Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. Anschaffung eines Tablets für die Teilnahme am Schulunterricht. unabweisbarer Bedarf. laufender Bedarf. analoge Anwendung
Leitsatz (amtlich)
Die Notwendigkeit, einen Tablet-Computer für den Schulunterricht anschaffen zu müssen, begründet jedenfalls als nicht laufender Bedarf bis zum 31.12.2020 keinen grundsicherungsrechtlichen Härtefallmehrbedarf.
Orientierungssatz
Die Deckung von Bedarfen, die der Durchführung des Unterrichts selbst dienen, liegt in der Verantwortung der Schule und darf von den Schulen oder Schulträgern nicht auf das Grundsicherungssystem abgewälzt werden (vgl BSG vom 10.9.2013 - B 4 AS 12/13 R = SozR 4-4200 § 28 Nr 8 RdNr 27).
Normenkette
SGB 2 § 21 Abs. 6 S. 1 Fassung: 2011-05-13, S. 2; SGB I § 31; GG Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 6. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Kosten für einen Tablet-Computer (im Folgenden: Tablet) für den Schulunterricht streitig.
Die Klägerin ist am 27.9.2005 geboren. Sie erhielt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Unter anderem bewilligte der Beklagte der Klägerin (neben den anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung) einen Regelbedarf für Dezember 2016 in Höhe von 270 Euro (Bescheid vom 7.12.2016). Die Klägerin erhielt ferner im Schuljahr 2016/17 die Schulbedarfspauschale in Höhe von insgesamt 100 Euro (Bescheide vom 15.6.2016 und 7.12.2016). Sie besuchte in diesem Schuljahr die 5. Klasse einer niedersächsischen Oberschule. Deren Unterrichtskonzept beinhaltet den Einsatz eines Tablets der Firma Apple (iPad). Die Beschaffung und technische Vorbereitung hat die Schule der Gesellschaft für digitale Bildung mbH übertragen.
Im Februar 2017 beantragte die Klägerin die Erstattung der Kosten für ein am 1.12.2016 bei der Gesellschaft für digitale Bildung mbH erworbenes iPad mit Schutzhülle und Versicherung in Höhe von 380 Euro. Der Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 21.2.2017 und Widerspruchsbescheid vom 30.3.2017). Die Klägerin habe die Ausstattung des persönlichen Schulbedarfs bereits erhalten und § 28 SGB II sehe keine Rechtsgrundlage für darüber hinausgehende Aufwendungen vor. Eine Kostenübernahme könne nur im Rahmen eines Darlehens gemäß § 24 SGB II erfolgen.
Das SG hat die angegriffenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin 380 Euro zu gewähren (Urteil vom 5.7.2019). Der Anspruch folge aus § 21 Abs 6 SGB II.
Das LSG hat auf die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 6.10.2020). Ein Härtefallmehrbedarf liege nicht vor. Es liege keine laufende, sondern nur eine einmalige Bedarfslage vor. Es bestehe auch keine atypische Bedarfslage. Der digitale Schulbedarf eines Kindes sei dem Grunde nach im Regelbedarf und in den Teilhabeleistungen nach § 28 Abs 3 SGB II erfasst, deren Höhe nicht evident unzureichend sei. Die Deckung von Bedarfen für den Schulunterricht, die der Durchführung des Unterrichts selbst dienten, liege in der Verantwortung der Schule und dürfe von den Schulen oder Schulträgern nicht auf das Grundsicherungssystem abgewälzt werden. Schließlich sei auch die Unabweisbarkeit des Bedarfs nicht feststellbar. Die Anschaffung eines Tablets stelle einen Luxus dar und keinen iS des § 21 Abs 6 SGB II notwendigen Schulbedarf. Die Annahme eines unabweisbaren Bedarfs scheitere vorliegend daran, dass die Teilnahme der Klägerin an einer Tablet-Klasse nicht zur Erfüllung des Bildungsauftrages erforderlich sei.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, dass die Kosten für die Anschaffung eines Computers zur Teilnahme am Schulunterricht im Regelbedarf nicht berücksichtigt seien. Der in Abteilung 9 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) enthaltene Betrag sei zu gering. Ihr Anspruch ergebe sich aus einer analogen oder verfassungskonformen Anwendung des § 21 Abs 6 SGB II.