenden – Feststellungen des LSG nicht durchlaufen.
Dahingestellt bleiben kann, ob die Klägerin – wie vom LSG vertreten – trotz des Fehlens der geforderten zusätzlichen verhaltenstherapeutischen Ausbildung aus Gründen der Gleichbehandlung einen Anspruch auf Teilnahme am Delegationsverfahren hätte, wenn die diesbezüglichen Bestimmungen der Vereinbarungen nichtig wären; denn entgegen der Auffassung des LSG sind die Vereinbarungen, soweit sie besondere Qualifikationsvoraussetzungen für die Zulassung zum Delegationsverfahren festlegen, rechtmäßig (so auch Urteil des LSG Berlin vom 20. Mai 1992 – L 7 Ka 7/91). Die Beklagte hat der Klägerin die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Wege des Delegationsverfahrens zu Recht versagt, weil diese nicht die in den Vereinbarungen geforderte Zusatzausbildung an einem von der Beigeladenen zu 1) anerkannten Ausbildungsinstitut zurückgelegt hat.
Die einschlägigen Regelungen der Vereinbarungen verletzen keine Grundrechte der Klägerin, insbesondere nicht das – hier vorrangig zu prüfende – Grundrecht der Berufsfreiheit. Der maßgebliche Eingriff in den von Art 12 GG geschützten Grundrechtsbereich der psychologischen Verhaltenstherapeuten liegt vielmehr bereits in dem Ausschluß nichtärztlicher Heilbehandler von der Behandlung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Festlegung des Arztvorbehalts. Dieser Ausschluß ist indes verfassungsmäßig.
Nach der ständigen Rechtsprechung der Krankenversicherungs- und Kassenarztsenate des BSG zur Rechtslage unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫ (§ 122, § 182 Abs 1 Nr 1, § 368 Abs 1, § 368g Abs 2 RVO in der bis zum 31. Dezember 1988 gültig gewesenen Fassung) hatten nichtärztliche Behandler keinen Anspruch auf eigenverantwortliche Behandlung von Krankenkassenmitgliedern (BSGE 48, 47, 50 ff = SozR 2200 § 368 Nr 4; BSGE 48, 258, 261 f = SozR 2200 § 182 Nr 47; BSG SozR 2200 § 182 Nr 48 und Nr 57; BSG USK 8213; BSGE 53, 144, 145 ff = SozR 2200 § 182 Nr 80). An diesem Rechtszustand hat sich mit der Neufassung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung durch das SGB V nichts geändert. Auch weiterhin ist die selbständige Behandlung von Krankheiten, die gegenüber Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zu Lasten dieser Kassen erfolgt, den Ärzten vorbehalten; denn die Krankenbehandlung, die die Krankenkasse ihren Versicherten schuldet (§ 27 Abs 1 Satz 1 SGB V), umfaßt die ärztliche Behandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V), mithin die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist (§ 28 Abs 1 Satz 1 SGB V). § 15 Abs 1 Satz 1 SGB V stellt diesbezüglich klar, daß ärztliche Behandlung (nur) von Ärzten erbracht werden kann. Entsprechend den leistungsrechtlichen Bestimmungen gehen die Regelungen über die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern (§§ 69 ff SGB V) davon aus, daß die ambulante – vertragsärztliche – Versorgung – von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen – durch zugelassene (Vertrags-)Ärzte wahrgenommen wird (§ 72 Abs 1, 2, § 95 Abs 1 SGB V). Der Gesetzgeber des SGB V hat sich damit bewußt für die Beibehaltung des schon unter der RVO bewährten Systems der alleinigen Behandlungsberechtigung der Ärzte (sog Arzt- oder Approbationsvorbehalt) entschieden. Das wird durch die Begründung zum Entwurf des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) verdeutlicht. Dort heißt es zunächst (BT-Drucks 11/2237, AllgTeil II 1, S 137), daß dem Patienten im System der ambulanten Versorgung mit frei praktizierenden Kassenärzten eine an den modernen Diagnose- und Therapiemöglichkeiten orientierte leistungsfähige medizinische Versorgung zuteil werde. Die Begründung zu § 28 Abs 1 SGB V (BT-Drucks, aaO, S 171) verweist darauf, daß die ärztliche Behandlung als Kassenleistung nur von Ärzten und nicht von anderen zur Ausübung von Heilkunde berechtigten Personen wie Heilpraktikern durchgeführt werden dürfe, auch nicht in dringenden Fällen. Zu Satz 2 (des § 28 Abs 1 SGB V) wird ausgeführt, die Vorschrift mache in Anlehnung an § 122 Abs 1 Satz 2 RVO (aF) deutlich, daß auch vom Arzt angeforderte Tätigkeiten, die in seiner Praxis (zB Bestrahlungen oder Massagen) oder unter seiner Überwachung (zB bei der Delegation an Psychologen) vorgenommen würden, zur ärztlichen Behandlung gehörten. Bezüglich des durch das SGB V idF des GRG bestätigten Arztvorbehaltes haben die Teilneuregelungen des SGB V durch das GSG keine Änderungen gebracht (vgl vielmehr den Hinweis im Bericht des BT-Ausschusses für Gesundheit zu Maßnahmen gegen die Umgehung des Delegationsverfahrens bei der psychotherapeutischen Behandlung, BT-Drucks 12/3937, A IIIb, aa, S 5). Der Arztvorbehalt schließt somit auch unter der Geltung des SGB V einen Anspruch von nichtärztlichen Behandlern auf selbständige Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung aus.
Der Arztvorbehalt erstreckt sich auch auf die Behandlung psychischer Erkrankungen; denn unter dem Begriff der Krankheit iS der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand zu verstehen, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat (st Rspr des BSG; s ua BSGE 59, 119, 121 = SozR 2200 § 182 Nr 101; BSGE 62, 83 = SozR 2200 § 182 Nr 106). Die Behandlung psychischer Krankheiten zählt damit zum Kernbereich der ärztlichen Behandlung und infolge dessen zur vertragsärztlichen Versorgung (vgl BSGE 48, 47, 50 = SozR 2200 § 368 Nr 4; BSGE 53, 144, 147 = SozR 2200 § 182 Nr 80). Dem mit dem Arztvorbehalt verbundenen Ausschluß nichtärztlicher Heilbehandler von der eigenverantwortlichen Behandlung psychischer Erkrankungen entsprechen vergleichbare Regelungen in anderen Rechtsbereichen. So sind im beamtenrechtlichen Beihilferecht jedenfalls teilweise nichtärztliche Psychotherapeuten von Behandlungen zu Lasten des Beihilfeträgers ausgeschlossen (s OVG Bremen – Urteil vom 26. Januar 1988 – 2 N 2/87 – und der dazu ergangene Beschluß des BVerwG, NJW 1989, 2962 f). Im privaten Krankenversicherungsrecht ist die Ablehnung der Kostenerstattung in den Versicherungsbedingungen einer privaten Krankenkasse für eine psychotherapeutische Behandlung, die von einem nichtärztlichen Psychotherapeuten auf Anordnung eines Arztes erbracht worden ist, als rechtsmäßig beurteilt worden (BGH NJW 1992, 253 f = VersR 1991, 911).
Die Statuierung des Arztvorbehaltes im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung greift zwar nicht unmittelbar, aber mittelbar und damit grundrechtsrelevant (vgl zB BVerfGE 82, 209, 223 f) zu Lasten der nichtärztlichen Psychotherapeuten in den Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG ein. Dieser Eingriff ist jedoch mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit vereinbar. Davon ist das BSG, wie oben aufgezeigt, in st Rspr ausgegangen. Diese ist vom BVerfG gebilligt worden (BVerfGE 78, 155, 162 = SozR 2200 § 368 Nr 11). Der Senat hält an ihr nach nochmaliger Überprüfung auch für die Rechtslage unter der Geltung des SGB V fest.