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 6. Oktober 2020 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 5. Juli 2019 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das Urteil des LSG. Er ist überdies der Auffassung, dass einer anderen Auslegung des § 21 Abs 6 SGB II dessen Wortlaut und der Wille des Gesetzgebers entgegenstünden, die auch die Grenzen verfassungskonformer Auslegung bildeten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat auf die Berufung des Beklagten die Klage zu Recht unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung abgewiesen, weil die Klägerin für Dezember 2016 keinen höheren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom 21.2.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.3.2017. Da es sich bei dem - hier geltend gemachten - Härtefallmehrbedarf (§ 21 Abs 6 SGB II) nach der Rechtsprechung des BSG nicht um einen vom Regelbedarf abtrennbaren Streitgegenstand handelt (stRspr; etwa BSG vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - BSGE 115, 77 = SozR 4-4200 § 21 Nr 16, RdNr 11; zuletzt BSG vom 26.11.2020 - B 14 AS 23/20 R - RdNr 9 - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; kritisch Nolte, NZS 2013, 10 ff; Söhngen in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 19 RdNr 32), enthält der Bescheid vom 21.2.2017 der Sache nach die Regelung, eine Änderung des Bescheides vom 7.12.2016 auf der Grundlage von § 44 Abs 1 SGB X hinsichtlich der Gewährung von Leistungen für Dezember 2016 abzulehnen (vgl BSG vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - BSGE 117, 240 = SozR 4-4200 § 21 Nr 19, RdNr 11). § 48 SGB X ist nicht einschlägig, weil der Umstand, auf den sich die Klägerin für ihr Begehren stützt - den Kauf des Tablets - am 1.12.2016 eingetreten ist und damit vor Erlass des Bescheides vom 7.12.2016. § 45 SGB X ist nicht einschlägig, weil der Bescheid vom 7.12.2016 für die Klägerin nicht begünstigend ist, soweit die begehrten Leistungen gerade nicht gewährt worden sind (vgl Padé in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl 2017, § 45 RdNr 39). Bei dem im Februar 2017 von der Klägerin gestellten Antrag auf Erstattung der Kosten für das am 1.12.2016 erworbene Tablet handelt es sich daher der Sache nach um einen Antrag nach § 44 Abs 1 SGB X, mit dem die Klägerin sinngemäß geltend macht, dass bei der Bewilligungsentscheidung für Dezember 2016 (zur Begrenzbarkeit des Streitgegenstandes auf einzelne Monate BSG vom 30.3.2017 - B 14 AS 18/16 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 81 RdNr 11) ihr Bedarf zu ihren Lasten nicht in zutreffender Höhe berücksichtigt worden und der Bewilligungsbescheid vom 7.12.2016 insofern rechtswidrig sei.
Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Gewährung eines Darlehens nach § 24 Abs 1 SGB II. Hierbei handelt es sich um einen gesonderten Streitgegenstand (zu den Sonderbedarfen nach § 24 Abs 3 SGB II: BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 53/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 12 RdNr 16 mwN), über den der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Recht keine Entscheidung getroffen hat, nachdem die Klägerin die Gewährung eines Darlehens nicht beantragt hatte (vgl BSG vom 8.5.2019 - B 14 AS 13/18 R - BSGE 128, 114 = SozR 4-4200 § 21 Nr 31, RdNr 9).
2. Der Bescheid vom 21.2.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.3.2017 ist rechtmäßig. Die Klägerin, die nach den Feststellungen des LSG die Leistungsvoraussetzung des § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II im Dezember 2016 erfüllt hat und bei der ein Ausschlusstatbestand nicht vorliegt, hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 7.12.2016 bezüglich Dezember 2016, da die Voraussetzungen des § 40 Abs 1 SGB II iVm § 44 Abs 1 SGB X insofern nicht vorliegen.
Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
a) Der nachträglichen Geltendmachung eines höheren Bedarfs steht § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II in der vorliegenden Konstellation nicht entgegen. Zwar werden nach dieser Vorschrift Leistungen nach dem SGB II nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht und die Klägerin hat die am 1.12.2016 entstandenen Kosten erst im Februar 2017 geltend gemacht. Der allgemeine auf die Bewilligung von Arbeitslosengeld II gerichtete Leistungsantrag erstreckt sich aber grundsätzlich auf alle Leistungen nach den §§ 19 ff SGB II, sofern das Gesetz in § 37 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht für bestimmte Leistungen gesonderte Anträge verlangt (vgl Aubel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 37 RdNr 48, 50; Burkiczak in BeckOK Sozialrecht, § 37 SGB II RdNr 12b, Stand 1.3.2021). Leistungen nach § 21 Abs 6 SGB II müssen daher nicht gesondert beantragt werden (Umkehrschluss zu § 37 Abs 1 Satz 2 SGB II; vgl zum Mehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB II BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10 RdNr 20). Dass die Klägerin einen Mehrbedarf nicht bereits bei Antragstellung geltend gemacht hat, führt daher nur dazu, dass der Beklagte nicht verpflichtet war, hierauf bezogene Ermittlungen durchzuführen, weil auch seine - durch die Umstände des Einzelfalles und die Angaben des Antragstellers gesteuerte (vgl BSG vom 7.5.1998 - B 11 AL 81/97 R - juris RdNr 20) - Amtsermittlungspflicht (§ 20 Abs 1 SGB X) keine Ermittlungen "ins Blaue" verlangt oder rechtfertigt (Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl 2017, § 20 RdNr 13 mwN; Rixen, SGb 2020, 558 [560]; vgl auch BSG vom 21.9.2000 - B 11 AL 7/00 R - BSGE 87, 132 = SozR 3-4100 § 128 Nr 10, RdNr 23; BSG vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R - BSGE 115, 126 = SozR 4-1300 § 44 Nr 28, RdNr 19). Dieser Umstand steht aber der Geltendmachung eines solchen Mehrbedarfs in einem späteren Widerspruchsverfahren oder - wenn, wie hier, der Bewilligungsbescheid bestandskräftig geworden ist - in einem Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X nicht entgegen (vgl BSG vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 10; Behrend in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 21 RdNr 148). Gegenstand der Überprüfung ist damit im vorliegenden Fall, da der Überprüfungsantrag rechtzeitig war und nicht schon mangels ausreichender Substantiierung eine Sachprüfung ausgeschlossen war, der ursprüngliche Bewilligungsbescheid in jeder Hinsicht (vgl BSG vom 24.5.2017 - B 14 AS 32/16 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 80 RdNr 17), wobei der Umfang der Amtsermittlungspflicht der Behörden und der Tatsachengerichte vom Vorbringen desjenigen, der höhere Leistungen begehrt, abhängt (vgl BSG vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R - BSGE 115, 126 = SozR 4-1300 § 44 Nr 28, RdNr 13, 15), also wiederum insbesondere keine Ermittlungen "ins Blaue hinein" erforderlich sind (BSG vom 24.5.2017 - B 14 AS 32/16 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 80 RdNr 18).
b) Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X (zur Abgrenzung zu § 44 Abs 2 SGB X BSG vom 8.12.2020 - B 4 AS 46/20 R - RdNr 33 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen) liegen nicht vor, weil der Beklagte bei Erlass des Bescheides vom 7.12.2016 das Recht nicht unrichtig angewandt hat und nicht von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweist. Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass die Leistungsgewährungen im Bescheid vom 7.12.2016 hinsichtlich des Regelbedarfs für Dezember 2016 zutreffend erfolgt sind. Auch dass die Kosten für das Tablet nicht als Mehrbedarf berücksichtigt worden sind, ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen des insofern allein in Betracht kommenden § 21 Abs 6 SGB II liegen nicht vor.