Eingriffe des Gesetzgebers in die berufliche Betätigungsfreiheit des Einzelnen sind am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen. Je nachhaltiger die Freiheitsbeschränkung wirkt, je stärker die Berufsausübung oder gar der Zugang zum Beruf reglementiert werden, um so gewichtiger müssen die Gemeinwohlbelange sein, die den Eingriff rechtfertigen sollen (st Rspr des BVerfG; grundlegend: BVerfGE 7, 377, 403 ff; s weiter zB BVerfGE 78, 155, 162 = SozR aaO). Der mit der Festlegung des Arztvorbehalts einhergehende Eingriff in die Berufsfreiheit der psychologischen Psychotherapeuten betrifft zwar nicht deren Berufswahl, weil in nicht unerheblichem Ausmaß der Beruf außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung ausgeübt wird (vgl zu diesem Gesichtspunkt bei dem Ausschluß der Heilpraktiker von der vertragsärztlichen Versorgung BVerfGE 78, 155, 161 = SozR aaO; s auch Wasilewski, Kosten der Psychotherapie bei klinischen Psychologen, 1989, S 32 ff). Sie schränkt aber die Berufsausübung dieser Personengruppe ein (ebenso entsprechend für Heilpraktiker: BVerfGE 78, 155, 162 = SozR aaO). Berufsausübungsregelungen stehen im Einklang mit Art 12 Abs 1 GG, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls sie zweckmäßig erscheinen lassen. Selbst wenn man jedoch in dem Ausschluß von der Zulassung zur selbständigen Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung wegen ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen eine so einschneidende Regelung der Berufsausübung sehen würde, daß sie einer Zulassungsbeschränkung nahe käme (vgl BVerfGE 82, 209, 229), wird die Beschränkung durch Gemeinwohlbelange von hoher Bedeutung gerechtfertigt, die gegenüber den schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen den Vorrang verdienen. Derartige Gemeinwohlbelange liegen hier vor.
Die Gewährleistung einer effektiven und auf hohem medizinisch-wissenschaftlichen Niveau stehenden Krankenbehandlung der Krankenkassenmitglieder ist Teil der Gesundheitsversorgung, die das BVerfG als Gemeinschaftsgut von besonders hohem Rang ansieht (BVerfGE 78, 179, 192; 82, 209, 230 mwN). Die Krankenbehandlung (§§ 27 ff SGB V) stellt sich als eine der Hauptleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Die Krankenversicherungsträger schulden ihren Mitgliedern, die zum großen Teil aufgrund gesetzlicher Verpflichtung versichert sind, die Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 SGB V) in Form von Dienst- bzw Sachleistungen, die sie nicht selbst erbringen (können), sondern durch die Verpflichtung Dritter zur Verfügung stellen. Von hier außer acht zu lassenden Ausnahmen abgesehen dürfen die Versicherten keine anderen als die bereitgestellten Leistungen und keine anderen als die zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Behandler in Anspruch nehmen, wenn sie nicht ihren versicherungsrechtlichen Anspruch verlieren wollen (vgl zur Umwandlung des Sachleistungs- in einen Kostenerstattungsanspruch BSG – Urteile vom 10. Februar 1993 – 1 RK 31/92 = SozR 3-2200 § 182 Nr 15 und 1 RK 17/91 = SozR 3-2200 § 182 Nr 13). Der Senat mißt dabei dem Umstand, daß die Versicherten bei der Auswahl der Behandler auf die zugelassenen Vertragsärzte (und ihnen gleichstehende Ärzte oder Einrichtungen) begrenzt sind, maßgebliche Bedeutung zu. Mit dieser Beschränkung auf seiten der Versicherten geht nämlich die Verpflichtung der Krankenkassen auf der anderen Seite einher, mit den ihnen aufgrund des Beitragsaufkommens zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln eine effektive Krankenbehandlung zu gewährleisten. Die ärztliche Behandlung als zentraler Bestandteil der Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V; zur Bedeutung der ambulanten Behandlung im System der Gesundheitsvorsorge s Begründung des Regierungsentwurfs zum GRG, BT-Drucks 11/2237, AllgTeil II 1, S 137) kann