c) Gemäß § 21 Abs 6 SGB II (in der hier anzuwendenden, vom 3.6.2010 bis 31.12.2020 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht (Satz 1). Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (Satz 2). Es handelt sich bei § 21 Abs 6 SGB II um eine Ausnahmevorschrift für atypische Bedarfslagen, dessen Tatbestandsvoraussetzungen nach dem Willen des Gesetzgebers eng und strikt sind (Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses des Bundestages, BT-Drucks 17/1465, S 8). Der Gesetzgeber hat damit die vom BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) erlassene Regelungsanordnung kodifiziert. Auch das BVerfG ging von "engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen" aus (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175 [255] = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 208). Diese Maßgabe ist bei der Auslegung des § 21 Abs 6 SGB II zu beachten. Die Härtefallklausel dient dazu, Bedarfe zu erfassen, die aufgrund ihres individuellen Charakters bei der pauschalierenden Regelbedarfsbemessung der Art oder der Höhe nach nicht erfasst werden können (vgl BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175 [252 ff] = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 204 ff; Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses des Bundestages, BT-Drucks 17/1465, S 8). Sie hat nicht die Funktion, eine (vermeintlich oder tatsächlich) unzureichende Höhe des Regelbedarfs auszugleichen (Knickrehm/Hahn in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 21 RdNr 67; O. Loose in Hohm, GK-SGB II, § 21 RdNr 86, Stand Juni 2018).
aa) Im vorliegenden Fall steht einem Anspruch aus § 21 Abs 6 SGB II nicht bereits die Existenz des § 28 Abs 3 SGB II entgegen. Zwar ist § 21 Abs 6 SGB II nicht anwendbar, soweit es um Bedarfe geht, die von dem spezielleren und daher abschließenden § 28 SGB II erfasst sind (Mülder, NZS 2020, 841 [843]; Schwabe in Gagel, SGB II/SGB III, § 28 SGB II RdNr 20, Stand März 2019; ähnlich O. Loose in Hohm, GK-SGB II, § 28 RdNr 56.1, Stand August 2020). Nach der Begründung des einschlägigen Gesetzentwurfes (BT-Drucks 17/3404, S 105) gehören zum persönlichen Schulbedarf iS des § 28 Abs 3 SGB II neben Schulranzen, Schulrucksack und Sportzeug "insbesondere" für den persönlichen Ge- und Verbrauch bestimmte Schreib-, Rechen- und Zeichenmaterialien. Diese Aufzählung ist zwar nicht abschließend, es lässt sich aber nicht belegen, dass der Gesetzgeber jedenfalls für die Zeit bis zum 31.7.2019 die Kosten für Tablets im Blick hatte und insofern eine abschließende Regelung treffen wollte (vgl Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 28 RdNr 111; O. Loose in Hohm, GK-SGB II, § 28 RdNr 51, Stand August 2020; zur Situation seit dem 1.8.2019 siehe aber Wietfeld, NZS 2019, 801 [806]).
bb) Der Senat lässt angesichts fehlender Feststellungen des LSG zum einschlägigen Landesrecht offen, ob die Kosten des Tablets unabweisbar waren.
(1) Ein Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter (einschließlich der Leistungen anderer Sozialleistungsträger; vgl BSG vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - BSGE 115, 77 = SozR 4-4200 § 21 Nr 16, RdNr 22; BSG vom 20.1.2016 - B 14 AS 8/15 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 25 RdNr 21) sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (§ 21 Abs 6 Satz 2 SGB II). Diese Definition ist nicht abschließend ("insbesondere"). Das Merkmal der Unabweisbarkeit betrifft sowohl den Aspekt des Bedarfs als solchen als auch die Frage der anderweitigen Bedarfsdeckung. Bereits auf der Bedarfsseite fehlt es an der Unabweisbarkeit, wenn der Bedarf ohne rechtliche Verpflichtung entstanden ist (vgl BSG vom 10.9.2013 - B 4 AS 12/13 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 8 RdNr 28 f; Wietfeld, NZS 2019, 801 [803, Fn 17]), es jenseits einer rechtlichen Verpflichtung eines triftigen Grundes für die Bedarfsverursachung entbehrte, der Bedarf - etwa durch Ausweichen auf eine andere Bedarfslage (Behrend in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 21 RdNr 93) oder sonstige alternative Handlungen (BSG vom 10.9.2013 - B 4 AS 12/13 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 8 RdNr 29; Schiller in Estelmann, SGB II, § 21 RdNr 189, Stand Mai 2021) - vermeidbar war oder es um einen Bedarf geht, dessen Deckung nicht der Sicherung des Existenzminimums dient (BSG vom 26.11.2020 - B 14 AS 23/20 R - RdNr 31 ff - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; vgl O. Loose in Hohm, GK-SGB II, § 21 RdNr 69, Stand Juni 2018).