sachgerecht nur durchgeführt werden, wenn sie auf der Grundlage der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft beruht. Diesem Erfordernis wird, wie das BSG bereits zur früheren Rechtslage dargelegt hat (BSGE 48, 258, 261 = SozR aaO), dadurch Rechnung getragen, daß allein Ärzte zur selbständigen ambulanten Behandlung zugelassen sind. Bei ihnen ist in generalisierender Betrachtung davon auszugehen, daß sie den für eine effektive Krankenbehandlung im aufgezeigten Sinne erforderlichen Anforderungen entsprechen. Sie durchlaufen nämlich eine – staatlich im einzelnen vorgeschriebene – langjährige intensive theoretische und praktische Ausbildung und müssen den Ausbildungsstand durch das Ablegen von staatlichen Prüfungen, deren Inhalte wiederum im einzelnen vorgeschrieben sind, nachweisen (vgl zu den Voraussetzungen der Approbation: § 3 der Bundesärzteordnung vom 16. April 1987 – BGBl I S 1218 – idF des Änderungsgesetzes vom 23. März 1992 – BGBl I S 719 – iVm der Approbationsordnung für Ärzte vom 28. Oktober 1970 idF der Bekanntmachung vom 14. Juli 1987 – BGBl I S 1539 –). Auch nach Aufnahme einer vertragsärztlichen Tätigkeit sind Ärzte, was nicht im einzelnen belegt zu werden braucht, aufgrund berufsrechtlicher und vertragsarztrechtlicher Regelungen zur Fortbildung verpflichtet. Als Vertragsärzte unterliegen sie des weiteren hinsichtlich Qualität und Wirtschaftlichkeit ihrer Leistungserbringung einer vielfachen Kontrolle.
Diese allgemeine fachliche Kompetenz, die in einem staatlich geregelten Ausbildungsgang erworben wird, besteht ebenso speziell bei den ärztlichen Psychotherapeuten. So ist von den Medizinstudenten bereits während des Studiums ein diesbezügliches Grundwissen zu erwerben: Bei der Meldung zum zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung sind ein Praktikum der Psychiatrie und ein Praktikum der psychosomatischen Medizin und Psychotherapie nachzuweisen (Nrn 15 und 16 der Anl 3 zur Approbationsordnung für Ärzte). Die Grundlagen der medizinischen Psychologie sind Gegenstand der schriftlichen ärztlichen Vorprüfung (Anl 9 zur Approbationsordnung für Ärzte). Gegenstand des zweiten Abschnitts der ärztlichen Prüfung ist das nervenheilkundliche Stoffgebiet, das neben anderem den Bereich der hirnorganischen, endogenen, psychotischen und persönlichkeitsbedingten reaktiven Störungen, Neurosen, Süchte, sexuelle Verhaltens- und Erlebnisstörungen, neurologische und psychiatrische Störungen bei anderen Krankheiten, Aspekte der Psychosomatik und der Geriatrie, neurologische, psychiatrische und psychologische Untersuchungsmethoden und deren Aussagewert, Sozialpsychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Grundlagen und Indikationen psychotherapeutischer Verfahren umfaßt (Anl 15 iVm Anl 16 III der Approbationsordnung für Ärzte). Die während der Ausbildung zu erwerbenden Kenntnisse und Fähigkeiten in diesem Bereich berechtigen den Vertragsarzt allein aber regelmäßig noch nicht zur Erbringung qualifizierter psychotherapeutischer Leistungen. Hierfür muß er vielmehr zusätzliche Anforderungen erfüllen. So darf nach § 2 Abs 3 der genannten Vereinbarungen ein an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmender Arzt Verhaltenstherapie nach dem Leistungsinhalt der Nrn 860, 866, 880 und 885 BMÄ/E-GO mit Einwilligung der zuständigen KÄV nur ausführen, wenn er der KÄV gegenüber die Berechtigung zum Führen der Zusatzbezeichnung “Psychotherapie” oder “Psychoanalyse” und den Erwerb eingehender Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Verhaltenstherapie nachgewiesen hat. Der Erwerb der Zusatzbezeichnung Psychoanalyse und Psychotherapie erfordert nach den Weiterbildungsordnungen regelmäßig ein Jahr klinische Weiterbildung in der Psychiatrie sowie zusätzliche Weiterbildungsvoraussetzungen (vgl Abschn II Nrn 12 und 13 der Musterweiterbildungsordnung).
Auf der Grundlage der gesetzlich geregelten ärztlichen Ausbildung iVm den in den Weiterbildungsordnungen und den im Vertragsarztrecht vorgeschriebenen Qualifikationsvoraussetzungen sowie der berufs- bzw vertragsarztrechtlich bestehenden Verpflichtung zur Fortbildung und schließlich der Überwachung der ärztlichen Tätigkeit durch Organe der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen ist die Beschränkung der Behandlungsberechtigung von Krankenkassenmitgliedern auf den Kreis der zugelassenen Vertragsärzte Teil eines ausgewogenen Systems, das eine effektive Behandlung der Versicherten auf der Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft sicherstellt. Es dient der Gewährleistung einer leistungsfähigen Krankenbehandlung als Teil der Gesundheitsversorgung (s dazu bereits BSGE 48, 258, 262 = SozR aaO) und damit einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut.
Aus den genannten Gründen kann unerörtert bleiben, ob nicht auch die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung, ein Gemeinwohlbelang von besonders hoher Bedeutung (vgl BVerfGE 70, 1, 29; 82, 209, 230), es gebietet, andere Behandlergruppen als approbierte Ärzte von der selbständigen Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung auszuschließen bzw die Teilnahme anderer Behandler unter Bedarfsplanungsgesichtspunkten zu beschränken.
Die Statuierung des Arztvorbehaltes – und der damit verbundene Ausschluß anderer Heilberufe von der selbständigen und eigenverantwortlichen Behandlung von Versicherten der Krankenkassen – genügen den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen. Der Arztvorbehalt ist zur Erreichung des erstrebten Zweckes, dem Schutz der Volksgesundheit durch Gewährung einer effektiven Krankenbehandlung, geeignet und erforderlich. Jedenfalls solange andere Heilberufe nicht über vergleichbare Qualifikationen zur Behandlung von Erkrankungen verfügen, wie sie in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung vermittelt werden, ist kein anderes – und damit auch kein milderes – Mittel ersichtlich, dem angestrebten Regelungsziel zu entsprechen; denn gerade an der Schnittstelle zwischen körperlicher und psychischer Erkrankung erscheint die übergreifende Sachkunde eines Behandlers erforderlich, dessen Ausbildung auch das Erkennen und Behandeln von Erkrankungen erfaßt, die ursächlich rein körperlicher Natur sind und die daher von psychosomatischen Erkrankungen und solchen, die rein psychogener Entstehung sind, abzugrenzen sind. Diese Aufgabe kann nur von dem ärztlichen Psychotherapeuten, nicht dagegen von dem psychologischen Psychotherapeuten geleistet werden. Die übergreifende Sachkunde des Arztes im Bereich der psychotherapeutischen Versorgung ist weiter deshalb geboten, um eine Differenzierung zwischen allgemeiner Lebenshilfe einerseits, die nicht unter die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung fällt, und der Krankenbehandlung iS des § 27 SGB V vornehmen zu können. Nicht jede aus psychologischer Sicht behandlungsbedürftige Verhaltensabweichung stellt sich als Krankheit iS der gesetzlichen Krankenversicherung dar, und nicht jede mögliche Therapieform kann – schon im Hinblick auf die begrenzte finanzielle Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung – eine Leistungsverpflichtung der Krankenversicherungsträger begründen (s zu Behandlungsformen im einzelnen Abschn B der Psychotherapie-Richtlinien; vgl auch Schirmer, DOK 1984, 368, 370; Hermsen, ErsK 1992, 12, 14). Jedenfalls solange Diplom-Psychologen keine normativ geregelte zusätzliche therapeutische Ausbildung zu durchlaufen haben (dazu s noch unten), ist kein milderes Mittel als der Arztvorbehalt zur Gewährleistung einer leistungsfähigen Krankenbehandlung im aufgezeigten Sinne ersichtlich.
Schließlich kann bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs nicht außer Betracht bleiben, daß die Klägerin den Beruf der Diplom-Psychologin mit verhaltenstherapeutischer Ausrichtung in Kenntnis des Umstandes ergriffen hat, daß der Gesetzgeber die kassen- bzw vertragsärztliche Versorgung grundsätzlich den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten übertragen hat und der Beruf des psychologischen Verhaltenstherapeuten von vornherein dadurch geprägt ist, daß nach der Gesetzeslage ein Anspruch auf Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht besteht (vgl zu diesem Gesichtspunkt in anderem Zusammenhang BVerfG SozR 2200 § 122 Nr 9).