(2) Da der Besitz eines Tablets oder das Eigentum an einem solchen nicht generell zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums erforderlich ist, wäre der Kauf eines Tablets für die Klägerin insbesondere unabweisbar gewesen, wenn und soweit dessen Eigentum zur Erfüllung der Schulpflicht erforderlich gewesen wäre (vgl BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175 [255] = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 192). Die Deckung von Bedarfen für den Schulunterricht, die der Durchführung des Unterrichts selbst dienen, liegt in der Verantwortung der Schule und darf von den Schulen oder Schulträgern nicht auf das Grundsicherungssystem abgewälzt werden (BSG vom 10.9.2013 - B 4 AS 12/13 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 8 RdNr 27). Zwar ist der Staat nicht verpflichtet, den Schulbesuch ohne Kostenbelastung für die Schüler bzw deren Erziehungsberechtigte zu gestalten (BVerwG vom 19.10.1977 - VII B 31.76 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr 54, juris RdNr 5; vgl auch BVerfG [K] vom 7.7.2010 - 1 BvR 2556/09 - BVerfGK 17, 375 [378] = SozR 4-4200 § 11 Nr 33 RdNr 15). Die Auferlegung von Kostentragungspflichten für die Erfüllung der Schulpflicht wäre aber unverhältnismäßig, soweit hierdurch das finanzielle Existenzminimum des Kindes und/oder der Erziehungsberechtigten angetastet würde (vgl BVerfG vom 25.9.1992 - 2 BvL 5/91 ua - BVerfGE 87, 153 [169] - juris RdNr 64; BVerfG vom 10.11.1998 - 2 BvL 42/93 - BVerfGE 99, 246 [259 f] - juris RdNr 51 ff; BVerfG vom 16.3.2005 - 2 BvL 7/00 - BVerfGE 112, 268 [280] - juris RdNr 69). Der Mangel haftet dann der dies ggf nicht beachtenden landesrechtlichen Regelung an. Dass der Bund durch den Erlass des SGB II von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das öffentliche Fürsorgewesen (Art 74 Abs 1 Nr 7 GG) hinsichtlich des vom SGB II erfassten Personenkreises abschließend Gebrauch gemacht hat (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175 [241] - SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 181; kritisch dazu insofern Rixen, SGb 2010, 240 [244]) und insofern eine Sperrwirkung gegenüber der Gesetzgebungskompetenz der Länder eingetreten ist (vgl zur Sperrwirkung allgemein zuletzt BVerfG vom 25.3.2021 - 2 BvF 1/20 ua - juris RdNr 87 ff), steht dem nicht entgegen (vgl BSG vom 10.9.2013 - B 4 AS 12/13 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 8 RdNr 27). Sofern den Rechtsunterworfenen Kosten dadurch entstehen, dass die Länder sie ihnen zur Erfüllung der Schulpflicht auferlegen, ist nicht das Fürsorgewesen, sondern vorrangig der Bereich der Eingriffsverwaltung betroffen. Für den Bereich der Eingriffsverwaltung auf dem Gebiet des Schulrechts tragen aber die Länder die Gesetzgebungskompetenz (zur Finanzierungsverantwortung für die Ausstattung der Schulen Avenarius/Hanschmann, Schulrecht, 9. Aufl 2019, S 212 ff; vgl allgemein zur Zuständigkeit der Länder BVerfG vom 26.2.1980 - 1 BvR 684/78 - BVerfGE 53, 185 [195 f]; Geis in Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Art 7 RdNr 10, Stand Dezember 2004; vgl auch BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175 [242] - SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 182). Mangels entsprechender Feststellungen des LSG zum Landesrecht kann der Senat aber nicht beurteilen, ob der Bedarf im vorliegenden Fall schon deswegen nicht unabweisbar war, weil das Landesrecht vorgesehen hätte, Lernmittel an Empfänger von Leistungen nach dem SGB II ohne Entgelt auszuleihen (vgl Brockmann in Brockmann/Littmann/Schippmann, NSchG, § 71 S 17, Stand September 2020, zum Runderlass des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 1.1.2013 - 35-81 611, abgedruckt etwa bei Galas, Schulrechtshandbuch Niedersachen für allgemein bildende Schulen, Ziffer 2.305, Stand April 2013; zur Vorgängerregelung Härke, SchulVerwaltung NI SH 2005, 327 ff).
cc) Bei den Kosten für den Kauf des Tablets handelt es sich jedenfalls nicht um einen laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf.
Das Tatbestandsmerkmal "laufender“ Bedarf in § 21 Abs 6 SGB II in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung setzt voraus, dass es sich um einen regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften und längerfristigen Bedarf handelt (Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses des Bundestages, BT-Drucks 17/1465, S 9; BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - BSGE 116, 86 = SozR 4-4200 § 21 Nr 18, RdNr 21). Ein laufender Bedarf liegt vor diesem Hintergrund jedenfalls dann nicht vor, wenn er sich nicht wiederholt (vgl Herold-Tews, in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl 2011, § 21 RdNr 39; O. Loose in Hohm, GK-SGB II, § 21 RdNr 68, Stand Juni 2018; Mülder, NZS 2020, 841 [844]; Wagner, jurisPR-SozR 4/2021, Anm 2). Es kommt aufgrund des auf eine konkret-individuelle "Sondersituation" (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175 [255] - SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 208) abstellenden Ausnahmecharakters des § 21 Abs 6 SGB II ("im Einzelfall") dabei auf eine Prognose anhand der individuellen Umstände des Einzelfalles an (BSG vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - BSGE 117, 240 = SozR 4-4200 § 21 Nr 19, RdNr 17; BSG vom 11.2.2015 - B 4 AS 27/14 R - BSGE 118, 82 = SozR 4-4200 § 21 Nr 21, RdNr 19; vgl auch Schiller in Estelmann, SGB II, § 21 RdNr 179, Stand Mai 2021).
Die Anschaffung des Tablets erfolgt im vorliegenden Fall prognostisch nicht mehrfach. Den Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass das Tablet für die gesamte Sekundarstufe I, also für sechs Jahre verwendet wird. Ein laufender Bedarf besteht damit schon deswegen nicht. Nichts anderes gilt, wenn man in Form einer abstrakt-generellen Betrachtungsweise darauf abstellt, ob der geltend gemachte Mehrbedarf prognostisch typischerweise und unabhängig von Bewilligungszeiträumen nicht nur ein einmaliger Bedarf ist (so BSG vom 8.5.2019 - B 14 AS 13/18 R - BSGE 128, 114 = SozR 4-4200 § 21 Nr 31, RdNr 29; BSG vom 8.5.2019 - B 14 AS 6/18 R - juris RdNr 29), denn es ist nicht ersichtlich, dass Tablets für den Schulunterricht typischerweise wiederholt angeschafft werden müssen.
Aus grundsicherungsrechtlicher Sicht liegt damit zugleich auch ein nur einmaliger Bedarf iS des § 21 Abs 6 Satz 1 SGB II aF (jetzt § 21 Abs 6 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II) vor. Ein Bedarf iS des § 21 Abs 6 SGB II liegt unabhängig von der Nutzungsdauer nur im Zeitpunkt der kostenverursachenden Beschaffung vor (BSG vom 12.9.2018 - B 4 AS 33/17 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 24 RdNr 38), hier also einmalig durch den Kauf des Tablets am 1.12.2016. In einer solchen Konstellation scheidet schon deswegen die Anwendbarkeit des § 21 Abs 6 SGB II aus (vgl BSG vom 12.9.2018 - B 4 AS 33/17 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 24 RdNr 38; BSG vom 29.5.2019 - B 8 SO 8/17 R - SozR 4-4200 § 24 Nr 8 RdNr 16). Entgegen der Auffassung, dass entscheidend sei, ob sich die Nutzung einer Sache über einen längeren Zeitraum erstreckt (so in einem Obiter Dictum LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.5.2020 - L 7 AS 719/20 B ER - juris RdNr 21), ist nicht auf die Nutzung eines Gegenstands, sondern auf dessen Anschaffung abzustellen (so auch Meßling in Birnbaum, Covid-19, Bildungsrecht in der Corona-Krise, 2021, § 7 RdNr 96 f).