Festzuhalten bleibt nach alledem, daß der mit der Festlegung des Arztvorbehaltes verbundene Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit der nichtärztlichen Heilbehandler mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar ist.
Die in den Psychotherapie-Vereinbarungen enthaltenen Regelungen über die fachlichen Voraussetzungen für die Berechtigung zur Behandlung im Delegationsverfahren greifen nicht zusätzlich in das Grundrecht der Berufsfreiheit der psychologischen Verhaltenstherapeuten ein. Die Vereinbarungen sind von den Partnern des BMV-Ä bzw des EKV-Ärzte als Bestandteile dieser Verträge geschlossen worden. Im kassenärztlichen Bereich beruht die Vereinbarung ebenso wie der BMV-Ä auf der Ermächtigungsgrundlage des § 72 Abs 2 SGB V. Im Ersatzkassenbereich gelten die auf der Grundlage des § 83 Abs 3 SGB V idF des GRG geschlossenen Verträge gem Art 33 § 7 Abs 1 GSG bis zu einer Neuregelung fort.
Den Vereinbarungen kommt normative Wirkung zu, weil sie für die Mitglieder der KÄVen einerseits (§ 82 Abs 1, § 81 Abs 3 Nr 1 SGB V) und für die Landesverbände der Primärkrankenkassen und ihrer Mitgliedskassen andererseits (§ 210 Abs 2 SGB V) verbindlich sind. Im Ersatzkassenbereich ergibt sich ihre Verbindlichkeit für die Ersatzkassen aus Vertragsrecht (§ 1 Abs 3 iVm § 2 Abs 3 EKV-Ärzte). Die Vereinbarungen erfassen jedoch das Rechtsverhältnis zu einem außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung stehenden Leistungserbringer erst und nur dann, wenn sich dieser aufgrund seines eigenen Antrages auf Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der Regelungsbefugnis der Partner des BMV-Ä bzw des EKV-Ärzte unterworfen hat.
Im Verhältnis zum gesetzlich vorgegebenen Arztvorbehalt begrenzen die Psychotherapie-Vereinbarungen die Berufsausübung der psychologischen Verhaltenstherapeuten nicht zusätzlich. Sie erweitern vielmehr den Bereich ihrer rechtlich zulässigen Berufsausübung, indem sie – über die gesetzliche Regelung hinausgehend – die Möglichkeit zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnen. Aus den aufgezeigten Gründen ergibt sich zugleich, daß es auf die von der Revision in den Vordergrund gestellten Bedenken hinsichtlich der Psychotherapie-Vereinbarungen und insbesondere der Psychotherapie-Richtlinien nicht ankommt. Im Hinblick auf die begünstigende Wirkung der Psychotherapie-Vereinbarungen ist ihre Verfassungsmäßigkeit nicht an Art 12 GG, sondern bezüglich der Frage ihrer dem Gleichheitssatz gemäßen Anforderungen an Art 3 GG zu messen.
Die Festlegung des Arztvorbehalts für die Behandlung von Versicherten der Krankenkassen im SGB V verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Seine Anwendung verlangt nach der Rspr des BVerfG den Vergleich von Lebensverhältnissen, die nicht in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleich sein können. Grundsätzlich ist es Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, welche von diesen Elementen er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht (vgl BVerfGE 71, 255, 271; 81, 108, 117; 83, 395, 401). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz ist daher nur zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (vgl BVerfGE 52, 277, 280 f; 68, 287, 301; 81, 108, 117; 83, 395, 401). Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz kommt vor allem in Betracht, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen, die von der Norm betroffen werden, anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 55, 72, 88; st Rspr).