Unerheblich sind die vom Leistungsberechtigten vereinbarten Zahlungsmodalitäten. Ein einmaliger Beschaffungsvorgang wird beispielsweise nicht dadurch zum laufenden Bedarf, dass der Leistungsberechtigte Ratenzahlung, ein Finanzierungsdarlehen oder Mietkauf vereinbart. Anderenfalls hinge die Differenzierung zwischen einmaligem Bedarf und nicht nur einmaligem Bedarf vom Vorgehen des Leistungsberechtigten ab. Bei einmaligen Bedarfen sieht § 24 Abs 1 SGB II lediglich die Gewährung eines Darlehens vor. Der - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - bestehende Anspruch auf ein Darlehen kann nicht dadurch in einen Anspruch auf einen Zuschuss nach § 21 Abs 6 SGB II "gewandelt" werden, dass der Leistungsberechtigte den einmaligen Bedarf selbst durch wiederholte Zahlungen finanziert. Der Leistungsberechtigte hat kein Wahlrecht, ob er statt eines Darlehens nach § 24 Abs 1 SGB II einen Zuschuss nach § 21 Abs 6 SGB II erhalten möchte (so aber offenbar Thüringer LSG vom 8.1.2021 - L 9 AS 862/20 B ER - juris RdNr 22).
dd) Dieses Ergebnis ist auch mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar. § 21 Abs 6 SGB II aF beruht auf der Rechtsprechung des BVerfG, wonach einmalige oder kurzfristige Spitzen durch ein Darlehen (nach § 24 Abs 1 SGB II) ausgeglichen werden können (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175 [255] = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 208). § 24 Abs 1 SGB II dient gerade der Schließung von Deckungslücken im Bereich einmaliger, nicht dauerhafter oder laufender Bedarfe (BSG vom 12.9.2018 - B 4 AS 33/17 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 24 RdNr 37). Wiederholt sich ein Bedarf prognostisch erst zu einem Zeitpunkt, zu dem keine Hilfebedürftigkeit mehr besteht, stellen sich grundsicherungsrechtliche Fragen ohnehin nicht. Besteht hingegen weiterhin Hilfebedürftigkeit, ist der Betroffene gegen eine übermäßige Belastung mit Rückzahlungsverpflichtungen durch § 42a Abs 2 Satz 1 SGB II geschützt, der die Aufrechnung auch bei mehreren Darlehen auf insgesamt zehn Prozent begrenzt (zu Letzterem BSG vom 28.11.2018 - B 14 AS 31/17 R - BSGE 127, 63 = SozR 4-4200 § 42a Nr 2, RdNr 44; Bittner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 42a RdNr 58). Abgesehen davon steht einer anderen Auslegung des § 21 Abs 6 SGB II aF auch die Wortlautgrenze entgegen (so auch Meßling in Birnbaum, Covid-19, Bildungsrecht in der Corona-Krise, 2021, § 7 RdNr 97).
ee) Die von der Klägerin postulierte analoge Anwendung des § 21 Abs 6 SGB II kommt nicht in Betracht. Die Gewährung von existenzsichernden Sozialleistungen bedarf der parlamentsgesetzlichen Grundlage (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 [223 f] - SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 136 f; BVerfG [K] vom 24.3.2010 - 1 BvR 395/09 - SozR 4-4200 § 20 Nr 11 RdNr 7; BVerfG vom 27.7.2016 - 1 BvR 371/11 - BVerfGE 142, 353 [380 f, RdNr 62] - SozR 4-4200 § 9 Nr 15 RdNr 62; BVerfG vom 7.7.2020 - 2 BvR 696/12 - BVerfGE 155, 311 [356, RdNr 104]; Henke, AöR 101 [1976], S 576 [587]; ders, DÖV 1977, 41 [44 ff]; Sommermann in von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 2, 7. Aufl 2018, Art 20 RdNr 281; vgl auch Burkiczak in Emmenegger/Wiedmann, Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Band 2, 2011, S 129 [144 ff]; Gärditz, BRJ 2010, 4 [7 f]). Dieses durch Art 20 Abs 3 GG verfassungsrechtlich und § 31 SGB I einfachrechtlich vorgegebene Erfordernis wirkt zu Gunsten und zu Lasten desjenigen, der Leistungen begehrt (vgl BSG vom 29.1.2004 - B 4 RA 29/03 R - BSGE 92, 113 = SozR 4-2600 § 46 Nr 1 RdNr 30 = juris RdNr 37; Aubel in Emmenegger/Wiedmann, Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Band 2, 2011, S 273 [287 f]; Gärditz in Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Art 20 [6. Teil] RdNr 164, Stand Januar 2011). Dies schließt zwar einen Erst-Recht-Schluss in Form eines argumentum a maiori ad minus (vgl Möllers, Juristische Methodenlehre, 3. Aufl 2020, § 6 RdNr 114) nicht aus (vgl BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - BSGE 120, 149 = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 20), soweit es dabei um die Verdeutlichung einer impliziten Regelung geht (vgl Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl 2020, RdNr 323, 325). Eine - hier von der Klägerin angestrebte - Erstreckung der vom Gesetzgeber vorgesehenen Rechtsfolgen auf Sachverhalte, deren Vorliegen der Gesetzgeber gerade nicht zur Tatbestandsvoraussetzung gemacht hat, oder die Bejahung von Rechtsfolgen ohne Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen würde aber den Vorbehalt des Gesetzes unterlaufen (vgl BSG vom 29.1.2004 - B 4 RA 29/03 R - BSGE 92, 113 = SozR 4-2600 § 46 Nr 1 RdNr 30 = juris RdNr 37; vgl auch BVerfG [K] vom 14.8.1996 - 2 BvR 2088/93 - juris RdNr 10, 13). Erweisen sich die kodifizierten Regelungen - etwa gemessen an den Vorgaben des BVerfG - als unzureichend, ist es nicht Sache der Gerichte, sondern des Gesetzgebers, zusätzliche Ansprüche zu schaffen (vgl BVerfG vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - BVerfGE 137, 34 = SozR 4-4200 § 20 Nr 20 RdNr 116).
c) Es besteht auch kein Anspruch der Klägerin gegen den örtlich zuständigen Sozialhilfeträger nach § 73 Satz 1 SGB XII. Nach dieser Norm können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Zwar sind Leistungen nach § 73 SGB XII nicht bereits wegen der Exklusivität der Leistungssysteme von SGB II einerseits und SGB XII andererseits ausgeschlossen; dies ergibt sich daraus, dass § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II (ebenso § 21 Satz 1 SGB XII) lediglich Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (§§ 27 bis 40 SGB XII) ausschließt, wenn ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes besteht. Der erkennende Senat hat indes schon vor Einführung der Härtefallklausel des § 21 Abs 6 SGB II mit Wirkung zum 3.6.2010 ausgesprochen, dass § 73 SGB XII nicht zur allgemeinen Auffangregelung für Leistungsempfänger des SGB II mutieren darf und daher unter anderem das Vorliegen einer besonderen Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist, erforderlich ist (BSG vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 26). Jedenfalls kommt ein solcher Anspruch allenfalls in Betracht, wenn es um eine Bedarfssituation ("sonstige Lebenslage") geht, die thematisch nicht den Bedarfslagen nach dem SGB II zuzuordnen ist (vgl BSG vom 29.5.2019 - B 8 SO 8/17 R - SozR 4-4200 § 24 Nr 8 RdNr 14 f). Dies ist hier nicht der Fall, weil es hier um eine grundsätzlich vom SGB II erfasste Bedarfslage - Aufwendungen für Bildung - geht.
Da damit ein Anspruch nach § 73 SGB XII und daraus folgend eine Verurteilung des örtlich zuständigen Sozialhilfeträgers nach § 75 Abs 2 Var 2, Abs 5 SGG von vorneherein ausgeschlossen war, bestand auch für die Tatsacheninstanzen keine Notwendigkeit zu dessen Beiladung (vgl BSG vom 24.2.2018 - B 8 SO 18/14 R - SozR 4-3250 § 14 Nr 24 RdNr 18).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.
Fundstellen
NJW 2022, 645 |
NVwZ 2021, 9 |
FEVS 2022, 289 |
NZS 2022, 114 |
SGb 2021, 433 |
ZfF 2021, 276 |
ZfSH/SGB 2022, 24 |
info-also 2021, 282 |