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt hier nicht vor; denn die Absolventen des Studiengangs der Psychologie verfügen nicht über eine Qualifikation in der Behandlung von – psychischen – Erkrankungen, die denen der Ärzte vergleichbar wäre. Das beruht zunächst darauf, daß das Studium der Psychologie (bisher) nicht durch eine gesetzlich vorgeschriebene Ausbildungsordnung geregelt ist, so daß kein bundesweit gleichmäßiger Ausbildungsinhalt vorgegeben ist. Der Inhalt des Diplomstudiengangs wird vielmehr durch – nicht einheitliche – Rahmenprüfungsordnungen, Iokale Prüfungsordnungen und Studienordnungen nur zum Teil festgelegt (s dazu im einzelnen: Meyer/Richter/Grawe/v.d. Schulenburg/Schulte, Forschungsgutachten zu Fragen eines Psychotherapeutengesetzes – im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, 1991, S 46). Im Studium der Psychologie werden zudem keine psychotherapeutischen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt, die für eine fachpsychotherapeutische Qualifikation hinreichend wären (Forschungsgutachten, aaO). Die Qualifikation zum psychologischen Verhaltenstherapeuten erfolgt vielmehr in der Praxis an den durch die Beigeladene zu 1) anerkannten Ausbildungsinstituten (vgl Forschungsgutachten, aaO, S 54). Das hatte zur Folge, daß in den Reformbestrebungen um den Entwurf eines Psychotherapeutengesetzes für die Tätigkeit als Psychotherapeut eine auf das abgeschlossene Hochschulstudium der Psychologie folgende zusätzliche 3-jährige Ausbildung an staatlich zugelassenen Einrichtungen mit staatlicher Prüfung gefordert wurde (vgl § 4 des Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf des Psychotherapeuten, Stand: 12. Juli 1978, Anl F des Forschungsgutachtens; Pressemitteilung des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit vom 30. Oktober 1990: “Eckwerte zu einem Psychologischen Psychotherapeutengesetz”). Im Hinblick auf die gravierenden Unterschiede in der Ausbildung zur Behandlung von Erkrankungen bei den Ärzten einerseits und den Diplom-Psychologen andererseits bestand für den Gesetzgeber keine Verpflichtung, Diplom-Psychologen zur eigenverantwortlichen Behandlung von Erkrankungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zuzulassen.
Angesichts der aufgezeigten Unterschiede in der Ausbildung von ärztlichen Psychotherapeuten und Psychologen verstößt es ebenfalls nicht gegen Art 3 Abs 1 GG, daß die Beklagte bei Psychologen die Berechtigung zur Teilnahme am Delegationsverfahren in Anwendung der Psychotherapie-Vereinbarungen von einer zusätzlichen Ausbildung abhängig macht. Nicht zu prüfen ist dabei, ob alle Regelungen des Delegationsverfahrens sachgerecht sind (vgl auch BVerfGE 78, 165, 179).
Schließlich liegt keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes darin, daß die Beklagte die Klägerin nicht anderen psychologischen Verhaltenstherapeuten gleichstellt, die die in den Psychotherapie-Vereinbarungen geforderte zusätzliche Ausbildung an einem anerkannten Ausbildungsinstitut (Anlage 3 zur Psychotherapie-Vereinbarung) durchlaufen haben. Es ist nicht zu beanstanden, daß in den Vereinbarungen formale Kriterien festgelegt werden, deren Erfüllung Voraussetzung für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ist. Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang die Annahme des LSG, die Klägerin müsse aufgrund der vom Berufsverband Deutscher Psychologen erfolgten Anerkennung als “Klinische Psychologin” den Psychologen gleichgestellt werden, die eine Ausbildung an einem von der Beigeladenen zu 1) anerkannten Ausbildungsinstitut durchlaufen haben. Ungeachtet dessen, daß das LSG die Voraussetzungen für die Anerkennung als “Klinischer Psychologe” nicht festgestellt hat, kann diese Anerkennung hier schon deshalb nicht der Zusatzausbildung gleichstehen, weil die Klägerin sie erlangte, obwohl sie gerade nicht eine Zusatzausbildung aufweist, die der in den Psychotherapie-Vereinbarungen festgelegten vergleichbar ist.
Auf die Revisionen waren die Urteile des SG und des LSG aufzuheben bzw abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Nachdem die Revisionen vor dem Inkrafttreten des Art 15 Nr 2 GSG zum 1. Januar 1993 eingelegt worden sind, war die Kostenentscheidung aus Gründen des Vertrauensschutzes nach bisherigem Recht zu treffen (vgl BSG, Urteil vom 30. März 1993 – 3 RK 1/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Fundstellen